-𝟷𝟸-
Seit einigen Stunden schmückte mich der selbe nichtssagende Gesichtsausdruck. Die Monotonie verfolgt mich über die Stunden der Nacht, auch wenn mein kleines schwarzes Fellwunder mit seiner feuchten Nase stets versuchte Regung in mich zu bringen. Ich wollte Leontes erzählen, dass ich dem Welpen einen Namen gegeben hatte und am Ende war es diese schöne Vorstellung, die mich so quälte.
Wie vereinbart suchte ich den Hafen auf. Mein Ticket hatte über der Minibar gelegen. Ich wusste, wann mein Ritter es dort hingelegt hatte, aber nicht, wo er jetzt war.
Die Fähre stand vor mir, die Türen offen. Sie war bereit mich in meine Heimat zu bringen, doch ich war es nicht. Die meisten Passagiere blickten mir schon von innen entgegen.
Leontes hatte noch etwa zehn Minuten um hier aufzutauchen. Das stetige Aufjaulen meines treuen Gefährtens, wies mich auf die lange Zeit hin, die ich hier schon vergebens wartete.
„Ist gut Guardiano, er wird gleich da sein", sprach die Hoffnung aus mir. Eine kleine Flamme, deren belebender Wachs schon zugrunde schmolz.
Ich war erschöpft. Meine Beine trugen mich kaum noch über die Straßen. Meine Lungen erfüllten ihren Dienst nur noch mit größter Mühe. Das passierte, wenn zu viele Enttäuschungen auf eine enge Zeitspanne trafen. Wie ich das alles satt hatte. Wenn ich dachte in meiner wankenden Welt eine Konstante gefunden zu haben, dann zerfiel dieses kleine Stückchen Sicherheit wieder.
Andererseits wollte ich meinen neuen Mut nicht so schnell aufgeben. Leontes hatte noch sieben Minuten, stellte ich nach einem Blick auf meine Uhr fest.
„Es ist immer wieder das Gleiche."
Ich zuckte zusammen, als eine mir bekannte Stimme ertönte, doch nicht die, die ich mir sehnlichst herbei wünschte. Nein, eher eine mit der man mich hätte jagen können. Fiammas rote Mähne peitschte mir durch das Gesicht. Ich blickte an ihrem schicken weißen Jumpsuit hinab. Die weiten Hosenbeine flogen mit dem Wind und legten sich gleichermaßen an ihre makellose Figur an. „Am Ende eines jeden Tages, hinterlässt er Leere in den Augen jener Frauen, die ihm ihr Vertrauen schenkten." Ich atmete tief ein und wieder aus, um ein wenig Frust abzulassen. Guardiano tat es da schon auffälliger, so wie er dieses Teufelweib anbellte.
„Weißt du, wo er ist?" Genau diese Frage erwartete sie wohl bereits. Die Lider um das tiefe Braun zogen sich zu listigen Schlitzen zusammen.
„Das werde ich bald im Gegensatz zu dir." Schön für sie. Ich wandte meinen Blick wieder zur Fähre, die von der Besatzung gerade startklar gemacht wurde.
„Als er noch nichts hatte, da lullte er jede Woche eine neue Frau ein.
Er gab ihnen das, was sie brauchten und nahm sich dafür das, was er brauchte. So ist er an seinen Reichtum gekommen. Jetzt hat er das natürlich nicht mehr nötig, wo sein Imperium, erbaut aus gebrochenen Herzen, steht und gedeiht."
War ihre Absicht, mir weh zu tun, oder dachte sie in der Tat so schlecht von ihrem besten Freund, oder Partner, oder was auch immer. Sie weckte in mir das Verlangen, meine Nägel in ihrer schneeweißen Haut zu versenken. „Ich habe kein Geld und auch sonst nichts, was ich ihm bieten könnte. Also doch nicht immer das Gleiche", widersprach ich ihren Grundsätzen. Leontes war kein schlechter Mensch. Ich konnte ihm vertrauen! „Irgendwann wirst du herausfinden, was er von dir gebraucht hat, nur dann wird es schon zu spät sein. Immer das Gleiche...", flötete sie im Rückwärtsgang.
Sie lachte auf, wie eine Hyäne, als sie sich schließlich umdrehte und mich wieder der Einsamkeit überließ.
„Signora, wenn Sie nach Cesena wollen, müssen Sie jetzt auf das Schiff." Die Insassen gestikulierten schon heftig über die Verspätung, die ich zu verantworten hatte. Von Anfang an versprach er, dass wir uns um fünfzehn Uhr genau hier treffen würden. So viel dazu, dass ich ihm vertrauen konnte. „Ja, Entschuldigung für die Verzögerung", gab ich mich geschlagen.
Träge Muskel zogen mich über die Rampe. In meiner Fantasie erklang das Klackern seiner Absätze hinter mir, doch in der Realität peitschten nur die Wellen gegen den Hafen. Ich blieb draußen stehen und blickte wehmütig zurück. Es brannte hinter meiner Brust beim Anblick des schönen weißen Steinbelags der Straßen. So sahen die Wege aus, die wir gemeinsam bestritten. Das Hotel erspähte ich auch noch in der Ferne. Es stach zu, wie ein Messer zwischen meinen Schulterblättern. Leontes würde ein Kapitel in meinem Leben füllen, nicht mehr. Ein Kapitel, an das ich mich am Ende der Geschichte bestimmt kaum noch erinnern würde.
Ganze drei Tage hatte es gedauert, um ihn in mein Herz zu schließen. Das Leben hatte sich in eine wilde See verwandelt und er bot sich als Anker an, den ich dankend annahm. Doch jetzt fuhr das Schiff wieder, ohne Halt. „Na komm, Guardiano," forderte ich den Kleinen, indem ich ihm den Kopf leicht tätschelte. Ich schloss ab, weil mir nichts anderes übrig blieb. Mein Kopf sagte, Leontes würde genauso schnell aus meinen Gedanken verschwinden, wie er sich eingeschlichen hatte, doch mein Kopf konnte keinen Einfluss auf die Leere nehmen, die sich in mir ausbreitete, wie ein verdammter Virus.
Ich fiel gleich auf die erste Sitzbank. Zwischen reisenden Familien und dem einfachen Arrangement von schlichten hölzernen Bänken und Tischen fühlte ich mich definitiv wohler als auf dem Luxusdampfer.
Zunächst überbrückte ich die Stunden, indem ich Guardiano in ein paar Kommandos trainierte. Das Sitzen beherrschte er tatsächlich schon, auch wenn er es nie lange aushielt. Dann spielte das Fellknäuel mit einem kleinen Mädchen. Ich musste mich nur weiter mit Gewalt ablenken, um nicht durchzudrehen. Da zwangen sich einerseits Kayden, Jesse und Yvette in mein Bewusstsein und andererseits blieb Leontes an mir haften, wie eine blutsaugende Zecke.
Einst hatte es geholfen zu arbeiten, also warum jetzt nicht? Seit meiner Ankunft würdigte ich die Notizen keines Blickes, doch nun schien ich sowieso nichts besseres zutun zu haben. Ich erkannte bereits am ersten Satz, um was es ging. Erst um das Interview über die Vampire mit Leontes, dann um die Kollegen, die ich heimlich auf dem Kreuzfahrtschiff beobachtet hatte, doch etwas fehlte. Verwirrt blätterte ich hin und her, ohne zu wissen, was ich überhaupt suchte.
Dieses verdammte heuchlerische Arschloch! Auf einer leeren Seite zeichnete sich imaginär das Bild dieser Blüte. Von dieser Zeichnung war nur noch der Rand übrig, der nutzlos an der Spirale hing. Irgendwann wirst du herausfinden, was er von dir gebraucht hat, nur dann wird es schon zu spät sein. Dieses Irgendwann ereilte mich früher als gedacht. Und nochmal, dieses verdammte Arschloch! Meine Finger zogen die leere Seite zusammen. Es zerknitterte unter meinen Sehnen und Knochen. Ich stellte mir Leontes unter meiner Hand vor. Für eine einfache Zeichnung spielte er mir ein ganzes Szenario vor, indem er als schillernder Held hervor trat.
Wie ein kleines Mädchen übergab ich ihm dieses Bild, ohne Verdacht zu hegen. Wieso auch, es war doch nur eine bedeutungslose Zeichnung! Während ich mich hin und her gerissen gefragt hatte, ob ich Kaydens Anruf entgegen nehmen sollte, war er damit beschäftigt mein Gemälde zu klauen. Mit einem unschuldigen Lächeln im Gesicht, übergab er mir den Block wieder. Ja, und wenn er mich so anlächelte, tauchte ich in einer anderen Welt ab, nicht fähig mein Gehirn zu benutzen.
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