Chapter 19: Der Krieg: Herbst & Winter 1980

Warnung für Blut/Gewalt und Tod einer Nebenfigur--------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------

You done too much, much too young

You're married with a kid when you could be having fun with me

You done too much, much too young

Now you're married with a son when you should be having fun with me

Don't wanna be rich, don't wanna be famous

Ain't he cute? No he ain't.

He's just another burden on the welfare state.

Mittwoch, 3. September 1980

Wusch – platsch.

Remus landete auf seinen Füßen – gerade so – in einer schlammigen Pfütze mitten auf der Hauptstraße.

„Scheiße", murmelte er und riss seinen Mantel hoch – seine Stiefel waren nicht mehr zu retten und seine Socken schon durchnässt. Er hatte nicht gedacht, dass die Löcher so schlimm waren, es war definitiv Zeit für ein neues Paar. Er musste seine Ersparnisse checken.

Außerdem sah es so aus, als würde es später regnen. Verdammt, perfekt.

Remus hatte sehr schlechte Laune und nasse Füße waren sein geringstes Problem. Aber er war aus einem bestimmten Grund in Hogsmeade und er wusste, er musste sich einfach am Riemen reißen und es angehen. Er wünschte, er wäre nicht alleine, aber selbst wenn jemand verfügbar gewesen wäre, ihn zu begleiten (James hatte das Baby, Lily und Sirius waren in Broadstairs auf Spähtrupp, Marlene, Peter und Mary waren arbeiten), war ihm angeordnet worden, alleine zu kommen. Wie immer.

Er stapfte zum Gasthaus Drei Besen und dachte, zumindest würde dort ein schön warmes Feuer und vielleicht ein Schlückchen Whisky auf ihn warten. Er würde es brauchen. Immer wenn er jemanden alleine treffen sollte, ging es um Werwolfangelegenheiten, und das erforderte immer ein starkes Getränk. Er hoffte, es waren Neuigkeiten von Greyback statt von Castor.

Es begann zu regnen, als er in Sichtweite des Pubs kam, und er joggte das letzte Stück, um seine restliche Kleidung vor der Nässe zu schützen. Es war ein ruhiger Nachmittag in dem kleinen, schottischen Dorf – die Hogwartsschüler saßen in ihrem Unterricht und die Zauberer, die dort lebten, gingen ihrer Arbeit nach. Und sehr wenige Leute verließen ihr Haus dieser Tage, wenn sie nicht unbedingt mussten.

Das Gasthaus war schön leer. Remus spürte eine Welle von Nostalgie über ihn rollen, als er es betrat, und er erinnerte sich daran, wie er und seine Freunde vor nur zwei Jahren naiv und mit strahlenden Augen auf einem der Tische gesessen waren und freudig in die Zukunft geblickt hatten. Wer hätte wissen sollen, dass die Welt zu retten so eine graue, monotone Schinderei war?

„Remus Lupin, wie er lebt und atmet!", zwitscherte Rosmerta von der Bar mit einer Hand auf der Hüfte und einem wie üblich überquellenden Busen. Sie blickte hoffnungsvoll über seine Schulter. „Ist Black nicht dabei?"

Remus schüttelte seinen Kopf und ging in Richtung Feuerstelle, um dort Platz zu nehmen, sodass er zumindest versuchen konnte, seine Schuhe zu trocknen.

„Heute nicht, Rosmerta", sagte er und bemühte sich, einen fröhlichen Ton vorzutäuschen. „Könnte ich ein Glas—"

„Zwei Gläser – Butterbier, bitte", erklang eine bekannte Stimme. Remus drehte sich um und befand sich Angesicht zu Angesicht mit Dumbledore.

„Oh, h-hallo, Professor", sagte Remus verlegen.

„Remus." Dumbledore nickte höflich. Er nannte ihn nie ‚Mr. Lupin', nicht seitdem Remus ihn vor Jahren gebeten hatte, es zu lassen. „Bitte, setz dich." Er machte eine große Geste wie ein Pfarrer, der eine Predigt hielt.

Remus setzte sich. Dumbledore gab ihm immer das Gefühl, dass er noch immer elf Jahre alt war.

„Wie ist es dir ergangen?", fragte sein alter Direktor freundlich und nahm würdevoll auf dem Polstersessel gegenüber Platz. Er stellte eine schwer aussehende, lederne Aktentasche auf den Teppich zwischen ihnen. Remus beäugte sie argwöhnisch, aber antwortete: „Gut, danke. Sie wissen schon."

„Es sind schwere Zeiten", sagte Dumbledore und Remus erwiderte nichts darauf, weil er nicht sicher war, ob er sollte.

Rosmerta eilte mit den Butterbieren hinüber und setzte sie auf dem kleinen, runden Beistelltisch ab. Als sie gegangen war, hob Remus seinen Bierkrug und trank, nur zur Ablenkung. Er konnte so tun, als wäre es Alkohol, vielleicht würde das helfen, ihn zu beruhigen. Er wollte unbedingt eine Zigarette, aber aus irgendeinem Grund fühlte sich das vor Dumbledore falsch an. Also nippte er nur an seinem Butterbier und spürte, wie die süßliche, sirupartige Mischung auf seiner Zunge lag und seinen Hals hinunterrann.

„Du wirst dich fragen, warum ich dich hergebeten habe", sagte Dumbledore und beobachtete ihn.

„Ist es... ist es... Greyback?", flüsterte Remus. Dumbledore lächelte.

„Du musst dir keine Sorgen über Lauscher machen, Remus, wir können hier sicher frei sprechen. Nein, leider gab es keine weiteren Berichte über Greyback oder die junge Lady, mit der er reist."

„Oh." Remus blinzelte. Gut, was dann?

„Es handelt sich hier um eine eher dringliche Angelegenheit – oder zumindest wird sie das sein, wenn ich richtig liege."

„Okay..." Remus rutschte nervös hin und her. Er war normalerweise nicht der bevorzugte Beauftragte für ‚dringende Angelegenheiten'. Dumbledore schien seine Gedanken lesen zu können.

„Ich brauche jemanden mit einem guten Auge fürs Detail und einer gehörigen Portion Geduld." Er lehnte sich vor und öffnete die Aktentasche einen Spalt. Remus spähte hinein.

„Bücher!", rief er überrascht. Es mussten hundert von ihnen darin sein – wahrscheinlich eine Art Ausdehnungszauber.

„In der Tat", lächelte Dumbledore und schloss die Aktentasche wieder.

„Also... Sie brauchen jemanden für Recherche?"

„Das tue ich tatsächlich. Sag mir, Remus, wie viel weißt du über Prophezeiungen?"

„Äh... naja, ich habe nie Wahrsagen gehabt." Er kratzte sich am Kopf. Jetzt war er gespannt. „Aber es ist natürlich in Runen angesprochen worden... Ich habe ein wenig gelesen."

„Du wirst eine Menge mehr lesen müssen", sagte Dumbledore ernsthaft, „und ich muss dir sowohl die Bedeutsamkeit dieser Aufgabe als auch ihre Vertraulichkeit einschärfen. Alles, was du erfährst, muss absolut vertraulich sein, verstehst du das?"

„Ich... natürlich", nickte Remus leicht alarmiert. „Aber wonach soll ich für Sie Ausschau halten?"

„Einstweilen suchen wir einfach nach einem besseren Verständnis der Natur von Prophezeiungen. Viele dieser Büchen beinhalten geheime Abschriften – einige davon werden vielleicht einer Übersetzung bedürfen – von bekannten Prophezeiungen und orakelhaften Äußerungen. Ich würde gerne davon wissen, wenn es welche gibt, die mit Voldemort in Verbindung gebracht werden können oder diesem bestimmten Moment in der Geschichte."

„Also... Sie denken, jemand könnte vielleicht bereits eine Prophezeiung gemacht haben? Darüber, wie der Krieg endet?"

„Es wäre möglich", erwiderte der Professor kurz. „Aber wir können es uns nicht leisten, übereilte Entscheidungen zu treffen. Solange noch Zeit bleibt, würde ich gerne so viel in Erfahrung bringen wie möglich."

Dumbledore wechselte regelmäßig zwischen ‚ich' und ‚wir', wenn er vom Krieg sprach, bemerkte Remus. Doch er dachte, er hatte so ziemlich alles verstanden.

„Okay", sagte er. „Wie soll ich Sie informieren, wenn ich etwas gefunden habe?"

„Ich werde zu dir kommen", erwiderte Dumbledore kryptisch. „Noch einmal, Remus, ich kann die Wichtigkeit dieser Aufgabe nicht genug betonen. Du darfst es niemandem erzählen, verstanden?"

„Verstanden."

Das bedeutete, es Sirius nicht zu erzählen oder James oder irgendjemand anderen seiner Freunde. Manchmal fragte sich Remus, ob Geheimnisse einfach sein Schicksal im Leben waren. Er dachte einen Moment lang nach. „Professor?"

„Ja?"

„Sollte ich nach Prophezeiungen Ausschau halten, die verhindert wurden – oder –", er formulierte es um, weil er wusste, dass das unmöglich wäre, „umgangen? Ich meine, ich weiß nicht eine Menge darüber, aber es gibt immer Schlupflöcher, nicht wahr?"

Dumbledores Augen funkelten und ein kleines Lächeln spielte sich auf seinen Lippen.

„Sehr gut, Remus."

* * *

Freitag, 24. Oktober 1980

Und so verbrachte Remus den Großteil des Herbstes. Er studierte die Bücher bis in den Oktober hinein. Es war überhaupt nicht schlimm – genau genommen gefiel es ihm sogar. Er hatte Recherche immer gemocht und obwohl er die friedlichen, luftigen Kammern der Bibliothek vermisste, war er ziemlich zufrieden in seiner kleinen Londoner Wohnung mit unendlich vielen Teekannen und einem leise rauchenden Aschenbecher an der Hand.

Wenn Sirius hereinkam, verhüllte er seine Bücher und Notizen mit ‚Obfuscate' und Sirius schien mit dieser Regelung glücklich zu sein. Er verstand, was im Dienste des Krieges gemacht werden musste.

Jedenfalls waren sie sowieso kaum in der Wohnung – Remus nutzte sie nur, um zu arbeiten. Sie verbrachten viel mehr Zeit in der Villa der Potters, wo James' altes Schlafzimmer in ein Kinderzimmer umgewandelt worden war, aber Sirius' altes Schlafzimmer noch so aussah wie immer, nur dass sich die Hälfte von Remus' Sachen auch dort befanden. Gemeinsam waren die Rumtreiber und Lily zu einer lustigen, kleinen Familie zusammengewachsen mit Baby Harry im Mittelpunkt.

Remus brauchte einen Monat oder so, um seine Angst vor Kleinkindern zu überwinden – und er war noch immer ein wenig angespannt, wenn er Harry wirklich hielt – aber Sirius war eine große Hilfe gewesen.

Sirius war völlig vernarrt in seinen Patensohn. Das Kind war kaum nicht in seinen Armen, wenn sie auf Besuch waren (eine Erleichterung für Lily und James, die dem Druck der Elternschaft in Verbindung mit ihren Pflichten für den Orden gerade so standhielten).

„Sag Padfoot, Harry, komm schon! Pah–d–foo–t...", ermutigte Sirius ihn eines Abends, als er das winzig kleine, grünäugige Wesen auf seinem Schoß schaukelte.

„Sie sprechen nicht, bis sie mindestens ein Jahr alt sind", grinste Remus, der auf der Couchlehne saß. „Ich habe es nachgeschlagen."

Normale Kinder tun das nicht", Sirius warf seine Haare zurück und hielt Harrys rundliche, kleine Handgelenke sanft fest, „aber Harry Potter ist kein gewöhnliches Baby, er ist eindeutig sehr weit für sein Alter. Komm, Harry, sag Pad–foot..."

„Mach dir keine Hoffnungen", lachte Lily. „James' Mutter hat mir erzählt, dass er nicht gesprochen hatte, bis er achtzehn Monate alt war."

„Hey", rief James aus dem Arbeitszimmer seines Vaters, „ich war ein sehr nachdenkliches Kind, sonst nichts."

„Oh ja, was hat sich geändert?", rief Sirius grinsend zurück.

„Du nimmst ihn total in Beschlag, Padfoot!", jammerte Peter und streckte seine Arme aus. „Komm schon, ich durfte noch gar nicht mit ihm kuscheln."

„Nicht meine Schuld, dass er mich am meisten mag", erwiderte Sirius und streckte erst Peter seine Zunge heraus, dann Harry, und blies dabei seine Wangen auf und ließ seine Augen vortreten, sodass das Baby kicherte und zufrieden babbelte.

„Ich kann mit dir kuscheln, Pete", neckte Remus.

„Lily, sag es ihm!", forderte Peter sie auf und verschränkte seine Arme beleidigt.

„Ernsthaft! Ich habe einen Sohn und das ist genug." Lily lachte und stand auf. „Keine Streitereien während Mama und Papa weg sind, okay Jungs?" Sie warf ihnen einen sehr strengen Blick zu.

„Du hast zu viel Zeit mit Molly verbracht", sagte Sirius.

„Gut, ich bin fertig." James kam mit seinem Reiseumhang zurück ins Wohnzimmer. Lily hatte ihren schon an. Sie schenkte ihm ein nüchternes Lächeln.

„Dann geht's los."

Eine kalte Stille breitete sich im Raum aus und Remus starrte auf den Boden, weil er sich nicht dazu bringen konnte, seine Freunde anzusehen, geschweige denn das Baby.

Lily brach sie.

„Oh, hört auf so melodramatisch zu sein, Leute. Es ist eine Standardmission, wir haben hunderte davon hinter uns." Sie ging zu Sirius hinüber und beugte sich vor, um Harrys Kopf zu küssen – auf dem schon ein Schopf schwarzer Haare wuchs. „Tschüss Harry, Mama und Papa haben dich so lieb. Wir sehen dich bald wieder."

James sagte nicht auf Wiedersehen – er trug einen hölzernen, gedämpften Gesichtsausdruck, den Remus seit dem Begräbnis seiner Eltern immer öfter gesehen hatte.

„Könnt ihr uns wirklich nicht sagen, wo–", fing Peter an.

„Entschuldigung, Wormtail", James hielt seine Hände hoch, „Moodys Anweisungen. Du weißt, wie es ist."

Peter nickte und seine Schultern sackten hinunter. Remus wusste, wie er sich fühlte – es war schwer genug zu wissen, dass seine Freunde sich in Gefahr begaben. Es war noch schwerer, nicht genau zu wissen, womit sie es zu tun haben würden – als würden sie außer Reichweite verschwinden.

„Komm", trieb Lily ihren Mann an und zog ihn aus dem Raum. „Wir sind hoffentlich vor dem Morgen zurück!", rief sie aus dem Vorhaus. Und dann schlug die Tür zu und Harry brach in Tränen aus.

„Oh, Mist", sagte Sirius über die Schreie hinweg. „Äh... du kannst ihn jetzt haben, wenn du willst, Pete?"

Sie brauchten Stunden, um Harry endlich zu beruhigen. Er heulte, als wäre sein Herz gebrochen und beruhigte sich nicht, bis es fast Mitternacht war.

„Ich könnte das definitiv nicht Vollzeit machen", sagte Sirius mit dem Kopf in seinen Händen, als er auf dem Boden des Kinderzimmer zusammensackte.

„Jesus, ich schwöre, dieses Kind ist besessen", flüsterte Remus und rieb seine Schläfen. Er hatte heftige Kopfschmerzen.

„Scheiße, du solltest ins Bett gehen", sagte Sirius und sah zu ihm hinauf. Sein normalerweise makelloses, schimmerndes Haar war verknotet und irgendwo klebte definitiv noch milchiges Baby-Erbrochenes darin. Ohne eine Spur Ironie musterte er Remus stirnrunzelnd. „Du musst erschöpft sein."

„Oh, mir geht's gut." Remus zuckte mit den Schultern – er versuchte nicht zusammenzuzucken, als er jede Sehne in seinem Rücken spürte. Gestern war ein Vollmond gewesen. „Eigentlich wollte ich nicht bleiben... du weißt schon, ich habe Arbeit zu erledigen."

„Oh, das." Sirius nickte. Sein Mund war eine gerade Linie. Er kletterte auf die Beine und blickte ein letztes Mal in das rotgoldene Gitterbett. Harry schlief, Gott sei Dank. Sie schlichen beide leise aus dem Raum und ließen die Tür nur einen Spalt offen.

Auf dem Treppenabsatz, wo das Licht an war, sah Sirius noch schlimmer aus – er hatte blutunterlaufene Ringe unter seinen Augen. Remus berührte ihn sanft am Arm.

Du solltest ins Bett gehen."

Sirius nahm seinen Arm, plötzlich mit geweiteten Augen.

„Moony, geh nicht."

„Hm? Ich gehe nur in die Wohnung..."

„Bitte?" Sirius umklammerte ihn, halb wahnsinnig vor Müdigkeit. „Nimm dir nur eine Nacht frei, bleib einfach hier bei mir?"

„Pete ist hier..." Remus drehte seinen Kopf leicht. Er konnte Peter unten auf der Couch schnarchen hören. Kein großer Trost, dachte er.

„Aber ich will dich", sagte Sirius verzweifelt.

Das traf Remus auf eine ungewöhnliche Weise. Für jeden anderen hätte sich das nach Jammern angehört; kindisch. Immerhin war Sirius ein erwachsener Mann und Remus hatte wichtige Arbeit zu erledigen. Aber irgendwie erweckte es ein Gefühl in Remus, das er seit einer langen Zeit nicht mehr für Sirius empfunden hatte – das Verlangen, ihn zu beschützen. Ihn festzuhalten, ihm zu sagen, dass alles okay sein würde, und stark und verlässlich für den Mann zu sein, den er liebte.

Erstaunt von dieser Erkenntnis tat Remus genau das, umarmte Sirius fest und küsste sein schmutziges Haar.

„Okay, dann", flüsterte er, „bleibe ich."

Schließlich, dachte er, als Sirius duschen ging, die Erleichterung merkbar an seiner Haltung, würde Sirius nicht dasselbe für ihn tun?

* * *

Freitag, 21. November 1980

Dieses Mal kamen Lily und James zurück wie immer; müde, ein bisschen härter, ein bisschen weniger strahlend, aber ansonsten vollkommen unbeschadet. Remus verspürte immer eine enorme Erleichterung, wenn jemand seiner Freunde heil zurückkam, und jedes Mal schwor er sich, dass er es nicht für selbstverständlich halten würde. Aber was bedeutete das, wenn man jung war?

Es hatte Tote gegeben – Tote im Orden, Tode von Leuten, die er gekannt hatte – aber niemand, der ihm wirklich nahe stand. Niemand, den er wirklich liebte. Die Prewetts hatte er gemocht. Mit Benjy Fenwick hatte er ein- oder zweimal gesprochen. Aber sie standen sich nicht nahe und ihre Verluste betrafen ihn nicht gravierend. Im Vergleich zu anderen hatte Remus unglaubliches Glück.

Natürlich fühlte man sich nie glücklich in dieser Zeit. Glücksfälle waren zu oft etwas, das man erst im Nachhinein erkannte.

Sirius wurde im November einundzwanzig. Sie feierten keine Party, aber Hagrid buk eine eher schiefe – aber sehr große und sehr leckere – Torte, die sie alle nach dem regulären Treffen im Unterschlupf des Ordens aßen. Jemand machte Fotos, aber Remus vergaß, sie ausfindig zu machen.

„Es ist eine große Sache für Muggel, einundzwanzig", merkte Remus an, als sie an dem Abend ins Bett gingen. „Sie erreichen ihre Volljährigkeit."

„Warum? Muggel können nicht zaubern." Sirius runzelte die Stirn und gähnte.

„Nein, ich weiß, es ist nur eine altmodische Sache", versuchte Remus zu erklären. „Man bekommt einen eigenen Haustürschlüssel oder so was in der Art."

„Alberne Muggel", grummelte Sirius, während seine Augen schon zufielen. „Ich fühl' mich alt."

„Nun, bist du aber nicht." Remus ließ sich neben ihm nieder. „Ich bin derjenige, der schon grau wird. Einundzwanzig ist jung. Wirklich, wirklich jung."

Sirius seufzte bedrückt.

„Fühlt sich nicht so an."

Remus wusste genau, was er meinte, aber es gefiel ihm nicht. Sie waren allesamt gefangen an dieser verwirrenden Stelle zwischen Jugend und Erwachsenenalter – Baby Harry hatte das nur verschlimmert. Es existierte dieses Gefühl, dass einem die Zeit davonlief, und das Bedürfnis, so viel wie möglich so schnell wie möglich zu erreichen. Peter schuftete bei seinem Job im Ministerium und angelte stets nach einer höheren Position; James und Lily spielten gleichzeitig Vater-Mutter-Kind und Krieg – Remus und seine dumme Trinkerei.

Wenigstens hatte er Recherche zu tun. Das schien gut zu laufen – hin und wieder schaute Dumbledore vorbei, um zu sehen, wie er vorankam. Und Remus lud so viele Informationen wie möglich ab – mit Details, weil er wusste, dass Dumbledore Details mochte. Der alte Mann würde weise nicken, seinen Bart streicheln und leise grübelnd dasitzen. Wenn er Rückschlüsse zog, erzählte er Remus nicht davon.

Es fühlte sich allerdings gut an. Remus spürte sogar, wie er sich das erste Mal für Dumbledore erwärmte. Er mochte es, nützlich zu sein. Und dann, kurz vor dem Vollmond im November, bekam Remus seine Chance wirklich nützlich zu sein.

Wie immer bekam er eine Nachricht von Moody. Er sollte am Freitag, dem 21. November, zu sehr konkreten Koordinaten apparieren und Ferox dort treffen.

„Sag ihm ab", sagte Sirius verärgert. „Verdammter Moody, er weiß, dass das die Nacht vor dem Vollmond ist! Du solltest nicht seine Aufträge nicht annehmen, wenn es dir nicht gut geht."

„Jesus, bei dir klingt es, als wäre ich ein Invalider." Remus verdrehte die Augen. „Ich bin mir sicher, es gibt einen guten Grund dafür. Es wird schon, mach dir keine Sorgen."

„Schick einen Patronus, falls irgendetwas passiert?", bat Sirius ernst. „Mir sind die Regeln egal, sag einfach, du gibst mir Bescheid?"

„Es wird schon", wiederholte Remus.

Er hatte wirklich ein gutes Gefühl bei der Sache. Wenn der Mond zunahm, fühlte er sich oft stärker als sonst und normalerweise bekam er keine Anfälle von Übelkeit bis ein paar Stunden vor dem Sonnenuntergang.

Es war gut, aus London rauszukommen; weg von dem Verkehr und Lärm und Gedränge. Es war gut, von den Potters wegzukommen – von Windeln und Babygesprächen und Weinen und Cremespinat. Zu der festgelegten Uhrzeit apparierte Remus und folgte den Anweisungen, die er bekommen hatte. Er fand sich auf einer windigen Felsklippe wieder, irgendwo, wo es sehr kalt und öde war.

Das Meer rauschte und wütete meilenweit unter ihm und das lange Gras peitschte um seine Fußgelenke. Remus atmete tief ein und inhalierte das Salz, die Erde, den scharfen, kalten Geruch der Wolken. Der Wolf in ihm leckte sich die Lippen und spitzte die Ohren aufmerksam. Ja. Greyback war hier gewesen.

„Hallo!" Ferox befand sich ein Stück weit in der Ferne, ein Strichmännchen, das ihm zuwinkte. Remus hob seine Hand zur Begrüßung, beugte sich nach vorne gegen den Wind und stapfte zu ihm hin.

„Hi", sagte er atemlos, als er näher kam, die kalten Hände tief in seinen Taschen vergraben und die Nase zugefroren. „Wo sind wir?"

„Galloway", sagte Ferox fröhlich. Er trug einen dicken Ledermantel mit einer Kapuze, aber sein Gesicht war trotzdem gerötet von dem harschen Wetter und weißer Nebel kam aus seinem Mund, wenn er sprach. „Schön hier, hm?"

Remus war sich nicht sicher, ob er das sarkastisch meinte oder nicht, also gab er ihm nur ein neutrales Lächeln. Insgeheim dachte er, ja, diese Landschaft war wunderschön, wenn auch abweisend.

„Greyback war hier", sagte er, weil er zur Sache kommen wollte.

„Bist du dir sicher?"

„Hundert Prozent", nickte Remus. Ferox nickte ebenfalls.

„Sehr gut, dann hatten wir also Recht. Es gab einen Hinweis für die Muggelpolizei über ein Paar Landstreicher, ein Mann und eine Frau, die verdächtig aussahen. Du denkst also, sie waren hier?"

Remus überlegte und atmete noch einmal ein.

„Ja, aber der Geruch ist älter... vielleicht einen Tag oder so."

„In Ordnung. Sollten wir dann ein bisschen umher spazieren? Sehen, ob er ein wenig stärker wird?"

„Okay..." Remus war nicht sicher, wie er sich dabei fühlte, der Bluthund des Ordens zu sein. Aber er wollte Greyback so gerne finden wie jeder andere auch, also tat er, was ihm gesagt wurde.

Sie spazierten eine Weile auf der Klippe hin und her, bis Remus sich sicher war, wohin die Spur führte. Als sie hinunter gingen, weg vom Meer und hin zu einer kleinen Landstraße, wurde er zuversichtlich, dass Livia und Greyback vor Kurzem hier gewesen waren und er begann, schneller zu gehen. Ferox hatte natürlich kein Problem mitzuhalten; er war so fit und gesund wie schon immer.

„Was werden wir tun, wenn wir ihn finden?", fragte Remus, während sie gingen. Er passte auf, Livia nicht miteinzubeziehen, denn – okay, obwohl sie definitiv eine Mörderin war, konnte er nicht anders, als etwas mehr Sympathie für sie zu empfinden. Immerhin war sie seine Schwester auf eine sehr verdrehte Art.

„Moody denkt, sie haben sich irgendwo für den Vollmond versteckt", antwortete Ferox. „Ausgehend von meiner Recherche sind Werwölfe direkt nach dem Vollmond am schwächsten, also werden wir bis dahin warten."

„Deine Recherche?" Remus warf ihm einen komischen Blick zu.

„Ein paar Bücher, die ich aufgegabelt habe – es gibt nicht viel, das über NEWT-Level hinausgeht."

„Hast du mit Madam Pomfrey gesprochen? Sie hat sich sieben Jahre um mich gekümmert, sie weiß eine Menge", sagte Remus und versuchte nicht zu ungehalten zu klingen. „Oder Marlene McKinnon? Sie hat ihre eigenen Fallstudien erstellt, um zu sehen, ob bei der Behandlung von Lykanthropie irgendwelche Fortschritte gemacht werden können. Oder, naja. Du könntest auch mich fragen. Ich weiß vielleicht ein wenig."

Ferox lachte gutmütig.

„Alles klar, Kumpel, alles klar, ich verstehe, was du sagen willst. Es ist nur so, dass nicht immer genug Zeit ist, um zahllosen Hinweisen auf einen Scheißkerl wie Greyback nachzugehen. Es muss schnell gehen."

Remus sagte nichts, weil es nur falsch herausgekommen wäre. Er hasste es wirklich, Ferox zu kritisieren, es fühlte sich so unangenehm und peinlich an. Er hatte einmal zu ihm aufgesehen als eine ideale Version von Männlichkeit und er mochte es nicht, an dieser Illusion zu viel zu verändern. Aber ernsthaft. Bei der Art, wie er redete, könnte man denken, Greyback sei einfach nur ein Kleinkrimineller, keine mörderische Kreatur und charismatischer Sektenführer.

Der Geruch war inzwischen sehr stark geworden und als sie auf dem nächsten Hügel oben ankamen, konnte Remus ein großes, grauschwarzes Gebilde in der Ferne erkennen. Die Ruine eines alten Schlosses – Schottland war bekanntlich übersät mit ihnen. Diese war ein Turmhaus und sah aus wie ein großes, quadratisches Gefängnis, das bedrohlich über den Überresten eines sumpfigen Grabens thronte.

„Da", sagte Remus und stoppte abrupt. „Dort wird er sein."

Ferox klopfte ihm auf die Schulter.

„Gute Arbeit, Junge."

* * *

Samstag, 22. November 1980

Ferox wollte nicht, dass Remus bei der Konfrontation mit Greyback dabei war. Remus war das scheißegal. Er wusste, wohin er gehen musste und wann, und nichts könnte ihn von seiner Absicht abbringen.

„Dann komme ich auch", sagte Sirius fest entschlossen, nachdem er genug Information aus Remus herausgepresst hatte.

„Nein, tust du verdammt noch mal nicht", sagte Remus.

„Doch. Entschuldigung, Moony, aber es kommt absolut nicht in Frage, dass ich dich ein zweites Mal an dieses Monster verliere."

„Du hast mich letztes Mal nicht verloren, du riesige Dramaqueen, das war eine Mission", entgegnete Remus. „Außerdem kann ich dich nicht solcher Gefahr aussetzen."

„Ich bin jeden Tag in Gefahr." Sirius zuckte mit den Schultern. „Wenn es direkt nach dem Vollmond ist, brauchst du meine Hilfe zum Apparieren."

„Ich habe das schon mal gemacht", winkte Remus ab. „Es ist schwer, aber ich schaffe es. Außerdem ist das keine normale Mission, du wärst nicht nur Verstärkung, du wärst ein Druckmittel gegen mich. Er weiß, wer du bist. Er weiß, was du mir bedeutest."

„Er hat dich gezwungen, ihm das zu sagen?!"

„So ungefähr. Ich habe dir ja erzählt, dass sie Gedanken lesen können."

„Dieser Bastard. Ich komme auf jeden Fall mit dir mit."

Remus hatte vergessen, wie stark Sirius' Meinung zu Legilimentik war. Walburga hatte sie als Strafe angewendet und er würde Gedanken lesen für immer mit schwarzer Magie in Verbindung bringen. Remus hatte die Tatsache nicht angesprochen, dass das eine Werwolfeigenschaft zu sein schien und dass er, wenn er sich anstrengte, es auch tun konnte. Wahrscheinlich keine gute Idee, das jetzt gerade zu erwähnen, entschied er.

Also bekam Sirius natürlich seinen Willen und Remus hoffte einfach, er würde in der Lage sein, ihn zu beschützen.

Sie gingen in den Lake District Nationalpark zu Vollmond; ein Ort, an dem die Rumtreiber sich schon einmal amüsiert hatten, ein Ort mit schönen Erinnerungen. James und Peter kamen nicht mit. James war bei keinem Vollmond mehr dabei gewesen, seit Harry geboren worden war, und Remus verstand, dass er nicht zu oft von seiner Familie weg sein wollte. Peter hatte irgendetwas Vages darüber gesagt, dass er spät arbeitete und ehrlich gesagt war Remus zu sehr damit beschäftigt, sich Sorgen über den bevorstehenden Kampf mit Greyback zu machen, also hinterfragte er es nicht.

Der Wolf hatte sich diese Nacht wahrscheinlich gut amüsiert, aber Remus konnte sich nicht an viel erinnern. Es verlor sich alles in dem blutroten Schleier der Verwandlung, dem Ersticken und Kratzen und Stöhnen, als er sich zurück in seine menschliche Form verwandelte.

„Urrrgh!"

„Ich hab dich, Moony." Sirius hielt ihn an den Schultern und wickelte einen Umhang um seinen Körper. Remus zwang sich, die Augen zu öffnen, weil er wusste, wie wenig Zeit sie hatten.

„Zauberstab", krächzte er und stand auf. Sirius reichte ihn Remus. „Wir müssen gehen, sofort", sagte Remus und stützte sich auf Sirius, während er seine Kleidung anzog. Seine Hände zitterten und er fummelte an den Knöpfen seiner Hose und seines Hemdes herum.

„Wir gehen schon, atme noch einmal tief durch", sagte Sirius mit ruhiger und fester Stimme. „Halt dich an mir fest, ich appariere mit dir..."

Sirius hielt sein Wort; er versuchte nicht, Remus davon abzuhalten zu gehen oder ihm zu sagen, was er tun sollte. Er brachte sie einfach dorthin, wo sie hinmussten.

Ferox war bereits dort.

„Alles klar, Jungs", nickte er und hielt seine Stimme gesenkt. Es war noch ziemlich dunkel unter dem grauen Himmel in Galloway und die Graslandschaft war in durchscheinende Nebelschwaden gehüllt. Die Schlossruine erhob sich schwarz und unheilverkündend. Es war still, kein Vogelgezwitscher, überhaupt keine Geräusche. Wie ein zeitloser Ort.

„Hast du irgendetwas gesehen?", fragte Remus eindringlich. Er konnte sie riechen, die Fährte war sehr stark.

„Ich habe ein paar Geräusche gehört; das muss gewesen sein, als sie sich zurückverwandelt haben", sagte Ferox. Er sah Remus an. „Bist du okay, Kleiner? Du siehst ein wenig grün um die Nase aus."

„Ja." Remus schluckte. „Mir geht's gut. Wir sollten jetzt hineingehen."

„Recht hast du. Zauberstäbe raus." Ferox richtete sich auf und setzte sich in Bewegung. „Schade, dass wir sie nicht erwischt haben, als sie Wölfe waren, hm?", sagte er grinsend. „Diese Felle bringen ein bisschen Kohle auf dem Schwarzmarkt."

Remus war schlecht und der Schweiß auf seinem Rücken wurde kalt. Sirius griff im Dunklen nach seiner Hand und drückte sie, dann warf er seinen Kopf zurück und sagte schroff: „Sag solche Scheiße nicht, das ist widerlich."

Ferox sah geschockt nach hinten zu ihm, dann zu Remus. Er runzelte die Stirn.

„Entschuldigung, Junge, ich hab es nicht so gemeint."

Sie sagten kein weiteres Wort mehr, als sie sich dem Schloss näherten. Sirius und Ferox versuchten leise zu sein, aber Remus wusste, dass sie genauso gut eine Herde Elefanten hätten sein können, die sich Livia und Greyback anpirschten, deren Sinne so geschärft waren wie seine, auch nach dem Vollmond. Trotzdem würden sie vielleicht langsamer sein, schwächer.

Als sie die Burgmauer erreicht hatten, spürte Remus es. Greyback wartete. Der Geruch veränderte sich und in seinem Kopf erklang diese schreckliche, grollende Stimme.

Hallo, Welpe... Hast du mir Frühstück mitgebracht?

„Er weiß, dass wir hier sind", flüsterte Remus hektisch. „Seid vorsichtig!"

Ferox berührte seine Braue in einer Art Salutation, um zu zeigen, dass er es verstanden hatte. Dann bog er um die Ecke und trat ein. Remus eilte ihm nach, Sirius ebenfalls. Ferox hielt seinen Zauberstab erhoben und als er unter dem kaputten Torbogen hindurch in die Schatten der Ruine trat, öffnete er den Mund – er hatte vorgehabt, den Silberketten-Spruch anzuwenden, um die Werwölfe lange genug festzubinden, bis die Auroren übernehmen konnten – aber es war zu spät.

Remus war nur einen Sekundenbruchteil hinter Ferox und sah den Stein herunterfallen. Er erstarrte, dann sackte er zu Boden. Blut quellte aus einer Wunde auf seinem Hinterkopf.

„Nein!", schrie Remus über Greybacks Lachen hinweg, als das Ungeheuer eines Mannes in das frühe Morgenlicht trat, sein Gesichtsausdruck voller Freude. Livia sprang als Nächste heraus und machte einen Satz auf Sirius, entriss ihm seinen Zauberstab und warf ihn zu Boden.

„Oooooh, wer ist das denn, Bruder? Hübscher, hübscher Junge...", krähte sie. Sie saß rittlings auf ihm und hielt Sirius' Handgelenke über seinen Kopf, während er gegen sie ankämpfte. Sie sah dünner aus, aber war offenbar so stark wie immer.

„Lass ihn los!", knurrte Remus und hob wütend seinen Zauberstab. Dann schrie er vor Qual auf. Greyback hatte seinen Stabarm gepackt und ihn so stark verdreht, dass der den Knochen knacken hörte.

„Remus!", schrie Sirius.

Remus erblindete fast vor Schmerz, Greyback lachte wieder und ließ ihn los.

„Willkommen zurück, Welpe", schnurrte er. „Wie sehr ich dich vermisst habe..."

„Fick dich", stöhnte Remus und sah sich nach seinem Zauberstab um, den er irgendwo fallen gelassen hatte.

„Na na", Greyback gluckste, als Remus sich aufrichtete, um sich Greyback zu stellen. Seinen gebrochenen Arm drückte er gegen seine Brust. „Du solltest auf deinen Händen und Knien sein, nach dem, was du mir angetan hast."

„Töte ihn, Vater!", gackerte Livia. „Töte den Verräter Remus Lupin, genau wie er meinen Bruder Gaius getötet hatte! Dann kann ich den Hübschen haben!"

Greyback grinste sie liebevoll an.

„Sie steckt voller kluger Ideen, mein schönes Mädchen."

Remus nutzte die Gelegenheit, um über Greybacks Schulter zu schauen – Ferox bewegte sich. Sehr langsam; er war sichtlich verletzt, aber Remus sah, wie sich seine Faust um seinen Zauberstab schloss.

„Dann mach schon!", sagte Remus zu Greyback und biss seine Zähne durch den Schmerz zusammen. „Töte mich. Was dann?"

„Was dann?!", höhnte Greyback. „Dann nehme ich dein kleines Menschenspielzeug auseinander, das ist dann. Dann zerreiße ich ihn Glied für verdammtes Glied – aber nicht, bevor ich nicht meinen Spaß mit ihm gehabt habe..."

„Du bist widerlich!", feuerte Remus zurück und versuchte Zeit zu schinden, während Ferox' Augen sich öffneten. Er konnte Greyback genauso gut sagen, was er von ihm hielt, wenn er die Chance dazu hatte. „Du bist Dreck! Du bist Nichts! Du redest von Freiheit, aber du hast nicht die leiseste Ahnung, was sie ist! Du bist nichts weiter als ein Tyrann! Voldemorts Schoßhündchen!"

„Töte ihn", kreischte Livia.

Greybacks Gesicht hatte sich in dämonische Rage verwandelt, seine gelben Augen glühten und Remus dachte wirklich, dass das sein Ende sein würde. Er kniff seine Augen zu und wappnete sich.

„Was?! Argh!", schrie Livia und Remus hörte ein Hundebellen.

Er öffnete seine Augen und sah, dass Livia von einem knurrenden Padfoot umgeworfen worden war – Remus hatte ich noch nie knurren sehen – mit gefletschten Zähnen und Schaum im Gebiss.

„Vater!", jaulte Livia. „Hilf m–"

Und mit einem Blitz aus violettem Licht verstummte Livia. Ihre Augen weiteten sich und ein schwarzer Schlitz durchschnitt ihren Hals. Sie umklammerte ihn, um das herausströmende Blut aufzuhalten, aber es half nichts mehr, es war zu spät.

Greyback brüllte laut vor Qual, aber Ferox stand schon mit erhobenem Zauberstab auf seinen Füßen und war bereit, denselben Fluch noch einmal zu verwenden. Greyback war in die Ecke gedrängt worden.

„Du bist ein toter Mann", zischte er Ferox zu, und dann disapparierte er mit einem letzten Knurren.

„Verdammt!", grunzte Ferox und stolperte vorwärts, noch immer bereit, den Fluch abzufeuern.

Sirius war wieder Sirius. Er stand neben Livia und starrte auf sie hinunter. Remus ging ebenfalls hinüber und fühlte eine unangenehme Mischung aus Erleichterung und ehrlicher Trauer. Ihr grauer Pelzmantel war mit Blut verkrustet, was in dem trüben Licht dunkelviolett aussah. Es war furchtbar, aber seine erste Sorge galt Sirius.

„Okay?", fragte er leise.

Sirius nickte, während er noch immer nach unten sah. „Du?"

„Glaub schon." Sein Arm pulsierte und schickte den Schmerz hinauf bis zu seiner Schulter; aber er wusste, das konnte geheilt werden. Livia nicht. Ferox gesellte sich zu ihnen, eine Hand gegen seinen Kopf gepresst, wo der Stein ihn getroffen hatte.

„Merlin, was für eine Schweinerei", murmelte er. „Wenigstens haben wir das Weibchen erwischt."

„Ihr Name ist Livia", sagte Remus wütend.

Er sah die Szene plötzlich, wie sie ein Passant erleben würde. Drei Männer standen über ihrem dünnen Körper.

Sie hätte jeden ihrer Hälse in der Nacht davor aufschlitzen können, ohne die Luft anzuhalten. Sie war eine Naturgewalt; Königin der Nacht. Sie war eine der stärksten Menschen, die er je getroffen hatte. Sie war eine der wenigen Menschen auf der Welt, die wirklich verstanden hatten, was es bedeutete, ein Wolf zu sein.

Ihre Augen waren noch offen und starrten blind auf den weiten, grauen Himmel. Remus kniete sich neben sie und schloss sie sanft.

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Der Song am Anfang ist ‚Too Much Too Young' von The Specials

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