Zurück im Internat
Irgendetwas hat mich geweckt, ich weiß aber nicht was. Ich richte mich im Bett auf und schaue mich verwirrt um. Es ist hell. Die Sonne scheint freundlich durchs Fenster herein und ich habe das Gefühl, das es schon ziemlich spät ist.
Dann höre ich ein Geräusch, es muss das gleiche sein, was mich geweckt hat. Und jetzt kann ich es auch zuordnen.
Jemand klopft an meine Tür. Dann höre ich Felix Stimme. >>Mia? Kann ich reinkommen?<<
>>Ja!<< rufe ich verschlafen und lasse mich in die Kissen zurück fallen. Müde mache ich die Augen wieder zu.
>>Hey, Schlafmütze!<< sagt Felix gutgelaunt. Als ich meine Lieder ein Stück öffne, sehe ich, das er lächelt.
>>Ich dachte ich weck dich mal, bevor wir zurück nach Schloss Hohenfels müssen.<<
Verschlafen Räkele ich mich im Bett herum, dann gähne ich ausgiebig und versuche mich aufzusetzen, doch ich habe überhaupt keine Lust, also lasse ich mich wieder schlapp in die Kissen fallen.
>>Wieso? Wie spät ist es denn?<< frage ich schläfrig.
>>Halb zwei. <<
>>Waaaas!<< wie von der Tarantel gestochen springe ich aus dem Bett. >>Und dann weckst du mich erst jetzt?<< Hecktisch krame ich in meinen Rucksack herum. Ich klemme mir frische Sachen unter den Arm und eile zur Tür.
Felix sitz lächelnd auf meinem Bett. >>Ich habe mir gedacht, dass du schon runterkommen würdest, wenn du ausgeschlafen hast, aber als du nicht gekommen bist... naja... << er macht eine Geste, die wohl heißen soll... bin ich halt doch gekommen um dich zu wecken...
>>Wie viel Zeit habe ich denn noch?<< frage ich hibbelig.
>>Marvin fährt uns in einer Stunde.<< erklärt er lässig. >>Frau Wolf möchte, dass alle bis spätestens vier Uhr zurück im Internat sind, deshalb...<< er beendet den Satz nicht sondern zuckt nur gleichgültig mit den Schultern.
>>Oh, man! Ich bin dann mal weg.<< seufze ich und verschwinde im Badezimmer.
Ich stehe gerade unter der Dusche, als ich höre wie die Tür auf geht.
>>Ich bins nur. << sagt Felix.
>>Verschwinde!<< rufe ich erschreckt zurück. Hoffentlich kann er mich durch das milchige Glas der Duschkabine nicht sehen, schießt es mir durch den Kopf.
>>Ich dachte nur, du brauchst vielleicht ein Handtuch.<< erklärt Felix verlegen. >>Ich leg es einfach auf das Waschbecken. Okay?<<
>>Ja, okay. Aber bitte verschwinde jetzt, ja! Ich dusch wirklich lieber allein!<< stoße ich verärgert hervor, doch da er es nur gut gemeint hat füge ich ein etwas freundlicheres, >>Danke Felix<< hinzu. Als ich höre, wie die Tür ins Schloss fällt atme ich erleichtert auf. Es ist aber ach zu ärgerlich, dass es keinen Schlüssel zum abschließen gibt.
Ich beeile mich mit dem Duschen, dann schiebe ich langsam die Duschtür auf und linse durch einen Spalt in den Raum. Keiner da! Gott sei Dank! Ich nehme das Handtuch vom Waschtisch und trockne mich damit ab. Anschließend ziehe ich mir schnell eine Hot Pants und ein Top an, darüber eine luftige Strickjacke, dann noch Haare und Makeup. Ja, so kann ich wohl gehen. Beschließe ich, als ich mein Spiegelbild betrachte.
Zügig gehe ich in mein Zimmer zurück und stelle mit entsetzten fest, das Ich fast fünfundvierzig Minuten gebraucht habe. Nur noch eine viertel Stunde! Jetzt aber schnell.
Ich schlüpfe in meine Schuhe, stopfe mein schmutziges Zeugs in den Rucksack, dann hole ich noch meine Jacke aus dem Schrank.
Noch ein letztes mal sehe ich mich im Zimmer um, dann klopft es an der Tür.
>>Bist du fertig?<< fragt Felix als er ins Zimmer kommt.
>>Ja, ich glaube ich hab alles.<< sage ich, doch irgendwie habe ich das Gefühl, das ich irgendwas vergessen habe.
Doch ich komme nicht darauf, was es sein könnte und so zucke ich nur kurz mit den Schultern, drehe mich zur Tür und gehe hinaus. Felix folgt mir.
Als wir unten an der Treppe stehen, fällt mir auf, wie still es ist.
>>Wo sind denn alle?<< frage ich verwirrt.
>>Meine Eltern machen einen Ausflug mit den Mädchen und wo Ian ist weiß ich nicht.<< erzählt Felix gleichgültig.
>>Oh, wie schade. << betrübt senke ich die Augen. >>Ich wollte mich doch noch bei Page dafür bedanken, das ich übers Wochenende herkommen durfte. Und mich verabschieden.<<
>>Ach, das hätte ich fast vergessen!<< er versdreht die Augen und klatscht sich mit der Hand an die Stirn. >>Ich soll dir liebe Grüße von Mum ausrichten und dir sagen, dass du jederzeit herzlich willkommen bist. Und ich soll dir noch was geben.<< er läuft noch einmal zurück in die Küche und kommt mit einem kleinen Paket zurück, das er mir gibt. >>Für die Fahrt, damit du nicht verhungerst.<< sagt er grinsend.
>>Das ist lieb, Danke.<< ich habe tatsächlich Hunger muss ich feststellen.
>>So, dann wollen wir mal. << Felix hält mir die Tür auf, doch bevor ich endgültig gehe, werfe ich noch einen Letzten Blick durch den Raum.
Ob ich wohl jemals wieder hier her kommen werde? Das Wochenende ist so schnell vergangen und alle waren so nett zu mir. Lena, Page, Felix, sogar Peter, den ich zwar nur kurz bei den Mahlzeiten getroffen habe, aber auch er war sehr höflich zu mir. Und die Zwillinge sind einfach nur Süß!
>>Du hast eine tolle Familie. << spreche ich meine Gedanken aus, als wir das Haus verlassen und zu Marvin gehen, der am Mercedes steht und uns die Tür öffnet.
>>Ja, ich hätte es wirklich schlechter treffen können. << stimmt Felix gleichgültig zu.
Ich pieke ihm mit dem Finger in die Seite. >>Hey!<< schimpfe ich >>Ich meins ernst!<<
Lachend weicht er zur Seite aus. >>Ja, ja. Schon gut. Du hast Recht Okay.<<
Als Marvin den Wagen durch die Einfahrt manövriert, drehe ich mich noch einmal zum Haus um und präge mir alles ganz genau ein.
Die Fenster, das Fachwerk, den Hof, die Stallungen und die Blumenbeete. Ich möchte diesen Ort in meinem Gedächtnis festhalten und die Erinnerungen, die ich mit Ihm verbinde.
Page, wie sie mir erzählt, dass sie alle "ihre" Kinder liebt, als wären es ihre eigenen. Lena, wie sie übermütig mit Felix um den Pool gerannt ist um dann ins Wasser zu springen, die Zwillinge, die im Garten auf einer Decke sitzen und ein Picknick veranstalten, Peter, der den größten Teil seiner Zeit mit den Pferden verbringt und wen ich sicher nicht vergessen werde ist Ian.
Egal wie viel Angst ich auch vor ihm gehabt habe, als er mich angebrüllt hat, dass ich verschwinden soll, das Bild, das sich mir in der letzten Nacht geboten hat, wie er so verloren an dem Flügel seiner Mutter saß, kann ich nicht vergessen.
Und dann ist da dieses Gefühl, dieses Verlangen, was seit der letzten Nacht in meiner Brust brennt. Die Neugier alles über ihn zu erfahren. Was ihn bewegt, was ihn zu dem macht der er ist und warum er scheinbar noch immer so sauer auf seine Mutter ist, das er ihr einziges andenken so schlecht behandelt.
>>Alles okay?<< reißt Felix mich aus meinen Gedanken.
>>Was?<< frage ich verwirrt.
>>Ob alles in Ordnung ist. Hab ich gefragt.<< wiederholt er.
>>Oh, ach so, Ja. Alles bestens.<< gebe ich ein wenig traurig zurück.
Felix schaut mich nachdenklich an. >>Du hast doch was?<< sagt er >>Ich sehs dir an.<<
Ich schüttel den Kopf >>Nein, es ist alles gut. Ich habe nur nachgedacht.<<
>>Mia, du weißt, das du jederzeit mit mir reden kannst oder?<<
>>Ja. Ich weiß<<
>>Und das du nächstes Wochenende wieder mit zu mir kommen kannst weißt du auch oder?<<
Ich nicke verlegen.
>>Dann ist ja gut. << sagt Felix er leichtert.
Er weiß ja auch nicht, das ich nicht vorhabe sein Angebot noch einmal anzunehmen.
Auch wenn Ian sich am Ende scheinbar mit meiner Anwesenheit abgefunden hat, möchte ich ihn in seinem Zuhause nicht noch einmal unnötig mit meiner Anwesenheit belästigen.
Auch wenn das heißt, nicht mehr mit Page reden zu können oder mit Felix im Pool zu planschen. Und auch wenn mir die Pferde angst machen, habe ich die Ruhe, die sie ausstrahlen genossen.
Auf der Fahrt erzählt Felix mir von der Pferdezucht seines Vaters und das er scheinbar ein wirklich gutes Händchen dafür hat, denn einige seiner Pferde haben schon viele Preise gewonnen und eines ist sogar mal bei den Olympischen Spielen bei den Dressurprüfungen gestartet. Es hat zwar nicht gewonnen, aber es ist immerhin dritter geworden.
Ich staune, als er mir von den hohen Preisgeldern erzählt und wie Teuer die Pferde aus der Zucht seines Vaters gehandelt werden.
Daher kommt also das Geld für das große Anwesen, das mich so beeindruckt hat, wird mir klar.
Als wir das Internat erreichen, ist der Himmel bedeckt und ein leichter Sprühregen benetzt Bäume und Blätter mit Feuchtigkeit.
>>Vielen Dank. << sage ich dankbar zu Marvin, als er mich mit einem Schirm bis zur Tür bring. Es ist mir aber auch peinlich. Noch nie wurde ich von jemandem so zuvorkommend behandelt.
>>Es ist mir eine Ehre Miss. << versichert er mir höflich.
>>Bitte, würden sie mich Mia nennen? Miss hört sich so... altbacken an. << bitte ich ihn.
>>Gern Miss. << er lächelt verlegen. >>Mia.<< korrigiert er sich.
>>Bis zum nächsten mal. << verabschiede ich mich, als ich durch die große Eingangstür das Internat betrete.
>>Auf Wiedersehen.<< Marvin verbeugt sich leicht, dann geht er zum Wagen zurück.
Hinter mir eilt Felix durch die Tür. >>Ihr Frauen habt es echt gut.<< sagt er klagend und schüttelt die Feuchtigkeit aus seinen schwarzen Haaren. >>Immer bekommt ihr den einzigen Schirm.<<
>>Hey!<< schimpfe ich lächelnd. >>Ich wollte dir doch den Schirm überlassen, aber Marvin hat mich ja nicht gelassen!<<
>>Das wäre ja noch schöner, dann bekomm ich nachher noch mit Page ärger, weil ich mich nicht wie ein Gentleman verhalte. Ne, ne. Da lass ich mich lieber nass regnen. << jetzt lächelt auch er.
>>Ich bring dann mal meine Tasche nach oben.<< verabschiedet er sich. >>Sehen wir uns zum Abendessen?<<
>>Ja, gern. Weißt du ob. Alex auch schon wieder da ist?<< rufe ich ihm hinterher.
Er bleibt auf der Treppe stehen und sieht zu mir nach unten. >>Nee, keine Ahnung, aber spätestens zum Essen werden wir sie sehen. Und Joris kommt sicher auch bald, oder er ist schon da, werd ich ja gleich sehen. Wir teilen uns ein Zimmer.<< erklärt er mir.
>>Gut, dann bis später. << rufe ich ihm zu und verschwinde durch die Tür in den Korridor, der zu meinem Zimmer führt.
Als ich mein Zimmer betrete ist es noch genauso, wie ich es verlassen habe. Scheinbar ist meine Mitbewohnerin noch nicht da, oder sie kommt erst am nächsten Wochenende wieder, wenn die Ferien zu Ende sind.
Ich packe meinen Rucksack aus und stelle verwundert fest, als ich meinen Schrank öffne, das meine schmutzigen Anziehsachen, aus der vergangenen Woche gewaschen wurden. Wow, was für ein Service.
Also ist doch nicht alles ganz genauso wie vor zwei Tagen, aber damit kann ich leben.
Nachdem ich meinen Rucksack im Schrank verstaut habe weiß ich nicht, was ich machen soll. Zuerst wandere ich in meinem Zimmer herum, doch das wird ziemlich schnell ziemlich öde und so beschließe ich, endlich meine neue Schule besser kennen zu lernen.
Auf dem Gang gehe ich von Tür zu Tür und lese die Schilder die daran befestigt sind.
Auf dem Schild an Meiner Zimmertür steht unter meinem Namen der Name June Baumgarten. Das muss dann wohl der Name des Mädchens sein, die mit bei mir wohnt.
Auf dem nächsten Schild stehen auch zwei Namen: Maren Teschner und Josefine Markess.
In dem nächsten schlafen sogar drei: Paula Niemann, Joyce Berger und Irma van der Au.
So geht es weiter. Eine Tür, ein Schild. Zwei oder drei Namen, dann wieder eine Tür und wieder ein Schild mit Namen. Dazu die Tür zum Badezimmer, die ich schon kenne, und dann kommt der Gang, der zum Kaminzimmer führt.
Ich biege ab, und folge ihm. Dabei mustere ich aufmerksam die Schilder an den Türen. Es sind nach wie vor Schlafräume, aber nach und nach kommen auch Klassenzimmer dazu. Sie scheinen den Lehrern zugeortnet zu sein und nicht den Klassenstufen.
Herr Matthiesen. Ja, den kenn ich schon. Der Mathelehrer.
Der Raum danach gehört Frau Berger, dann kommt ein zweites Badezimmer. Nach zwei weiteren Klassenzimmern, steht ausnahmsweise mal kein Name an der Tür, sondern Musikraum.
Neugierig greife ich nach der Klinke. Sicher ist abgeschlossen, aber ich möchte trotzdem mal ausprobieren ob sich die Tür vielleicht öffnen lässt.
Und tatsächlich lässt sich die Tür öffnen, als ich den Türgriff herunterdrücke.
Verlegen schaue ich mich um, aber außer mir ist niemand hier.
Schnell husche ich in den Raum und schließe die Tür hinter mir.
Der Raum sieht fast wie ein normales Klassenzimmer aus, allerdings gibt es kaum Tische, sonder im vorderen Bereich stehen circa zehn Stühle zu einem Kreis zusammen gestellt.
Es gibt auch ein Lehrerpult und eine Tafel. Neben der Tafel ist eine Tür, als ich versuche sie zu öffnen, stelle ich fest, dass sie verschlossen ist. Vielleicht befinden sich dahinter ja Musikinstrumente. Scheinbar lassen sie sie doch nicht einfach so offen in der Gegend herumliegen.
Als ich mich von der Tür abwende und den Raum Richtung Ausgang durchquere fällt mein Blick auf etwas, das mit einem großen schwarzen Tuch abgedeckt in der hinteren Ecke steht.
Ist es das was ich denke? Neugierig gehe ich zu dem großen Teil und hebe das Tuch an einer Seite an.
Cool, es ist tatsächlich das, was ich gedacht habe.
Ein Flügel. Schon wieder einer. Auch wenn dieser Älter ist und viel kleiner als der bei Ian, ist und bleibt es ein Klavier.
Ich entferne das Tuch soweit von dem Instrument, das ich die Tastaturabdeckung öffnen kann.
Dann schaue ich mich noch mal um, ob die Tür auch wirklich geschlossen ist, ich setzte mich und fahre nachdenklich über die schwarzen und weißen Tasten.
Soll ich? Oder lieber nicht? Nach dem was ich gestern erlebt habe sollte ich vielleicht lieber nicht, aber es juckt mich in den Fingern, also drücke ich die Tasten.
Ich spiele nur eine kleine Melodie, dann höre ich auf. Unsicher schaue ich noch mal zur Tür, aber sie ist immer noch verschlossen, also spiele ich noch eine und noch eine und noch eine.
Ich habe keine Ahnung, wie lange ich schon hier bin, doch als ich endlich bereit bin aufzuhören ertönt hinter mir begeisterter Applaus.
Erschreckt springe ich auf und schmeiße dabei den Klavierhocker um. Ein lautes RUMS ertönt, dann sehe ich in die begeisterten Gesichter von Alex, Joris und noch einigen anderen, die ich nicht kenne.
>>Wow, du spielst echt toll!<< sagt Alex bewundernd.
>>So möchte ich auch spielen können. << sagt ein Mädchen, das ich nicht kenne, ehrfürchtig, >>Aber ich kann nur den Flohwalzer.<<
Auch Joris ist hin und weg. >>Wenn das Frau Graf hört, wird sie begeistert sein! Sicher engagiert sie dich gleich für den nächsten Wohltätigkeitsabend als Musikalisches Highlight oder so.<<
>>Bitte, sagt niemandem was!<< flehe ich, >>Ich spiele nicht vor Publikum,<<
>>Ach und was sind wir?<< sagt Alex augenzwinkernd:
>>Ungebetene... Lauscher... << schlage ich verlegen lächelnd vor.
>>So, so. Ungebeten was?<< sagt Joris belustigt.
>>Ach, apropos... schön, das du deine Stimme wiedergefunden hast.<<
>>Äh, ja. Find ich auch. << sage ich und schaue zu boden.
>>Joris du Trampel!<< schimpft Alex, >>Was habe ich dir zum Thema Taktgefühl gesagt?<<
>>Das ich keins habe.<< sagt er und grinst übers ganze Gesicht.
>>Jungs!<< stößt Alex genervt aus und verdreht die Augen.
>>Wie spät ist es eigentlich?<< unterbreche ich die beiden Streithähne.
>>Gleich sieben. Wieso?<< will Alex wissen.
>>Weil ich hunger habe.<< sage ich achselzuckend.
Alex sieht mich verwundert an. >>Wo ist Mia? << fragt sie. >>Und wer bist du?!<< dabei geht sie um mich herum und schaut mich mit großen Augen an.
>>Darf ich denn nicht auch mal Hunger haben?<< frage ich verlegen, muss dabei aber lächeln.
>>Wie war das jetzt mit dem Taktgefühl?<< spottet Joris. Dann fügt er an mich gewandt.
>>Komm Mia, wir gehen jetzt zum Abendessen. << hinzu und nimmt mich an der Hand. >>Ich hab auch Hunger. Eigentlich waren wir gerade auf dem Weg zum Speisesaal, als wir dich spielen gehört haben.<<
>>Du hast doch immer Hunger!<< zieht ihn das Mädchen auf.
>>Na und? Ich bin im Wachstum!<< sagt er, doch dabei funkeln seine grünen Augen belustigt.
>>Warte. << sage ich schnell und löse mich aus Jori's Griff.
>>Ich will den Flügel nur noch wieder abdecken.<< erkläre ich, als er mich verwundert ansieht.
Dann gehen wir gemeinsam in den Speiseraum. Wir setzten uns an den selben Tisch wie schon in der Letzten Woche. Meinen Diätplan ignoriere ich völlig, ich esse einfach wozu ich Lust habe und bisher habe ich auch keine Probleme damit gehabt. Außerdem darf ich ab Morgen ja sowieso wieder essen, was ich will.
>>Dir scheint dein Trip mit Felix wirklich gut bekommen zu sein. << stellt Joris anerkennend fest, als er mein vollbeladenes Tablett betrachtet.
>>Das glaube ich auch. << stimmt Felix zu. Gerade kommt er mit seinem Tablett zu uns an den Tisch und setzt sich neben mich.
>>Wie war denn euer Wochenende so?<< fragt er Alex und Joris.
Das Mädchen, das mir vorhin beim Klavierspielen zugehört hat, ist zwar mit uns in den Speisesaal gekommen, hat sich dann aber an einen anderen Tisch gesetzt. Sie plaudert mit den Mädchen am Tisch und immer wieder schauen sie neugierig zu uns herüber.
Na toll, sicher wird bald jeder wissen, dass ich ein bisschen Klavier spielen kann, nur weil sie all ihren Freundinnen davon erzählt.
Resigniert seufze ich auf und wende mich wieder meinem Essen zu. Ich kann es ja eh nicht verhindern.
Nach dem Essen ziehe ich mich in mein Zimmer zurück, obwohl ich so lange geschlafen habe bin ich irgendwie Müde. Ich ziehe mir meinen Shorty Pyjama an und kuschele mich in mein Bett, doch ich kann nicht einschlafen.
Ruhelos wälze ich mich hin und her, bis es mir zu viel wird.
Ich krame mein Handy aus der Tasche und checke meine Nachrichten.
Mel hat geantwortet und auch Luke hat wieder geschrieben. Was will er nur von mir.
Seine erste Nachricht habe ich noch nicht mal gelesen und ich bin mir auch nicht sicher, ob ich das will, aber langsam werde ich doch neugierig.
Doch fürs erste lese ich die von Mel.
"Hi, Mia. Ich bin echt froh, dass du dich gemeldet hast, hab mir richtig Sorgen gemacht, du weißt schon warum... Mir gehts gut. Und ich muss dir unbedingt was erzählen, wenn wir uns wiedersehen. Hab dich lieb. Biba."
Was muss sie mir denn unbedingt erzählen wundere ich mich und warum macht sie solche ominösen Andeutungen, wenn sie sie dann nicht aufklärt.
"Hey Süße, du weißt schon, dass wir uns erst in drei Monaten wieder sehen. Oder? Also schreib gefälligst, was du mir sagen willst oder ruf mich an! Ich vermisse dich! Biba."
Schreibe ich ihr zurück und schicke die Nachricht ab.
Als nächstes schreibe ich meiner Mutter. Vielleicht hat Page ja recht und es macht für Mara tatsächlich keinen Unterschied, das ich nicht ihre leibliche Tochter bin. Aber ich weiß nicht so recht was ich schreiben soll.
"Hallo Mara."
Ist das einzige was ich bisher geschrieben habe, doch seither bin ich nicht viel weiter gekommen.
Vielleicht sage ich ihr , das es mir gut geht und das ich schon neue Freunde gefunden habe, auch wenn ich nicht weiß, ob das stimmt.
Anderer seits finde ich Alex, Joris und Felix wirklich nett.
Also gut.
"Mir geht es langsam besser."
schreibe ich, sie soll ruhig wissen, dass es mir definitiv nicht gut ging, als sie mich hier abgeladen haben.
"Es gibt hier ein Mädchen, Alex und zwei Jungen, Joris und Felix, die sich um mich kümmern. Sie sind nett." schreibe ich weiter.
Ich komme wieder ins stocken, ich weiß einfach nicht was ich ihr schreiben soll, also beende ich die Nachricht mit den Worten
"LG Mia."
Das muss reichen.
Und jetzt? Soll ich Lukes Nachrichten Lesen? Unschlüssig schwebt mein Finger über seinem Namen, dann schließe ich die Augen und drücke darauf.
Die Nachricht ist kurz.
"Es tut mir leid. Lass uns doch mal reden."
Steht in der ersten.
"Mike ist ein Idiot, Mia! Er hat mir alles erzählt. Bitte sprich mit ihm. Oder ruf mich an!"
In der zweiten.
Ich hab es geahnt!
Ich hoffe, dass er mich in Ruhe lässt, wenn ich ihm Antworte, ich möchte mich nicht mehr damit befassen, jetzt, wo es mir wieder ein kleines bisschen besser geht. Und ich nicht mehr immerzu an Mike denken muss.
Und so schreibe ich.
"Lass mich in Ruhe! Ich will mit euch nichts mehr zu tun haben!"
Kurz und bündig und vor allem möchte ich ihm gegenüber nicht zugeben, wie verletzt mich die ganze Sache mit der Wette wirklich hat. Sie sollen sich nicht noch mehr auf meine Kosten amüsieren!
Ich schicke die Nachricht ab.
Ich kann mir zwar nicht vorstellen, dass er mich jetzt in Ruhe lässt, aber es ist einen Versuch wert.
Auf lautlos gestellt lege ich das Handy auf meinen Nachtschrank, dann versuche ich erneut zu schlafen, aber ich bin viel zu aufgewühlt von Lukes Nachricht und von Mel's Neuigkeiten, von denen sie mir nichts sagen will.
Weil das mit dem Schlafen sowieso nichts wird stehe ich auf und wandere in meinem Zimmer herum. Gehe von einem Fenster zum anderen und schaue hinaus.
Es ist dunkel und ich kann den Vollmond hinter der diesiegen Wolkendecke leuchten sehen.
Meine Gedenken wandern zu der Nacht zurück, als bei mir und Mike noch alles in Ordnung war, an meinem Geburtstag, doch da habe ich auch Ian getroffen und dieser Gedanke bringt mich zum lächeln.
Ich erinnere mich an seine kräftigen Arme und an seinen intensiven Geruch, den ich auch gestern Abend wieder bei ihm wahrgenommen habe.
Langsam wandere ich zu meinem Schreibtisch und hole Stift und Papier heraus. Mit den Sachen setze ich mich auf die Fensterbank und beginne mit dem Zeichnen. Das erste Bild zeigt Ian, wie er mich mit finsterem Blick ansieht, das zweite ist wieder Ian, der ein ziemlich verwirrtes Gesicht macht und auch das Dritte ist von ihm.
Und dieses finde ich am schönsten. Ich male ihn am Klavier, vornübergebeugt, nachdenklich, traurig in einem Ring aus Licht. Er scheint in einer anderen Welt zu sein, in einer Welt, in der auch ich mich hin und wieder befinde, einer Welt zwischen Licht und Finsternis. Zwischen hoffen und bangen. Zwischen Liebe und Hass.
Als ich das dritte Bild von Ian beendet habe, packe ich die Zeichensachen zurück in den Schreibtisch.
Dann lege ich mich erneut ins Bett.
Als ich die Augen schließe sehe ich ihn immer noch vor mir, genauso deutlich, wie gestern Nacht, als ich ihn beobachtet habe.
Er kommt auf mich zu, legt seine Hand wieder auf meine Wange und streicht mit seinem Daumen meine Lippen entlang, dann beugt er sich zu mir herunter und riecht am meinem Haar. Ich atme seinen unbeschreiblichen Duft ein, spüre die Wärme, die er ausstrahlt und fühle seinen warmen Atem sanft mein Gesicht entlang streichen. Langsam hebe ich die Hand und lege sie auf seine Brust. Sein Herzschlag ist gleichmäßig und ruhig, und doch kann ich ihn an meiner Handfläche spüren. Er legt seinen Arm um meine Taille, dann zieht er mich an sich. Mein ganzer Körper prickelt, dort wo er mich berührt und in meinem Inneren breitet sich eine wohlige Wärme aus. Ich lege meine Wange an seine Brust, und lausche dem stetigen Pochen seines Herzens.
Bum, bum, bum...
Dann verändert es sich zu einem...
Tock, tock, tock...
und wird zu einem...
Klopf, klopf, klopf...
Gerade als ich einigermaßen ins hier und jetzt zurückkehre höre ich wie jemand ruft.
>>Ich komm jetzt rein, ob du willst oder nicht!<<
Als ich benommen die Augen öffne sehe ich Alex, die gutgelaunt auf mich zukommt.
>>Hey du Langschläfer! Das Frühstück wartet.<<
begrüßt sie mich.
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