Chapter 35: Sechstes Jahr: Verhandlungen
Sonntag, 15. Januar 1977
Am nächsten Morgen schlief er so lange wie möglich, um weiteren Konfrontationen aus dem Weg zu gehen. Er konnte nicht mit ihnen reden, noch nicht, nicht, bis er einen klaren Kopf fassen konnte. Sie würden ihm so viele Fragen stellen- einige, die er nicht beantworten konnte und einige, die er nicht beantworten wollte. Er duschte länger, als gewöhnlich- etwas von Livia schien noch an ihm zu haften und so drehte er den Hahn ganz auf, um es irgendwie abzubrühen. Die Krallenspuren, die sie an ihm zurückgelassen hatte, verheilten bereits, juckten jedoch immer noch unter Remus kratzigen Pullover.
Gewaschen und angezogen, durchsuchte Remus seinen Koffer, nach einem übrigen Stück Pergament, bevor er eine unordentliche Nachricht hinkritzelte.
Wenn Sie noch in Hogsmeade sind, würde ich gern noch einmal mit Ihnen sprechen.
Er faltete das Pergament hastig zusammen, stopfte es in seine Tasche und machte sich auf zur Eulerei. Die Rumtreiber waren noch im Gemeinschaftsraum, in so ziemlich derselben Verfassung, in der Remus sie am Vorabend zurückgelassen hatte. Remus sah sie an, wurde panisch und ging mit gesenktem Kopf weiter.
„Moony, warte..." sie folgten ihm, alle drei, durchs Porträtloch. Sollten sie doch, sie konnten es nicht in der Öffentlichkeit besprechen, er wusste das und sie wussten es auch.
„Ich gehe zur Eulerei", sagte er, weitermarschierend.
„Willst du nicht frühstücken?" fragte Peter.
„Danach."
„Moony, können wir über letzte Nacht sprechen?" fragte James, der immer noch ziemlich müde klang. Remus vermutete, dass er die volle Wucht von Sirius Frustration abbekommen hatte. Gut, lass das ruhig mal jemand anderen übernehmen.
„Nicht hier."
Leider waren sie ihm alle in die Eulerei gefolgt- welche vollkommen leer war- abgesehen von den Eulen, natürlich, von denen die meisten schliefen.
„An wen schreibst du?" fragte Sirius sofort. Remus schloss seufzend die Augen und machte sich daran, die Nachricht ans Bein der nächsten Eule zu binden.
„Ferox. Meinem alter Professor."
„Wieso?!"
Remus ließ seine Schnur fallen und schnalzte genervt mit der Zunge, als er sich bücken musste, um sie aufzuheben.
„Er ist in Hogsmeade. Ich habe ihn letzte Nacht getroffen, aber ich will ihn nochmal sehen", erklärte er ruhig.
„Was hat er in—"
Remus schnalzte erneut, während er zum dritten Mal versuchte, die Notiz ans Bein der unruhigen Eule zu binden. Sirius stand ihm viel zu nah, beugte sich über ihn, während er Antworten verlangte und Remus konnte sich kaum konzentrieren.
„Er arbeitet mit Moody und er wurde dorthin gerufen um mich zurückzu—"
„Von wem gerufen?"
„Gottverdammt, jetzt gib mir doch mal 'ne Sekunde?!" schnauzte Remus.
Sirius trat zurück, so aussehend, als würde er sehr gerne noch etwas sagen, aber er biss sich auf die Zunge. James nahm ihn wieder an der Schulter. Remus ignorierte sie und band den Brief an den Vogel- vielleicht ein wenig zu fest, denn er pickte ihn erzürnt, bevor er in Richtung Dorf davonflog. Vielleicht könnte er hierbleiben, es würde sicher nicht lange dauern. Aber sein Magen knurrte. Er sah sich nach seinen Freunden um.
"Okay. Frühstück?"
"Wirst du uns erzählen, was—"
„Ja, Padfoot, werde ich. Lasst uns... ein wenig Toast mitnehmen und spazieren gehen, oder so, ok?"
Also taten sie genau das. Remus bebutterte mindestens fünf Scheiben Toast in der Großen Halle, wickelte sie in Servierten und steckte sie sich in die Tasche seiner Robe. Die anderen drei Rumtreiber folgten ihm und beäugten ihn vorsichtig, als ob sie noch nicht Recht wussten, was sie von ihm halten sollten.
„Also." Sagte er, sobald sie draußen waren, „Ihr müsst alle drei die Klappe halten und es mich einfach erzählen lassen, ok? Ohne Unterbrechungen."
Sie nickten feierlich, während sie liefen. Er sah, wie Sirius die Lippen schürzte. Pech, dachte Remus gehässig. Du kannst mir auch mal zuhören. Also erzählte er.
Er fand es sehr viel leichter, als Dumbledore davon zu erzählen- zumindest wusste er ganz sicher, dass die Rumtreiber auf seiner Seite waren. Er versuchte alles, mit so wenig emotionalem Kontext wie möglich zu berichten. Er hatte gewusst, dass ein Werwolf in der Nähe war. Er war aufgebrochen, um ihn zu finden, dann hatte er Livia getroffen, bevor Ferox eingriff.
„Letzten Sommer hat Moody mit mir gesprochen," erklärte er endlich. „Er hat etwas gesagt, bei dem mir klar geworden ist wie... wie nützlich ich sein könnte, das ist alles. Ich muss aufhören, mein pelziges kleines Problem als... nun ja, als Problem anzusehen. Wenn wir im Krieg gegen dunklen Kreaturen antreten müssen, dann sollte ich als dunkle Kreatur sicher--"
„Du bist keine dunkle Kreatur", sagte James plötzlich. „Du bist unser Moony."
Remus zuckte die Schultern. Er hätte kein Geld daraufgesetzt, das James ihn als Erster unterbrechen würde, doch jetzt war er ziemlich froh, dass er es getan hatte. Er machte eine Pause; es gab nichts mehr zu sagen. James sah ihn immer noch mit leicht gerunzelten Brauen an. Er schob seine Brille auf seiner Nase nach oben, offensichtlich tief in Gedanken. Peter sah natürlich ängstlich drein. Er sah auf seine Füße und rieb sich die Hände. Remus sah Sirius nicht an. Stattdessen suchte er seine Zigaretten.
„Also," sagte James schluckend, "ist sie jetzt fort? Die Wölfin?"
„Livia," sagte Remus, mit der Zigarette zwischen den Zähnen, „Ja, ich denke Ferox hat sie verjagt."
„Verdammt richtig," nickte James, jetzt mehr in seinem Element, „und ich wette, jetzt wo Moody dabei ist, kommt sie nicht so schnell zurück, oder? Also, steckst du in Schwierigkeiten? Mit Dumbledore?"
„Ich denke nicht." Seufzte Remus. Er rieb seine schmerzende Hüfte. „Ich glaube, Dumbledore war besorgter darüber, dass ich seinen Spionagering auffliegen lasse, als das ich irgendwelche Regeln breche."
„Er würde dich nicht verletzt sehen wollen. Keinen von uns", sagte James aufrichtig. Er beäugte Remus seltsame Haltung, „na komm, dort unten ist eine Bank, da kannst du dein Toast essen."
Sie machten sich langsam auf den Weg, hinunter zum Rande des Sees, wo ein paar Steinbänke standen. Um diese Zeit an einem Sonntag, war es zu kalt, als das irgendwer sonst draußen wäre und Remus sah zu, wie der späte Morgendunst über die dunkle Oberfläche des Wassers waberte, während er an den Resten seiner Brotkanten kaute. Sirius hatte seit der Eulerei nicht gesprochen und Remus versuchte, es nicht zu beachten. Sirius fühlte sich verraten- das wusste Remus so sicher, wie er seinen eigenen Namen kannte. Verraten, obwohl er kein wirkliches Recht dazu hatte, sich so zu fühlen. Hier geht es nicht um dich , wollte Remus dem trübseligen, stillen Sirius zu zischen.
„Ich kann nicht glauben, dass wir die spannendste Nacht des Jahres einfach alle verschlafen haben." James knuffte Remus in die Seite, um die düstere Atmosphäre ein wenig aufzulockern.
„So spannend war es auch wieder nicht," grinste Remus zurück, um ihm zu geben, was er wollte. „Ich hab mich dämlich angestellt. Wenn Ferox nicht gekommen wäre... ich weiß auch nicht."
„Denkst du, sie hätte mit dir weg apparieren können?" fragte Peter, der immer noch seine dicklichen, kleinen Hände rang.
„Keine Ahnung", antwortete Remus, „Ich glaube...es kam jedenfalls so rüber, als ob sie meine Zustimmung brauchte. So, als müsste ich derjenige sein, der die Entscheidung trifft - sonst könnten sie mich ja auch einfach als Gruppe schnappen, schätze ich."
„Na dann!", sagte James und klatschte ihm triumphierend auf den Oberschenkel. „Dann gibts ja kein Problem, oder? Ich meine, das steht ja außer Frage."
„Natürlich", sagte Remus schnell. „Ich würde Greyback niemals beitreten."
„Na dann", wiederholte James zufrieden.
Remus sah auf seine Hände, die vom Toast noch fettig waren. Er wischte sie an seinem Hosenbein ab. Natürlich nicht. Natürlich würde er das nie tun. Außer. „Moony?" sagte James, die seltsame Stille spürend.
„Ich würde ihm niemals beitreten", sagte Remus vorsichtig. „Und Livia war... sie war furchtbar, aber." Er atmete ein, „nicht alles, was sie gesagt hat war falsch."
„Was soll das denn heißen?", platzte Sirius heraus. Remus sah ihn immer noch nicht an und ihm wurde heiß.
„Nur das- nun, Zauberer behandeln uns ungerecht und...und... ah, ihr würdet das nicht verstehen."
Sirius sprang auf, als hätte er seine Grenze erreicht. Er funkelte Remus an, als würde er gleich anfangen, zu schreien. Dann ging er mit unmenschlicher Geschwindigkeit davon.
„Black!" James stand auf, „Hey!"
„Schon in Ordnung", winkte Remus ab, „tut mir leid, ich hätte nichts sagen sollen, ich kann das nicht richtig erklären."
„Er ist so ein launischer Schwachkopf, in letzter Zeit", schnaubte James, während er den anderen Jungen fort stürmen sah.
„Geh ihm nach, wenn du magst," sagte Remus. „ehrlich gesagt, bist du der Beste, wenn es darum geht ihn aus seinen Launen herauszuholen. Ich und Wormy werden euch dann später suchen, ja?"
„Okay..." James stand bereits auf. „Danke, Moony!"
„Diese beiden sind manchmal so seltsam", sagte Peter, während er zusah, wie James aufholte. „Ich schwöre, ich hab keine Ahnung mehr, was mit allen los ist. Es heißt nur noch, Krieg hier und Krieg da..."
„Ja, kann einem ziemlich auf die Nerven gehen, nicht?" gab Remus zurück. Er hatte das sarkastisch gemeint, aber der arme Peter war schon immer etwas begriffsstutzig gewesen.
„Genau, du verstehst, was ich meine, oder Moony? Ich finde einfach... wir sind gerade mal sechzehn, können wir nicht mal an was anderes denken, als immer nur ‚das Richtige' zu tun? Wir hatten mal so viel Spaß."
Remus hörte nur mit halbem Ohr zu. Er streckte sich und rieb sich noch einmal die Hüfte, um zu sehen, ob sie sich bewegen würde.
„Ich glaube, ich geh ins Bett, Pete. Oder in die Bibliothek. Warum gehst du nicht zu Dezzie?"
„Was? Du weißt es nicht?", Peter starrte ihn ungläubig an, als er ihm auf die Beine half.
„Ich weiß was nicht?", fragte Remus, während er zur Sicherheit noch einmal den Rücken durchdrückte.
„Sie hat mit mir Schluss gemacht."
„Oh, scheiße", blinzelte Remus, "Sorry, Kumpel! Ist das auch letzte Nacht passiert?"
„Letzte Woche", sagte Peter, mit uncharakteristischer Kälte in der Stimme.
„Tut mir leid!", sagte Remus, peinlich berührt. Ihm fiel auf, dass er während der letzten Wochen, nicht viel mit Peter gesprochen hatte - er war so mit Sirius und dem Wolfsrudel und Christopher beschäftigt gewesen... er nahm sich vor, sich bei allen seiner Freunde besser anzustrengen. Immerhin würden sie alles sein, was ihm bliebe, sobald er siebzehn wurde. „Es tut mir wirklich leid, Wormtail", sagte er freundlich, „wollen wir lieber zusammen Schach spielen?"
Montag, 16. Januar, 1977
Remus tat es wirklich leid, von Peter und Dezzie zuhören. Sie war nie richtig Teil der Gruppe gewesen, aber nett war sie trotzdem und sie hatte Peter glücklich gemacht- sie hatte ihm etwas gegeben, das James und Sirius nicht hatten und das alleine war schon etwas Besonderes. Die Trennung hatte vordergründig mit einer Einstellungsänderung zu tun gehabt. Die beiden gingen schon, seit sie vierzehn waren, miteinander aus und mit sechzehn schien es so, als ob Desdemona ein wenig mehr ihre Flügel spreizen wollte.
„Vielleicht überlegt sie es sich noch?", versuchte Remus einem niedergeschlagenen Peter über ihrem dritten Schachspiel zu trösten.
„Bezweifle ich," schnaubte Peter. „Ich glaub, sie steht auf diesen Roman Rotherhide Typen. Penner. Springer nach F3."
"Ich dachte, Mary geht mit ihm aus?"
„Mary geht mit jedem aus," kicherte Peter gemein. „Sie ist wie die weibliche Version von Padfoot."
Später am Abend erreichte ihn Ferox Antwort.
Remus,
ich fürchte, ich kann dich nicht nach Hogsmeade einladen, aber wir können uns am Montagabend im Schloss treffen. Wir sehen uns um 6 vor der Großen Halle.
Das war okay. Immerhin konnte er das, was er wissen wollte, auch dort erfragen. Remus ging montags wie üblich zum Unterricht und erzählte es den Rumtreibern beim Mittagessen. Sirius redete wieder mit ihm, aber nicht wie sonst. Mit jedem kleinen Schritt, den sie nach vorne machten, schienen er und Remus drei gewaltige Schritte zurückzugehen.
„Ich treffe mich heute Abend mit Ferox zum Tee," erklärte er. „Also sehen wir uns erst später."
Er wusste, dass James zum Quidditch-Training ging, welchem Peter, jetzt da er keine Freundin mehr hatte, zusehen würde. Sirius setzte sich aufrechter hin.
„Sollen wir mitkommen?"
„Wieso?" fragte Remus und fixierte ihn mit einem kühlen Blick. Sirius zuckte die Schultern und sah wieder auf seine Suppe hinab.
Als sechs Uhr langsam näher rückte, lief Remus praktisch in den Gängen auf und ab. Er wollte nicht zu übereifrig wirken, also wartete er auf dem Treppenabsatz, bevor er die Haupttreppe nur eine Minute nach sechs herunterging. Dies entpuppte sich als Fehler. Als er unten ankam, hatte Mary Ferox schon in ein Gespräch verwickelt.
„Remus!" grinste sie, als er herabstieg, „Schau nur, wer hier ist!"
„Wegen Mr. Lupin bin ich hier," lächelte Ferox leichthin und schüttelte Remus die Hand. Es fühlte sich sehr erwachsen an.
„Ich versuche gerade, ihn zu überzeugen, zurückzukommen und uns wieder zu unterrichten," erklärte Mary heiter. „Wir vermissen ihn, nicht wahr, Remus?"
„Eh...ja, natürlich", nickte Remus. Mary lächelte und berührte seinen Unterarm, während sie sich vertraut an ihn lehnte. Er konnte sich nicht daran erinnern, dass sie das schon einmal getan hätte.
„Können sie hier warten?", fragte sie Ferox, immer noch Remus Arm haltend, „Marlene wird gleich hier sein, sie würde sie gerne sehen..."
„Ich fürchte, wir müssen jetzt los," sagte Ferox freundlich, „vielleicht ein andermal, Miss MacDonald. Remus, sollen wir?"
Remus folgte Ferox die Treppen hinauf, weg von der Große Halle, während sie Mary am Fuße zurückließen. „Ich dachte mir, wir gönnen uns ein wenig Privatsphäre," murmelte Ferox, „Professor Kettleburn hat mir freundlicherweise mein altes Büro überlassen."
Seit Ferox fort war, war Remus nur ein einziges Mal im Büro von Pflege magischer Geschöpfe gewesen- um nach einem Vollmond eine Schreibzeitverlängerung für seinen Aufsatz anzufragen. Kettleburn war ein spartanischer Mensch, der das Büro überhaupt nicht dekoriert hatte, sondern Papierkram im ganzen Raum verteilte. Mit einem Schnippen seines Zauberstabes sortierte Ferox alles ordentlich ein, bevor er Getränke und zwei Teller für das Abendessen beschwor. Das Essen erschien, genau wie in der Großen Halle- heute gab es Schinken, Ei und Bratkartoffeln.
„Mein Leibgericht," lächelte Ferox und gab Remus ein Zeichen, er möge beginnen. Sie machten sich einige Minuten schweigend über das Essen her und Remus genoss die Neuartigkeit davon ein Abendessen mit einem Freund zu genießen, anstatt mit hundert anderen Menschen.
„Also", sagte er, während er das übrige Eigelb mit einer Kartoffel aufwischte, „ich wollte über Livia sprechen."
„Sieh einer an," nickte Ferox ihm zu, „vor zwei Jahren hast du mir noch nicht mal zwei Worte über dich selbst erzählt."
Remus zuckte die Schultern, „Keine Zeit mehr, schüchtern zu sein, schätz ich. Wir sind im Krieg."
„Verdammt richtig", seufzte Ferox. „Na schön, sprich weiter, Junge,"
„Ok." Remus holte tief Luft. „Ich will ihr nicht beitreten- ihnen – Greyback. Ich will nicht Teil ihres... ihres Rudels werden, oder so."
Ferox nickte, aber sagte nichts. Remus fuhr jetzt ermutigt fort, „Aber... ich denke, ich könnte sie leicht aufspüren. Ich denke, sie könnten auch mich finden. Und sie wollen mich noch immer. Das ist es doch, was Dumbledore will, oder? Ein Hintereingang zu den Werwölfen. Das kann ich übernehmen. Ich weiß, was ich getan habe war dumm - und ich werde es nicht wieder tun, zumindest nicht, während ich noch in Hogwarts bin, nicht, bis ich erwachsen bin. Aber... jetzt, da ich sie kenne, jetzt, wo ich weiß, wie sie sind, habe ich keine Angst mehr. Ich kann das schaffen."
„Ich verstehe. Hat Dumbledore gesagt—"
„Nein, aber ich bin nicht blöd", bemerkte Remus abweisend, „er hat mich nicht gebeten, irgendwas zu tun, denn er bittet nie. Er stellt einfach klar, dass du weißt, was er von dir will. Aber es gibt auch Dinge, die ich will."
„Und die wären?"
„Ich schreibe mich an meinem Geburtstag nicht ins Register ein", sagte Remus ruhig. „Ich gebe mich nicht dem Ministerium hin. Ich hab mir das angesehen- wenn ich es tue, dann muss ich ihnen drei Mal im Monat Bericht erstatten. Sie würden mich einsperren- zumindest glaube ich das, die Informationen sind nicht eindeutig. Ich kann so keinen Job halten. Wenn Dumbledore einen Spion braucht, dann muss er auch unaufspürbar sein."
„Ich verstehe," meinte Ferox wieder, „Jedoch—"
„Ich bin noch nicht fertig", unterbrach Remus. „Hinterher. Wenn wir gewinnen. Will ich eine Begnadigung für die Werwölfe. Selbst für Greyback's Rudel. Natürlich nicht für Greyback selbst, aber für seine Anhänger."
„Remus, das ist vollkommen—"
„Nein, ist es nicht." Remus verschränkte die Arme. „Sie verstehen das nicht. Livia mag völlig durchgedreht sein, aber sie liegt nicht falsch. Eine Wahl zwischen Freiheit unter Greyback oder Gefangenschaft im Ministerium ist schnell getroffen."
Ferox sah ihn für lange Zeit an. Remus trank seinen Kürbissaft, weil seine Kehle sehr trocken war. Sein Herz schlug so schnell, dass er glaubte, Ferox müsste es hören können.
„Dies sind Dinge, die Dumbledore vielleicht nicht veranlassen kann," sagte Ferox langsam.
„Schwachsinn." Remus stellte seinen Kelch ein wenig zu heftig auf den Tisch.
„Ich kann es ihm vortragen", seufzte Ferox und gab sich geschlagen, „aber versprechen kann ich dir nichts."
„Nun dann," antworte Remus unverfroren, „in zwei Monaten werde ich siebzehn. Da ist Ihre Deadline."
„Himmel." Ferox kratzte sich am Kopf. Er klang mehr beeindruckt als wütend, „Jetzt erinnerst du mich kein Stück mehr an Lyall. Was ist aus dem hitzköpfigen Jungen, der sich immer in Schwierigkeiten brachte?"
„Ich bin immer noch hitzköpfig", meinte Remus einfach, „Ich glaube Lyall war das auch. Es ist nicht so, als ob ich glaube, dass Dumbledore all meine Probleme lösen könnte. Aber ich wollte meine Karten auf den Tisch legen."
„Verständlich", nickte Ferox. „Im Krieg und der Liebe ist alles erlaubt, nicht wahr?"
„Davon weiß ich nichts", gab Remus zurück.
Ihre Teller verschwanden auf einmal und erschienen dann wieder, mit zwei großen Stücken Schokoladenkuchen mit Früchten. Sie aßen schweigend, beide tief in Gedanken und warfen sich nur gelegentlich Blicke zu.
„Wie steht es mit Moody?" fragte Remus nebenher. „Ich schätze, Sie dürfen mir nichts erzählen."
„Du schätzt richtig," nickte Ferox. „Moody geht es gut genug. Total verrückt, aber ich bin froh, dass er auf unserer Seite ist."
„Und Achilles?"
„Achilles geht's gut", lächelte Ferox. „Er bleibt bei einer Freundin. Wo wir dabei sind- wie lange läuft die Romanze schon, hm, Lupin?"
„Die was?!" Remus starrte ihn mit großen Augen an. Ferox lachte, „Mit Miss McDonald, da unten? Ich hätte dich eher mit Marlene vermutet, aber ich schätze das Herz will, was es will, nicht wahr?"
„Oh!", Remus entspannte sich. „Nein, Mary ist nur eine Freundin."
„Hm," sagte Ferox, der ihm offenbar nicht wirklich glaubte. „Woher dann dieser Persönlichkeitswandel?"
„Warum muss das denn etwas mit einem Mädchen zutun haben? Zwei Jahre sind eine lange Zeit", sagte Remus ein wenig genervt. "Es ist ja nicht so, als hätte ich mich auf einen Schlag komplett verändert. Schauen Sie, als ich vierzehn war, habe ich habe zum ersten Mal gesagt, dass ich Dumbledore helfen will", versuchte er zu erklären. „Und letztes Jahr, hat uns James Potter erzählt, dass er vorhat, mitzumachen, sobald er die Schule verlässt und wir haben alle gesagt, dass wir das auch tun würden und ich... ich wollte es damals schon, wissen Sie, aber nur, weil James und Sirius auch wollten. Ich selbst hatte nie einen Grund."
„Wenn du-weißt-schon-wer gewinnt, werden wir alle darunter leiden", sagte Ferox.
„Ja, ich schätze schon", nickte Remus diplomatisch. „Das weiß ich. Aber ich meinte... nun, ich hatte noch nie zuvor einen Einsatz. Jetzt, da ich Livia kenne, glaube ich nicht, dass mein Leben so großartig wird, wenn ich die Schule verlasse, egal wer an der Macht steht. Ich will eine Chance. Wenn ich überlebe."
„Du solltest dich nicht mit ihnen vergleichen, Remus. Mit dem Rudel."
„Ich kann es nicht ändern, oder? Jeder sonst wird es tun. Kennen sie noch meinen Freund, Sirius Black?"
„Nicht sehr gut," antwortete Ferox, „Die Potters haben ihn aufgenommen, nicht wahr? Ich fand das etwas seltsam, wenn man seine Familie bedenkt."
„Ganz genau!" sagte Remus triumphierend, „Sirius ist mein bester Freund und ein Gryffindor und die Potters lieben ihn- aber für alle anderen ist er immer noch ein Black. Er wird für den Rest seines Lebens versuchen, das nicht zu sein, egal wie viele gute Sachen er auch tut. Weil Menschen solche Dinge eben nicht vergessen- sie glauben, was du bist, macht dich zu dem, wer du bist. Mir geht es genauso."
Remus fiel das Erklären immer schwerer. Ferox sah völlig verloren aus. Er seufzte schwer. „Es tut mir leid, dass es durch sie gehen muss. Sie sind der einzige Mensch, dem ich vertraue, der irgendeinen Stellenwert bei Dumbledore hat. Der mir vertraut."
Ferox sah ihn wieder mit einem beständigen Ausdruck an.
„Ich werde es versuchen, Remus. Du verlangst viel."
Remus runzelte die Stirn. Er dachte an Livia- mit ihren nackten Füßen, zerlumpten Kleidern, ihrem schrecklichen Husten und den hohlen Blick in den Augen. So sollte niemand leben müssen.
Vielleicht verlangte er viel. Doch Remus hatte in seinem ganzen Leben noch nichts verlangt. Er hoffte, dass Dumbledore sich daran erinnerte.
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