Kapitel 1

Dexter

Vor dem Ausgang des Flughafens bildete meine Familie eine gespannte und erwartungsvolle Gruppe, bereit, unsere neue Austauschstudentin zu begrüßen. Inmitten des Gedränges hielt meine Mutter ein farbenfrohes Schild hoch, auf dem in großen Buchstaben stand: 'Willkommen in unserer Familie, Chloe.' Die Szene wirkte beinahe wie eine feierliche Zeremonie, als würden wir sie mit offenen Armen empfangen, bereit, sie als Teil unseres Lebens willkommen zu heißen.

Ich zündete ungeduldig eine Zigarette an, zog daran und ließ den kalten Rauch langsam aus meinem Mund entweichen, während ich genervt auf das Erscheinen des fremden Mädchens wartete. Die Luft war erfüllt von einem Gemisch aus dem Brummen der Flugzeuge und den aufgeregten Stimmen der ankommenden Passagiere, die die Atmosphäre um uns herum lebendig werden ließen.

Die automatischen Türen zum Ausgang öffneten sich in regelmäßigen Abständen, und immer wieder strömten Menschen heraus, um in die Arme ihrer Liebsten zu fallen. Es war ein Bild voller Emotionen und Wärme, das mir ein Rätsel war. Auf solch abgehobene Gesten wie Umarmungen und Freudentränen hätte ich niemals kommen können.

"Mom, wann kommt sie denn?", fragte Otis, mein kleiner Bruder, ungeduldig. "Sie kommt bestimmt gleich", antwortete sie und legte einen beruhigenden Arm auf seine Schulter.

Plötzlich öffnete sich die Tür erneut, und ein junges Mädchen kam heraus. Sie kämpfte mit ihren schweren Koffern, und es war offensichtlich, wie schwer es ihr fiel, beide gleichzeitig zu handhaben. Ich verdrehte genervt die Augen. "Sagt mir nicht, dass ich den ganzen Weg hierher gefahren bin, nur für sie?", fragte ich patzig, während meine Mutter mir einen strengen Blick zuwarf. "Sei still, Dexter", sagte sie mit einem scharfen Ton. "Sie kommt."

Otis sah neugierig zu meinem Vater und fragte: "Ihr Vater kommt aus Frankreich, richtig, Dad?"

"Ja, das stimmt", antwortete mein Vater mit einem Lächeln. "Ist das nicht schön? Deine Mutter und ich haben uns in Paris ineinander verliebt. Ich bin sicher, dass sie uns all diese Erinnerungen zurückbringen wird."

Ich rollte angewidert mit den Augen. So viel Liebe war für mich einfach widerlich und abartig. Es kam mir geradezu klischeehaft vor.

"Wow, das freut mich total", sagte ich, ohne dabei auch nur ein Wort ehrlich zu meinen. "Aber spricht sie überhaupt Englisch?", fragte ich nach.

Ich dachte, es wäre besser, wenn sie es nicht könnte. Dann würde sie zumindest nicht verstehen, wenn ich sie beleidige.

"Natürlich kann sie Englisch. Ihre Mutter kommt aus England, glaube ich zumindest", erklärte meine Mutter, während mein Vater zustimmend nickte. Meine Aufmerksamkeit richtete sich wieder auf sie, wie sie mit aller Kraft versuchte, ihre Koffer zu bewegen, wobei ihre blonden Haare ihr immer wieder ins Gesicht fielen. Doch schließlich schaffte sie es und kam uns immer näher.

"Hi, ich bin...", begann sie, bevor sie plötzlich direkt vor meinen Füßen stolperte und hinfiel. Mit einem leisen Rumms fiel ihre Handtasche auf ihren Kopf. Der Anblick war so komisch, dass ich ein kleines Lächeln nicht unterdrücken konnte.

"Kann man das glauben?" Ich konnte mir ein amüsiertes Grinsen nicht verkneifen. Die Szene war einfach zu lustig, um nicht zu lachen, aber anscheinend war ich der Einzige, der das humorvoll fand.

Mein Vater sah mich warnend an und rollte mit den Augen. "Komm, lass mich dir helfen", sagte er und reichte ihr seine Hand. "Danke", bedankte sie sich, als er ihr aufhalf. "Ich bin normalerweise nicht so tollpatschig und seltsam, das verspreche ich", sagte sie schüchtern und klopfte sich den Staub von ihrer Leggings.

Chloe stotterte, als sie nach den richtigen Worten suchte. "Es ist nur... uhh. Die Aufregung, denke ich."

"Mom, ihr Akzent ist komisch", rief Otis skeptisch und warf einen fragenden Blick zu Chloe und dann zu meiner Mutter.

"Otis!" meine Mutter sprach streng, bevor sie sich zu Chloe wandte. "Er meint das nicht so. Ich finde, Ihr Akzent passt zu Ihnen, Miss", begann meine Mutter. "Wir hatten schon viele Austauschschüler aus aller Welt bei uns. Und es ist jedes Mal aufs Neue interessant. Ich bin sicher, wir werden miteinander auskommen", sagte sie und richtete ihre Brille, während sie Chloe aufmunternd anlächelte.

Chloe lächelte verlegen und nickte schwach, ihre blauen Augen funkelten dabei. "Tut mir leid für meinen Akzent, kleiner Mann", sagte sie und sah Otis an. "Mein Vater ist aus Frankreich, aber ich lebe seit meiner Geburt mit meiner Mutter in England. Und tatsächlich haben wir nie wirklich damit aufgehört, Französisch zu sprechen, deshalb kommt wohl mein komischer Akzent."

"Ich mag die neue Austauschschülerin! Sie ist hübsch", rief Otis enthusiastisch. Ich rollte genervt mit den Augen, während alle anderen sichtlich amüsiert über Otis' Bemerkung lächelten.

"So, dein Name ist Chloe, richtig?" fragte mein Vater.

"Oh richtig, ich hab vor lauter Aufregung vergessen, mich vorzustellen", sagte sie verlegen. "Ich bin Chloe Roux."

"Ich bin John", stellte sich mein Vater vor. "Und das ist meine reizende Frau, Anne", fuhr er fort. "Otis, unser jüngster, und Dexter, unser ältester", stellte er die Familienmitglieder vor.

Mich interessierte die ganze Vorstellung überhaupt nicht. Ich spielte gelangweilt an meinem Handy herum, um die Zeit zu vertreiben. Alles, was ich wollte, war einfach wegzugehen, mit meinen Jungs abzuhängen, ein paar Bierchen zu trinken und zu zocken. Aber stattdessen hing ich hier fest.

Chloe strahlte vor Aufregung. "Ich bin wirklich aufgeregt, hier zu sein", hauchte sie begeistert. Ihre Augen funkelten, während sie die neue Umgebung in sich aufnahm. Unbeeindruckt von ihrer Begeisterung gähnte ich theatralisch und ließ meinen Blick desinteressiert über sie gleiten. "Wie interessant", entgegnete ich sarkastisch.

Ein warnender Blick meiner Mutter traf mich, als sie meinen Namen hauchte. "Dex...", begann sie leise.

Ich unterbrach sie schnell: "Was? Ich bin doch extra mit zum Flughafen gekommen, oder nicht?" Meine Stimme klang trotzig, während ich mir Zeit ließ, den letzten Zug meiner Zigarette zu nehmen. Mit einem provokanten Grinsen im Gesicht pustete ich den Rauch in Chloes Richtung. "Ihr habt nie gesagt, dass ich nett sein muss, wenn mal wieder irgendeine zufällige Fremde bei uns einzieht", spöttelte ich und warf die Zigarette achtlos auf den Boden.

"Mir reicht's", verkündete ich genervt und machte keine Anstalten, meine Entscheidung zu ändern. Ohne ein weiteres Wort ging ich entschlossen zum Ausgang. Der Weg zu den Jungs lag vor mir, und ich war entschlossen, mich von der aufgeladenen Stimmung zu distanzieren.

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