Chapter 66: Siebtes Jahr: Hope

CW Das ist ein trauriges Kapitel und handelt von familiären Problemen und Krankheit. Schaut auf euch.----------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------

They fuck you up, your mum and dad.

They may not mean to, but they do.

They fill you with the faults they had

And add some extra, just for you.

But they were fucked up in their turn

By fools in old-style hats and coats,

Who half the time were soppy-stern

And half at one another's throats.

Man hands on misery to man.

It deepens like a coastal shelf.

Get out as early as you can,

And don't have any kids yourself.

-

Ms Hope Jenkins.

Remus hustete wegen seiner Zigarette und ließ sie fallen, sodass sie ein Loch in seine Hose brannte. Er jaulte auf vor Schmerz und sprang auf, während er wild auf die heiße Stelle an seinem Oberschenkel klopfte.

„Remus!" Lily starrte ihn erschrocken an, „Alles ok?"

„Ja, ja..." Er hob die Zigarette auf und warf sie aus dem Fenster. Er hatte den kleinen Brief in seiner anderen Hand zerdrückt. Er stopfte das zerknitterte Papier in seine Hosentasche. „Ich... geh nur aufs Klo."

Er eilte in die kleine Toilette und schlug die Tür zu, während er versuchte, seine Atmung zu beruhigen. Ok. Ok. Er hätte so etwas erwarten sollen. Er war schließlich derjenige, der ihr geschrieben hatte.

Remus holte den Brief aus seiner Hosentasche und glättete ihn. Er hätte ihn nicht vor Lily und James öffnen können, es konnte alles drinstehen, und er war auf nichts vorbereitet. Er biss sich auf die Lippe. Er wollte noch eine Zigarette, so sehr, aber er hatte seine letzte gerade aus dem Fenster geworfen. Typisch.

Er riss den Umschlag langsam auf, darauf bedacht, ihn nicht zu zerreißen, so als ob das irgendetwas bedeuten würde. Das Papier war hauchdünn und er faltete es vorsichtig auf. Die Handschrift war jetzt leichter wiederzuerkennen. Er kannte sie vom ersten Brief, den sie all die Jahre zuvor geschrieben hatte, außer dass sie jetzt viel dünner war und erkennbar schief, als ob ihre Hand gezittert hätte.

Lieber Remus,

Es tut mir leid, dass ich so lange gebraucht habe, dir zu antworten. Mir geht es leider nicht gut und ich war nicht Zuhause, um Post zu empfangen.

Ich freute mich sehr, von dir zu hören. Es tut mir leid, dass ich nicht mehr schreiben kann, mein Lieber, aber ich würde gerne wissen, wie es dir so geht. Bitte schreib mir noch einmal, an die Adresse unten.

In Liebe, Mum.

Remus eigene Hände zitterten jetzt. ‚In Liebe, Mum'. Was zur Hölle sollte das denn heißen?

Er fühlte, wie Wut in ihm aufflammte, die bereit war, ihn ganz zu verschlingen. Der Streit mit Sirius verschwand in Bedeutungslosigkeit; jetzt war er wirklich stinkwütend. Es war eine Wut die lange in ihm geschlummert hatte, aber sie war immer da gewesen, in seinem Inneren. Eine Wut, die keine Richtung hatte, und keinen Grund, nur das Ziel, ihn mit roter, heißer Manie zu füllen. Vielleicht hatte Greyback sie hinterlassen. Vielleicht war es Hopes Vernachlässigung. In diesem Moment war es ihm ziemlich egal.

Unfähig, sich zu kontrollieren, trat er gehen die Tür. Er trat sie so fest, dass das Holz splitterte und zerbrach.

„Fuck", murmelte er. „Au." Er hoffte, dass er sich keinen Zeh gebrochen hatte.

„Oh mein Gott, Remus?!", hörte man Lilys Stimme wieder.

„Sorry", sagte er fast instinktiv, als er seinen Fuß aus der Tür befreite. Er sperrte auf.

James stand direkt davor, seine Augen groß und weit, Lily war hinter ihm, als ob er sie vor Remus schützen würde.

„Was zur Hölle machst du?!", sagte James mit fester Stimme. „Schau, wenn du Streit mit Padfoot hast, dann macht das unter euch aus, aber fang nicht an unser Zimmer zu zerstören!"

„Sorry", sagte Remus wieder, der sich plötzlich sehr klein fühlte. Er war noch nie von James geschimpft worden; es war furchteinflößender als er erwartet hatte.

„Remus?" Lily drückte ihren Freund ungeduldig weg, „Was hast du?"

Er schüttelte den Kopf und blickte hinunter auf den Brief in seiner Hand. Seine Schultern sanken. Er atmete etwas zu schwer, um sprechen zu können. Er gab ihr den Brief.
Lily sah ihn verwirrt an, nahm ihm das Papier aber ab. Als sie es las, wurden ihre Augen größer und ihr Mund klappte auf. James las es über ihre Schulter hinweg und bald waren ihre Gesichtsausdrücke ident. Remus konnte seinen Atem nicht unter Kontrolle bringen; er wusste nicht, was passierte. Seine Brust fühlte sich beengt an, als ob alle Luft aus dem Raum gesaugt worden war. Er fühlte sich plötzlich sehr heiß und schwindlig und sah Sterne.

Er stolperte und klammerte sich an den Türrahmen, als ob sein Leben davon abhinge.

„Remus?!" Lilys Stimme drang zu ihm durch wie ein Echo, als ob er am Grund eines tiefen Brunnen wäre. Er spürte ihre weichen Hände an ihren Schultern und sie führte ihn Richtung Boden – was eine gute Idee war, weil seine Beine in diesem Moment entschieden, aufzugeben. Sie fing an, langsam seinen Rücken zu streicheln und sprach sehr ruhig, „Ruhig atmen, Remus, hörst du mich? Durch deinen Mund einatmen, durch die Nase aus, ok? Mach mit; eins... zwei... drei..."

Er wusste nicht, welche Art von Magie das war, aber es funktionierte, und nach zehn tiefen Atemzügen fühlte er sich wieder einigermaßen normal. Seine Sicht klärte sich, er sah auf. Lily saß neben ihm auf dem staubigen Schlafzimmerboden. James stand über ihnen, mit besorgtem Blick. Er hatte den Brief.

„Danke", sagte Remus, noch immer außer Atem, „Sorry, ich weiß nicht was gerade passiert ist."

„Meine Schwester hat oft so komische Ausbrüche, wenn sie Angst hat", erklärte Lily. „Hast du irgendetwas Süßes? Normalerweise isst sie einen Keks, nachdem das Schlimmste vorbei ist."

„Äh...ja." Remus langte in seine Hosentasche nach dem Schokofrosch, den Sirius ihm vorhin gegeben hatte. Er packte ihn aus und biss schnell den Kopf ab. Sein Mund füllte sich mit reicher Süße und er fühlte sich wirklich viel besser.

Er versuchte aufzustehen und James bot sofort einen starken Arm an, um zu helfen,

„Sorry, dass ich so laut wurde, Moony", sagte er, noch immer besorgt klingend, „Ich war ein Arsch."

„Nein, ich hätte die Tür nicht kaputt machen sollen...", antwortete Remus, wischte seine Hose vorsichtig ab und ging hinüber zu seinem Bett, um sich zu setzen.

„Oh, das macht nichts", Lily stand auf und holte ihren Zauberstab heraus, „Reparo. Siehst du?"

„Kann ich den Brief zurückhaben?", fragte Remus schwach.

„Ja, tschuldigung!" James beeilte sich, ihn zurückzugeben. Remus las ihn noch einmal. Sein Bauch zog sich zusammen, aber ihm wurde nicht mehr schwindlig. In Liebe, Mum. „Ich wusste nicht, dass du ihr geschrieben hast", sagte James. „Ich wusste nicht, dass du überhaupt wusstest, wo sie ist."

„Deine Eltern haben mir geholfen", sagte Remus, der noch immer den Brief wieder und wieder las. „Ich hab nur Sirius davon erzählt."

„Oh, mein Lieber", Lily setzte sich neben ihn und drückte seine Hand. „Und wirst du antworten?"

Remus hob seinen Blick und starrte geradeaus. Er traf eine Entscheidung.

„Nein, ich werde sie besuchen."

„Oh!", quietschte Lily, „Ja, natürlich...äh... ich wette McGonagall würde dir helfen, das am Wochenende zu planen, vielleicht—"

„Nein", Remus schüttelte den Kopf, „ich gehe jetzt."

„Was?!", sagte James.

„Ich habe lange genug gewartet", sagte Remus. „Ich habe die Adresse. Ich gehe."

„Remus, willst du nicht nochmal drüber nachdenken—", fing Lily an.

„Nein", sagte Remus und zog seine Hand von ihr weg.

Seine Hand streifte die Verbrennung der Zigarette an seinem Bein. Woher würde er eine neue Hose bekommen? Er würde später einen Reparier-Zauber versuchen, wenn er ruhiger war. Er stand auf und ging zu seinem Koffer, um nach einer sauberen Hose zu suchen. Er konnte schlecht seine Mutter mit eingebrannten Löchern in der Kleidung besuchen.

„Keine Zeit zu denken", sagte er zu Lily. „Sie ist in einem Krankenhaus, Gott weiß warum, aber ich habe vielleicht nicht mehr lang."

Er zog sich aus, ohne nachzudenken. Lily sah schnell weg und lief rot an, aber es machte ihm nichts aus. „Prongs", sagte er, „Kann ich deinen Umhang haben?"

„Klar", nickte James ohne zu Zögern.

„Danke. Ich werde versuchen, vom Honigtopf aus zu apparieren, denke ich. Es wird nicht den ganzen Abend dauern, ich wette, ich bin vor der Ausgangssperre zurück."

„Guter Plan", nickte James.

„Wie kommst du zum Honigtopf?!", fragte Lily und sah sehr verwirrt aus. Remus sah James erwartend an. Der andere Junge kicherte verlegen und schob die Brille auf seiner Nase zurecht.

„Äh...es gibt vielleicht einen Geheimgang..."

Weniger als eine halbe Stunde später hatten sie die bucklige Hexenstatue passiert und begannen ihre Reise nach Hogsmeade. Sie hatten sich gehetzt Muggelkleidung angezogen, etwas das Lily in letzter Sekunde vorgeschlagen hatte. James wollte Sirius und Peter Bescheid sagen, aber Remus verweigerte dies. Peter konnte sowieso nicht apparieren, und Remus hatte gerade keinen Platz für Sirius in seinem Kopf. Glücklicherweise respektierte James diese Argumente.

„Wieviele Geheimnisse habt ihr denn noch?", flüsterte Lily, die ihre Blicke durch den dunklen Tunnel wandern ließ, durch den sie gingen.

„Weiß sie von der Karte?", fragte Remus neutral.

„Welche Karte?! Potter! Welche Karte??"

Sie stritten sich nicht wirklich. Es war einfach Teil ihrer Dynamik, für Lily und James war es nur Gezänke. Sie hatten schon so viele Jahre damit verbracht, so miteinander zu sprechen, dass sie einfach nicht wussten, wie sie aufhören sollten. Remus mochte es. Er konnte sich darauf konzentrieren, anstatt auf seine Gedanken.

Weil er sich jetzt wieder beruhigt hatte, begannen die rationalen Gedanken wieder, sich einzuschleichen. Wo gehst du hin? Denkst du sie will dich überhaupt sehen, nach all den Jahren? Du wirst draußen erwischt werden und rausgeschmissen werden und du ziehst Lily und James da mit rein.

Und Sirius. Er wollte nichts mehr als Sirius in der Nähe haben. Wenn sie sich doch nur nicht gestritten hätten. Vielleicht hatte er sich das alles selbst zu verdanken, indem er Sirius' Mutter so angesprochen hatte. Oh Gott, was wenn Hope wie Walburga war?!

Aber er ging voran, er war schon so weit gekommen. Sie erreichten schnell den Keller des Honigtopfs und merkten sich alle die Adresse, um sich auf das Apparieren vorzubereiten.

Dieser Teil war leicht. Remus war so voller Emotionen und Adrenalin, dass er kaum seinen Kopf neigen musste und schon rauschte er davon, der Magie nach Cardiff folgend. Lily und James landeten nur Sekunden später, händchenhaltend.

„Das ist also Wales", sagte Lily und sah sich in der ruhigen Straße um, in der sie gelandet waren. „Ich war noch nie da."

„Ich auch nicht", antworteten James und Remus gleichzeitig.

„Dann lass uns nach dem Krankenhaus suchen", lächelte sie. Sie ließ James' Hand los und nahm stattdessen Remus', um ihn zum Ende der Straße zu führen.

Sie waren nur ein oder zwei Straßen weiter gelandet. Das Hauptgebäude war aufwändig gestaltet, alt und aus roten Ziegeln, der Rest war aus grauem Beton der 60er Jahre. Es hatte diese kalte, institutionelle Atmosphäre, die Remus zu sehr an St. Edmunds erinnerte.

„Stimmt!", sagte Lily fröhlich, als sie vor einer großen Karte des Gebäudes stand, unter einem Wegweiser, der in verschiedene Richtungen zeigte. „Es war doch die Sparrow-Station, oder...also...dort drüben."

Sie lief wieder los und Remus war so, so froh, sie dabei zu haben, denn alles in ihm schrie danach, wegzulaufen und nie mehr zurückzublicken. Sparrow war eines der Betonblöcke. Sie blieben direkt davor stehen.

„Äh...Lily? James?", sagte Remus, um sie aufzuhalten. „Würde es euch was ausmachen... wenn ihr nicht mitkommt? Ich will einfach... ich will das alleine schaffen. Sorry."

„Natürlich", sagte Lily und tätschelte seine Schulter. „Wir warten genau hier, stimmt's James?"

„Ok", nickte James vorsichtig, „Moony, bist du sicher, dass ich nicht Sir—"

„Er würde nicht kommen", sagte Remus mit absoluter Sicherheit. „Du hattest Recht, wir haben gestritten. Ich war schrecklich zu ihm, ich hab richtig blödes Zeug gesagt. Er ist wütend und hat jedes Recht darauf."

„Ja, aber trotzdem—"

„Es ist ok, Prongs", versicherte ihm Remus. „Mir geht's gut. Ok, ich geh dann mal rein."

„Viel Glück!", lächelte Lily. Er nickte grimmig und ging auf die Drehtür zu.

Im Gebäude zeigten Schilder in alle möglichen Richtungen, und drei Mal musste Remus wieder zurück gehen, weil er wo falsch abgebogen oder in den falschen Aufzug gestiegen war. Es war ein schrecklicher Ort; er stank nach Krankheit und Urin und Desinfektionsmittel, das Blut und Tod zu überdecken versuchte. Remus' Nerven wurden jede Minute schwächer.

Schließlich passierte er eine Doppeltür mit dem Namen ‚Sparrow' in ordentlichen, blauen und weißen Buchstaben darüber. Sie führte in einen ruhigeren Korridor, mit einer Krankenschwesternstation am Ende und viele helle, offene Räume mit ordentlichen Reihen an Betten, in denen Menschen lagen.

Remus schlurfte zu der Krankenschwesternstation und versuchte, einen Blick auf die Liste der Namen der Patienten zu erhaschen, die an der hinteren Wand hing.

„Wen suchst du, Liebling?", fragte ihn eine pummelige Krankenschwester mit einem angenehmen Lächeln.

„Äh. Hope Jenkins...", murmelte Remus.

„Ah? Seid ihr verwandt?"

„Ja, ich bin ihr Sohn."

„Oh, sie wird sich freuen! Sie redet immerzu über ihre Kinder. Folge mir einfach."

Er hatte keine Zeit, darüber erschrocken zu sein, dass seine Mutter ‚Kinder' hatte. Plural. Sprachlos folgte Remus der Schwester den quietschgrünen, Korridor aus Linoleumboden entlang, zu einem Flügel mit sechs bis acht Betten. Sie führte ihn zu dem hintersten Fenster, wo Licht hereinbrach. „Hope, meine Liebe, du hast Besuch! Dein Junge ist da, um dich zu sehen, ist das nicht toll?"

Die Krankenschwester winkte ihn zu sich und er stellte sich hilflos ans Fußende des Bettes. Die Frau im Bett sah so aus, als ob sie gedöst hätte, auch wenn sie in einer halbsitzenden Position war. Sie blinzelte desorientiert und runzelte in Richtung der Schwester kurz die Stirn.

„Wer?" Sie sprach mit leiser, heiserer Stimme, noch immer verwirrt, bis ihre dunklen Augen auf Remus landeten. Ihre blassen Augenbrauen schossen in die Höhe. „Oh", sagte sie.

„Hallo", winkte er. Er fühlte sich dumm.

„Ich gebe euch zwei ein wenig Privatsphäre", sagte die Schwester jetzt und schloss die Vorhänge rund um das Bett, „Kann ich euch einen Tee anbieten?"

„Nein, danke", antworteten sie beide, als sie sich noch immer anstarrten.

Sie war sehr klein, sehr fragil. Fast skelettartig; ihre Knochen und Sehnen schienen durch ihre Haut. Sie sah älter aus als Remus gedacht hatte; aber vielleicht war das einfach die Krankheit. Ihr Gesicht war eingefallen und sah morbide totenkopfartig aus. Er erinnerte sich, wie schön sie auf dem Foto ausgesehen hatte, und wie hübsch sie noch immer sein würde, wäre sie gesund.

Jetzt wacher, starrte sie ihn mit wässrigen, schwarzen Augen an, mit einem fast begierigen Glitzern in ihnen, so als ob sie jeden Zentimeter seines schlaksigen Körpers bewundern würde.

„Oh", flüsterte sie heiser. Ihre Augen füllten sich mit Tränen. „Oh, du siehst genauso aus wie er."

Das war also seine Mutter. Er sah auf sie hinunter und fühlte gar nichts.

Er räusperte sich,

„Ich habe deinen Brief bekommen." Er wusste nicht, was er sonst sagen sollte. Er wünschte sich, dass er gar nicht erst gekommen wäre.

„Du hättest nicht kommen müssen", antwortete sie sanft. „Ich habe mich nicht getraut, zu fragen. Aber ich wollte dich sehen. Ich wollte das schon seit... so vielen Jahren." Sie schloss ihre Augen und die Tränen liefen ihr Gesicht hinunter.

Er biss sich auf die Zunge. All diese faulen, schlimmen Dinge blubberten in seiner Kehle, darauf wartend, ausgesprochen zu werden. Aber was hatte das für einen Sinn? Sie lag offensichtlich im Sterben, er konnte es an ihr riechen. Wütende Worte würden keinen Unterschied machen. Sie sprach wieder. „Bist du in Hogwarts?"

„Ja", nickte er. „im letzten Jahr."

„Er wäre so stolz. Lyall. Dein Vater."

Wieder Stille. Remus wollte sie nicht zu lange ansehen. Sie sah so traurig aus, so schwach und krank. „Gibt es etwas, das du mich fragen willst?"

Remus zuckte die Schultern. Das war schlimmer als er sich je vorstellen hätte können. Sie lachte sanft,

„Du wirst schon nicht meine Gefühle verletzen, weißt du. Vielleicht ist es deine einzige Chance."

Sie schluckte, als er noch immer nicht sprach. „Na gut, dann sage ich es dir eben. Es tut mir leid, was ich getan habe. Ich bin nicht stolz drauf. Ich habe deinen Vater geliebt, mehr als... naja, ich habe ihn von ganzem Herzen geliebt. Er war alles für mich, ich wünschte, du hättest ihn gekannt. Als du verletzt wurdest und er starb... ich wusste einfach nicht, was ich machen sollte. Ich war so jung, ich war allein. Ich hatte meine eigene Familie jahrelang nicht gesehen und ich kannte nicht einmal die Nachbarn, weil Lyall und ich alles geheim halten mussten."

Sie war Waliserin, er erkannte den Akzent jetzt. Die Art, wie sie den Namen seines Vaters in zwei, sanften Silben aussprach – Ly-all. Er fühlte sich dumm, dass er es nicht davor bemerkt hatte, schließlich waren sie in Cardiff. Aber trotzdem, niemand hatte ihm je gesagt, dass sie aus Wales war. Er nahm an, dass niemandem außer ihm diese Information wichtig gewesen war.

„Schau", sagte er, „es ist ok, du musst dich nicht erklären."

„Ich habe an dich gedacht", sagte sie verzweifelt. „Jeden Tag. Mein Junge, mein kleiner, armer Junge."

„Hör auf", sagte er. Er fühlte sich unwohl, fast beängstigt. „Es ist ok, bitte hör auf..."

Er setzte sich in den Krankenhaus-Stuhl mit harter Lehne, der neben ihr stand. Er berührte sie nicht, oder hielt ihre Hand, es fühlte sich zu viel an.

„Ich dachte, es wäre die beste Lösung", schluchzte sie und Tränen liefen das Kissen hinunter, auf dem sie lag. „Ich schaffte es nicht, dich zu versorgen. Du warst so stark, obwohl du noch so klein warst. Ich musste dich einsperren, du warst so verängstigt und du hast nach mir geschrien und ich konnte nicht hinein..."

Er fühlte sich, als ob ein schwerer Eisblock in seinem Magen liegen würde. Er wollte, dass sie aufhörte zu reden, er wollte das alles nicht hören,

„Du hast das Richtige getan", sagte er. „Das hast du. Du hast alles getan, was du konntest. Ich habe dir nie die Schuld gegeben."

Das war die Wahrheit. Er hatte seinem Vater in seinem Kopf immer wieder die Schuld gegeben, er hatte ihn so sehr gehasst, jahrelang. Aber er hatte seiner Mutter gegenüber immer mehr Sympathie empfunden; ein Muggel, der durch Lyalls Tod genauso im Stich gelassen wurde wie er.

„Passiert es...noch immer?", fragte sie mit großen Augen. Sie hatten dasselbe grünliche braun wie seine. Er nickte.

„Es ist nicht mehr so schlimm", log er. „Ich bekomme Hilfe. Es ist sicherer."

Sie sah erleichtert aus, was ihn glücklich machte.

„Und wie läuft's in der Schule? Ich wette, du bist genauso clever wie dein Dad!"

„Ich mag die Schule", sagte er. „Ich bin ziemlich gut." Er war sich nicht sicher, was er sonst noch sagen sollte. „Ich äh... ich hab seinen Zauberstab. Lyalls."

Sie lächelte. Es war ein Lächeln weiß wie Papier, das sich über ihr hohles Gesicht ausbreitete, wie bei einem Totenkopf.

„Und... hast du jemanden? In deinem Leben, der sich um dich sorgt?"

„Ich..." Er dachte an Lily und James, und Peter und Grant, und Madam Pomfrey. Und Mary und Marlene, und sogar an Professor McGonagall. Und Sirius. „Ja, habe ich. Ich habe Freunde."

Er warf einen Blick auf den Plattenspieler auf ihrem Nachttisch und auf den kleinen Stapel Platten auf dem Stuhl. The Beatles, Cliff Richard, The Kinks. „Sind das deine?", fragte er, zum ersten Mal ehrlich neugierig.

„Oh ja", nickte sie, „Ich liebe es, zu tanzen, wirklich. Lyall las lieber Bücher, aber ich bin am glücklichsten mit einem netten Pop-Song. Er hat mich immer damit aufgezogen."

Ihr Akzent war schön, ein liebliches, freundliches Rauf und Runter. Er war froh, dass sie nicht so vornehm war; er hoffte, dass er nicht zu bürgerlich für sie klang.

„Ich mag Musik auch", sagte er sanft. Er schaffte es nicht, seine Stimme zu heben, aber ihr machte es nichts aus. „Am meisten David Bowie."

„Das musst du von mir haben", sagte sie müde, aber noch immer lächelnd. „Mein vergnügter kleiner Junge. Ich habe dich immer auf den Teppich gesetzt, während ich Hausarbeiten gemacht habe und dabei habe ich Platten spielen lassen und du bist auf deinem Hintern herumgehüpft und hast so gezappelt, als ob du tanzen würdest. Love Me Do war gerade im Radio, als du deine ersten Schritte gemacht hast."

Sie hatte Tränen in den Augen, als sie das sagte.

„Ich glaube, ich erinnere mich", sagte er schnell – es war eine Lüge, aber es würde sie glücklich machen. Er wollte nicht, dass sie so traurig war, vor allem nicht seinetwegen. Ohne nachzudenken, griff er nach ihrer Hand und nahm sie sanft, so als ob sie sonst zerbrechen würde. Es war eine sehr kleine Hand – sie war eine sehr kleine Frau. „Ich liebe die Beatles", sagte er, „schon immer."

Sie strahlte. Selbst durch ihre eingefallenen Wangen und die dunklen Augen, die von der Krankheit verschleiert waren, kam das liebliche Lächeln hindurch. Hope drückte die Hand ihres Sohnes und lächelte ihn an, und sie blieben für eine Weile so sitzen. Remus fühlte etwas in ihm, das ihn zu ihr zog – etwas Warmes und Altes und Vertrauliches.

Schließlich bot er an, ein wenig Musik für sie aufzulegen.

„Oh, der Plattenspieler ist kaputt", antwortete sie.

„Wirklich? Lass mich mal schauen..." Rems griff in seiner Tasche nach seinem Zauberstab und tippte die schwarze, hölzerne Box an. Er tat es, ohne ihre Hand loszulassen und sie machte ein kleines fröhliches, stolzes Geräusch, als sie sah, wie er Magie anwandte.

Die Platte begann, sich zu drehen und der Klang, der herauskam, war klar und schön. Es war eine Platte von Fairport Convention; Remus kannte sie nicht wirklich, sie waren zu Hippie für ihn. Aber sie lächelte, als Sandy Dannys lerchenhafte Stimme den Raum erfüllte. Also hörte er zu.

Across the evening sky, all the birds are leaving

But how can they know it's time for them to go?

Before the winter fire, I will still be dreaming.

I have no thought of time.

For who knows where the time goes?

Who knows where the time goes?

Sie saßen beide still da und hörten zu, und Remus sah, dass er ein bisschen seiner Schüchternheit vielleicht von ihr hatte. Sie hielt nie lange Augenkontakt und zwang ihn nie, zu reden. Remus hatte so ein Gefühl, dass sie stundenlang in dieser zufriedenen Stille sitzen könnten und sich genauso gut verstehen würden, als wenn sie ununterbrochen reden würden.

Nach einer Weile kam die Krankenschwester zurück. Die Besuchszeiten waren schon vorbei, sagte sie, und die Hausmutter würde genau das gleiche sagen. Remus wollte nicht gehen und Hope wollte nicht, dass er ging.

„Kommst du wieder?", flehte sie und hatte schon wieder Tränen in den Augen.

„Ja", versprach er. „Sobald ich kann."

Sie hob seine Hand zu ihren Lippen. Sie war sehr schwach, aber er ließ sie. Sie küsste seine von Narben übersäten Fingerknöchel.

„Ich liebe dich, mein Schatz."

Etwas in ihm zerbrach, als er bemerkte, dass er es nicht erwidern konnte. Er wusste nicht, wie er es sagen sollte, sodass es auch Bedeutung hatte.

„Bis bald", versprach er wieder, hoffend, dass es ihr nicht zu viel ausmachte.

Er verließ den Raum in einer Art Benommenheit und es war ein Wunder, dass er es überhaupt aus dem Gebäude schaffte. Es musste doppelt so lang gedauert haben als der Weg hinein.

Draußen war es schon dunkel geworden. Lily saß auf einer Bank, mit einem großen, schwarzen Hund an ihrer Seite. Sie stand auf, die Straßenlaterne hinter ihr erleuchtete ihre Haare, als ob sie in Flammen stehen würden. Ein halogener Heiligenschein.

„Alles klar, Moony?", fragte sie mit ernstem Blick.

Er zuckte sprachlos die Schultern. Sofort trat Lily vor und schlang ihre Arme um seine Taille, legte ihren Kopf gegen seine Brust und drückte ihn. Er schlang seine Arme dankbar um sie und umarmte sie zurück. Er senkte seinen Kopf und ihren lieblichen Duft nach Äpfeln einzuatmen. Er weinte und Sirius war da, aber das war ihm egal. Er ließ Lily ihn umarmen und fühlte sich, als ob sie ihn zusammenhalten würde. Er konnte hören wie Padfoot winselte und atmete. Schließlich ließ er sie los und wischte sich über die Augen.

„Sorry", sagte er verlegen.

„Sei nicht albern", sie drückte seinen Arm, ihre meeresgrünen Augen schimmerten. „Willst du nach Hause?"

„Also eigentlich", schniefte Remus, „will ich einfach nur richtig betrunken sein."

Padfoot bellte.

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Das Gedicht ist 'This is The Verse' von Philip Larkin.
Das Lied ist 'Who knows where the time goes' von Sandy Denny.

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