Chapter 7: Fünftes Jahr: Eifersüchtiger Vollmond
Donnerstag, 18. Dezember 1975
„Ich hätte die Aufsätze gerne bis Januar zurück... ja, Mr. Pettigrew, zusätzlich zu dem über die Tücken des Gemino-Fluchs." McGonagall warf ihm ein dünnes Lächeln zu, das alles andere als mitfühlend war.
Peter sah ziemlich miserabel aus und die ganze Klasse fühlte mit ihm. Ihr Aufgabenpensum war enorm gewachsen, je näher Weihnachten kam. Sirius hatte sogar einen Verkleinerungszauber auf seine Bücher, Notizen und Hausaufgaben anwenden müssen, um alles unter sein Bett quetschen zu können. Remus dachte, dass das nur eine kurzfristige Lösung war – wenn Sirius alle seine Sachen ausräumen und sie ein für alle Mal neu organisieren würde, hätte er kein Problem, alles ordentlich in seine zugewiesenen Regale zu bekommen. Remus, der nie wirklich genug Dinge besessen hatte, um mit ihnen ein Chaos zu veranstalten, hasste Unordnung. In manchen Nächten dachte er, dass der Zustand von Sirius' Bett noch ablenkender war, als der Junge, der darin schlief.
Marlene war besonders verzweifelt, als sie den Klassenraum verließen, um zu Zaubertränke zu gehen.
„Ich verstehe den Verdopplungs-Teil nicht, der ist so verwirrend!"
„Es gibt einen einfachen Weg zur richtigen Aussprache", sagte Remus, der wieder einmal mit seiner schweren Tasche zu kämpfen hatte. Diese Woche, kurz vor dem Vollmond, waren seine Schultern besonders wund. „Ich kann ihn dir noch zeigen, bevor wir über Weihnachten abreisen, wenn du willst."
„Oh ja, bitte!" Marlene nickte dankbar. „Du erklärst alles so verständlich. Heute Abend?"
„Nein, ich kann heute Abend nicht", erwiderte er sanft. „Freitag?"
„Oh, ok... Dann muss ich heute noch fertig packen. Ich muss noch Geschenke für Mama und Danny einpacken."
Dieses Jahr hatte Remus jedes einzelne seiner Weihnachtsgeschenke, sofort nachdem er sie gekauft hatte, sorgfältig verpackt, zu aufgeregt, um zu warten. Jetzt freute er sich auf zwei ungestörte Wochen bei den Potters mit Peter und James.
Sirius war schon frühzeitig im Schuljahr mittels eines Heulers nach Hause bestellt worden. Remus hatte ein ungutes Gefühl dabei; er war zutiefst beunruhigt wegen seines Freundes, der sicherlich eine schreckliche Zeit haben würde. Aber andererseits waren zwei Wochen ohne Sirius, der die gesamte Luft im Raum für sich beanspruchte, eine willkommene Erleichterung für Remus, dessen Willenskraft zu schwinden drohte.
Zum Beispiel jetzt gerade, als er draußen vor dem Eingang zum Kerker stand und sich mit Marlene unterhielt und jedes Gramm seiner Energie dafür verschwendete, nicht direkt über ihre Schulter hinweg zu starren, dorthin, wo Mary und Sirius in eine leidenschaftliche Umarmung verwickelt waren, die schon fast an obszön grenzte.
Sie waren seit Sirius' Geburtstag so; jeder Moment in ihrer gegenseitigen Gesellschaft schienen sie mit Zungen-Wrestling zu verbringen – zu James Empörung.
„Evans, kannst du das nicht unterbinden?", fragte er, während er sich erschöpft an die Wand lehnte. „Ich will meinen Freund zurück."
„Es steht über öffentliche Demonstrationen von Zuneigung nichts in den Regeln, Potter", sagte Lily und zog eine Grimasse. „Denkst du etwa, ich hätte nicht schon nachgesehen?"
Glücklicherweise öffnete Slughorn genau in diesem Moment die Tür zum Klassenraum und Remus eilte hinein. Er und Lily teilten sich einen Tisch im vorderen Teil des Raumes, also musste er wenigstens nicht zusehen, wie Sirius und Mary sich die ganze Stunde lang Blicke zuwarfen. Wenigstens sprach Sirius nicht über sie, wenn sie nicht da war – so wie es Peter mit Desdemona zu tun pflegte, oder James mit Lily. Remus hatte begonnen, sich auf die langen Nächte in ihrem Schlafsaal zu freuen, in denen er so tun konnte, als hätte sich nichts verändert.
Zaubertränke war wie immer langweilig. Remus hatte vor, das Fach abzuwählen, sobald er mit den OWLs fertig war – er würde vermutlich nur mit knapper Not bestehen und selbst das auch nur dank Lily.
Slughorn gab ihnen einen weitere Aufgabe bis Januar.
„Wenn das so weitergeht, werde ich noch Aufsätze während des Weihnachtsessens schreiben müssen", seufzte Lily, als sie ihre Sachen einpackten. „Ich kann es nicht erwarten, dass die OWLs vorbei sind, du auch?"
„Ich nehme mal an, wir müssen dann an den NEWTs arbeiten, sobald wir damit fertig sind", antwortete Remus pessimistisch. „Und Dirk Cresswell hat mir erzählt, dass wir die OWL-Ergebnisse nicht bis Ende des Sommers bekommen werden."
„Was?! Oh nein, das wird meine Ferien ruinieren. Papa will mit uns allen mit dem Wohnwagen nach Cornwall fahren und darauf habe ich mich echt gefreut."
Remus nickte ernst. Auch wenn noch nicht einmal Weihnachten war, hatte er sich auch schon auf die Sommerferien gefreut. Zwei lange, warme, unkomplizierte Monate mit Grant hörten sich nach vollkommenem Glück an. Er hatte Grant eine Weihnachtskarte geschrieben, hatte aber noch nicht entschieden, ob er sie abschicken sollte. Es stand nichts Interessantes drin – nur ein gewöhnlicher festlicher Gruß – aber er war trotzdem verlegen. Grant würde vielleicht denken, dass es albern war. Remus trug sie schon seit einer Woche in seiner Schultasche mit herum.
„Also, was hast du heute Abend so vor?", fragte Lily, als sie auf dem Weg zum Mittagessen das Klassenzimmer verließen.
„Hmm? Nichts."
„Ich hab mitgehört, wie du Marlene gesagt hast, dass du beschäftigt bist, und wir sind im Dienstplan nicht für die Patrouillen eingetragen..."
„Oh, äh... es ist was anderes. Nachsitzen."
„Remus, du musst nie nachsitzen", lachte Lily. „Komm schon, was ist es? Ein Streich? Eine geheime Affäre?"
Remus schenkte ihr ein mysteriöses Lächeln, von dem er hoffte, dass es wie das von James oder Sirius aussah –
„Stell mir keine Fragen und ich erzähl dir keine Lügen."
„Versuch einfach, keine Regeln zu brechen", grinste sie zurück und schubste ihn leicht.
Remus schnaubte, als ob ihm so etwas nie in den Sinn kommen würde. Eigentlich waren es ja James, Sirius und Peter, die das Gesetz brachen. Er war nur ein unschuldiger Werwolf-Zuschauer.
„Evans, Moony." James schloss sich ihnen an, als sie die große Halle erreichten. „Kann ich euch beim Mittagessen Gesellschaft leisten, da ihr zwei gerade die einzigen seid, die nicht am Knutschen sind?"
„Oh, was bin dann ich, schottischer Nebel?" Marlene stieß ihn an, als sie sich setzten.
„Entschuldigung, McKinnon", James verbeugte sich anmutig. „Ich danke dir, dass du deine Anständigkeit bewahrst. Im Gegensatz zu anderen." Er zerknüllte seine Serviette und warf sie an Sirius' Kopf. „Turteltauben! Nehmt euch ein Zimmer, wir versuchen hier zu essen!"
Es hatte keinen Effekt.
„Es ist ziemlich mutig von ihr, überall im Schloss mit ihm rumzumachen", grübelte Marlene. „Oder mutig von ihm. Bin mir nicht sicher. So oder so, ein Reinblüter und eine Muggelgeborene, die ihre Beziehung so zur Schau stellen—"
„Was soll das denn heißen?", sagte Lily und sträubte sich wie eine verärgerte Katze. „Mary ist genauso viel wert wie Sirius Black. Blutstatus hat nichts damit zu tun."
„Ja, ich weiß das natürlich", sagte Marlene defensiv, „Aber... naja, sieh selbst." Sie schielte hinüber zum Slytherintisch.
Eine Reihe von Slytherins, Regulus unter ihnen, beobachteten die übermäßige Demonstration von Zuneigung, die am Gryffindortisch vor sich ging. Als eine Muggelgeborene war Mary im Laufe ihrer Schulzeit oft eine Zielscheibe gewesen, aber es war klar, dass die Missbilligung stärker geworden war, seit sie mit dem Erben einer der ältesten reinblütigen Familien Großbritanniens zusammen war.
Es war zutiefst nervenaufreibend, die Art wie sie alle starrten; die Augen zu Schlitzen verengt und die Fäuste geballt. Alle von ihnen, außer Snape – der beobachtete Remus.
„Heilige Scheiße", murmelte James. „Ein Haufen Spinner."
„Ich mach mir Sorgen um sie." Marlene biss sich auf die Lippe. „Wenn sie in den Fluren bedrängt wird und Sirius nicht dabei ist..."
„Wir passen auf sie auf", sagte James galant. Er sah Remus und Lily an. „Oder?"
„Sicher", Remus nickte sofort.
„Äh... ja", sagte Lily ein wenig zögerlicher. Sie hatte einen eigenartigen Ausdruck im Gesicht, als James sie ansah. So als ob sie etwas gesehen hatte, das sie überraschte.
„Selbstverständlich. Wir alle mögen Mary, wir werden nicht zulassen, dass ihr etwas geschieht"
* * *
„Er ist spät dran", grummelte Remus, schlang seine Arme um seinen eigenen Körper und ging auf und ab. „Er ist irgendwo und knutscht mit MacDonald, er wird nicht kommen."
„Er wird da sein, Moony, gib ihm noch eine Minute."
„Ich habe keine Minute!", schnappte Remus. Seine Nerven waren am Ende, er hatte nicht die Geduld, um höflich zu sein. „Ich muss gehen und Madam Pomfrey treffen, jetzt."
„Ok, dann geh, wir folgen dir", sagte James. „Wenn Black nicht auftaucht, dann kommen Pete und ich allein. Es wird trotzdem funktionieren, ich bin groß genug, um dich unter Kontrolle zu halten."
Remus mochte die Idee nicht, aber er war zu schlecht gelaunt. Er war kurz davor, einfach davonzustürmen, als die Tür aufschwang und ihn fast im Gesicht traf,
„Ups, sorry, ich bin spät dran!", sagte Sirius. Seine Haare waren verwuschelt und seine Wangen waren pink. Remus sah ihn angeekelt an.
„Ich muss gehen", sagte er durch zusammengebissene Zähne.
„Ja, ich weiß, es tut mir wirklich leid, Moony." Sirius versuchte ein charmantes Lächeln. „Ich war nur bei Mary und—"
„Ich hab keine Zeit für sowas!" Remus verließ den Raum auf der Stelle und marschierte zielgerichtet die Treppe hinunter. Jederzeit im Monat – zu jeder anderen Zeit außer bei Vollmond – kam er mit allem klar, mit seinem Verlangen nach Sirius, mit seiner Eifersucht gegenüber Mary, mit seiner Einsamkeit, ohne jemanden zum Reden. Nur jetzt war es alles ein bisschen zu viel.
Er sprach auf dem Weg zur Hütte kaum mit Madam Pomfrey und als sie auf halbem Weg waren, realisierte er, dass er seine Freunde riechen konnte – alle drei – sie folgten ihnen unter dem Unsichtbarkeitsumhang. Er versuchte mühevoll, seine Reizbarkeit unter Kontrolle zu bringen und ruhig zu wirken, und fokussierte seine Gedanken auf Weihnachten mit den Potters; der Geruch von Nelken und Orangen, die dicken, saftigen Johannisbeeren in Mrs. Potters Obstkuchen, samtig weiße, königliche Zuckerglasur, die Wärme des Kamins. Er fühlte sich viel besser als Madam Pomfrey ihn einsperrte.
„Es tut mir wirklich leid, Moony", sagte eine Stimme kurz bevor Sirius, James und Peter wie aus dem Nichts auftauchten. Sirius trat schuldbewusst einen Schritt vor. „Es wird nicht wieder vorkommen."
„Es ist okay", Remus zuckte die Schultern und hörte dabei das Knacken in seinen Gelenken. „Du hast es noch rechtzeitig geschafft. Alles ist gut."
„Ich sag euch was", Sirius grinste sie alle an, „Küssen macht wirklich süchtig, sobald man mal weiß, wie's geht."
James und Peter lachten. Remus lächelte so respektvoll wie er konnte. Er hatte den dringenden Wunsch, ihnen allen die Wahrheit zu erzählen – dass er gar nicht dieser besserwisserische, unerfahrene Junge war, für den sie ihn hielten; dass er eigentlich genau wusste, wie viel Spaß es machte, stundenlang geküsst zu werden – diese unvergleichbare Intimität davon, jemanden zu haben, an dem man sich festklammern konnte. Und mehr noch; er wusste auch, wie es sich anfühlte, wenn es vorbei war.
„Wo denkt sie, dass du jetzt bist?", fragte James Sirius.
„Nachsitzen natürlich. Muss meine Bad-Boy-Fassade aufrechterhalten."
„Gewiss musst du das, Schnuffel."
„Oh, halt den Mund, Buckeroo."
Remus schloss seine Augen, als Schmerz durch seinen Körper fuhr. Er biss sich auf die Lippe und rollte sich auf dem Bett zurück.
„Verwandelt euch lieber", sagte er zu seinen Freunden. „Wir sehen uns gleich."
* * *
Freitag, 19. Dezember 1975
„Heilige Scheiße, Moony, davon bin ich echt kein Fan", sagte Sirius matt, als er Remus zurück zu seinem Bett führte.
„Mm, auch nicht mein Lieblingsteil", antwortete Remus und zuckte vom hellen Morgenlicht geblendet zusammen. „Tut mir leid, ich muss ein schrecklicher Anblick sein."
Er hatte seine Schulter wieder ausgekugelt. Was würde passieren, wenn er mit der Schule fertig war und Madam Pomfrey ihn nicht mehr in Ordnung bringen konnte? Würde er in ein Krankenhaus gehen müssen? Gab es Krankenhäuser für Zauberer?
„Es lief aber gut", sagte James irgendwo im Raum. „Du vertraust uns immer mehr."
„Ja", stimmte ihm Sirius zu, „ich schätze im neuen Jahr können wir versuchen, diesen Ort zu verlassen..."
„Was?"
„Anfangen, zu erforschen – da draußen gibt es so viel im Wald zu entdecken, Moony. Du verdienst es."
„Hmm." Remus konnte nicht klar denken, er war zu müde, zu wund.
„Bis später", flüsterte James, genau als Remus einschlief.
Als er aufwachte, lag er schon mit geheiltem Arm im Krankenflügel und fühlte sich fit wie ein Turnschuh. Dazu war es der letzte Schultag und morgen würde er in den Hogwartsexpress zurück nach London einsteigen, auf zu den Potters. Er lächelte. Er konnte sich nicht daran erinnern, in letzter Zeit so glücklich gewesen zu sein. Wann war er je ohne eine neue Narbe nach einem Vollmond aufgewacht? Wann hatte er je ein Weihnachten gehabt, bei dem er sich auf eine liebevolle Familie freuen konnte? Er würde vielleicht sogar eine Runde auf James' alten Besen drehen, wenn ihn jemand mit ein wenig Schokolade bestach.
„Schönen Nachmittag, Mr. Lupin", rief Madam Pomfrey. Sie musste eine Art sechsten Sinn haben, denn sie wusste immer, wann er wach war.
„Schönen Nachmittag", rief er mit einem leichten Krächzen zurück. Er und Sirius hatten zusammen geheult, erinnerte er sich. Es war wunderschön gewesen – wie singen.
„Eine weitere sehr gute Nacht!" Die Medi-Hexe kam auf sein Bett zu. „Ich werde dir Mittagessen holen, aber dann darfst du gehen. Frohe Weihnachten, mein Lieber."
„Frohe Weihnachten", lächelte er zu ihr hinauf. Er würde ihr ein Geschenk auf dem Bett zurücklassen – er war zu schüchtern, es ihr persönlich zu geben.
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