Was habe ich mir nur dabei gedacht
Unruhig wälze ich mich hin und her. Starre mit verschränkte Armen an die Decke und fühle mich einfach mies.
Sollte ich doch mit Mara reden? Was ist, wenn alles ganz anders ist, als ich glaube. Wenn meine Mutter vielleicht gestorben ist, so wie Felix Mutter. Aber was wenn nicht? Was, wenn sie noch immer irgendwo lebt und mich vielleicht zur Adoption freigegeben hat, weil sie sich nicht um mich kümmern konnte, oder wollte.
Ob meine Eltern überhaupt etwas über sie wissen? Macht es einen Unterschied, wenn ich es weiß, oder bliebe alles beim alten?
Könnte ich anders über meine Adoption denken, wenn ich mehr über die Hintergründe wissen würde?
Vielleicht! Vielleicht aber auch nicht. Es wäre immerhin möglich, das alles noch schlimmer ist, als ich denke.
Wobei, was ist schlimmer, als von seiner leiblichen Mutter ungewollt in ein Heim abgeschoben worden zu sein?
Vielleicht das Kind einer Vergewaltigung zu sein? Oder wenn ich wüsste, das meine Mutter noch weitere Kinder hätte, die bei ihr sind und sie nur mich nicht wollte.
Ob ich wohl Geschwister habe? Stellt sich mir jetzt die Frage. Bisher habe ich daran noch gar nicht gedacht. Es könnte ja möglich sein!
Wütend raufe ich mir die Haare. >>Verdammt!<<
Ruckartig fahre ich hoch. Ich kann einfach nicht mehr hier rumliegen. Diese Untätigkeit macht mich verrückt.
Am liebsten würde ich jetzt Klavierspielen, aber das kann ich nicht.
Es gibt hier zwar ein Klavier, aber in Anbetracht dessen, was das letzte Mal passiert ist, möchte ich lieber nicht darauf spielen.
Und wenn ich Ian um Erlaubnis frage? Vielleicht hat er ja nichts dagegen. Immerhin hat er mir ja inzwischen schon ein paar Mal beim Spielen zugehört.
Ich glaube, das werde ich machen. Ich gehe zu ihm und werde ihn Fragen.
Fluchtartig springe ich aus dem Bett, dann verlasse ich leise das Zimmer.
Auf dem Flur ist alles still und dunkel. Wie spät es wohl ist? Habe ich tatsächlich so lange in meinem Zimmer gelegen?
Kann ich überhaupt zu Ian gehen, oder schläft er schon? Keine Ahnung, aber ich kann immerhin nachsehen. Wenn er schläft, gehe ich halt wieder.
Vorsichtig einen Fuß vor den Anderen setzend schleiche ich den Flur entlang. Ich komme an Felix Zimmer vorbei, aus dem ich deutliches Schnarchen vernehme. Na sowas. Grinsend schleiche ich weiter, auch wenn ich doch etwas verwundert bin, das keiner der beiden vor dem Schlafengehen noch mal zu mir gekommen ist.
Ob Page ihnen gesagt hat, das ich schlafen wollte, oder das ich etwas Zeit für mich brauche?
Keine Ahnung, und ich weiß auch nicht, ob ich ihr dafür Dankbar sein sollte oder eher nicht, denn wenn Ian oder Felix zu mir gekommen wären, hätte sich meine Anspannung vielleicht legen können, aber so...
Seufzend atme ich aus. In meinen Fingern kribbelt es und ich klemme sie unter die Achseln, um das störende Gefühl zu vertreiben. Ich weiß wie ich es loswerden kann, aber erst muss ich zu Ian und ihn fragen.
Ich lausche an seiner Tür. Ob er da ist? Ich kann nichts hören. Nicht mal ein Schnarchen, aber vielleicht schnarcht er ja auch nicht.
Ganz leise klopfe ich an. Doch es kommt keine Antwort. Ich lege die Hand auf den Türknauf und drücke ihn mit klopfendem Herzen herunter.
Hoffentlich wecke ich ihn nicht, wenn er schläft.
Ein leises klicken ertönt, als ich den Griff ganz nach unten gedrückt habe. Das Geräusch lässt mein Herz kurz stillstehen, doch dann hämmert es weiter. Angestrengt lausche ich, doch da mein Herz so laut ist, kann ich kaum etwas hören.
Vorsichtig schiebe ich die Tür auf, als ich nichts ungewöhnliches hören kann.
Gott sei Dank quietscht die Tür nicht, so dass ich ohne weiteres das Zimmer betreten kann.
Ians Zimmer ist groß. Soviel sehe ich in dem schwachen Streifen Mondlicht, der ins Zimmer fällt. Das ist dann aber auch schon alles. Die dunklen Schatten an den Wänden könnten Möbel sein, aber was es genau ist vermag ich nicht zu sagen.
Vorsichtig taste ich mich Schritt für Schritt ins Zimmer
>>Ian? << flüstere ich leise, aber es kommt keine Antwort.
Entweder er ist nicht da, oder er schläft. Was beides keine berauschenden Aussichten sind. Denn wenn er nicht da ist, dann kann ich ihn nicht Fragen und wenn er schläft, kann ich ihn auch nicht fragen, was auf das gleiche herauskommt. Aber wenn er schläft, dann könnte ich vielleicht ja trotzdem Klavierspielen gehen, denn dann würde er es ja nicht merken.
Also gut, ich werde ganz sicher gehen und im Bett nachsehen und wenn er da ist und schläft, werde ich mich nach unten schleichen und dem Flügel einen Besuch abstatten.
Ich sollte ohnehin nochmal Üben, damit ich für das Konzert gut gewappnet bin.
Mit klopfendem Herzen taste ich mich durch den Raum, bis zum Bett, zumindest denke ich, dass es das Bett ist, das sich zu meiner Rechten befindet.
Ein wenig Mondlicht fällt auf die Decke am Fußende, aber von hieraus kann ich nicht sehen, ob jemand darin liegt.
Als ich mich dem Bett nähere bemerke ich plötzlich einen Schatten, der sich neben mir bewegt.
Erschreckt schaue ich mich um und stoße einen leisen Schrei aus, doch das was ich gesehen habe entpuppt sich als mein Spiegelbild, das sich im Spiegel am Kleiderschrank bewegt.
Erleichert atme ich auf und muss einen Moment stehen bleiben, damit sich mein Pulsschlag wieder normalisiert.
Gott sei Dank hat mich niemand gehört. Ian scheint einen tiefen Schlaf zu haben, wenn er denn da ist.
Und das ist er, denn als ich endlich neben dem Bett stehe, kann ich seine Silhouette erkennen.
Mit bloßem Oberkörper, den ich jetzt trotz der Dunkelheit deutlich sehen kann, liegt er die Arme unter dem Kopf verschränkt, auf dem Bauch.
Mein Blick wandert bewundernd über seinen Rücken und ich nehme jede Kleinigkeit in mich auf. Seine breiten Schultern, die Muskulösen Arme, die Muskelstränge, die sich seine Wirbelsäule entlang nach unten bis zu seiner schmalen Hüfte ziehen und dort im Bund seiner Hose verschwinden und auch das kleine Tattoo, was sein rechtes Schulterblatt ziert.
Neugierig nähere ich mich der Zeichnung, aber weil es so dunkel ist kann ich sie nicht deutlich erkennen.
Hatte er die auch schon, als ich ihn an dem Abend mit Emma in seinem Zimmer überrascht habe? Wenn ja, kann ich mich nicht daran erinnern.
Wie seltsam.
In Gedanken vertieft strecke ich meine Hand aus uns streiche mit den Fingern über das Bild.
Als ich es berühre seufzt Ian leise auf und ein Lächeln erhellt sein Gesicht, dann schlägt er die Augen auf.
>>Engelchen. << haucht er leise, dreht sich auf die Seite und schließt die Augen wieder.
Ich bin wie erstarrt und wage nicht zu atmen. Ist er wirklich wach oder schläft er noch immer.
Doch als die Sekunden verrinnen und seine Augen geschlossen bleiben, entspanne ich mich langsam wieder und atme erleichtert auf.
Er schläft wohl tatsächlich noch, auch wenn er mich kurz angesehen hat. Vielleicht hat er ja auch nur geträumt.
Noch einmal wage ich es ihn zu berühren, doch diesmal streiche ich ihm nur eine Haarsträhne aus dem Gesicht, dann wende ich mich zum gehen.
Wenn Ian hier ist und tief und fest schläft, dann kann ich wohl guten Gewissens nach unten gehen.
Auf Zehenspitzen schleiche ich nach draußen und schließe so leise wie möglich die Tür hinter mir. Von Ian kann ich nur seinen gleichmäßigen Atem hören.
Schon komisch, das jetzt wo ich weiß, dass er da ist und mein Herz nicht mehr ganz so laut in mir hämmert, ich seinen Atem hören kann, dabei habe ich ihn vorhin nicht gehört.
Das leise klicken der Zimmertür, als diese ins Schloss fällt lässt mich noch einmal innehalten, doch da weiterhin keine verräterischen Geräusche zu vernehmen sind, mache ich mich auf den Weg nach unten.
Vor der Tür im Wohnzimmer, die in das Zimmer mit dem Piano führt halte ich inne.
Soll ich wirklich? Es ist der Flügel von Ians Mutter. Er will nicht, dass jemand darauf spielt und vermutlich will er schon gar nicht, dass ich darauf spiele, aber wenn ich es nicht tue, werde ich den Rest der Nacht vermutlich kein Auge zumachen, weil mich meine Trüben Gedanken schier um den Verstand bringen.
Habe ich also eine andere Wahl?
Angespannt stoße ich die Luft aus, dann öffne ich die Tür und betrete den Raum.
Ich kann nicht anders. Nicht mehr! Wie konnte ich nur je aufhören zu spielen, wie konnte ich nur ohne die Musik überleben, als ich die Papiere im Arbeitszimmer meines Vaters gefunden habe.
Doch dann erinnere ich mich an Mike und wie er mich aus meinem Trübsinn gerissen hat, wie er mir geholfen hat nicht in den dunklen Tiefen meiner Gedanken zu ertrinken.
Doch jetzt bin ich allein. Niemand ist hier, um mir zu helfen, mit mir selbst klar zu kommen. Niemand, nur das Piano von Ians Mutter.
An der Wand taste ich nach dem Schalter für das Licht und fühle sofort die wohltuende Erleichterung, die allein der Anblick des Instrumentes in mir auslöst, als das Licht den Flügel in seinen hellen Schein hüllt.
Nach einmal schaue ich zurück in den Raum, aus dem ich komme, dann schließe ich mit hämmerndem Herzen die Tür.
Endlich bin ich allein. Allein in einer Welt, die nur mir gehört. Meine Finger erwecken den Flügel zum Leben und die Musik verwandelt die Luft um mich herum in Wasser. Ein Wasser, das ich atmen kann, eine Flüssigkeit, die mich mit seinen Wogen umspült und mich an einen anderen Ort bringt. Weit weg von hier, von meinem Körper, meinen Gedanken und Gefühlen, von meinem Kummer. Von allem, das ich nicht verstehe und von dem ich nicht weiß, wie ich es ändern soll.
Ich spüre, wie mit jedem Ton den ich spiele meine Anspannung nachlässt und ich ruhiger werde, wie meine verkrampften Schultern sich lockern und sich mein Körper entspannt.
Und endlich fühle ich mich besser. Kann ich mit dem, was mich bedrückt und was meine Welt aus dem Gleichgewicht bringt etwas besser zurechtkommen. Auch wenn ich weiß, dass diese Erleichterung nicht lange anhalten wird und ich schon morgen Abend vor ich weiß nicht wie vielen Menschen spielen soll, fühle ich mich für den Moment besser.
Während die Musik den Raum erfüllt, vergesse ich alles um mich herum, bin nicht mehr im hier und jetzt sondern ganz weit weg. Ich merke nicht, wie die Zeit verrinnt und vor allem merke ich nicht, wie die Tür geöffnet wird und jemand den Raum betritt.
Erst als mir diese Person eine Hand auf die Schulter legt, werde ich aus meiner Versunkenheit in die Gegenwart zurückgerissen.
Als hätte ich mich verbrannt reiße ich erschreckt die Hände von den Tasten und drehe mich zu meinem Besucher um.
>>Was machst du hier?!<< verlangt Ian verstimmt von mir zu wissen.
>>Ich... Ich wollte... Ich konnte nicht schlafen. << erkläre ich stotternd. >>Eigentlich wollte ich dich fragen, aber du hast geschlafen. Es tut mir leid.<< Mit weit aufgerissenen Augen starre ich ihn ängstlich an. Was habe ich mir nur dabei Gedacht? Ich hätte einfach in mein Zimmer zurückgehen sollen und versuchen zu schlafen. Aber nein! Ich musste es ja drauf ankommen lassen und jetzt habe ich den Salat.
Ian steht mit gerunzelter Stirn und verkrampftem Kiefer vor mir und sieht mich wütend an. Sein Nackter Oberkörper hebt und senkt sich heftig, so angespannt atmet er ein und aus.
>>Und dann fällt dir nichts besseres ein, als hier her zu kommen?<<
>>Ian, es tut mir leid, ich konnte nicht anders. Ich war so angespannt und wenn ich spiele geht es mir besser.<< versuche ich es ihm zu erklären.
>>Na, wie reizend. Schön, das es DIR jetzt besser geht. Aber dank DIR geht es MIR jetzt beschissen! Also, wenn du dich jetzt verziehen würdest...<< sagt er beherrsch, doch ich kann sehen, wie er die Fäuste ballt und er zu zittern beginnt. In seinem Blick liegt so viel Trauer und Wut, dass ich nicht weiß, was ich machen soll. Ich möchte ihn nicht allein lassen.
Ein Teil von mir möchte ihn trösten, der Teil von mir, der nur den einsamen, verlassenen und traurigen Jungen sieht, der von seiner Mutter allein gelassen wurde. Dieser Teil möchte bei ihm bleiben und alles tun, damit er sich besser fühlt.
Aber der Teil, der die Wut in seinen Augen sieht, den Hass, das seine Mutter ihn nicht so sehr geliebt hat, wie diesen anderen Mann, der möchte am liebsten laut schreiend davon laufen und sich im hintersten Winkel der kleinsten und dunkelsten Ecke verstecken, die er in diesem Haus nur finden kann.
Und weil ich nicht weiß, auf welchen dieser beiden Teile ich hören soll, tue ich einfach gar nichts. Was aber gleichbedeutend damit ist, das ich mich doch für eine Seite in mir entschieden habe, nämlich für die, die bei ihm bleiben will.
>>Nein. << ängstlich schaue ich ihn an. >>Ich werde nicht gehen.<<
Ians Augen werden noch größer, noch drohender und die Muskeln an seinen Armen treten hervor.
>>Ich habe gesagt, du sollst verschwinden!<< sagt er laut.
>>Und ich habe nein gesagt. Ich bleibe!<< sage ich mit fester Stimme. Ich weiß wirklich nicht, woher ich auf einmal den Mut dafür nehme, denn plötzlich knallt Ian seine Faust neben mich auf den Flügel, so dass die Saiten des Instrument zu schwingen beginnen und einen schiefen Ton von sich geben.
Erschreckt zucke ich zusammen, trotzdem steige ich über die Bank, auf der ich gesessen habe und die noch immer zwischen uns steht und stelle mich dicht vor ihn.
>>Mia, wenn du nicht sofort verschwindest, dann...<< presst er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
>>Was dann? Tust du mir dann Weh? Wirst du mich morgen nicht Fahren? Schlägst du mich? Was willst du dann Tun?<< frage ich herausfordernd.
Doch statt einer Antwort packt er mich fest an den Armen, so grob, dass es schmerzt, doch ich gebe keinen Laut von mir.
>>Geh!<< schreit er und stößt mich Richtung Tür, doch als ich mich stolpernd gefangen habe gehe ich wieder auf ihn zu.
>>Nein!<< sage ich fest.
>>Hau ab!<< er stößt mich mit den Händen vor die Brust. Immer wieder, bis ich mit dem Rücken gegen die Wand stoße, dann knallt er die Hand fest gegen die Wand immer und immer wieder.
Mein Herz rast, meine Knie zittern und ich spüre wie die Angst meine Eingeweide zusammen presst.
Trotzdem kann ich nicht gehen, kann ihn in seinem Schmerz nicht alleine lassen. Ich will ihm helfen und hoffe, dass ich das mit meiner Anwesenheit tue.
Mit zitternden Händen umfasse ich sein Gesicht und schaue ihm in die wütenden Augen.
>>Ich kann dich nicht allein lassen.<< sage ich leise. >>Ich will bei dir sein.<<
>>Du weißt nicht was du sagst!<< fährt er mich an und entzieht sich mir >>Du kannst nicht bei mir bleiben! Geh!<<
>>Warum nicht? Warum willst du nicht das ich bleibe?<<
>>Niemand kann bei mir bleiben. Nicht mal sie!<< wutentbrannt zeigt er auf den Flügel. >>Selbst sie hat mich verlassen!<<
Ja, ich weiß, dass sie ihn verlassen hat, aber kann er denn nicht verstehen, dass sie es nicht wollte, dass sie gestorben ist, weil sie krank war. Warum glaubt er, dass sie ihn alleinlassen wollte? Dass sie ihn nicht geliebt hat? Ich liebe ihn so sehr, dass es schmerzt, wie könnte ich ihn da allein lassen, selbst wenn ich, wie gerade, solche Angst vor ihm habe?
>>Ian, ich bin nicht deine Mutter. Ich werde dich nicht verlassen, nicht wie sie. Versteh das doch! << sage ich verzweifelt darum bemüht, das er mir glaubt.
>>Du bist aber genau wie sie!<< brüllt er los. >>Genauso dünn! Genauso versessen aufs Klavierspielen! Ganz genauso wie sie!<<
Wenn er es so sagt, kann ich die Parallelen durchaus sehen, aber ich bin immer noch ich und nicht seine Mutter und ich liebe ihn, genauso wie sie! Und das bringt mich darauf, das er recht hat. Ich bin wie sie und genauso sehr liebe ich ihn.
>>Okay. Vielleicht bin ich so dünn wie sie und vielleicht spiele ich auch genauso gerne Klavier wie sie, wer weiß! << gebe ich ihm energisch recht. >>Aber ich bleibe noch immer ich, auch wenn ich dich genau so sehr LIEBE wie sie!<< sage ich verzweifelt.
Er reißt erstaunt die Augen auf, als er meine Worte hört und weicht vor mir zurück.
>>Nein!<< fleht er leise. >>Nein! Das darfst du nicht! Ich bin nicht gut. Ich... Ich...<<
Langsam gehe ich auf ihn zu. Strecke die Arme nach ihm aus und umfasse seine rechte Hand. Ich lege sie mir auf die Brust, in der mein Herz vor Aufregung so energisch schlägt, das er es fühlen können muss.
>>Ich habe mich in dich verliebt Ian.<< flüstere ich >>Warum glaubst du, dass sich mein Herz irrt? Warum glaubst du, das du es nicht verdient hast geliebt zu werden? Du bist ein Wunderbarer Mensch. Einfühlsam, fürsorglich, hilfsbereit, klug und witzig. Ich könnte mir niemand besseren als dich vorstellen!<<
>>Ich bin ein nichts! Meine Mutter starb, weil ich ihr nichts bedeutet habe. Niemand wird das jemals ändern.<< er klingt so hilflos, so traurig, dass es mir in der Seele weh tut.
>>Hast du nicht gerade gesagt ich bin genauso wie sie? Genau wie deine Mutter? Wenn das stimmt, wenn ich genauso bin wie sie und ich dich liebe, dann hat sie dich genauso geliebt! Genauso wie ich!<<
>>Nein. << sagt er ungläubig. >>Nein, das kann nicht sein. Sie hat mich nicht geliebt. Sie kann mich nicht geliebt haben, sie ist gestorben, weil sie mich nicht geliebt hat. << sagt er immer wieder zu sich selbst. >>Nicht geliebt, mich nicht geliebt.<<
>>Hey.<< sage ich vorsichtig um ihn aus seinen Gedanken zu reißen, doch er achtet nicht auf mich. Wenn ich nicht noch immer seine Hand halten würde, würde sie genauso wie seine Linke kraftlos herabhängen.
Langsam gehe ich näher an ihn heran und nehme ihn in den Arm, ich drücke mich an ihn und streiche ihm über den Rücken und den Kopf. >>Ich liebe dich. << flüstere ich immer wieder, damit er es nicht vergisst.
Und irgendwann scheinen meine Worte und meine Nähe bei ihm anzukommen, denn sein Herzerweichender Monolog verstummt und seine Arme legen sich zögerlich um meine Taille. Sein Kopf sinkt auf meine Schulter und ich fühle, wie er sich langsam entspannt.
Nach einer Weile fragt er unsicher. >>Du liebst mich?<<
>>Ja, sehr sogar. << sage ich bestimmt.
>>Und da bist du dir sicher?<< er hebt seinen Kopf und schaut mich mit seinen grünen Augen ungläubig an.
>>Absolut. << meine Hand wandert über seinen Arm, bis zu seinem Gesicht, dann streiche ich ihm über die Wange und ziehe seinen Kopf zu mir herunter. Meine Lippen berühren die seinen und das Gefühl, das mich dabei durchfährt ist so intensiv, das ich erschrocken nach Luft schnappen muss.
Ja, ich liebe ihn tatsächlich wird mir erst jetzt richtig klar. Und das ich es ihm gesagt habe lässt mich für einen Moment unsicher werden. Was, wenn er meine Liebe nicht erwidert? Was wenn er mich nicht für liebenswert genug hält. So, wie ich es immer von mir dachte. Aber wenn seine Selbstzweifel falsch sind, vielleicht sind es dann auch meine. Falsch.
Außerdem könnte es zwar sein, dass meine Mutter mich tatsächlich nicht geliebt hat, aber das muss ja nicht heißen, dass mich niemand liebt. Ich kann nur hoffen, das Ian zu denen zählt, die es zumindest nicht vollkommen abwegig finden Gefühle für mich zu haben.
Zögernd löse ich mich von ihm und sehe ihn an. Ich habe ein wenig Angst ihm in die Augen zu sehen, wer weiß, was ich darin finden werde, aber als unsere Blicke sich treffen sehe ich nichts als begehren in ihnen und staunen.
>>Du Liebst mich!<< diesmal ist es keine Frage, sondern eine Feststellung und so nicke ich einfach nur, um sie zu bekräftigen.
Und plötzlich verliere ich den Boden unter den Füßen, als er mich in den Arm nimmt und an sich drückt.
Ich schlinge die Beine um ihn, um besseren Halt zu haben, dann küssen wir uns erneut.
Der Kuss ist leidenschaftlich und so intensiv, das ich unwillkürlich aufstöhne, als er seine Hände unter meinen Hinter schiebt um mich zu stützen.
Mein Herz schlägt mir bis zum Hals und in meinem Kopf dreht sich alles. Mit den Händen fahre ich ihm immer wieder durch die Haare und genieße das Gefühl, seiner kurzen, weichen Stacheln im Nacken.
>>Ich würde so gern mit dir schlafen.<< flüstert Ian mir ins Ohr und fährt mit einer Hand meinen Oberschenkel entlang.
Wow, was für ein Stimmungsumschwung.
Die Worte und seine Berührungen bringen mich zum glühen, doch machen sie mir auch angst. Ich habe noch nie mit einem Jungen geschlafen und ich weiß nicht, ob ich schon so weit bin, diesen Schritt zu tun, auch wenn ich ihn liebe.
>>Ian ich...<< beginne ich schüchtern.
>>Ich weiß. << Unterbricht er mich. >>Ich weiß.<< wiederholt er, doch dabei klingt er ein kleines bisschen enttäuscht.
>>Was weißt du?<< frage ich verwirrt.
>>Das du noch nie mit einem Jungen geschlafen hast.<<
>>Woher!<< entrüstet schaue ich ihn an, doch als er sich mit mir auf dem Schoß auf die Klavierbank niederlässt und beginnt meinen Rücken zu streicheln zerfließe ich in seinen Händen zu Wachs, so angenehm finde ich die Berührung.
>>Du erinnerst dich doch sicher an die Nacht im Wald. << beginnt er . >>Du hast zwar behauptet, das du schon mal Sex hattest, aber ich war mir sicher, dass du lügst.<<
>>Ich habe nicht gelogen, aber sicher war ich mir auch nicht.<< sage ich ehrlich, dabei ist mir die Sache mit Mike echt peinlich. Und scheinbar findet auch Ian da irgendetwas sonderbar, denn er schaut mich belustigt an.
>>Du weißt nicht ob du schon mal Sex hattest?<< fragt er lächelnd.
>>Doch, ich meine jetzt weiß ich es, aber damals... war ich mir nicht sicher. << erkläre ich stockend.
>>Das musst du mir genau erklären. Hattest du jetzt schon mal Sex oder nicht?<<
>>Nein, ich habe noch mit niemandem geschlafen. << schüchtern blicke ich zu Boden, doch Ian hebt meinen Kopf an und haucht mir einen Kuss auf die Lippen, der in mir ein begehren entfacht, das so stark ist, wie ich es bisher noch nicht empfunden habe.
>>Ist doch nicht schlimm. Irgendwann ist immer das erste Mal.<< sagt Ian verständnisvoll.
>>Aber hast du nicht gesagt, dass du nicht mit Jungfrauen schläfst?<< will ich verlegen wissen, als mir seine und Jasons Worte von damals in den Sinn kommen.
>>Bei dir würde ich jederzeit eine Ausnahme machen. >>flüstert er mit leise ins Ohr und haucht kleine Küsse auf die empfindsame Haut darunter. >>Aber nicht heute, das hat Zeit. << fügt er hinzu.
Dann steht er auf und Trägt mich aus dem Raum. An der Tür fordert er mich auf. >>Machst du das Licht aus. <<
>>Wo bringst du mich denn hin?<< will ich wissen, drücke aber gehorsam auf den Schalter.
>>Ins Bett.<<
>>Aber hast du nicht gesagt, dass das warten kann.<< entsetzt schaue ich ihn an.
>>Der Sex kann warten. Der schlaf nicht. Du hast morgen einen langen, aufregenden Tag vor dir und dafür musst du ausgeruht sein.<< erklärt er mir, als er mich durch die Dunkelheit, die Treppe rauf trägt.
>>Oh, richtig. << irgendwie bin ich erleichtert, aber auch ein wenig enttäuscht.
Oben angekommen bleibt er unentschlossen stehen. >>Zu dir oder zu mir?<<
Ich schaue erst in die eine, dann in die andere Richtung, dann zucke ich unschlüssig mit den Schultern. >>Egal, solange du da bist wo ich bin. << flüstere ich ihm verlegen zu und ein Lächeln erhellt sein Gesicht, dann trägt er mich in sein Zimmer.
Sanft lässt er mich auf das Bett fallen, dann legt er sich neben mich. Mit den Fingerspitzen fahre ich die Muskelstränge auf seinen Armen nach, bis zu seiner Schulter, von dort übers Schlüsselbein und die Brust bis zu seinem Bauch. Dort verweile ich . Ich schmiege meinen Kopf an seine Schulter und höre dem steten pochen seines Herzens zu, während er mich ebenso sanft streichelt.
>>Möchtest du dir noch etwas Anderes anziehen?<< fragt Ian mich nach einer Weile.
>>Ja, ich schlafe eigentlich nicht so oft in meinen Straßenklamotten.<< stimme ich unsicher zu. Aber eigentlich möchte ich mich weder hier vor ihm ausziehen, noch möchte ich in mein Zimmer zurückgehen und mich dort umziehen, denn dann müsste ich ihn verlassen und irgendwie möchte ich das nicht.
>>Warte, du kannst ein T-Shirt von mir haben.<< bietet Ian mir an.
>>Au ja.<< stimme ich begeistert zu. Eins seiner T-Shirts direkt auf der Haut zu spüren finde ich toll, fast so toll, wie wenn er mich streicheln würde, denn so ist er ganz nah bei mir.
Ian reicht mir eines seiner Shirts, dann dreht er sich respektvoll um.
>>Nicht gucken.<< verlange ich lächelnd.
>>Versprochen!<<
Schnell ziehe ich mir die Jeans, die Socken, mein Top und den Bh aus, dann streife ich mir schnell sein Shirt über, das so weit ist, das es mir bis zu den Oberschenkeln reicht, dann knülle ich meine alten Sachen zusammen und werfe sie in einen Sessel, der in der Ecke steht, dann schlüpfe ich unter die Decke. Als Ian merkt, wie ich ins Bett schlüpfe dreht er sich zu mir.
>>Fertig, ja?<< liebevoll lächelt er mich an.
>>Ja.<< stimme ich zu und halte ihm einladend die Decke hoch, so dass er sich zu mir legen kann. Dann schmiege ich mich erneut an ihn.
Seine nähe ist so berauschend, das mir das Herz auch weiterhin bis zum Hals schlägt.
Seine Finger wandern verführerisch über meinen Arm, an der Seite meines Körpers entlang bis zu meiner Hüfte, von dort zu meinem Oberschenkel und wieder zurück, dabei hinterlässt er eine kitzelnde, brennende Spur auf meiner Haut zurück, die dort am heißesten lodert, wo seine Finger meine bloße Haut berühren.
Auch meine Finger wandern forschend über seine Haut, aber zwischen meinen Fingern und ihm ist nichts als nacktes Fleisch. Denn er trägt nach wie vor nur seine schwarze Trainingshose, sonst nichts.
Mit den Fingern male ich kleine Kreise und Linien auf seinen Bauch und seine Brust. Fahre die Formen seiner Muskeln nach und genieße die Weichheit und Wärme, die er ausstrahlt.
Das stete pochen unter meinem Ohr beruhigt mich, und sein leiser Atem und die streichelnden Berührungen, bringen mich nach und nach an den Rand des Schlafes. Als ich kurz davor bin einzuschlafen höre ich wie Ian leise >>Ich liebe dich!<< murmelt, bin mir aber nicht sicher, ob ich es wirklich gehört habe, denn kurz darauf bin ich eingeschlafen.
Und auch in meinem Traum wiederholt er die Worte wieder und immer wieder, bis ich von der Sonne geweckt werde.
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