Wörter Essen

"Wir sehen uns dann im Unterricht." sagt June noch, bevor sie unsere Tabletts aufeinanderstapelt und aufsteht. Doch als ich nach wie vor dumm in der Gegend herum stehe fügt sie genervt hinzu. "Nun geh schon. Du hast nicht ewig Zeit, oder hast du vergessen, dass es gleich klingelt."

"Ich geh ja schon." sage ich und verdrehe die Augen, dann schließe ich die Hand fest um den Zuckerstreuer und gehe mit weichen Knien zu ihm hinüber.

Hoffentlich hat June recht. Nicht dass er tatsächlich nur den Zucker wiederhaben will.

"Hier." unsicher, was ich tun soll, stelle ich den Glasbehälter einfach neben ihn auf den Tisch.

"Danke." Ian sieht mich nachdenklich an, dann sagt er einladend. "Möchtest du dich noch einen Moment zu mir setzten?"

"Sicher!" platzt es mir überrascht heraus. Gott! Wie peinlich.

"Ich mein...ähm, ja, warum nicht." langsam umrunde ich den Tisch und setzte mich ihm gegenüber. "Wo ist denn dein Freund hin?" frage ich, weil mir gerade nichts anderes einfällt.

"Weg." kurz flackert es verärgert in seinem Gesicht auf, doch dann verbirgt er seinen Unmut.

"Ähm, ja, das sehe ich." verunsichert, was sein Verhalten zu bedeuten hat streiche ich unter dem Tisch über mein Bein.

"Aber wenn du willst, dann kann ich ihn wieder herholen. Wenn ich dir nicht genug bin."

"Wa... Nein! Ich meine... das brauchst du nicht... ich bin ja froh, dass er weg ist...!Oh...ich... ich mein..." vor Verlegenheit laufe ich rot an. Man! Hab ich das echt gesagt?! "Ich wollte nicht sagen, dass ich ihn nicht mag oder so..., ich mein, ich kenn ihn ja nicht, also ist es mir egal, wo er ist... ich hatte mich nur gewundert, das er weg ist... also... mehr nicht." stammele ich eine Erklärung.

"Willst du?" Ian schiebt mir sein volles Tablett zu.

Was hat denn das jetzt zu bedeuten? Dieser Plötzliche Themenwechsel.

"Nein Danke. Ich hatte genug." verwirrt schaue ich ihn an. Warum holt er sich so viel zu Essen, wenn er es dann doch nicht isst? Dabei hat er es bitter nötig. Er sieht Müde aus. Unter seinen Augen sind dunkle Schatten und sein Gesicht sieht viel kantiger aus als ich es in Erinnerung habe. "Willst du denn nichts essen?"

Ausweichend zuckt er mir der Schulter, dann sagt er knapp, "Keinen Hunger."

"Du hast doch noch gar nichts gegessen."

"Genau wie du."

"Doch. Hab ich." wiederspreche ich, dabei hat er recht, denn meinen Joghurt hat June eben mit weggebracht, nur woher weiß er das?

"Okay, wie du meinst." sagt er brummig und schiebt das Essen beiseite.

Puhh... ist er aber anstrengend. Aber vielleicht taut er ja auf, wenn ich ihm zu liebe etwas esse. Und ob er dann vielleicht auch...?

"Warte. Ich glaub, ich möchte doch noch was." unterbreche ich ihn in seiner Bewegung.

Kurz huscht ein Lächeln über sein Gesicht, doch es ist so schnell wieder verschwunden, dass ich fast daran zweifele es gesehen zu haben.

Nachdenklich betrachte ich die Auswahl, dann entscheide ich mich für ein Brötchen mit Sonnblumenkernen und eine Scheibe Käse.

Ich liebe Käse und er diese Brötchen, also ein super Kompromiss. Ich teile das belegte Brötchen in zwei Hälften, dann schiebe ich ihm den Teller zu.

"Iss." fordere ich ihn bestimmt auf, und schaue ihm fest in die Augen. Kurz schaut er mich verwundert an, doch dann greift er zögernd zu, beißt aber erst in das Brötchen, als ich es auch tue. Eine Zeit lang sitzen wir schweigend beieinander und essen, als es auch schon zur Stunde läutet.

Enttäuscht schlucke ich den letzten Rest hinunter. Dieses Date war so ziemlich das verkrampfteste, an das ich mich erinnern kann, trotzdem finde ich es schade, dass es nun vorbei ist.

Weitere Minuten verstreichen und langsam verlassen auch die letzten Nachzügler die Mensa. Auch wir sollten langsam gehen, aber ich kann mich nicht von ihm losreißen.

Doch als Ian schließlich aufsteht, tue ich es auch. Schweigend nimmt er sein Tablett und bringt es weg, dann gehen wir gemeinsam zur Tür. Gerade will ich in Richtung meines Klassenzimmers gehen, als er nach meinem Arm greift und mich aufhält.

"Mia!" Setzt er an, doch dann bricht er ab und fährt sich unschlüssig mit der Hand durch die Haare.

Wie gern ich das jetzt auch machen würde, doch vielleicht hat er ja was dagegen.

Er legt seine Stirn in Falten und ich höre, wie er leise aufseufzt. Doch anstatt etwas zu sagen sieht er mich nur unsicher an, bevor er sich wortlos von mir abwendet.

Zögernd setzt er einen Fuß vor den anderen. Ich sehe, wie er die Hände zu Fäusten ballt und sie wieder öffnet. Sehe seine angespannten Schultern.

Er macht noch einen Schritt von mir weg und schon möchte ich ihm hinterherrufen, dass er stehen bleiben soll, als er sich noch einmal zu mir umdreht.

In seinen grünen Augen sehe ich die gleiche Unsicherheit und den Schmerz, den auch ich empfinde und am liebsten würde ich ihn in den Arm nehmen und ihm sagen, dass alles gut wird. Aber ich kann nicht. Stattdessen schaue ich ihn einfach nur an. Genauso, wie er mich.

Nach einem kurzen Augenblick taucht er jedoch aus seiner starre auf und in seinen Blick tritt ein zärtlicher Ausdruck.

"Du fehlst mir auch." sagt er leise, doch dann macht er entschlossen auf dem Absatz kehrt und sucht eilig das Weite.

Ich allerdings bleibe wie von Donner gerührt und völlig verwirrt zurück.

Wow! Was war denn das jetzt? Hat er das tatsächlich gerade gesagt? Und was meint er denn mit auch? Habe ich ihm letzte Nacht gesagt, das er mir fehlt? Schon möglich. Ich habe ihm so viel gesagt, aber ich bin mir fast sicher, dass das nicht dabei war, dabei stimmt es natürlich, er fehlt mir so sehr.

Aber ich dachte er hat geschlafen?

Mit gerunzelter Stirn denke ich an die gestrige Nacht, doch ich bin mir ziemlich sicher, dass er wirklich geschlafen hat.

Moment! Was hat er gerade gesagt?! Oh mein Gott!!! Schreit es in mir.

ER HAT GESAGT DAS ICH IHM FEHLE!!!

Verdammt! Verdammt! VERDAMMT!!!!!

Ich kann es nicht fassen! Wieso? Warum hast er das gesagt? Ich meine? Was hat sich denn geändert? Unser verkrampftes Frühstuck wird wohl kaum der Auslöser gewesen sein. Nur was war es dann?

Ob er sich vielleicht doch an das erinnert, was ich ihm gestern Erzählt habe?

Man, man, man!!!

Ich bin völlig aufgelöst. Zuerst stockt mir der Atem, weshalb ich Ian auch nicht aufhalten kann und als ich endlich wieder Luft bekomme ist er schon weg, aber er hat es gesagt! Da bin ich mir ganz sicher!

In meinem inneren schreit es? Es quietscht. Es jubelt. Und meine Hände beginnen zu zittern.

Das zittern wird immer stärker, bis ich es nicht mehr aushalte und so leise wie möglich vor mich hin quietschend auf der Stelle trippel. Um nicht lautstark los zuschreien beiße ich mir in die Faust, aber auch so kann ich nicht verhindern, daß meine Stimme durch die ganze Halle hallt.

Übers ganze Gesicht strahlend stehe ich noch immer vor der Tür zur Mensa, als Professor Mathiesen die Treppe herunter kommt.

"Sollten sie nicht in der Klasse sein?" will er wissen.

"Was? Ach so, ja. Ich... ich hatte was vergessen." suche ich mir schnell eine Ausrede, wobei ich mir ein glückliches Grinsen nicht verkneifen kann.

"Na, dann beeilen sie sich, sie wollen doch nicht den ganzen Unterricht verpassen." skeptisch schaut er mich an.

"Nein natürlich nicht." stimme ich ihm schnell zu. "Bin schon weg. Bis gleich." eilig mache ich mich auf den Weg in mein Zimmer um meine Schulsachen zu holen, dann renne ich so schnell ich kann zum Unterricht.

Klopfen, in die Klasse stürmen und mich grinsend neben Joris setzten habe ich im nu hinter mich gebracht, doch das kribbeln in meiner Brust, lässt mich die ganze Mathestunde nicht zur Ruhe kommen und das obwohl Matti mich immer wieder mit Aufgaben bombardiert, die meinen Kopf ziemlich in Anspruch nehmen.

Auch als die zweite Stunde beginnt, ist meine Euphorie noch nicht verflogen und so kommt es, dass Felix mich am Ende der Stunde ziemlich verwirrt fragt, "Was ist denn mit dir los?" als es erneut zur Pause läutet.

"Nichts!" sage ich grinsend. "Was soll schon sein?"

"Du wirkst so aufgekratzt. Gehts dir gut?"

"Sicher! Ging mir nie besser. " versichere ich ihm. Doch obwohl ich versuche mich zusammen zu reißen, schleicht sich immer wieder dieses verrückte grinsen in mein Gesicht. "Kommst du?" Auffordernd sehe ich ihn an, als er nur langsam seine Sachen packt.

Mir steht nur noch eine gähnend langweilige Chemiestunde bevor, von der ich allerdings nicht viel mitbekomme, dann ist Mittagspause.

Und in dieser freien Zeit kann ich dem , was Ian mir gesagt hat auf den Grund gehen.

Denn allein, diese vier kleinen Worte, haben mir so viel Hoffnung gemacht, dass ich gar nicht anders kann, als daran zu glauben, dass Ian mich noch nicht aufgegeben hat.

Nach der Stunde bringe ich meine Tasche in unser Zimmer, wo June mich bereits neugierig erwartet.

Bemüht mich nicht sofort zu verraten, mache ich ein betrübtes Gesicht, als June mich fragt, was passiert ist.

"Und?" will sie wissen.

"Ach, er wollte wirklich nur den Zucker." sage ich, dabei beiße ich mir fest auf die Lippe, um nicht zu grinsen.

"Echt?!" Ruft sie erstaunt aus. "Das hätte ich nicht gedacht! Mia, tut mir so leid, dass ich dir nicht helfen konnte. Ian ist aber auch wirklich blöd! Der hat dich gar nicht verdient!" sagt June entrüstet, doch als ich ihr betrübtes Gesicht sehe, kann ich nicht länger an mich halten und schmeiße mich kichernd auf mein Bett.

"Mia!" ruft June erstaunt aus. "Drehst du jetzt völlig durch?"

"Nein!" bringe ich unter Gelächter und mit tränenden Augen hervor "Aber du solltest mal dein Gesicht sehen!" Erneut überkommt mich ein heftiger lachanfall, als ich in Junes vollkommen verwirrtes Gesicht blicke. Ihre roten Haare stehen ihr buchstäblich zu Berge und die Lippen hat sie missbilligend zusammengepresst. Doch dann fällt scheinbar bei ihr der Groschen.

"Du meinst, ihr habt euch ausgesprochen?" will sie mit vor Aufregung geweiteten Augen wissen.

"Soweit würde ich nicht gehen. Eigentlich haben wir kaum geredet."

"Aber?" fragt sie skeptisch nach "Irgendwas muss er doch gesagt haben, sonst wärst du nicht so..." sprachlos schaut sie mich an, als wüsste sie nicht, wie sie meinen Zustand beschreiben soll. "Abgedreht." beendet sie dann aber doch ihren Satz.

"Ja, hat er auch."

"Und? Jetzt sag schon! Spann mich nicht so auf die Folter!" gespannt schaut sie mich an.

"Er hat gesagt, das ich ihm fehle." sage ich mit einem breiten Lächeln im Gesicht.

"Mehr nicht?" will sie erstaunt wissen

"Ne, Mehr nicht. Aber das reicht mir. Das ist doch gut. Oder?" frage ich ein ganz kleines Bisschen skeptisch.

"Oh, Mia. Das ist super! Wirklich!" versichert sie mir strahlend. "Und? Wann trefft ihr euch das nächste Mal? Habt ihr euch gleich verabredet?"

"Ne, das nicht, aber ich hoffe, dass er gleich beim Essen ist und vielleicht setzt er sich ja zu uns." sage ich hoffnungsvoll.

"Kommt gar nicht in Frage! Du wirst nicht darauf warten, ob er kommt, sondern du gehst zu ihm!" bestimmt sie mit fester Stimme.

"Aber June...!" protestiere ich.

"Nichts, aber June! Du wirst nicht darauf warten, ob er was macht. Jetzt bist du gefragt! Zeig ihm, wie wichtig er dir ist und das du mit ihm zusammen sein willst!" sagt sie resolut und schleift mich aus dem Zimmer.

"Und wenn Emma da ist? Was mach ich dann?" unsicher schaue ich zu ihr.

"Was soll dann sein. Zur Not schubst du sie vom Stuhl oder zerrst Ian an einen freien Tisch. Völlig egal. Lass dir halt was einfallen!"

"Du hast gut reden. Du musst dich ja auch nicht vor allen blamieren!" sage ich zweifelnd.

"Hör mal! Die Anderen sollten dir total egal sein! Nur er ist jetzt wichtig! Und ich steh hinter dir, ganz gleich wie seltsam dich alle anschauen!" versichert sie mir mit einem Lächeln.

"Du bist mir echt ne Hilfe." sage ich sarkastisch, aber ich bin ihr trotzdem Dankbar, weil ich weiß, wie ernst es ihr ist.

"Und jetzt! Kopf hoch! Schultern zurück! Und ein strahlendes Lächeln ins Gesicht!" verlangt sie fest, eine Hand bereits auf der Klinke der Tür in die Cafeteria. "Bereit?"

Ich verzerre mein Gesicht zu einer lächelnden Fratze und frage mit zusammengebissenen Zähnen. "So?" doch als June grinsend den Kopf schüttelt, muss ich tatsächlich lächeln, woraufhin sie nickt und die Tür öffnet.

Ian ist da.

Das sehe ich auf den ersten Blick, doch der Zweite ist deutlich ernüchternder, denn direkt neben ihm sitz, wie war es auch anders zu erwarten, Emma.

Obwohl dieses Bild meiner überschäumenden Laune einen heftigen Dämpfer verpasst, versuche ich nicht daran zu denken. Sondern rufe mir die Worte ins Gedächtnis, die er mir heute Morgen gesagt hat.

"Du fehlst mir auch.".

Nur das ist wichtig. Nicht, das er neben Emma sitz, nicht dass er über irgendetwas lacht, dass sie gesagt hat und auch nicht, dass er mich keines Blickes würdigt, obwohl er in meine Richtung schaut und mich somit gesehen haben müsste.

Das Emma mich gesehen hat, weiß ich, denn das hämische Grinsen, dass sie mir zuwirft, lässt keinen Zweifel daran.

Kurz Atme ich tief durch, dann werfe ich June noch einen hilflosen Blick zu, bevor ich mit meinem Tablett zu ihm hinüber gehe.

"Ist hier noch frei?" frage ich lächelnd und deute auf den noch leeren Platz am Tisch.

Ich ernte eine Menge erstaunte Blicke, doch dann nickt mir der Junge vom Frühstück zu und zieht den Stuhl neben sich zurück. "Klar. Ist bei euch da drüben der Zucker wieder ausgegangen?" fragt er Augenzwinkernd.

"Ähm, ne, den haben sie wieder aufgefüllt." sage ich verlegen und setzte mich auf den Stuhl, Ian gegenüber. Zu gern hätte ich genau das getan, was June vorgeschlagen hat, aber Emma vom Stuhl zu schubsen fand ich dann doch irgendwie zu dramatisch. Und so nehme ich mit dem Stuhl vorlieb, der noch frei ist. Doch das Bild, einer auf dem Boden sitzenden Emma, das vor meinem Auge erscheint, bringt mich ein klein wenig zum Grinsen.

"Ich bin übrigens Aiden." stellt sich der Junge vor "Und den Idioten kennst du ja schon." Dabei deutet er auf Ian, der ihn belustigt angrinst. "Aber kennst du auch Emma?"

"Ja." sage ich knapp und nicke ihr kurz zu.

"Und du bist?" fragt Aiden neugierig nach, als ich gerade einen Schluck aus meinem Glas nehme.

"Entschuldige. Mia." stelle ich mich vor nachdem ich geschluckt habe und reiche ihm die Hand.

"Hübscher Name." sagt er und zwinkert mir zu. "Hast du nicht auch bei dieser Gala im Dezember Klavier gespielt?"

"Oh, ahm, ja, hab ich."

"Klang gar nicht mal so schlecht."

"Danke." verlegen schaue ich zu Ian hinüber, der jedoch Aiden einen finstere Blick zuwirft und verärgert die Stirn runzelt.

"Musst du dafür viel üben oder bist du einfach ein Naturtalent?"

"Also, ich glaub nicht, das ich Talent habe. Ich muss schon ganzschön viel üben, damit es sich einigermaßen gut anhört."

"Du weißt sehr wohl, das du talentiert bist Mia." mischt sich Ian nun ein "Sonst wärst du nicht so gut."

"Na, das musst du mal Herrn Müller sagen."

"Wieso denn das?"

"Na, weil der nur an mir herum meckert."

"Ich find ja, Mia hat recht. Ich hab auch schon besseres gehört." klar, das Emma auch ihren Senf dazugeben muss. Doch auch wenn ihr Kommentar mal wieder gegen mich gerichtet ist, finde ich dass sie recht hat. Doch Aiden scheint anderer Meinung zu sein.

"Na, dass du kein musikalisches Gehör hast Emma, dass wusste ich auch vorher schon." spottet er, ignoriert ansonsten aber, dass Emma ihm die Zunge rausstreckt und beleidigt die Arme vor der Brust verschränkt.

"Na, das sagt der Richtige. Kannst ja selbst nicht mal ein C von nem D unterscheiden!" schlägt sie giftig zurück.

"Hey, ich hab nie behauptet, das ich ein besonders gutes Gehör habe, nur dass ich toll fand, was Mia gespielt hat." er zuckt mit den Achseln und schiebt sich einen Bissen von der Pizza in den Mund, die es heute zu Essen gibt.

"Na, über Geschmack lässt sich bekanntlich ja streiten." stichelt Emma weiter.

"Darüber solltest du dich dann ja freuen, sonst hättest du ja echt schlechte Karten."

"Was soll das denn heißen?"

"Na, das du nicht mein Typ bist, Mia hingegen..." sagt Aiden augenzwinkernd, rutscht mit dem Stuhl zu mir herüber und legt den Arm hinter mich auf die Stuhllehne. "passt direkt in mein Beutechema. Na, wie wäre es mit uns zwei beiden?"

"Lass stecken Aiden. Mia ist schon vergeben." Ian klingt ziemlich angesäuert und sein finsterer Blick lässt mir fast das Blut in den Adern gefrieren. Aber Aiden, scheint ihn nicht einmal zu bemerken.

"Na, dass so ein Schnuckelchen wie du einen Freund hat, ist ja nicht verwunderlich. Aber du weißt ja nicht, was du verpasst. Komm, lass deinen Freund sitzen und nimm stattdessen mich." fordert er mich schelmisch grinsend auf.

"Tut mir leid Aiden, auch wenn ich KEINEN Freund habe, hat Ian recht. Ich bin leider schon vergeben." sage ich verlegen. Zum einen, weil Aiden mir so nah ist und zum anderen, weil ich hoffe, dass Ian versteht, was ich damit sagen will.

"Keinen Freund? Du bist aber nicht Lesbisch oder so, oder?" Aiden macht große Augen und mustert mich aufmerksam. Ich hingegen, verschlucke mich bei seinen Worten prompt an meiner Pizza.

"Was! Nein!" bringe ich unter heftigem Husten empört heraus.

"Na, das wäre aber auch echt eine Verschwendung." Aiden klingt erleichtert "Wer ist denn der glückliche?" will er wissen, doch bevor ich etwas sagen kann, fährt er schon fort. "Ach, ist egal, wer immer es auch ist, er ist nicht der Richtige!"

"So, so. Und wer glaubst du wäre der richtige für sie?" will Emma hämisch grinsend wissen. "Du etwa?"

"Na klar! Sieh mich doch an. Groß, schlank, gutaussehend, klug, charmant und hey! Außerdem, weiß ich was die Frauen wollen." prahlt er selbstbewusst.

Und ganz unrecht hat er nicht. Er sieht wirklich nicht schlecht aus. Seine breiten Schultern, kräftigen Arme und sein freundliches Gesicht, wirken auf mich nicht gerade abstoßend, doch der Mann, mir gegenüber, ist mir nachwievor tausendmal lieber.

Einen Moment ist Emma still und schein über irgendwas nachzudenken, dann runzelt sie erst die Stirn, bevor sie zu grinsen beginnt. Allerdings wirkt ihr Lächeln auf mich sowas von falsch, das mir beinahe schlecht davon wird.

"Weißt du Aiden, eigentlich hast du recht. Ihr gebt wirklich ein hübsches Paar ab." sagt sie liebenswürdig. Diese Schlange!

"Siehst du, sag ich doch! Und Mia, was meinst du?" er scheint die Unaufrichtigkeit in ihren Worten einfach zu überhören, oder er bemerkt sie tatsächlich nicht, denn er lächelt mich fröhlich an und legt den Arm um mich.

"Tut mir leid, dich zu enttäuschen." lache ich verlegen "Aber wie gesagt. Ich bin schon vergeben." Dabei schiebe ich seinen Arm von meiner Schulter und werfe Ian einen kurzen Blick zu.

In seinem Gesicht spielt sich gerade ziemlich viel ab. Mal runzelt er verwirrt die Stirn, dann lächelt er, oder er wirft Aiden finstere Blicke zu, doch als ich Aiden eine Abfuhr erteile, beginnen seine Augen ein klein wenig zu leuchten und ein kleines Lächeln legt sich um seinen Mund.

"Was ist denn aus deinem Freund geworden?" fragt Ian mich scheinbar gleichgültig, doch dabei fällt mir auf, wie angespannt seine Schultern sind.

"Ich hab mich von ihm getrennt." sage ich unsicher, dabei schaue ich Ian fest in die Augen. Ich kann nur hoffen, dass er mir glaubt.

"Das wusste ich gar nicht." das Lächeln in Ians Gesicht wird breiter, als er meine Worte hört, aber er scheint noch immer nicht überzeugt zu sein. "Wann habt ihr euch denn getrennt?" will er wissen.

Ach herrje. Soll ich ihm sagen, dass es erst vorgestern war? Oder lieber nicht? Aber ich möchte ihn auch nicht anlügen, also, bleibt mir nichts anderes übrig, als die Wahrheit zu sagen.

"Am Wochenende." angespannt beiße ich mir auf die Lippe , doch dann füge ich schnell hinzu. "Aber ich wusste schon letztes Jahr, dass das mit uns beiden nicht klappt."

"Mensch. Und da lässt du das arme Schwein so lange Zappeln?" Aiden schüttelt missbilligend den Kopf.

"Hey, das musst du gerade sagen!" geht ausgerechnet Emma dazwischen. "Du schreibst einfach ne SMS und denkst, damit hat es sich. Mia war da sicher etwas feinfühliger als du."

Dankbar schaue ich sie an, doch als ich sehe, wie sie mich böse anfunkelt, bekomme ich beinahe angst.

"Mia hat ihm sicher direkt ins Gesicht gesagt, das sie einen Neuen hat." sagt sie gehässig.

"Ja, ganz recht. Ich habe mit ihm geredet." stimme ich ihr zu. "Aber leider muss ich dich enttäuschen Emma, denn es gibt keinen Neuen."

"Nicht?!" scheinbar erstaunt schaut sie mich an. "Aber hast du nicht gesagt, das du vergeben bist?"

"Stimmt. Ich bin vergeben, aber das heißt nicht, dass ich einen Freund habe!" sage ich empört.

"Das musst du jetzt aber mal genauer erklären."

"Nein, muss ich nicht! Denn das geht dich gar nichts an." Blöde Kuh!

"Aber wieso denn nicht?" fragt sie liebenswürdig. Und am liebsten würde ich ihr über den Tisch hinweg an die Gurgel springen, so scheinheilig klingt sie. "Komm schon, Mia. Wir sind doch unter uns. Ich bin sicher Ian würde das auch interessieren. Nicht wahr?" wendet sie sich an ihn und legt ihm vertraulich eine Hand auf den Arm.

"Hab ich nicht recht Ian?" mit ihren großen Augen zwinkert sie ihm verführerisch zu und rückt noch näher zu ihm.

Bitte, tu doch was dagegen, Ian. Flehe ich ihn stumm an, aber er lässt sie gewähren, was mir einen heftigen Stich verpasst.

Unterdessen mustert er mich aufmerksam.

Auch ich mustere ihn, wobei ich es nicht verhindern kann auch Emma anzusehen, denn sie klebt förmlich an seiner Schulter. Ob sie weiß, was zwischen uns ist? Aber wenn sie es wüsste, dann würde sie mich bestimmt nicht so bedrängen. Vielleicht sollte ich ihr doch sagen, dass ich verliebt bin. In Ian verliebt bin. Sicher würde sie ganz schön blöd gucken, wenn sie es wüsste.

Vielleicht würde sie mich aber auch einfach nur auslachen. Weil sie glaubt, dass Ian meine Liebe nicht erwidert. Und wenn sie recht hat?

Was wenn Ian meine Gefühle tatsächlich nicht mehr erwidert? Er hat zwar gesagt, das er mich vermisst hat, aber das muss ja nicht heißen, dass er mich noch immer liebt!

"Hey, Mia, nur weil die zwei zu dumm sind zu verstehen, dass du dich in jemand anderen verliebt hast, bin ich es noch lange nicht." unterbricht Aiden meine Gedanken. "Aber wenn du es dir doch anders überlegst, dann weißt du ja, wo du mich findest." belustigt zwinkert er mir zu, wofür ich ihm wirklich dankbar bin, denn ich weiß nicht was ich machen soll.

Am liebsten würde ich einfach gehen, aber ich will Ian nicht aus dem Weg gehen, nur weil Emma da ist.

Doch wie es aussieht scheint Ian endlich seine Sprache wieder gefunden zu haben. "Tut mir leid, das mit deinem Freund." sagt er mitfühlend und schiebt Emma endlich etwas von sich weg. "Jetzt kleb doch nicht so an mir Emma. Mein Arm stirbt ja gleich ab" sagt er ein wenig genervt. Worauf hin sie affektiert lacht, aber endlich von ihm ablässt. Sie lächelt auch weiterhin, aber es sieht eher angestrengt aus.

"Ja, mir tut es auch leid, ich hatte ihn sehr gern." sage ich bedrückt. Mikes Reaktion schmerzt mich noch immer, aber ich darf nicht vergessen, warum ich mich von ihm getrennt habe. Ich liebe Ian und auch wenn mir die Situation hier ziemlich suspekt ist, muss ich jede Chance nutzen die sich mir bietet. Und wenn ich Ian schon nicht allein sagen kann, wie wichtig er mir ist, dann muss ich es hier vor seinen Freunden sagen, auch wenn ich von ihm in der dritten Person reden muss. Er wird sicher wissen das er gemeint ist. "Aber ich liebe ihn nicht so sehr, wie diesen Anderen." sage ich deshalb mit klopfendem Herzen.

Angespannt knete ich auf meinen Fingern herum und spüre, wie mir das Blut in den Kopf steigt.

Schüchtern werfe ich Ian einen Blick über den Tisch hinweg zu.

"Weiß dieser Typ eigentlich schon, dass du in ihn verknallt bist?" will Aiden wissen.

"Das hoffe ich."

"Ey, wenn du mir sagst, um wen es sich dreht, dann kann ich ihm das ja mal stecken. So unter Jungs quasi." spottet Aiden und zwinkert mir zu.

Belustigt schaue ich ihn an, bin aber froh, dass wenigstens einer die ganze Sache lustig findet und so die Situation etwas auflockert.

"Danke Aiden, aber ich glaub ich schaff das schon." sage ich mit einem kleinen Lachen.

"Und was machst du, wenn dieser "Andere" dich gar nicht will." fragt nun auch Emma. Allerdingst klingt sie mal wieder ganz schön Zickig.

"Dann muss ich damit leben, aber ich hoffe, dass es noch nicht zu spät ist."

"Wieso denn zu spät?"

"Weil ich dumm war und einen Fehler gemacht habe." erkläre ich verlegen. Man, das Ganze fühlt sich echt seltsam an. Ich möchte gar nicht auf diese dummen Fragen von Emma Antworten, vor allem, weil es sie gar nichts angeht, aber Ian scheint aufmerksam zuzuhören und das macht mir ein wenig Mut.

"Kommt natürlich auf den Fehler an, Mia. Aber ich würd dir verzeihen." Aiden klingt zum ersten mal nicht so kindisch und er scheint es tatsächlich ernst zu meinen. Dankbar lächel ich ihn an.

"Lieb das du das sagst. Aber ich denke so einfach ist es nicht."

"Versuchs doch mal, dann kann ich dir sagen, ob ich dir verzeihen würde." bietet er hilfsbereit an.

"Ne, danke. Ich glaub, das muss ich dann doch unter vier Augen klären."

"Kein Problem, wir können ja nach draußen gehen, dann kannst du mir unter vier Augen sagen, worum es geht."

"Ha ha, Aiden, sehr witzig. Aber ich meinte nicht deine zwei Augen du Scherzkeks." lache ich. Ich glaube ich kann Aiden ganz gut leiden. Er ist wirklich nett.

Grinsend schlägt er sich eine Hand aufs Herz. "Das enttäuscht mich jetzt aber wirklich Mia."

"Ja, du tust mir echt leid." sage ich lachend und stupse ihm neckend den Ellenbogen in die Seite.

"Wenn ihr dann mit dem Flirten fertig seid, sollten wir vielleicht zum Unterricht gehen, denn es hat geläutet." sagt Ian brummig.

Verwirrt schaue ich zu ihm. Flirten?

"Hey, lass mich doch. Nur weil Mia in jemand anderen Verliebt ist, heißt das doch nicht, dass ich keine Chance bei ihr habe, oder Süße?" wendet er sich wieder an mich.

"Sorry, Aiden, aber ich denke doch, dass es das heißt." sage ich ziemlich bestimmt, doch dabei schaue ich Ian ein klein wenig verärgert an. "Ich geh dann mal. Ich will nicht schon wieder zu spät in den Unterricht kommen." erkläre ich reserviert, dann räume ich meine Sachen zusammen und verabschiede mich von den dreien und verlasse die Cafeteria. Fast bin ich ein wenig erleichtert, endlich zu gehen, doch irgendwie finde ich es auch schade.

Ian war die ganze Zeit über ziemlich zurückhaltend und still. Und ich musste mich die ganze Zeit mit Emma herumschlagen was mich auch nicht wirklich weiter gebracht hat.

Doch immerhin weiß Ian jetzt, das ich mich von Mike getrennt habe und dass ich ihn noch immer liebe. Das ist schon mal ein Schritt in die richtige Richtung. Auch wenn ich nicht weiß, was ich von Emma und ihm halten soll.

Langsam gehe ich an der Treppe vorbei zu unserem Zimmer, um meine Sachen zu holen, als mich plötzlich jemand ruft.

"Mia! Warte!"

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top