Chapter 9: Fünftes Jahr: Unverzeihbar

CW für Erwähnung von häuslicher Gewalt---------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------

Remus, James und Mr. Potter stürmten sofort vorwärts. Remus, der Sirus als Erster erreichte, fiel auf die Knie. Er lag mit dem Gesicht nach unten und schwarze Haare flossen wie Blut auf den roten Teppich. Remus dachte nicht nach, sondern rollte ihn einfach herum. Sein Gesicht war blass, seine Augen waren geschlossen, aber er lebte. Ja, Remus konnte Sirius' Herz hören, das stark unter seinen Rippen schlug. Er konnte den Gestank nach Angst riechen, gemischt mit Adrenalin.

„Sirius?!" James war auch da, drückte seinen Kopf an Sirius' Brust, und lauschte.

„Er lebt", sagte Remus und seine Stimme klang seltsam. Er umklammerte immer noch Sirius' Schultern, wo er ihn gedreht hatte. Er konnte nicht loslassen, seine Hände umklammerten die feinen Samtroben.

„Effie!", rief Mr Potter. „Schnell!" Er beugte sich über Sirius. „Tretet zurück, Jungs, gebt ihm etwas Luft..."

„Mmm." Sirius bewegte sich leicht, seine Wimpern flatterten, aber er kam nicht zu Bewusstsein.

„Was stimmt nicht mit ihm?", fragte Remus verzweifelt. Mr. Potter führte ihn weg und er musste loslassen. Er kroch rückwärts, wie eine Krabbe über den Teppich, als Mrs. Potter hereinkam. Er wusste, dass seine Beine ihn noch nicht tragen würden.

Euphemia Potter war in Sekundenschnelle an Sirius' Seite und zog seinen Kopf in ihren Schoß. Er musste ein weiteres Geräusch von sich gegeben haben, denn sie fing an, ihm sanft zuzuflüstern: „Schhh jetzt, Liebes, ich bin hier, du bist in Sicherheit, schhh..."

Remus spürte wie Tränen in ihm aufstiegen. Er zog seine Beine unter sein Kinn und schlang seine Arme um sie. Was ist passiert? Er sah zu James hinüber, der ihm gegenüber auf dem Boden des Wohnzimmers saß. Genauso geschockt, genauso verängstigt. Draußen erklang ein entferntes *KNACK*. Mr. Potter verließ den Raum und kehrte einen Moment später mit Dumbledore zurück. Er schien Kälte mit sich zu bringen. Remus spürte, wie sie sich in seinen Knochen festsetzte, trotz des Feuers, das immer noch im Kamin loderte.

„Moody ist draußen", sagte der alte Mann zu James Vater, „Schutzzauber und alles, was er aufbringen kann. Heute Nacht wird niemand mehr hierher kommen."

Gut, dachte Remus. Gut. Schließt uns alle hier ein und lasst nie wieder jemanden in seine Nähe.

„Wie geht es ihm, Effie?" Dumbledore stand über Mrs. Potter, die Sirius immer noch in ihren Armen wiegte. Sie wirkte eine Art Magie. Ihre Augen waren geschlossen, ihr Zauberstab wanderte über den Körper des bewusstlosen Jungen und ihre Lippen bewegten sich schnell, ohne ein Geräusch zu machen. Als sie schließlich aufsah, wirkte sie erschütterter als Remus sie jemals gesehen hatte. Doch in ihren Augen brannte feurige Wut.

„Er wird überleben", sagte sie. „Er braucht Ruhe."

„War es...?" Mr Potter sah nervös aus. Mrs. Potter schloss die Augen wieder und nickte. „Cruciatus."

James hatte sein Gesicht mit seinen Händen bedeckt. Remus fühlte sich einfach leer - als wäre alles, was jemals Sinn gemacht hatte, ausgewrungen worden. Der Folterfluch.

„Jungs," sagte Mr. Potter plötzlich scharf und sah erst James und dann Remus an. „Ich weiß, dass ihr bleiben wollt, aber es ist wichtig, dass ihr jetzt ins Bett geht. Im Moment könnt ihr nichts für Sirius tun."

„Aber Dad!", fing James an und stand zitternd auf. Auch er hatte Tränen in den Augen.

„James!", sagte Mrs. Potter vom Boden aus. „Nein. Bett."

Sie schrie nicht, aber jeder Mann im Raum schien leicht zu schrumpfen. Es stand außer Frage, ihr nicht zu gehorchen.

Remus war sich nicht sicher, wie er aufgestanden war, ob Dumbledore ihm geholfen hatte oder ob er es selbst getan hatte. Er war sich auch nicht sicher, wie er den Raum verlassen hatte, in dem Sirius war. Es schien Stunden später, dass er mit James auf dem Treppenabsatz im ersten Stock stand. Gully zündete Kerzen im ganzen Haus an und bewegte sich leise. Die Porträts entlang der Treppen schliefen. James hielt seine Schlafzimmertür auf und Remus ging wortlos hinein.

Sie lagen nebeneinander in ihren Klamotten über der Decke auf dem Bett. Sie hatten erst zwei oder drei Stunden zuvor auf demselben Bett gesessen und darauf gewartet, dass Sirius ihnen sagte, dass es ihm gut gehe. Im Dunkeln sammelten sich James und Remus und gaben sich gegenseitig die Zeit, die sie brauchten.

James brach natürlich die Stille.

„Er ist jetzt hier", sagte er tonlos. „Er ist jetzt hier und Mum wird ihn nie zurückgehen lassen, das weiß ich."

Remus nickte, weil es keine Worte gab. Er wusste nicht, ob James es sah; sie starrten beide gerade nach oben. Seine Gedanken rasten und er sagte das Erste, was sich wie ein zusammenhängender Gedanke anfühlte.

„Passiert das? Mit diesem Fluch?"

„Ich weiß es nicht. Ich habe es noch nie gesehen."

„Nein, natürlich."

„Mum war früher eine Heilerin. Wenn ihm jemand helfen kann..."

„Und Dumbledore ist hier."

„Ja genau."

„Wenn er..." Remus' Stimme brach und er hörte auf zu reden.

„Ich weiß, Kumpel", flüsterte James.

Sie sprachen erst am Morgen wieder.

* * *

Weihnachtstag 1975

Remus konnte nicht glauben, dass er eingeschlafen war. Er verfluchte sich dafür, dass er so gedankenlos und egoistisch war. Du hast kein Anrecht auf ihn, sagte er sich wütend, als er sich aufsetzte und von James' riesigen, bequemen Himmelbett kletterte. Du hast kein Recht, dich überhaupt seinen Freund zu nennen, wenn du nicht einmal wach bleiben kannst, wenn er... Er wusste nicht, wie es Sirius ging.

Er ließ James noch schlafen und ging ins Badezimmer. Es war Morgen. Die Vorhänge waren vermutlich von Gully zurückgezogen worden und diesiges Wintertageslicht füllte das Treppenhaus. Das Haus war sehr ruhig. Es war noch niemand wach. Der Geruch nach Frühstück und Tee lag nicht wie sonst in der Luft. Nachdem er auf dem Klo gewesen war und sich schnell gewaschen hatte, stand Remus etwas unbeholfen im Flur.

Er wollte nicht zurück in James' Zimmer gehen, das schien ein bisschen komisch, besonders da er seine eigenen Sachen in einem der Gästezimmer ausgepackt hatte. Remus konnte Sirius im Raum am Ende des Flurs riechen. Mrs. Potter war bei ihm. Er wusste nicht, wo Mr. Potter war.

„Master Lupin", erschreckte ihn eine quietschende Stimme. Es war Gully, seine großen braunen Augen voller unschuldiger Besorgnis. „Wollen Sie frühstücken, Master Lupin?"

Remus schüttelte den Kopf.

„Nein danke."

„Das ist eine schreckliche Sache. Schrecklich schlechte Sache." Die kleine Kreatur schüttelte traurig den Kopf und die Ohren welkten wie bei einem traurigen Welpen.

„Ja. Schrecklich." Remus saß auf der Treppe und war froh mit jemandem zu sprechen.

„Ich sage meiner Herrin und meinem Meister, wir müssen vorsichtig sein. Wir müssen unsere eigenen schützen. Gully meint, wir sollten uns verstecken. Gully kennt viele Familien, die sich jetzt verstecken." Gullys Stirn hob sich, als wollte er sich ganz genau an etwas Wichtiges erinnern. „Aber meine Herrin sagt zu mir: ‚Gully, wir haben Verantwortung. Wir sind eine gute, glückliche Familie und haben viele gute Dinge.' Die Herrin sagt mir, dass wir uns um alle kümmern müssen, soweit das möglich ist. Sie sagt, wenn wir das nicht tun, haben wir überhaupt nichts mehr, das es wert ist, geschützt zu werden."

„Hat Sirius nicht sehr gut beschützt." Remus fuhr wütend mit seinem Zeh über den Teppich.

„Nein", schüttelte Gully erneut seinen großen runden Kopf. „Im Krieg werden immer Menschen verletzt."

Remus biss sich auf die Lippe. Hinter ihnen öffnete sich eine Tür,

„Gully?" Die schwache Stimme von Mrs. Potter kam herein: „Kommst du und setzt dich zu Sirius, während ich - oh, hallo, Remus, mein Lieber."

Sie war die ganze Nacht wach gewesen, das war eindeutig, aber sie hatte immer noch ein Lächeln für ihn übrig.

„Geht es ihm gut?" Remus stand auf.

„Kein bleibender Schaden", flüsterte sie und ihr Lächeln ließ leicht nach. „Jedenfalls nicht äußerlich. Er schläft noch, nur eine milde Dosis Trank. Möchtest du dich zu ihm setzen? Ich muss mich ein wenig hinlegen, bevor Monty nach Hause kommt."

„Ja, ja natürlich", Remus bewegte sich vorwärts und war bestrebt, auf jede erdenkliche Weise zu helfen. Er überquerte schnell den Treppenabsatz und schlüpfte in den Raum.

„Schick Gully, um mich zu wecken, sobald er seine Augen öffnet", sagte Euphemia und tätschelte sanft seine Schulter. „Dumbledore wird mit ihm sprechen wollen. Er wollte das letzte Nacht, aber ich ließ ihn nicht. Armes Lämmchen."

„Er war also bei Bewusstsein? Letzte Nacht?"

„Ja. Für eine Weile", seufzte Euphemia tief und hohl vor Erschöpfung. „Aber er war nicht in der Lage, verhört zu werden."

Remus nickte stumm.

Sie schloss die Tür hinter sich. Das Zimmer war dunkel, aber das war in Ordnung. Remus konnte im Dunkeln sehen und oft gefiel ihm das.

Die Gestalt, die im Bett lag, konnte unmöglich sein Freund Sirius Black sein. Sirius Black hätte nämlich nie so geschlafen. Gesicht nach oben, Hände an seiner Seite, Decken ordentlich über seine Brust gezogen. Sirius schlief wie ein Hund; alle Laken zerknittert und Gliedmaßen in die Seite gestemmt, mit dem Gesicht nach unten, die Arme weit ausgestreckt.

Remus näherte sich mit Vorsicht. War es so, fragte er sich, am Morgen nach Vollmond? Fühlte es sich so an, seinen Freund auseinandergerissen zu sehen? Es war unerträglich. Er saß auf dem Sitz neben dem Bett, ein zerknautschter lila Sessel mit einem Buch, das aufgeschlagen auf einem Arm lag. Unverzeihlich: Für die Opfer von Flüchen und Verhexungen sorgen. Remus schloss das Buch und fragte sich, ob Mrs. Potter es schon oft konsultiert hatte. Darunter war ein Taschentuch, feucht von Tränen – Remus konnte das Salz riechen. Es muss für sie schwierig gewesen sein – als Heilerin und Mutter. Hatte sie diesen schwarzhaarigen Jungen angesehen und James gesehen? Hatte sie sich gefragt, welches Elternteil so etwas tun würde?

Er saß in der Stille und hörte Sirius beim Atmen zu. Dummerweise dachte er an Grant, der überhaupt keine Hilfe wäre, außer dass er Remus wahrscheinlich umarmt hätte und Remus spürte, dass eine Umarmung das Einzige war, was er gerade auf der Welt wollte. Die Kirchenglocken hallten vom Dorf her den Hügel hinauf. Es war der erste Weihnachtstag.

* * *

Nach ungefähr einer Stunde kam James herein und schloss sich ihm an. Er brachte Tee mit und Remus nahm ihn dankbar an. James hob fragend seine dunklen Augenbrauen und Remus schüttelte seinen Kopf, nein. James saß auf der Armlehne des Stuhls und sie sprachen nicht.

Es dauerte eine weitere Stunde, bis Sirius sich überhaupt bewegte. Ein leises Rühren, dann ein Flackern in seinen Gesichtszügen, bevor sich seine Augen öffneten, schwer vom Schlaf. Er brauchte einen Moment, um zu sich zu kommen, und der Raum war immer noch sehr düster. Als er endlich die Gestalten von James und Remus bemerkte, runzelte er die Stirn und lächelte.

„Verdammt noch mal", sagte er heiser, „wer ist gestorben?"

James lachte. „Wichser."

„Penner", warf Sirius zurück.

„Arsch."

„Hey", Sirius stützte sich auf die Ellbogen. „Sei nett, ich bin ein Invalider, weißt du?"

„Ich sag dir was", grinste James, „du weißt wirklich, wie man einen Auftritt hinlegt."

„Es liegt mir im edlen Blut." Sirius lächelte, dann stockte er und seine Augen waren plötzlich verschlagen. Sie alle verstummten wieder. „Entschuldigung", murmelte er und sah nach unten.

„Tee?"

„Gerne."

„Gully!", rief James den Hauselfen herbei, der nur zu gern diente.

„Also", fragte Sirius und die Farbe kehrte langsam in seine Wangen zurück. „Ihr zwei habt Nachtwache über mich gehalten?"

„Eigentlich war es Mum, die die ganze Nacht wach war."

„Oh ja ..." Sirius' Gesicht wurde distanziert und verschlossen. „Ich werde ihr natürlich danken. Und mich entschuldigen, dass ich einfach so aufgetaucht bin..."

„Sei nicht dumm", schüttelte James den Kopf, „sie würde alles für dich tun. Sie liebt dich."

Sirius' Augen füllten sich mit Tränen und er sah weg. Glücklicherweise tauchte Gully in diesem Moment mit einem Teetablett wieder auf, das mit Tassen, Untertassen, Toast, Muffins, Würstchen, Eiern (Rührei, gebraten und gekocht), geräuchertem Lachs, Bückling und sogar Müsli beladen war.

Keiner von ihnen aß sehr viel. Remus hatte Hunger – eigentlich hungerte er, aber alles schmeckte nach Plastik, sodass er am Ende nur Tasse um Tasse kochenden Tee trank – keine Milch, kein Zucker. Er war noch nicht wütend – Wut war seine übliche Reaktion, wenn er sich hilflos oder traurig fühlte oder Schmerzen hatte, aber er hatte das Gefühl, dass das später kommen könnte. Gerade jetzt wollte er das sein, was Sirius brauchte.

„Oh", sagte er plötzlich, „ich sollte deine Mutter holen, James, sobald Sirius aufwacht."

„Lass sie schlafen", sagte Sirius und lehnte sich zurück auf seine Kissen.

„Nein, sie wollte, dass ich sie wecke, damit sie Dumbledore benachrichtigen kann."

„Wozu?", fragte James ratlos. „Jetzt ist doch alles in Ordnung."

„Er wollte ein paar Fragen stellen–"

„Nein!", unterbrach Sirius.

James und Remus drehten sich beide zu Sirius um, der wieder erblasst war, seine Augen groß und verängstigt. „Bitte", sagte er, „noch nicht, nur... lasst mich einfach Weihnachten genießen, okay? Ich will nicht darüber reden."

„Okay Kumpel, es ist okay...", sagte James leise und beugte sich vor, um Sirius' Schulter zu tätscheln. „Wir werden sie nicht wecken. Du kannst so tun, als ob du noch schlafen würdest, wenn du willst. Alles was du willst."

„Danke." Sirius entspannte sich wieder. „Tut mir leid".

„Pfft." James blies sich die Haare aus der Stirn. „Es ist Weihnachten, nicht wahr?"

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