Wie schnell sich alles ändert
Als ich in unser Zimmer zurückkomme bin ich fix und fertig, doch seltsamerweise geht es mir etwas besser. Ich bin zwar immer noch traurig, aber die Musik hat mir Mut gemacht.
Mut, das es weitergeht. Mein Leben endet nicht an dieser Stelle, sondern es wird weitergehen, genau wie das Lied weitergegangen ist und eines Tages weitergehen wird.
Es wird schmerzhaft sein, weil ich Ian jeden Tag aufs neue sehen werde, schmerzhaft, weil er mir nah ist, und doch nicht nah genug.
Unserer beider Leben haben sich an einem Punkt gekreuzt, sind für kurze Zeit in derselben Spur verlaufen und trennen sich jetzt wieder.
Der Schmerz in meiner Brust ist noch immer da, aber ich habe ihn in den hintersten Winkel meiner Seele verbannt. Ich möchte mich nicht noch einmal so von ihm beeinflussen lassen, wie vor ein paar Wochen.
Ian war ein Traum. Zu schön um wahr zu sein und genauso kurz und das wird er auch bleiben. Ein Traum.
In Gedanken vertieft schleiche ich durchs Zimmer, darauf bedacht June nicht zu wecken, doch als mein Blick auf den Wecker fällt, der auf ihrem Nachttisch steht, wird mir klar, dass ich nicht leise zu sein brauche, denn sie ist nicht da. Es ist kurz nach sechs, was bedeutet, dass sie bereits zum Laufen gegangen ist.
Ob ich ihr folgen soll?
Nein ich denke nicht, aber ich werde auch Laufen gehen. Ich brauche etwas, das mich ablenkt. Ich fürchte, dass es mir nicht gut tun wird mich untätig in mein Bett zu legen und darauf zu warten, das sie wiederkommt, oder das es Zeit wird mich fürs Frühstück fertig zu machen.
Also ziehe ich mir meine Sportsachen an und mache mich auf den Weg.
Anfangs konzentriere ich mich noch immer darauf, richtig zu atmen, damit ich nicht aus dem Rhythmus komme, doch schon bald denke ich überhaupt nicht mehr daran. Ich laufe einfach. Einen Fuß vor den anderen, einen Schritt nach dem Nächsten.
So werden auch meine Tage sein. Ich werde einen Tag nach dem anderen in Angriff nehmen, immer darauf bedacht, nicht aus dem Takt zu geraten, um nicht gänzlich den Halt zu verlieren.
Ich weiß zwar nicht, warum mir mein Lied einen gewissen Halt gibt, aber da es nicht endet, beziehungsweise ich das Gefühl habe, das die Letzte Note, der letzte Takt noch nicht gespielt wurde, habe ich noch immer eine gewisse Hoffnung, das vielleicht noch alles gut werden kann.
Ian ist ein Idiot! Ein Idiot, der mich unheimlich verletzt hat, aber die tiefe Traurigkeit, die in seinem Blick lag, als er mich gestern allein gelassen hat, lässt mich hoffen, das seine Worte die Wahrheit sind, obwohl seine Taten etwas ganz anderes sagen.
Einatmen...
Ausatmen...
Einen Fuß vor den anderen einen Schritt nach dem Nächsten.
Stunde für Stunde, Tag für Tag.
Ein paar Schritte habe ich geschafft, sogar ein paar Stunden, vielleicht darf ich hoffen auch den restlichen Tag zu überstehen.
Nach dem Duschen treffe ich in unserem Zimmer auf June.
>>Da bist du ja wieder. << sagt sie erleichtert. >>Ich hab mir schon Sorgen gemacht, als du heute Morgen nicht mehr in deinem Bett warst.<<
>>Oh, das tut mir leid, ich bin aufgewacht und konnte nicht mehr schlafen. << erkläre ich ihr.>>Als ich wiederkam, warst du schon weg, deshalb bin ich alleine gelaufen...<<
>>Geht es dir denn wieder etwas besser?<< fragt sie vorsichtig.
Ich räuspere mich angespannt, weil dieses Thema nicht leicht für mich ist und sich fast augenblicklich ein Kloß in meinem Hals bildet, trotzdem schaffe ich es ein >>Ja.<< hervorzubringen.
June sieht mich skeptisch an. >>Wenn du drüber reden möchtest...<<
Ihr "ich bin für dich da" hängt in der Luft, doch sie spricht es nicht aus.
>>Danke. << sage ich und ich meine es auch so. Aber fürs erste möchte ich nicht darüber reden, zu frisch ist der Schmerz, der noch immer so dicht unter der Oberfläche sitzt.
Im Moment ist er sicher in meinem Inneren eingeschlossen, aber ich fürchte, wenn ich anfange darüber zu reden, wird er mich überschwemmen. Mich mit seinen Fluten davon reißen und gnadenlos in die Tiefe ziehen. Wo er mich mit all seinen Wassermassen erdrücken wird.
Ich fühle mich sicherer, wenn ich meine Gefühle nicht mit Worten ausdrücke, sondern mit Musik.
>>Kommst du mit zum Frühstück?<<
Ich nicke, bin mir aber nicht sicher, ob ich auch wirklich etwas runter kriegen werde, aber ich will es wenigstens versuchen.
An der Tür zur Mensa bleibe ich unsicher stehen, doch als June mir die Tür aufhält, beiße ich die Zähne zusammen und betrete den überfüllten Raum.
Natürlich ist Ian da, wie auch nicht anders zu erwarten war. Sein Blick fixiert mich, kaum dass ich den Raum betrete. Entschlossen mich nicht von seinem Anblick runterziehen zu lassen, straffe ich die Schultern und folge June zum Büfett, wo ich mir etwas Rührei und Speck, sowie ein Stück Brot auf meinen Teller lege. Zu trinken nehme ich mir wie immer ein Glas Orangensaft und eine Tasse Kaffee, dann setzten wir uns an unseren Tisch. Von Joris, Felix und Alex ist bisher noch nichts zusehen, doch als ich meinen Blick zur Tür schweifen lasse, wäre mir das Ei, fast wieder hoch gekommen, als ich sehe, wie Emma den Raum betritt.
Sie lächelt mich triumphierend an und geht zielstrebig auf Ian zu. Sie legt ihm wie immer die Arme um den Hals, doch dieses Mal schiebt er sie mit einem hasserfüllten Blick von sich.
Sie macht ein gekränktes Gesicht, setzt sich aber trotzdem neben ihn, was Ian dazu veranlasst sich an einen anderen Tisch zu setzen.
Sein Verhalten erstaunt mich zwar ein wenig, doch vermag ich mich auch nicht darüber zu freuen, dennoch empfinde ich eine gewisse Genugtuung, das er Emma so abweisend behandelt.
Während ich krampfhaft versuche mein Essen hinunter zu würgen kommen Felix, Joris und Alex mit ihrem Frühstück zu uns. Felix setzt sich heute neben mich und wirft mir einen nachdenklichen Blick zu.
>>Ist was?<< frage ich ihn verwirrt.
>>Ne.<< sagt er ausweichend und wirft einen Blick zu seinem Bruder. Ich würde gern in die gleiche Richtung schauen, unterdrücke den Impuls aber.
>>Sag schon, du hast doch was!<< fordere ich ihn auf.
Wieder schaut er mich nachdenklich an, scheint zu überlegen, ob er mit mir sprechen soll. Unsicher beißt er auf der Innenseite seiner Wange herum, dann kommt er scheinbar zu einem Entschluss. >>Ian war gestern Abend bei mir.<< beginnt er.
>>Oh!<< entfährt es mir leise. Damit hatte ich jetzt nicht unbedingt gerechnet. Allein sein Name schnürt mir die Kehle zu und ich spüre ein brennen in meinen Augen. Ich nehme einen Schluck von meinem Kaffee, um den schmerzhaften Druck in meinem Hals zu lindern, dann räuspere ich mich. >>Was wollte er denn?<< bringe ich ein wenig kratzig heraus.
>>Ich weiß nicht genau. << Felix sieht mich Stirnrunzelnd an. >>Er hat nur gesagt, das er Mist gebaut hat und ich mich aus seinen Angelegenheiten raushalten soll. Weiß du was er gemeint hat?<<
>>N...n...nein. << bringe ich zögernd heraus. Felix scheint mir kein Wort zu glauben, denn er hebt skeptisch die Augenbrauen und sieht mich auffordernd an.
>>Mia, deine Augen sind ganz rot und du vermeidest jeden Blick in Ians Richtung, also versuch mich nicht für dumm zu verkaufen und lüg mich nicht an.<<
>>Okay, ich lüg dich nicht an. << sage ich ausweichend.
>>Du weißt was er meint oder?<<
>>Nein. Ich weiß es nicht, aber ich könnte es mir unter Umständen Denken.<< ich will Felix nicht anlügen, aber die Wahrheit sagen möchte ich auch nicht. Trotzdem glaube ich zu wissen warum Ian ihm gesagt hat, das er sich aus seinen Angelegenheiten heraushalten soll. Ich habe nicht vergessen, was Ian gestern zu mir gesagt hat, als ich ihm erzählte, was Felix zu mir gesagt hat.
Er hat sich darüber aufgeregt, das Felix sich in seine Angelegenheiten mischt und das Felix "einen scheiß" über ihn weiß.
>>Und was denkst du, was er gemeint hat? << will Felix wissen.
>>Du willst doch das ich die Wahrheit sage, oder?<<
>>Ja?!<< sagt Felix gedehnt
>>Gut, dann darfst du aber nicht böse auf mich sein. << fordere ich von ihm.
>>Okay, ich werde nicht böse auf dich sein.<<
>>Mir ist ihm gegenüber rausgerutscht, das du mich vor ihm gewarnt hast und das du ihn für einen Playboy hältst. << gestehe ich zerknirscht ein.
Felix macht eine wegwerfende Handbewegung. >>Na, wenn dass alles ist, damit kann ich leben.<<
Erleichtert seufze ich auf. Gut das Felix sich mit dieser Halbwahrheit zufrieden gibt und nicht auf den ersten Teil dessen, was Ian gesagt hat eingeht. Nämlich, dass er Mist gebaut hat. Denn das hat er. Mit Emmas Hilfe, hat er einen solchen gewaltigen Schaden angerichtet, dass dabei etwas zu Bruch gegangen ist.
Ich.
Ich bin noch da, aber in so viele Teile zerbrochen, dass ich mich selbst darüber wundere, das es mich noch gibt und ich nicht zu Staub zerfallen auf dem Boden meines Zimmers liege.
>>Felix. Du wolltest doch wissen, wann Marvin uns abholen soll.<<
>>Richtig, das hatte ich schon wieder ganz vergessen. Und wann bist du mit dem Unterricht fertig?<<
>>Um fünf. Am Freitag habe ich die letzte Übungsstunde mit Herrn Müller.<<
Ich weiß, wie aberwitzig diese Idee, dieses Vorhaben ist, aber mir bleibt nichts anderes übrig, als am Wochenende wie geplant zu Felix zu fahren, denn ich brauche nach wie vor ein Kleid. Und wenn ich hier bleibe habe ich keine Möglichkeit mir eines zu besorgen. Und jetzt, wo ich an den Unterricht denke fällt mir auch auf, wie dumm ich war, als ich Ian gesagt habe, das ich Herrn Müller nicht Bescheid geben könnte, denn ich hatte ganz vergessen, dass ich ihn ja noch mal sehe, bevor das Konzert ist.
Doch ich möchte nicht, das Ian mich dort hin bringt, deshalb frage ich Felix.
>>Meinst du Marvin könnte mich vielleicht am Samstagabend in die Wagner Oper bringen?<< ich bin unsicher, weil meine Frage weitere Fragen aufwerfen könnte, zum Beispiel warum ich nicht mit Ian fahre, wie verabredet und meine Sorge ist berechtigt, denn...
>>Ich weiß nicht, soweit ich weiß wollen meine Eltern auch auf irgendeine Veranstaltung. Und immer wenn sie an Offiziellen Empfängen teilnehmen, lassen sie sich fahren. Du weißt schon, da gibt es Alkohol und man soll ja nicht betrunken fahren.<<
>>Oh, ja sicher...also dann...frage ich Herrn Müller ob...<< stottere ich aus dem Konzept gebracht, bis mich Ians Stimme von einem Moment auf den anderen verstummen lässt.
>>Ich fahr dich. << sagt er leise. Er steht hinter mir und legt die Hand auf die Lehne meines Stuhls, dabei berühren seine Finger, ganz leicht meinen Rücken.
Eine Gänsehaut breitet sich von der Stelle, wo mich seine Finger berühren über den ganzen Rücken aus. Die Härchen auf meinen Armen stehen in alle Richtungen ab und in meinem Bauch beginnt das Rührei mit dem Speck einen Salsa zu tanzen. Schnell lehne ich mich auf dem Stuhl nach vorn, um den unerwünschten Kontakt zu unterbrechen.
Unsicher drehe ich mich zu ihm um. Aber ich schaue ihm nicht in die Augen. Ich hebe den Kopf nur soweit an, dass ich auf seine Brust schauen kann. Doch das ist keine gute Idee. Viel zu deutlich sehe ich ihn vor mir, wie er gestern mit bloßem Oberkörper in meinem Zimmer stand.
Also hebe ich meine Augen noch ein Stückchen höher, bis zu seinem Kinn. Aber wenn ich sein Kinn anschaue, dann schaue ich auch seinen Mund an. Seine weichen, leicht geöffneten Lippen. Und die Erinnerung an den Kuss macht mich ganz nervös. Mein Puls schnellt in die Höhe und ich weiß nicht wo ich sonst hinsehen soll, denn wenn ich weiter nach oben schaue, bleibt mir nur der Blick in seine Augen und dafür bin ich nicht bereit, und wenn ich nach unterschaue habe ich wieder seine Brust vor Augen, seinen Bauch, die Muskeln, die sich in leichten Wellen unter seiner Haut abzeichnen.
Hilflos schließe ich die Augen und senke den Kopf, damit ich ihn nicht mehr sehen muss.
>>Alles in Ordnung, Mia?<< fragt Alex besorgt. Ich sehe sie an und schüttel den Kopf. >>Ich glaub mir wird schlecht. << und das wird mir tatsächlich. Abrupt springe ich auf und halte mir eine Hand vor den Mund. Ich renne aus dem Raum und auf die nächste Toilette. Ich schaffe es gerade noch meinen Kopf über die Kloschüssel zu halten, als ich mich auch schon übergeben muss. Als der der Würge reiz endlich nachlässt, ist mein Bauch genauso leer wie vor dem Essen und ich sinke erschöpft zu Boden, dann beginne meine Tränen zu fließen.
Ich schaff das nicht! Wie soll ich das nur durchstehen, wenn Ian mich nicht in Ruhe lässt. Meine mühsam aufgebaute Schutzschicht bröckelt Stück für Stück von meiner Seele und lässt mich Hilflos zitternd auf dem Boden der Tatsachen zurück.
>>Mia? Bist du hier?<< höre ich Alex Stimme besorgt durch die geschlossene Toilettentür dringen.
>>Ja.<< schluchze ich.
>>Geht's dir gut?<<
>>Nein. << Und jetzt fließen die Tränen wieder so reichlich, dass ich nichts weiter sagen kann, doch ich öffne die Tür, als Alex mich darum bittet.
Tröstend nimmt sie mich in den Arm.
>>Alles wird gut.<< sagt sie. >>Komm, ich bring dich in dein Zimmer, dann kannst du dich ausruhen, ja? Ich sag Bescheid, dass du krank bist.<<
Ich nicke kraftlos, dann spüle ich mir gründlich den Mund mit Wasser aus, um den schlechten Geschmack aus meinem Mund loszuwerden, anschließend lasse ich mich von ihr auf den Korridor führen. Als wir das Badezimmer verlassen, sehe ich Felix und Ian mit besorgten Gesichtern im Gang stehen.
>>Mia ist krank.<< erklärt Alex ihnen. >>Ich bring sie auf ihr Zimmer, damit sie sich ausruhen kann. Kannst du im Sekretariat Bescheid sagen, Felix?<<
>>Klar mach ich.<< Felix streicht mir aufmunternd über den Arm. >>Das wird schon wieder. Du wirst sehen, heute Nachmittag bist du wieder auf den Beinen.<< er lächelt mich noch einmal aufmunternd an, dann geht er.
Doch ich bin mir da nicht so sicher. Wie soll es mir denn besser gehen, wenn "meine Krankheit" so unheilbar ist, wie der Tod. Und genauso endgültig. Erneut rinnen mir die Tränen die Wangen hinunter, als Alex mich den Gang entlang führ. Als wir an Ian vorbeigehen, fast er mich am Arm. >>Es tut mir leid.<< sagt er bestürzt. >>Das du wegen mir Krank bist.<< der tiefe Schmerz, den ich in seiner Stimme wahrnehme veranlasst mich dazu ihn anzusehen und beinahe wäre ich zusammen gebrochen, als ich das Entsetzen und die abgrundtiefe Traurigkeit in seinen Augen sehe. Kraftlos stolpere ich über meine eigenen Füße. Schnell fängt er mich auf, so dass ich nicht stürze, dann hebt er mich auf und trägt mich in mein Zimmer. Alex folgt uns besorgt.
Ich fühle mich so schwach, so hilflos, das ich mich nicht dagegen wehren kann, das Ian mich trägt. Und eigentlich will ich es auch gar nicht. Viel zu sehr genieße ich seine Nähe, seinen Intensiven Geruch und seine Wärme, die durch mein dünnes Top dringt. Erschöpft lehne ich meinen Kopf gegen seine Brust, dann lasse ich den Tränen freien Lauf.
Ich weiß, dass das, was ich hier tue nicht richtig ist. Ich zögere den Moment des Abschieds nur hinaus, denn ich weiß ja, das ich nicht gut genug für ihn bin, das er mich nicht will. Und deshalb sollte ich ihn auch nicht wollen, aber ich kann nichts dagegen machen.
Ich liebe ihn noch immer.
Obwohl ich weiß, dass er mich nicht liebt und obwohl ich gesehen habe, was Emma und er gemacht haben.
Ich kann die Liebe für ihn einfach nicht aus meinem Herzen stoßen.
Den ganzen Weg bis zu meinem Zimmer schaue ich ihn an. Sauge jede Geste, jeden Blick, jedes kleine Detail, das ich durch den Tränenschleier erkenne kann in mich auf, damit ich etwas habe, an das ich mich erinnern kann, wenn er weg ist.
Und auch er lässt mich nicht aus den Augen.
Behutsam hält er mich in seinen Armen, als wäre ich ein rohes Ei, ein kostbarer Diamant, der, wenn er fällt zerbricht. Doch dass ich längst zerbrochen bin, sieht er nicht. Alex öffnet uns die Tür. Ian trägt mich zum Bett dann lässt er sich mit mir auf dem Schoß darauf nieder.
Er streicht mir immer wieder übers Haar und murmelt verzweifelt vor sich hin, wie Leid es ihm tut.
>>Ich mach dich Krank, ich bin nicht gut für dich. Verzeih mir bitte. << fleht er mit kehliger Stimme.
Noch immer kann ich meine Augen nicht von seinen abwenden. Und so merke ich auch nicht, das Alex nicht mit uns in den Raum gekommen ist.
>>Verzeih mir Mia. Bitte, du musst wieder gesund werden.<< in seinen Augen schimmert es feucht, so verzweifelt ist er.
>>Bitte! Du darfst nicht...<< setzt er flehend an, doch ein schluchzen verhindert, dass er den Satz beenden kann. Als er sich etwas gefasst hat flüstert er mit belegter Stimme >>Verlass mich nicht! Bitte! Du darfst mich nicht auch noch verlassen.<<
Staunend sehe ich der Träne zu, wie sie sich aus seinem Auge löst und langsam seine Wange hinunter rinnt. Ungläubig strecke ich die Hand danach aus und fange sie mit dem Finger auf. Kann es tatsächlich sein, das Ian weint?
Wegen mir? Aber Warum? Ich bin ihm doch völlig egal, wie kann es ihn so erschüttern, wenn ich krank bin. Krank, weil er meine Gefühle nicht erwidert.
Fasziniert starre ich auf die Feuchtigkeit an meiner Fingerspitze, dann hebe ich sie an meine Lippen und koste den Salzigen tropfen.
Ich muss mich mit allen Sinnen davon überzeugen, dass diese Träne hier echt ist, das ich sie mir nicht einbilde, denn wer weiß, vielleicht ist das alles auch nur ein Traum. Es wäre ja möglich, das Ian gar nicht hier bei mir ist und das er mich gar nicht auf seinem Schoß hält. Aber noch immer schmecke ich das Salz auf meiner Zunge und noch immer kann ich seinen warmen Körper unter mir fühlen. Erneut hebe ich die Hand und lege sie an seine weiche, frisch rasierte Wange um zu sehen, ob ich ihn auch wirklich berühren kann. Mit den Fingern fahre ich ungläubig seine Wange und sein Kinn entlang, dann streiche ich verträumt über seine Lippen. Erstaunt weiten sich seine Augen und ein winziges lächeln erhellt sein Gesicht.
>>Es tut mir so leid Mia, ich hätte es niemals so weit kommen lassen dürfen. Bitte verzeih mir, es ist alles meine schuld.<<
>>Sch...<< zische ich ihm zu, um ihn zum Schweigen zu bringen. Was auch immer er mir sagen will, ist plötzlich nicht mehr wichtig.
Wichtig ist nur, dass er hier ist. Hier bei mir.
Mein Blick huscht unschlüssig zwischen seinen Augen und seinem Mund hin und her. So gern würde ich seine Lippen auf meinen Spüren, probieren, wie sie schmecken und fühlen, wie weich sie sind.
Meine Hand wandert von seinem Kinn zu seinen Haaren am Hinterkopf. Genüsslich fahre ich mit den Fingen hindurch und nehme die erst kurzen, aber doch weichen Stoppeln wahr, die nach oben immer Länger werden.
Ich hebe ihm meinen Kopf ein klein wenig entgegen und verstärke nur ganz leicht den Druck meiner Hand, so dass er so tun kann als hätte er meine Aufforderung nicht bemerkt.
Seine Augen weiten sich erstaunt und die Traurigkeit in ihnen nimmt ab. Stattdessen sehe ich einen Schimmer der Hoffnung, der mich zum Schmelzen bringt.
Ganz langsam kommt er mir näher, als könnte er nicht glauben, dass das was er tut das richtige ist.
Als er nur noch wenige Millimeter von mir entfernt ist, hält er inne. Noch einmal sieht er mir forschend in die Augen, scheint sich vergewissern zu wollen, dass das was er tut auch das richtige ist, doch bevor er zu einem Entschluss gekommen ist, überwinde ich die letzte Distanz, die sich zwischen uns befindet. Und endlich treffen unsere Lippen aufeinander.
In meinem erfrorenen Inneren breitet sich eine angenehme Wärme aus, die bei meinen Lippen seinen Anfang nimmt und von dort meinen ganzen Körper überschwemmt.
Mein zerbrochenes Herz wagt, trotz all der Sprünge und Risse, die es durchziehen einen wilden Tanz in meiner Brust.
Und die Flammen, die in mir lodern scheinen die Bruchstellen zu etwas neuem, etwas wundervollem zusammen zu schmelzen, so das ihm gar nichts anderes übrigbleibt als zu heilen.
Er schmeckt einfach unbeschreiblich gut. Nach frischer Minze und Kaffee. Nach Schokolade und irgendetwas unbeschreiblichem, das einfach er sein muss.
Viel zu schnell ist der Kuss vorbei, obwohl er ewig zu währen scheint. Ian zieht mich dicht an sich, dann steht er auf und legt mich aufs Bett.
>>Schlaf ein bisschen, Engelchen, damit es die bald wieder besser geht.<< Sanft deckt er mich zu, doch als ergehen will halte ich ihn fest.
>>Bleibst du hier?<< einladen hebe ich die Decke an, damit er sich zu mir legen kann.
Unsicher schaut er mich an, doch dann zieht er sich die Schuhe aus und schlüpft zu mir unter die Decke.
>>Dreh dich um. << flüstert er. Als ich seiner Aufforderung folge leiste rutscht er ganz dicht an mich heran und zieht mich an seine Brust. Sein einer Arm liegt unter meinem Kopf, den Anderen hat er um mich geschlungen.
Er hält mich ganz fest und flüstert mir immer wieder Worte ins Ohr, doch was mir am längsten im Gedächtnis bleibt, bis ich einschlafe ist... >>Du bist mein. <<
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