Trennung
Ding Dong!
Mit zitternden Knien und schmerzendem Magen stehe ich nun hier und warte darauf, dass die Tür aufgeht.
Mara hat mich hergefahren und gesagt, dass alles gut werden wird.
Gut.
Ich glaube nicht, das alles gut werden kann. Vielleicht, nein ganz sicher, wird alles nur noch schlimmer, aber ich darf die Hoffnung nicht aufgeben.
Die Hoffnung dass es eines Tages wieder besser werden wird.
Vielleicht wird es niemals gut, aber vielleicht fühle ich mich irgendwann weniger schlecht.
Die Tür geht auf und vor mir steht Mike.
Glücklich! Wie kann er glücklich sein?
"Komm rein Babe. Schön dass du da bist."
Schön? Na, wenn er wüsste!
"Hallo Mike." ich zwinge mich zu einem kleinen Lächeln, das sich so falsch anfühlt in meinem Gesicht und am liebsten hätte ich auf dem Absatz kehrt gemacht und wäre davon gelaufen, aber das würde nichts ändern und so wird mein Herz noch schwerer, als sich die Tür langsam hinter mir schließt.
Unbehaglich kaue ich auf meiner Lippe herum und ringe die Hände, als ich Mike ins Wohnzimmer folge.
"Setzt dich doch." bietet er mir an und das tue ich.
Mein Blick schweift durchs Zimmer, das für Mikes Verhältnisse ziemlich ordentlich ist. Diesmal liegt nicht ein krümel Müll herum und außer einer benutzten Schüssel steht auch kein dreckiges Geschirr auf dem Tisch. Nur ein paar Klamotten liegen herum, die er kurzerhand ins Schlafzimmer bringt.
"Magst du was trinken? Kaffee?" fragt er aufmerksam.
"Ja bitte." vielleicht lässt es sich bei einer Tasse heißem Kaffee tatsächlich besser reden.
Ich hab keine Ahnung, wie ich dieses Gespräch beginnen soll und so trinke ich ziemlich schweigsam meinen Kaffee und versuche Mikes Annäherungsversuchen aus dem Weg zu gehen.
Ich bin schon eine halbe Stunde hier und weiß noch immer nicht, wie ich anfangen soll, doch als Mike mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht streicht und seine Hand anschließend auf meine Wange legt, halte ich es nicht mehr aus.
"Bitte lass das!" unbehaglich entziehe ich mich ihm.
"Was hast du denn Süße. Es hat dich doch noch nie gestört, wenn..."
"Mike?" unterbreche ich ihn. "Erinnerst du dich noch an unser Gespräch in den Herbstferien?"
"Welches meinst du?" Er sieht mich nachdenklich an und kratzt sich an der Schulter.
"Na das, nach der Nacht, nachdem ich dich auf der Parkbank gefunden habe. Das, als wir gefrühstückt haben." erinnere ich ihn.
"Sicher, wie könnte ich das vergessen?"
"Ich hab dir doch von Ian erzählt" unbehaglich beiße ich mir auf die Lippe und kann ihm nicht in die Augen schauen.
"Was ist mit ihm, Mia?" höre ich Mike sagen und ohne ihn anzusehen weiß ich, dass er gereizt ist. Er hebt leicht die Stimme und sagt etwas lauter.
"Du hast gesagt, dass ihr Freunde seid. NUR Freunde, Mia. Stimmt das etwa nicht?"
Traurig schüttele ich den Kopf und wische verstohlen über mein eines Auge, dem ungewollt eine Träne entweicht.
"Nein, wir sind nicht mal Freunde...aber..."
Ich höre, wie Mike erleichtert aufatmet, doch ich weiß, dass ihm das schlimmste noch bevorsteht.
"Wo ist denn dann das Problem?" fragt er jetzt etwas sanfter.
"Ich bin das Problem Mike." stoße ich angespannt hervor und blicke einmal kurz in sein Gesicht, doch dann senke ich die Augen wieder auf meine Hände, die krampfhaft die leere Tasse umklammert.
"Ich und mein dummes Herz!"
"Mia, sieh mich an." bittet Mike leise, doch als ich meine Augen wieder auf seine richte ist sein Blick ernst.
"Was genau willst du mir damit sagen? Was ist hier drin los, was dich so bedrückt?" er deutet erst auf meine Brust, dann auf meinen Kopf, ohne mich jedoch zu berühren.
"Ich kann ihn nicht vergessen Mike." flüstere ich leise. "Es tut mir leid."
"Es muss dir nicht leid tun. Ich weiß dass es schwer ist, Süße, aber wir schaffen das. Du wirst sehen, irgendwann wirst du ihn einfach vergessen."
Verwirrt schaue ich Mike an. WIR werden es schaffen? Was genau meint er damit? Ich werde Ian nicht einfach vergessen.
"Ich will ihn aber gar nicht vergessen Mike." ich runzele die Stirn "Das ist ja das Problem. Ich möchte... "kurz verstumme ich, dann füge ich leise hinzu "...möchte, dass wieder alles so wird wie vor ein paar Monaten."
"Vor ein paar Monaten? Mia, kannst du mir jetzt endlich mal sagen, was ist!" Mike steht auf und schaut mit finsterem Blick auf mich herunter.
"Hast du nicht eben noch gesagt, dass ihr nicht mehr befreundet seid?"
"Sind wir auch nicht, aber ich möchte es gerne. Mike, du bist mein Freund, okay, aber meine Gefühle für dich sind... na ja, irgendwie anders. Anders als das was ich für Ian empfinde. Verstehst du."
"Nein, Mia! Das verstehe ich nicht!" sagt er laut. "Erklärs mir. Was genau stimmt nicht zwischen uns? Bedeute ich dir etwa nichts? War alles, was du mir auf dem Parkplatz gesagt hast gelogen?"
Erschreckt reiße ich den Kopf hoch. "Wa...!Nein!" Stoße ich hervor. "Nein! Es war nicht gelogen! Du bedeutest mir sehr viel, aber..."
"Er bedeutet dir mehr! Sehe ich das richtig!" sagt er Kalt.
"Mike, du bedeutest so viel! Ich liebe dich, aber eher so wie... wie einen Bruder und ich möchte dich unter keinen Umständen verlieren, aber...ich kann dir nicht das geben, was du willst." bringe ich stockend hervor und greife nach seiner Hand. Doch er lässt nicht zu , dass ich ihn berühre.
"Ich kann nicht deine Freundin sein. Nicht so zumindest, wie du es dir wünscht." sage ich traurig.
"Du schmeißt unsere Freundschaft also einfach weg! Für so einen reichen Schnösel, der nicht einmal dein Freund ist, der nichts von dir will!" brüllt er plötzlich los und ich zucke erschreckt vor ihm zurück.
"Das würde ich nie!" wiederspreche ich energisch. Dabei tue ich genau das. Ich riskiere meine Freundschaft zu Mike, ohne zu wissen, ob mich das Ian, auch nur einen Millimeter näher bringt.
"Was hat er was ich nicht habe!" Mike steht mit dem Rücken zu mir einige Meter entfernt, doch jetzt wirbelt er wütend zu mir herum und ich kann den Schmerz in seinen Augen sehen, den er zu verbergen versucht. "Ist es weil er reich ist? Weil er dir mehr bieten kann als ich? Ist er so viel besser als ich?"
"Es geht nicht ums Geld, Mike!" sage ich aufgebracht. "Das solltest du eigentlich wissen! So oberflächlich bin ich nicht!"
"Dann küsst er besser, ja! Vielleicht Fickt er dich ja auch! Ist es das? Ist er so toll im Bett! So toll, dass du ihn nicht vergessen kannst!" mit geballten Fäusten steht Mike vor mir und starrt mich wütend an. Ich starre ihn auch an. Ungläubig!
"Ich habe nicht mit ihm geschlafen!" schreie ich ihn an, springe auf und verpasse ihm eine Ohrfeige."Wie kannst du es wagen! Für wen hältst du mich! Ich bin nicht du! Nur weil du mit tausend Mädchen geschlafen hast, muss ich das noch lange nicht tun Mike!"
"Du vielleicht nicht, aber er." sagt er Kalt. "Oder glaubst du, das du die erste bist, mit der er was hat? Das er ausgerechnet dich liebt?"
"Ich weiß, dass er schon andere Mädchen hatte! Genau wie du!"
"Dann geh doch zu ihm! Geh!" brüllt er mich an und reißt den Couchtisch um. "Da ist die Tür, Mia! Geh zu ihm, aber wenn du gehst, dann komm nicht zurück!"
Geschockt starre ich ihn an. Ist das sein ernst? Nicht wiederkommen? Gehen für immer? Unschlüssig stehe ich da und schaue in sein vor Wut verzerrtes Gesicht. Doch als er mich noch mal anbrüllt, ich solle endlich gehen, mache ich die ersten zögerlichen Schritte in Richtung Tür.
Es ist das Richtige, versuche ich mir einzureden. Ich muss gehen, auch wenn ich gehofft hatte, dass Mike mein Freund bleibt, dass alles so werden kann, wie es mal war. So unbeschwert und leicht, aber da habe ich mich wohl geirrt.
An der Tür bleibe ich noch mal stehen, werfe noch einen Blick auf ihn, der noch immer an derselben Stelle steht, mit dem Rücken zu mir. Er hat die Hände geballt, seine breiten Schulten sind ein wenig nach vorn geneigt, genau wie sein Kopf. Er sieht so verloren aus, wie er da allein in seinem Wohnzimmer steht, den umgeworfenen Tisch vor den Füßen. Die zersprungenen Tassen liegen in Scherben auf dem Boden und gleich daneben mein Herz.
Vielleicht liebe ich ihn nicht, aber er ist mein bester Freund und als Freundin möchte ich nicht, dass er so leidet.
"Es tut mir leid." flüstere ich verzweifelt in die Stille, bevor ich die Tür hinter mir ins Schloss ziehe.
Ich bin gegangen. Einfach so. Ich schaue nicht zurück, ich kann nur hoffen, dass ich das richtige getan habe, denn wenn nicht, dann... doch daran darf ich gar nicht denken.
Ich darf nicht verzweifeln. Den ersten Schritt habe ich getan, den ersten Schritt auf einem langen Weg, dessen Ende ich noch nicht sehen kann. Ein Weg, der mich entweder in den Himmel bringt oder in die Hölle.
Ohne nachzudenken setzte ich einen Fuß vor den Anderen, steige die Treppe hinunter und hoffe doch die ganze Zeit, dass Mike mich nicht gehen lässt, das er die Tür aufreißen und mir folgen wird, aber er tut es nicht. Auch die Eingangstür fällt ins Schloss und noch immer ist Mike nicht da.
Vielleicht sollte ich umdrehen und mich bei ihm entschuldigen? Zögernd stehe ich direkt vor der Tür und will schon auf die Klingel drücken. Nur Millimeter ist mein Finger noch von dem Knopf entfernt, als ich die Hand zur Faust balle und mich energisch abwende.
Wenn ich zu ihm zurück gehe, dann war die ganze Aufregung umsonst, vorausgesetzt er würde mir verzeihen und das ist etwas, dass ich nicht will, das alles umsonst war. Dennoch wünschte ich mir, er hätte mich nicht so endgültig aus seiner Wohnung komplimentiert.
Schmerzhaft schlägt das Herz in meiner Brust und immer wieder wundere ich mich, wie es das noch kann. Wie es scheinbar unbeteiligt all das über sich ergehen lässt, ohne zu zerbrechen. Ohne aufzugeben.
Manchmal frage ich mich, was es antreibt. Warum es nicht einfach stehen bleibt und mich und auch sich selbst, von all dieser Scheiße erlöst.
Doch egal, wie groß der Schmerz ist, der mich zermürbt, der mir wie Blei an den Gliedern zerrt und jeden Schritt zur Qual macht; mein Herz schlägt. Schlag um Schlag. Mal langsam, mal schnell, mal leicht, mal fest. Doch es hört nicht auf. Vielleicht setzt es mal einen Schlag aus, gerät etwas aus dem Rhythmus, aber eines tut es nie.
Aufgeben.
Auch ich darf nicht aufgeben. Muss daran glauben, dass das was ich getan habe richtig war. Das es richtig war, den Menschen zu verletzten, der mir letzten Endes genauso viel bedeutet wie meine Eltern und wie der Krümel, der in rund einem Monat das Licht der Welt erblicken wird.
Ferngesteuert setzte ich immer einen Fuß vor den anderen. Erst langsam, dann immer schneller, bis ich anfange zu laufen. Ich renne, so schnell ich kann immer weiter. Mein Herz rast und in meiner Brust spüre ich ein schmerzhaftes Stechen, doch ich höre nicht auf zu laufen, denn der Schmerz in meiner Brust kommt nicht vom Laufen.
Es ist der Schmerz, den der Verlust meines besten Freundes hinterlässt, das Loch, das an der Stelle entstanden ist, wo er war.
Ich habe ihn verloren, dabei stelle ich mir beim verlieren immer vor, das etwas unabsichtlich geschieht. Aus versehen. Verlieren ist etwas, worauf man nur einen kleinen Einfluss hat. Wenn man auf etwas besonders auch gibt, dann ist es fast unmöglich es zu verlieren, doch wenn einem etwas Egal ist und man unachtsam mit den Dingen umgeht, dann kann es schnell sein, dass man es verliert. Umso betrübter bin ich, das ich scheinbar so unaufmerksam mit meinem Freund umgegangen bin, das ich ihn verlieren konnte.
Gerade weil ich so sehr auf ihn geachtet habe und dennoch ist er fort.
Ob ich ihn eines Tages wiederfinden werde?
Meine Beine tun weh, vom langen laufen. Wie lange laufe ich nun schon eine halbe Stunde? Eine ganze? Ich weiß es nicht und es ist mir auch egal. Der Schmerz in meinen Füßen und Beinen ist mir geradezu willkommen, weil er mich ein kleines bisschen von dem Schmerz in meiner Brust ablenkt, doch so sehr ich mich auch bemühe, ich kann der Leere in mir nicht davon laufen.
Immer wieder fahre ich mit der Hand über meine Gesicht, wische die Tränen, die unaufhörlich über meine Wangen rinnen beiseite und achte nicht darauf, wohin ich laufe. An einer Kreuzung höre ich plötzlich ein lautes Hupen und das Quietschen von Reifen als ich ohne zu schauen auf die Straße laufe.
Nur einen Meter vor mir kommt der Lastwagen zum stehen und ein wütender Mann steigt aus.
"Bist du lebensmüde!" herrscht er mich an, doch bis auf, dass ich ihn mit großen Augen anstarre, erwidere ich nicht.
"Pass gefälligst auf wo du hinrennst!" fügt er noch hinzu, bevor er wieder in seinen Brummi steigt.
Wie in Trance wanke ich von der Straße, als mir plötzlich bewusst wird, wie knapp das gerade war.
Und wie, als hätte auch mein Herz erst jetzt die Gefahr bemerkt, in der ich eben noch geschwebt habe, verzehnfacht es plötzlich seine Geschwindigkeit.
Geschockt stehe ich da und schaue dem Lastwagen nach.
Das hätte auch ins Auge gehen können! Schießt es mir in den Sinn und schon beginnen meine Beine und Hände zu zittern und ich muss mich für einen Moment an eine Mauer lehnen, die den Gehweg von einem Garten trennt.
Als ich mich langsam von dem Schrecken erhole, nehme ich zum ersten Mal, seit ich Mikes Wohnung verlassen habe meine Umgebung war und stelle erstaunt fest, dass ich mich ganz in der Nähe des Parks aufhalte, in den ich schon immer gern gegangen bin, wenn ich traurig war. Und so bringe ich die letzten Meter hinter mich und setzte mich auf die Parkbank. Unsere Parkbank. Meine und seine Parkbank. Und obwohl ich alleine hier bin, kann ich fast seine Anwesenheit spüren.
Sehe seine blonden verstrubbelten Haare, sein schalkhaftes Grinsen, seine funkelnden blauen Augen, ganz so als wäre er hier.
Und wenn ich die Augen schließe, kann ich fast seine Nähe spüren, seine Geruch einatmen. Zimt und Vanille. Haselnuss und Schokolade. So verführerisch süß. "Hey, Babe." Würde er sagen, wenn er jetzt kommen würde und ich würde mich auf die Bank stellen und mich in seine Arme werfen, würde ihn auf die Wange küssen und ihn nach seinem Tag fragen. Aber das kann ich nicht, denn er ist nicht hier. Auch sonst ist kaum jemand hier. Um lange im Park zu bleiben ist es viel zu kalt. Auch ich zittere schon am ganzen Körper, so eisig ist es. Und als wenn meine Durchgeschwitzte Kleidung und die eisigen Temperaturen nicht schon genügen würden, beginnt es sogar noch zu schneien.
Es ist der erste richtige Schnee, der in diesem Winter fällt. Und während ich dem dichten Schneetreiben zusehe, wie es alles um mich herum in blendendes Weiß tauscht und den Dingen die Schärfe nimmt, taucht eine dick vermummte Gestalt am Ende des Weges auf.
Zielstrebig stapft sie voran, die Schultern wegen des Schneetreibens hochgezogen und den Kopf gesenkt. Die Hände tief in den Taschen ihrer Jacke vergraben, starrt sie auf den Weg vor sich, bis sie ganz in meiner Nähe den Kopf hebt.
Und erst da bemerke ich, dass ich vor Aufregung zittere und nicht mehr nur vor Kälte. Und auch mein Atem hat sich beschleunigt genauso wie mein Puls.
Schon will ich auf die Bank steigen um mich beglückt in Mikes Arme zu werfen, als die Person, die natürlich nicht Mike ist ohne innezuhalten an mir vorbeigeht.
Alle Hoffnung die ich hatte, verpufft mit dieser Gestalt zu einem Wölkchen Nichts. Steigt in den Himmel empor und wird von den weißen Schneemassen unter sich begraben. Davon getragen von den Wolken, dem Wind, dem Schnee, der nicht nur die Landschaft sondern auch mich in seine weiße, weiche Decke hüllt.
Meine Gefühle betäubt und mich unter sich begräbt.
An diesem Ort hat Mike mich aus meinen Untiefen befreit, mir neuen Lebensmut gegeben, so klein er auch gewesen sein mochte, doch jetzt ist er fort.
Und nichts von all dem bleibt zurück.
Mike ist weg und mit ihm all der Mut und die Zuversicht, die er mir gegeben hat.
Noch lange bleibe ich auf dieser Bank, bis ich die Stille und auch die Kälte nicht mehr ertrage, dann gehe ich nach Hause, schleppe mich ins Bad und versuche mich in der warmen Wanne zu ertränken.
Doch als ich endlich aufgehört habe zu zittern und angezogen in mein Zimmer zurück kehre, packe ich mir ausreichen Klamotten für die nächsten Wochen in meine Tasche und verschwinde ins Bett. Vielleicht hilft es mir ja, wenn ich diesen Ort ein paar Tage lang meide.
Am Abend kommt Mara zu mir und bringt mir etwas zu essen. Mit einem aufgesetzten Lächeln nehme ich ihr den Teller ab und esse ein paar Löffel von dem Gulasch, doch als sie kurz darauf wieder geht, stelle ich den Teller beiseite.
Ich kann einfach nichts essen. Stattdessen trinke ich Unmengen von dem Tee, den Mara auf meinen Nachttisch gestellt hat.
Sie fragt nicht, wie das Gespräch mit Mike gelaufen ist, meine Stimmung scheint ihr wohl Auskunft genug zu sein und irgendwie bin ich sogar froh, dass ich diese Hölle nicht noch einmal durchleben muss, denn das tue ich sowieso ununterbrochen, wenn ich die Augen schließe und zu schlafen versuche.
In aller Frühe stehe ich auf und versuche erneut meinen Gedanken, die mich die ganze Nacht wach gehalten haben, davon zu laufen. Ohne Erfolg wie ich sagen möchte, denn kaum bin ich aus der Dusche zurück, packt mich schon wieder diese innere Unruhe.
"Kannst du mich bitte schon nach dem Frühstück zum Bahnhof bringen?" bitte ich Pascal daher, als wir gerade am Essen sind.
"Du willst also noch immer mit dem Zug fahren?" fragt er skeptisch
"Ja. Ich möchte nicht, dass du so weit fährst, bei den glatten Straßen." versichere ich ihm.
"Mir passiert schon nichts, Schatz."
"Trotzdem. Ich fahr mit dem Zug."
"Wie du willst." stimmt er schließlich zu.
Jetzt sitze ich schon seit einer Gefühlten Ewigkeit in der Bahn, habe Musik in den Ohren und starre aus dem Fenster. Der nächste Halt müsste meiner sein und so packe ich meine Wasserflasche und mein Handy zurück in meinen Rucksack und mummele mich dick ein, dann warte ich darauf, dass der Zug endlich zum halten kommt.
Der Bus, der mich dann zum Internat bringen wird, braucht auch noch mal eine halbe Stunde, doch endlich stehe ich in dem gemütlichen Zimmer, das ich nun schon seit fast einem halben Jahr bewohne und das ich in den nächsten vier Wochen nicht mehr zu verlassen gedenke, denn so habe ich meinen Eltern erklärt wird es mir leichter fallen mich von der Trennung von Mike zu erholen.
Natürlich habe ich auch die Hoffnung Ian so wieder näher zu kommen.
Denn dafür bleibt mir unter der Woche einfach nicht genug Zeit. Und was mache ich, wenn er gar nicht hier ist? Wenn er immer nach Hause fährt?
Resigniert seufze ich auf. Dann werde ich immerhin genug Zeit finden, mich für Herrn Müller ins Zeug zu legen und außerdem habe ich hier viel eher die Möglichkeit etwas Abstand zu Mike zu bekommen, weil mich nicht alles an ihn erinnert.
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