Chapter 33: Sechstes Jahr: Gelüftete Geheimnisse
Keine wesentlichen Warnungen für dieses Kapitel – aber gegen Ende wird Homophobie besprochen------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------
Freitag 14. Januar 1977
Remus warf sich unter der Decke von einer Seite zur anderen, ohne zur Ruhe zu kommen. Sein Bett in Hogwarts war unterm Strich eines der gemütlichsten, in denen er je geschlafen hatte – nur vergleichbar mit jenem, das er bei den Potters benutzte. Selten hatte er sich bemühen müssen, dort einzuschlafen. Aber die vergangenen Nächte waren fast komplett schlaflos gewesen.
Er konnte nicht aufhören, an den Werwolf in Hogsmeade zu denken, an die arme tote Frau und an den Mann, der im St. Mungos aufwachen würde, nur um herauszufinden, dass sein ganzes Leben zerstört worden war. Remus war schon betroffen, solange er denken konnte – aber der Gedanke an diesen Mann, der gezwungen war, sich zum ersten Mal zu verwandeln – vielleicht sogar allein, wahrscheinlich noch in Trauer. Es war unerträglich. Er spürte ein schreckliches, unnachgiebiges Schuldgefühl.
Also schlief Remus nicht. Er hatte sich dazu veranlasst, die Nächte durchzulesen, so lange bis ihm die Augen zufielen. Doch heute Nacht konnte er sich nicht einmal auf sein Buch konzentrieren.
Er drehte sich auf den Bauch, um zu sehen, ob das helfen würde. Nein, so war sein Gesicht ins Kissen gedrückt. Er rollte auf die Seite, aber so tat ihm die Hüfte weh. Auf der anderen Seite war sein Ohr zu heiß. Er ächzte leise.
„Ey, Moony", flüsterte Sirius, als er den Vorhang zur Seite schob. „Was ist los?" Er kroch leise hinein, mit einem schnellen Lumos und einem Stille-Zauber. Er kniete am Fußende und sah Remus an.
„Sorry, hab ich dich geweckt?" Remus kniff bei der unnötigen Beleuchtung die Augen zusammen.
„Ja, aber das ist schon okay." Sirius verlagerte sein Gewicht und ließ sich neben Remus fallen.
„Oh," Remus verzog verlegen die Lippen. „Hör mal, ich bin nicht wirklich in der Stimmung für..."
„Oh, nein, ich auch nicht! Ich meine... nun, da du es erwähnst... aber nein, deshalb bin ich nicht rübergekommen."
„Sicher."
„Also, was ist?"
„Kann nicht schlafen."
„Merk ich. Willst du 'ne Kippe?"
„Sind alle."
„Schon okay, ich hab welche von Emmeline. Komm schon, gehen wir runter? Es ist schon spät, keiner wird da sein und Prongs scheißt uns zusammen, wenn wir hier rauchen."
„Okay." Remus tat so, als würde er zögern. Insgeheim war er begeistert dass:
Sirius sich Sorgen um ihn machte und; Sirius mit ihm allein Zeit verbringen wollte, ohne James zu wecken.
Über die Tatsache, dass die angebotenen Zigaretten von Sirius' momentaner Freundin kamen, konnte Remus für jetzt hinwegsehen. Unten machten sie es sich auf der kleinen Couch beim Fenster gemütlich. Beide zogen die Knie ran und saßen sich gegenüber, sodass, wenn Remus sich nur ein klein wenig strecken würde, sich ihre Zehen berührten.
„Also", begann Sirius, zündete wortlos eine Zigarette an und reichte sie Remus, bevor er sich seine eigene ansteckte. Dies war sicher etwas, das Mädchen beeindruckte. Auch Remus imponierte es, aber das ließ er sich nicht anmerken. „Was ist dein Plan?"
„Plan?" Remus runzelte die Stirn.
„Du liegst drei Nächte in Folge wach und hast gar nichts ausgeheckt? Bist du auch wirklich Moony??"
„Ich will noch einmal zum Eberkopf zurückgehen", sagte Remus prompt.
Sirius' Augen flackerten, doch er ließ die Neuigkeit langsam auf sich wirken. Er atmete Rauch aus und starrte aus dem dunklen Fenster, hinaus auf den abnehmenden Mond, bevor er weitersprach.
„Na gut. Okay, ich denke, das kann ich verstehen." Er nahm einen heftigen Zug von seiner Zigarette. „Unsichtbar?"
„Nein." Remus schüttelte den Kopf und nahm einen kurzen, nervösen Zug von seiner Kippe. „Nein, wenn er dort ist – wenn sie dort ist, dann will ich sie treffen."
„Remus. Nein."
„Warum nicht?", schoss Remus hitzig zurück. Er war bereit zu streiten, wenn Sirius das wollte. Das würde sich gut anfühlen. Es wäre zumindest etwas.
„Weil es gefährlich ist?! Weil du sie noch nie getroffen hast und keine Ahnung hast, wie sie drauf ist, außer dass sie neulich eine Frau ermordet hat?! Weil du noch nicht mal siebzehn bist und sie dich rausschmeißen, wenn du dich mit Magie verteidigst??"
Während Sirius das alles sagte, starrte er ihn ungläubig an. Remus blinzelte geschockt. Er drückte seine Zigarette aus und stand auf, nützte so seine Größe gegen Sirius aus.
„Du kannst mir nicht vorschreiben, was ich tun kann oder nicht. Komm mir einfach nicht in die Quere."
„Jetzt sei doch nicht so, ich versteh', wie du dich fühlst—"
„Ha."
„Okay, ich versteh' es nicht," Sirius schüttelte ungeduldig den Kopf, „aber ich will, dass du aufpasst!"
„Das werde ich – es sind Ewigkeiten bis zum nächsten Vollmond, sie wird mir gegenüber keinen Vorteil haben—"
„Glaubst du nicht, dass Greyback vielleicht genau das will?!"
„Was soll das heißen?", knurrte Remus. „Dass ich bescheuert bin?"
„Nein, nicht bescheuert, nur... unvorsichtig."
„Sirius Black will mir etwas von Vorsicht erzählen? Das ist wirklich urkomisch."
„Hey." Sirius stand jetzt wütend auf.
Genau, los geht's, sagte etwas in Remus, mach schon, versuch's doch.
„Nun, es ist ziemlich lächerlich, dass du mir sagst, ich soll mich nicht in Gefahr begeben", fuhr Remus fort, im Wissen, dass er jetzt grausam wurde. „Letztes Jahr um diese Zeit war dir meine Sicherheit noch nicht so wichtig!"
Sirius schaute getroffen, er sah hinab auf den Teppich und Remus verstand, was er angerichtet hatte.
„Das... das ist nicht fair, Moony", sagte Sirius leise.
Das Leben ist nicht fair, wollte Remus entgegnen – aber er wusste, wie kindisch und zickig das klingen würde. Dies war kein Streit, den einer von ihnen gewinnen würde, und er war müde, so erschöpft davon, sich zu sorgen und zu denken und sich Dinge vorzustellen und deshalb nicht zu schlafen.
„Ich muss sie treffen", sagte er endlich. „Ich glaube, sonst werde ich noch verrückt. Ich werde jetzt schon verrückt."
„Okay." Sirius fasste sich wieder und fuhr sich durchs Haar. „Okay, was ist mit Ferox, hast du versucht, mit ihm darüber zu reden?"
„Hab drüber nachgedacht. Er wird versuchen, mich aufzuhalten. Moody auch. Es war überhaupt erst ihre Idee mich nicht mehr nach Hogsmeade gehen zu lassen."
„Na schön... na schön, wir gehen zusammen, okay? Gemeinsam. Wir erzählen es James und—"
„Ich will nicht, dass irgendwer sonst davon weiß", sagte Remus heftig. „Das ist privat."
„Merlin, Moony, du machst das hier wirklich nicht leicht—"
„Es ist auch nicht leicht! Es ist verdammt schwer, okay, aber ich muss es trotzdem tun!"
„Okay!" Sirius hob die Hände in einer ergebenden Geste.
Wir streiten, dachte Remus, wir streiten und er versucht mich zu beruhigen. Das machte ihn etwas schwindelig und er setzte sich aufs nächste Sofa. Er lehnte sich vor, mit dem Kopf in den Händen.
„Tut mir leid," sagte er mit leiser Stimme. „Ich weiß, ich bin... es ist alles nur so..."
„Ich verstehe es wirklich, Moony." Sirius setzte sich neben ihn. „Ich versuch, dir zu helfen."
„Du kannst nicht helfen," sagte Remus. „Ich muss das alleine schaffen, ich kann nicht riskieren, dass jemand anders – ich muss es selbst tun, ich muss..." Remus fing an zu reden und es kam alles in einem einzigen schlaflosen Gestammel aus ihm heraus. „Wenn ich sie treffen kann, dann könnte ich vielleicht... Eines Tages muss ich Greyback treffen. Das weiß ich einfach. Und ich will – ihm nicht beitreten oder so, aber ich möchte ihn – kennenlernen. Und ich möchte verstehen. Warum er tat, was er getan hat und warum... warum er mich zu dem gemacht hat, der ich bin."
Aus dem Nichts waren ihm Tränen in die Augen getreten und er bedeckte beschämt sein Gesicht. Sirius saß still neben ihm.
„Moony..." Er legte eine kühle, zaghafte Hand auf Remus' Schulter, sanft, so als ob Remus jeden Moment herumfahren und wie ein wildes Tier nach ihm schnappen würde. „Er hat dich nicht zu dem gemacht, der du bist."
„Er hat mich zu dem gemacht, was ich bin." Oh Gott, jetzt schluchzte er auch noch. Er wünschte, er hätte diese ganze Unterhaltung nie begonnen und Sirius einfach wieder ins Bett geschickt.
Das letzte Mal, als er geweint hatte, war ähnlich gewesen – er hatte neben einem Jungen gesessen, den er liebte, und hatte etwas gesagt, das schmerzhaft auszusprechen war. Grant hatte ihn im Arm gehalten und ihm das Gefühl gegeben, dass alles gut werden würde. Remus wusste, dass er kein Recht dazu hatte, dasselbe von Sirius zu erwarten.
Als Remus' Schultern vor Gefühlen zu beben begannen, bewegte Sirius sich etwas, aber er ging nicht. Remus hörte ein seltsames, leises Geräusch aus ihm dringen, welches vielleicht mitfühlend oder nur verwirrt klang, aber er rückte näher und ließ seine Hand in die von Remus gleiten und drückte seine Finger. Remus drückte erbärmlich zurück, während er wütend über Greyback schluchzte, und die arme, ermordete Frau und die schreckliche Ungerechtigkeit von allem.
* * *
Samstag 15. Januar 1977
Remus erwachte bei Sonnenaufgang, immer noch auf der Couch zusammengerollt, zugedeckt mit einer Wolldecke aus dem Schrank im Gemeinschaftsraum. Er kniff die Augen gegen das Sonnenlicht zu und blinzelte verwirrt, während er sich langsam daran erinnerte, wo er war. Sirius war immer noch da, am anderen Ende sitzend, mit dem Kopf im Schlaf nach hinten gelehnt und offenem Mund. Natürlich schnarchte Sirius Black kein bisschen.
Remus wünschte, er könnte ihn hier im schummrigen Morgenlicht noch ein wenig länger beobachten, aber er war die ganze Nacht zusammengekauert gewesen und musste sich dringend strecken. Er bewegte sich vorsichtig, seine steifen Glieder ächzten wie die Zweige einer alten Eibe. Sirius rührte sich, hustete leicht und öffnete die Augen.
„Morgen," grunzte er und richtete sich auf. „Wie spät ist es?"
„Fast sieben", antwortete Remus, nach einem schnellen Blick zur Standuhr.
„James geht gleich zum Quidditchtraining."
„Ja."
„Bist du okay?"
Remus stellte seine nackten Füße auf den Teppich und rieb das Stechen und Pieksen aus seinem linken Bein.
„Zumindest hab ich geschlafen", gab er zurück. „Tut mir leid wegen letzter Nacht."
„Pff." Sirius winkte gähnend ab. „Das war gar nichts. Ich hatte schon viel schlimmere Zusammenbrüche."
„Was macht ihr zwei Idioten um diese Zeit hier unten?" James kam mit dem Besen in der Hand die Treppe heruntergesprungen. Er sah sie beide an und ließ ihre Pyjamas und Remus' Decke auf sich wirken. „Habt ihr hier geschlafen?"
„Mussten wir," antwortete Sirius und streckte sich, „alles nur um deinem Geschnarche zu entkommen."
James schüttelte grinsend den Kopf.
„Spinner. Hast du keine Lust auf eine flotte Runde ums Spielfeld, Padfoot?"
„Nee," gähnte Sirius noch einmal, „ich geh wieder ins Bett. Es ist Samstag, Potter, du Wahnsinniger."
„Später geht es nach Hogsmeade, verschlaf das nicht", warnte James. „Sorry, Moony." Er gab ihm einen entschuldigenden Blick.
„Schon gut," antwortete Remus. „Geht ihr ruhig und habt Spaß. Ich hab Hausaufgaben. Selbstverständlich. Der Gemeinschaftsraum wird schön ruhig sein."
„Dann sehen wir uns beim Frühstück?", fragte James, während er schon halb aus dem Raum war, eifrig, der Erste auf dem Feld zu sein.
Der Gemeinschaftsraum würde sich bald füllen – erst das Gryffindor-Quidditchteam, dann einige der eifrigeren Schüler, die gern ihre Hausaufgaben vor dem Ausflug nach Hogsmeade gemacht haben wollten, der für später geplant war. Remus sah zu Sirius.
„Gehst du wirklich wieder ins Bett?"
Sirius zog eine Braue hoch.
„Ja. Kommst du mit?"
Remus lachte, zum ersten Mal seit Tagen.
* * *
„Hi, Remus, kann ich hier sitzen?"
Remus sah mit einem mürben Ausdruck auf, der mehr mit einem komplizierten Astronomie-Diagramm zu tun hatte, als damit, unterbrochen worden zu sein. Er lächelte, sobald er sah, wer es war und nickte.
„Na klar, Chris, such dir einen aus." Er zeigte auf die fünf leeren Stühle am Tisch. Christopher nahm einen Stuhl weiter Platz. „Du wolltest wohl nicht nach Hogsmeade?"
„Oh, naja, ich wusste, dass du nicht mitgehen darfst und ich hänge mit einigen Aufgaben ein wenig hinterher, also..." Christopher sah etwas nervös drein. Er hatte sein Notizbuch und seine Pergamente im Schoß fest umklammert und beäugte Remus verschlagen.
„Äh... willst du nicht deine Sachen auspacken?", ermunterte Remus ihn leicht amüsiert.
„Ja! Tut mir leid..." Christopher begann unbeholfen und errötend seine Sachen auszubreiten.
„Alles okay, Chris?"
„Mm hmm, yep..."
„Okay. Also, ich mache gerade Astronomie und stelle ein ziemliches Chaos an. Du kennst dich mit Sternen und dem ganzen Kram doch aus, oder?"
„Schon. Ich meine, ich bin nicht hervorragend. Aber ja, okay, äh... Soll ich mir das mal anschauen?"
„Danke." Remus schob ihm die Karte hin.
„Oh gut, ich kann sehen, was du falsch gemacht hast, hier bist du ein paar Grad zu weit..." Christopher zog seinen Kompass hervor und begann, eine neue Flugbahn für Venus zu bestimmen. Remus war froh, ihn machen zu lassen, und blätterte währenddessen in seinem Kalender. Geschichte war noch offen, er hatte im Voraus geplant, sich das als kleine Belohnung bis zuletzt aufzuheben. Vielleicht könnte er Chris das erzählen, um die Stimmung zu heben, denn er machte das genauso. Sirius würde nur verwirrt den Kopf schütteln und ihn einen Streber nennen.
Er wollte gerade etwas sagen, als Christopher ihm zuvor kam.
„Ich habe begonnen, ein paar Muggelbücher zu lesen", sagte er hastig, als ob sich das eine Weile in ihm aufgestaut hätte. „Über Weihnachten."
„Tatsächlich?" Remus lächelte freundlich. Er erzählte Christopher schon seit Ewigkeiten, dass er sich selbst beschränkte, indem er keine Bücher von nicht-magischen Autoren las. „Wie kommst du voran?"
„Gut! Es ist toll. Ich mag Gedichte am liebsten..." Dies war eine sehr unschuldige Stellungnahme, jedoch sah Chris aus, als hätte er ihm gerade sein dunkelstes Geheimnis anvertraut.
Seine Wangen waren jetzt karminrot und er sah Remus nicht an, als er sagte: „Ich äh... ich mag Oscar Wilde sehr."
„Oh?" antwortete Remus stetig und fragte sich, wohin das führen sollte.
Eigentlich wusste er ziemlich genau, worauf Christopher hinaus wollte, aber er musste Zeit schinden, während er sich klar machte, wie er reagieren würde. Sicherlich würden sie so etwas nicht hier und jetzt besprechen, an einem Samstagnachmittag in einem nur halb leeren Gemeinschaftsraum? Auf dem Teppich spielten ein paar Erstklässler Koboldsteine, um Himmels willen!
„Ja, und... und Christopher Isherwood", setzte Chris wacker fort. Es war mutig, entschied Remus. Es war vielleicht das Mutigste, was er je gehört hatte.
„Genau, ja..." Er räusperte sich und wünschte, er wüsste, wie er antworten sollte.
„Dann gefällt dir Truman Capote sicher auch."
Christopher sah ihn halb erwartungsvoll, halb ängstlich an.
„Sie äh... sie sind also auch dein Geschmack?" Christopher biss sich heftig auf die Lippe, sodass Remus glaubte, er würde gleich anfangen zu bluten.
„Uhm...ja."
Er wusste nicht, wie ihm zumute sein sollte. Er hatte schon länger einen Verdacht... mehr als einen Verdacht gehabt, was Christopher betraf. Aber das hatte er in einer Million Jahre nicht erwartet. Christopher sah unwahrscheinlich erleichtert aus und beugte sich vor.
„Wie lange weißt du es schon?", flüsterte er.
Remus lehnte sich zurück, in Panik darüber, wer vielleicht zuhörte. Er sah rasch umher und rieb sich den Hinterkopf.
„Gott", seufzte er, "ich brauch jetzt wirklich 'ne Zigarette. Sollen wir spazieren gehen?"
Dies war wahrscheinlich der schlechteste Zeitpunkt, um darüber zu reden. Aber das war ja nicht Christophers Schuld. Christopher wusste nichts von der Werwolfsituation oder Greyback oder Sirius' widersinniger Einstellung zu Sexualität oder selbst, dass die Rumtreiber in gut einem Jahr in den Krieg ziehen wollten. Christopher wusste nur eins und Remus erkannte, dass er einen Freund brauchte.
Sie gingen zum Astronomieturm, in dem Wissen, dass er wahrscheinlich leer sein würde – alle Pärchen waren heute in Hogsmeade. Sie setzten sich draußen mit den Rücken zur Brüstung hin und Remus rauchte, während Christopher im Schoß die Hände wand.
„Wie lange weißt du es schon?", fragte er noch einmal.
„Seit ich fünfzehn bin", antwortete Remus. „Vorletzten Sommer. Du?"
„Um... ich glaube ich hab es immer schon geahnt. Aber. Ja, ich denke erst seit ein paar Monaten."
„Es wird schon, weißt du", sagte Remus, in der Hoffnung, er klänge glaubhaft. Es war ja nicht wirklich gelogen – aber genau wusste er es auch nicht.
„Wissen die anderen Rumtreiber Bescheid? Über dich?"
Remus zuckte zusammen, als er sich an die Hitze von Sirius' Haut an seiner am Morgen erinnerte. Wie er seine Hand hielt, als er geweint hatte. Wie er früher vom Frühstück aufgestanden war, um Emmeline zu treffen. Er schüttelte den Kopf.
„Nee. Noch nicht."
„Keiner meiner Freunde weiß davon. Du bist der Einzige, dem ich's erzählt habe."
Remus wusste nicht, was er darauf antworten sollte. Vermutlich hatte nicht jeder einen Grant. Er lachte und seufzte halb.
„Sorry, Chris. Ich wünschte, ich könnte dir einen Rat geben, aber ich schlag mich einfach so durch."
„Das ist okay. Es ist einfach schön zu wissen, dass da noch jemand ist... geht es Muggeln genauso?"
„Hm? Oh, naja... ich meine, es gibt queere Muggel, ja. Oscar Wilde natürlich und so. Früher konnte man dafür ins Gefängnis kommen, aber jetzt ist das okay. Naja. Nicht okay. Es ist nicht... ich meine, es ist immer noch besser nicht queer zu sein, denke ich. Wie steht's mit Zauberern?"
„Genauso," antwortete Christopher düster. „Besser es nicht zu sein."
Sie schwiegen für eine Weile. Remus nahm eine weitere Zigarette. Es wurde zur furchtbaren Gewohnheit; er hatte schon Mühe, ohne zu keuchen die Treppen hochzuklettern.
„Remus?" sagte Christopher.
„Ja?"
„Ich bin froh... äh, ich bin froh, dass wenn es noch jemanden gäbe, der... davon weiß... dann bin ich froh, dass du es bist."
Gott. Remus dachte, warum musst du so verdammt süß sein?
* * *
Alles in allem war der Sonntag sehr geschäftig verlaufen. Und es war noch nicht vorbei, sagte Remus sich, als er so still wie möglich im Dunkeln lag und darauf wartete, dass das Atmen seiner Freunde gleichmäßiger wurde, um ihm zu vermitteln, dass sie schliefen. Er verhielt sich still und leise, um Sirius auszutricksen – er konnte sich heute Nacht keine Unterbrechungen erlauben. Er hatte etwas vor.
Ja, na gut, er hatte Sirius versprochen, nicht zum Eberkopf zu gehen. Oder zumindest nicht ohne ihn zu gehen. Jedoch, rechtfertigte Remus sich, war dies zu wichtig und deshalb musste er allein gehen.
Er würde nicht dafür verantwortlich sein, noch mehr Leute in Gefahr zu bringen, als er schon hatte. Und wer war Sirius eigentlich, dass er sich erlaubte, irgendetwas von Remus zu verlangen, dachte Remus mürrisch, als er begann, sich mit James' Tarnumhang unter der Robe aus dem Zimmer zu schleichen. Ab und an eine Nummer miteinander zu schieben, hieß offensichtlich nicht, dass sie irgendeinen besonderen Anspruch aufeinander hatten. Sirius würde nicht dauernd seinen Willen bekommen.
Er schlüpfte im Dunkel des Treppenhauses unter den Tarnumhang und stahl sich dann leise durch den halb leeren Gemeinschaftsraum. Er hatte die Karte und seinen Zauberstab und sonst nichts.
Früher als gedacht fand Remus sich vor der Statue der buckligen Hexe ein und dann lief er auch schon durch den Tunnel, mit einem Tempo, das er kaum halten konnte. Es war nicht nötig, sich den Weg zu erleuchten, so wie er es sonst tat, wenn die anderen dabei waren. Er zog einfach weiter, durch die kalte Luft, während der Geruch von Schokolade immer stärker wurde und er war nie so unappetitlich gewesen.
Im Honigtopf konnte er ohne Probleme nach draußen gelangen, auch wenn er nur zur Sicherheit von Mary eine Haarnadel stibitzt hatte. Und plötzlich stand er da, ganz allein in Hogsmeade. Er ging weiter, es war die einzige Möglichkeit. Schon jetzt konnte er sie riechen, sie war immer noch da oder war es kürzlich gewesen. Remus' Herz begann zu klopfen. Er hatte mehr Angst, als er in seinem ganzen Leben je verspürt hatte – mehr noch als letztes Jahr, als er erwachte, um herauszufinden, was Sirius getan hatte.
Vor dem Eberkopf hielt er endlich an, um durchzuatmen. Der Geruch war jetzt sehr stark. Licht schien durch die dreckigen Fenster des Pubs und Remus sah, dass es drinnen trotz einiger Gäste nicht sehr belebt war. Er zog den Umhang aus und atmete die frische Januarluft ein.
Etwas bewegte sich hinter ihm, ein Geräusch wie ein entzücktes Keuchen.
„Da bist du ja! Wer ist ein hübscher Junge?"
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