Shopping und Mel

Auf der Fahrt nach Hause hänge ich meinen Gedanken nach und starre aus dem Fenster. Bis mir die Umgebung nach und nach immer vertrauter wird. Und dann erkenne ich endlich unsere Straße.

Schon von weitem kann ich unsere Einfahrt sehen, mit der Garage und dem Gartenweg, der zur Haustür führt. Und dann betrete ich endlich wieder unseren Flur.

Ich ziehe meine Schuhe aus und stelle sie ordentlich unter die Garderobe, dann Hänge ich meine Jacke auf.

Alles ist mir so vertraut. Die Küche zu meiner Linken, die Treppe zu meiner Rechten. Das Wohnzimmer, das ich durch die Küche oder den Flur betreten kann. Einfach alles.

"Ich bring mal meine Sachen rauf. Wenn ihr nichts dagegen habt." sage ich unsicher.

"Natürlich, Marie, mach das." sagt Mara verwundert und schaut zu Pascal.

"Ich... ist mein Zimmer noch...?" setze ich an, doch Pascal unterbricht mich.

"Marie." sagt er ruhig. "Alles ist noch genauso wie du es verlassen hast." versichert er mir. "Es hat sich nichts verändert. Nur weil wir bald zu viert sind, heißt das nicht, dass sich etwas für dich ändert. Okay. Du wirst dein Zimmer behalten und das Kleine schläft die nächsten Jahre einfach bei uns."

"Oh, okay." sage ich erleichtert und gehe die Treppe hoch. Beinahe ehrfürchtig fahre ich mit der Hand über das Geländer. Das vertraute Gefühl, das mich dabei überkommt ist irgendwie eigenartig. Es hat sich so viel verändert in den letzten Wochen, das ich gar nicht glauben kann, das hier noch alles beim alten ist.

Doch als ich mein Zimmer betrete, hat sich tatsächlich kaum etwas verändert. Nur, das Mara wieder mal alles für mich aufgeräumt hat. Mein Bett ist gemacht, der Schreibtisch aufgeräumt und auf meinem Schrank stehen nach wie vor meine Bilderrahmen. Naja, oder Zumindest meine Bilder, denn die Rahmen habe ich ja vor meinem "Umzug" ins Internat zerstört.

Nachdenklich betrachte ich die Fotos, die mich, Mara und Pascal, aber auch Mike und Mel zeigen. Es gibt sogar ein Bild von mir am Klavier.

Was hier allerdings noch fehlt sind Bilder von meinen Eltern.

Gleich morgen werde ich für einige der Fotos Bilderrahmen kaufen gehen und vielleicht hat Mara ja auch Zeit und kommt mit mir mit.

Ob sie mir wohl etwas Geld gibt, damit ich mir etwas zum anziehen kaufen kann?

Ich kann sie wenigstens mal fragen. Nehme ich mir vor, dann räume ich meine Sachen in den Schrank und schreibe Mel eine Nachricht.

"Rate mal wo ich bin!"

Fast postwendend kommt eine Antwort.

"Bist du etwa wieder da!!!!! Yeahh!!! Wann hast du Zeit. Damit wir uns treffen können."

"Ja, bin gerade nach Hause gekommen. Aber ich weiß noch nicht, wann wir uns treffen können. Ich muss das erst noch mit meinen Eltern besprechen. Vielleicht Morgen Nachmittag oder Abend?"

"Meld dich wenn du mehr weißt. Ich freu mich. BB"

"Mach ich BB :X"

Ob ich auch Mike schreiben soll, das ich wieder da bin? Nein ich glaube, das verschiebe ich noch um ein paar Stunden, bis ich weiß, wie meine nächsten Tage aussehen werden. Dann kann ich auch gleich ein Treffen mit ihm vereinbaren um mich mit ihm auszusprechen.

Bei dem Gedanken fahre ich mir Nervös durch die Haare.

Ob er mir wirklich alles erzählen wird? Bisher habe ich noch nichts von ihm gehört. Nicht einmal eine kleine Nachricht hat er mir geschrieben. Warum ist er nur so Still geworden? Früher hat er mir immer geschrieben, fast jeden Tag, doch seit...

Ratlos seufze ich auf. Was bringt es schon mir den Kopf zu zerbrechen. Ich werd ja sehen, was er mir zu sagen hat, wenn ich ihn wieder sehe.

Für heute habe ich jedenfalls etwas anderes auf dem Plan, denn unten sind meine Mum und mein Dad, mit denen ich schon seit über zwei Jahren kaum geredet habe. Und die ich gern wieder etwas besser kennen lernen würde.

Langsam gehe ich die Treppe nach unten, dabei fallen mir die neuen Bilder auf, die an der Wand hängen. Komisch, das ich die beim hochgehen gar nicht bemerkt habe.

Neugierig schaue ich sie mir an. Es sind Bilder von mir und meinen Eltern, aber auch von Mara und meiner Mum.

Sie sehen beide noch so Jung aus. Mara war kaum älter als ich jetzt, als sie ihre ganze Familie verloren hat. Sie hatte nur Pascal, der ihr zur Seite gestanden hat. Sonst niemanden.

Mit dem Finger streiche ich über das Bild, auf dem Mara neben meiner Mum steht, mit mir auf dem Arm. Sie sehen beide so glücklich aus, wie sie mich anlächeln. Also das Baby, das Mara auf dem Arm hält und das ich bin.

Aber es hängen auch Bilder von meiner Mutter und meinem Vater und mir hier und Bilder von meinem Großeltern. Es gibt sogar ein großes Familienbild, auf dem meine ganze Familie zu sehen ist.

Nur das außer Mara, Pascal und mir niemand von diesem Bild mehr am Leben ist.

Irgendwie machen mich diese Bilder traurig, weil ich niemanden aus meiner Familie kennen gelernt habe, aber ich bin auch glücklich, dass ich sie jetzt jederzeit sehen kann, wenn ich es möchte.

Und vor allem macht es mich glücklich, zu wissen, woher ich komme. Wer ich bin und wer meine Eltern waren. Und was mich ganz besonders glücklich macht, ist zu wissen, das mich meine Eltern geliebt haben.

"Gefallen dir die Bilder?" reißt mich Maras Stimme aus meinen Gedanken. "Ich habe mir gedacht, dass es eine schöne Idee ist, wenn wir ein paar Bilder von deinen Eltern hier aufhängen. Wir hätten das schon viel früher tun sollen." sagt Mara bedrückt. "Ich vermisse sie so."

Traurig schaut sie zu mir hoch.

"Ja, mir gefallen die Bilder. Aber ich würde auch gern welche in mein Zimmer stellen. Meinst du wir können vielleicht einen Bilderrahmen Besorgen? Vielleicht so einen Großen, wo ich mehrere Bilder zusammen reintun kann?" frage ich während ich die letzten Stufen hinunter gehen.

"Sicher, wenn du willst."

"Morgen?" will ich wissen.

"Also ich hab Zeit und du?" fragt Mara lächelnd.

"Ja, ich auch." glücklich erwidere ich ihr lächeln.

"Na, dann sind wir Morgen wohl zum Shoppen verabredet." lacht sie.

"Meinst du wir können mir auch was neues zum Anziehen besorgen?" frage ich verlegen. "Ich meine, ich hab ja nur die schwarzen Sachen und irgendwie könnte ich mal ein bisschen Farbe vertragen, wenn du verstehst was ich meine."

"Um ehrlich zu sein, bin ich froh, dass du fragst. Denn du könntest mir helfen ein paar Sachen für deine Schwester auszusuchen." freut sich Mara, doch als sie mein verdutztes Gesicht sieht, wirft sie schnell ein. "Also, nur, wenn du magst. Wenn nicht, dann kann ich auch allein..."

"Nein!" beeile ich mich zu sagen. "Ich würde mich freuen, was für das Baby zu kaufen, ich war nur so überrascht. Ich wusste ja nicht, dass es ein Mädchen wird."

"Ich habe es auch erst gestern erfahren. Möchtest du mal das Ultraschallbild sehen?"

"Du hast wirklich ein Bild von dem Baby?" frage ich erstaunt.

"Ja, komm ich zeig's dir." ich folge Mara ins Wohnzimmer, wo sie aus einer Schublade ein kleines schwarz weiß Bild holt, auf dem ich ganz deutlich den Kopf und den Bauch von einem Baby sehen kann.

Nein. nicht nur von einem Baby, sondern von unserem Baby, meiner Schwester oder naja, vielleicht eher meiner Cousine sehen kann. Trotzdem ist sie ein Teil von meiner Familie. Und damit ist sie auch ein Teil von mir.

"Darf ich?" fragend deute ich auf Maras Bauch.

"Natürlich!" Mara nimmt meine Hand und legt sie auf die kleine, aber doch schon sehr deutliche Kugel, in der das Baby wächst.

"Bewegt es sich schon viel?" frage ich neugirig.

"Noch nicht so oft, aber es wird immer mehr. Da! Hast du das gemerkt?"

Konzentriert schließe ich die Augen, aber so sehr ich es auch versuche, ich spüre nichts. Entschuldigend und auch ein kleines bisschen enttäuscht schüttele ich den Kopf.

"Nein leider nicht."

"Mach dir nichts draus, wenn die kleine größer ist, dann wirst du bald keine Zweifel mehr haben, wenn sie dich tritt." aufmunternd lächelt mich Mara an.

"Wollen wir Abendessen machen? Was meinst du?" wechselt sie das Thema. "Hast du Hunger?"

"Ja, hab ich. Was gibt es denn?" gemeinsam gehen wir in die Küche.

"Ich dachte an Brot, aber wir können auch was Kochen wenn du willst."

"Nein, Brot ist schon in Ordnung. Es ist ja schon ganz schön spät."

Gemeinsam decken wir den Tisch und als alles fertig ist kommt auch Pascal zum essen, der noch Arbeit zu erledigen hatte.

Schon lange habe ich nicht mehr einen so schönen Abend mit meinen Eltern erlebt. Wir reden, lachen und scherzen und als wir fertig sind setze ich mich sogar noch an unser einfaches Klavier und spiele meinen Eltern etwas vor.

Es ist schon etwas seltsam nach so langer Zeit wieder an diesem Klavier zu sitzen, wo ich als Kind mit dem Spielen angefangen habe und wo ich schon seit zwei Jahren nicht mehr gespielt habe. Aber es ist auch schön. So viele Erinnerungen von früher kommen mir in den Sinn, als ich hier saß, mit Mara an meiner Seite oder auch mit meiner Klavierlehrerin.

Wie Mara während ich spielte auf dem Sofa saß und mir einen Schal gestrickt hat oder für Pascal einen Knopf annähte, wie sie das essen zubereitete oder einfach auf dem Sofa saß und las.

Am Anfang muss es bestimmt schwer für sie gewesen sein, denn ich glaube mich zu erinnern, das, als ich mit dem Spielen anfing, die meisten Lieder ziemlich danebengegangen sind.

Doch als sich die Zeiger auf der Uhr langsam der Elf nähern gehe ich in mein Zimmer. Gehe Zähneputzen und ziehe mir meine Schlafsachen an, dann kuschele ich mich entspannt in mein Bett und genieße das vertraute Gefühl. Und ich freue mich auf Morgen. Bestimmt wird es ein schöner Tag.

Doch plötzlich fällt mir ein, das ich ganz vergessen habe, zu fragen, ob ich mich mit Mel treffen kann.

Schnell stehe ich noch mal auf und klopfe an die Zimmertür meiner Eltern.

"Seid ihr noch wach?"

"Ja, komm rein." höre ich Pascal rufen. "Was gibt es denn?" fragt er freundlich, als ich das Zimmer betrete.

"Ich wollte nur wissen, ob ich mich morgen Nachmittag mit Mel treffen kann. Oder haben wir irgendwas vor?"

"Wir haben nichts vor, aber... musst du dich wirklich mit deinen alten Freunden treffen?" fragt er mit gerunzelter Stirn.

"Bitte, Pascal, ich hab sie so lange nicht gesehen. Außerdem ist Mel wirklich nett. Wenn du willst, kann ich sie ja zum Kaffetrinken hier her einladen." biete ich an. Wenn er Mel erst mal kennt, wird er sie mögen, da bin ich mir ganz sicher. Doch genauso sicher bin ich mir auch, dass das nicht für Mike gelten wird, denn ihn kennen die Beiden schon und sie können ihn nicht ausstehen.

Dabei ist Mike ebenfalls ein toller Kerl, auch wenn er das nicht immer zeigt.

"Na gut." stimmt Pascal nach kurzem überlegen zu, lad sie ein, dann sehen wir weiter.

"Danke!" erleichtert atme ich auf. "Gute Nacht." verabschiede ich mich und kehre in mein Zimmer zurück.

Schnell schreibe ich Mel noch, das sie, wenn sie Lust hat morgen Nachmittag zu mir kommen kann.

Tja, und da Mel einfach Toll ist, sagt sie zu.

Und dann schließe ich die Augen und lausche den vertrauten Geräuschen um mich herum die mich in den Schlaf begleiten.

Früh am nächsten Morgen stehe ich auf und gehe Laufen, dabei nehme ich etwas Geld mit und bringe auf dem Rückweg Brötchen mit.

Nach dem ich Geduscht habe setzte ich Kaffee auf und decke den Tisch, dann gehe ich meine Eltern wecken, die mich ganz erstaunt anschauen, als ich ihnen sage, dass das Frühstück fertig ist.

"Sag mal, ist alles in ordnung mit dir?" will Pascal wissen?

"Äh, ja? Wieso?" frage ich verwirrt.

"Na, weil die Marie, die ich kenne, nicht vor dem Mittag aufsteht und bis spät in die Nacht weg bleibt, wenn sie denn überhaupt nach Hause kommt. Und ich glaube, Frühstück hast du nicht mehr gemacht, seit dem du zehn warst oder so. Da bist du nämlich mal so früh wach geworden, das du schon um sieben hungrig warst und es nicht abwarten konntest, bis Mara und ich aufgestanden sind." erklärt er verwundert.

Gleichgültig zucke ich mit den Schultern. "Die Marie wusste auch nicht, wer sie ist. Ganz im Gegensatz zu dieser." sage ich leichthin und lächle ihn verlegen an. Dann gehe ich zurüch ins Wohnzimmer und setze mich an den Tisch, wo ich mir schon mal eine Tasse Kaffee nehme und auf Mara und Pascal warte.

Nach dem Frühstück gehe ich mit Mara einkaufen. Und was soll ich sagen, es macht wirklich Spaß! Wir schauen uns einen Haufen Babysachen an und kaufen alle möglichen Strampler, Lätzchen, Hosen, Schnuller und was uns sonst noch so in die Finger kommt, aber auch ich komme auf meine Kosten. Jetzt kann ich ein paar neue Laufschuhe, drei paar Hosen, zwei Hemden, vier T-Shirts und vier neue Pullover mein eigen nennen. Und ich habe sogar einen Rock und einen schönes schlichtes Sommerkleid gefunden, das mir gefällt. Und was mir ganz besonders viel bedeutet; eine Silberne Kette!

Voll beladen und mit schmerzenden Füßen lassen wir uns zu Hause erschöpft auf das Sofa fallen. Viel Zeit zum ausruhen bleibt uns allerdings nicht, denn um halb vier kommt Mel.

Seufzend erhebe ich mich und schleppe meine neuen Sachen nach oben, wo ich sie in meinem Schrank verstaue, dann klingelt es auch schon an der Tür.

Begeistert renne ich die Treppe wieder nach unten und reiße die Tür auf.

"Mel!" schreie ich quietschend und springe meiner Freundin an den Hals.

Auch Mel ist begeistert und freut sich genau so wie ich.

"Ist das schön, dich wieder zu sehen!" ruft sie glücklich. "Es ist schon wieder so lange her!"

"Ja, viel zu lange. Los komm rein!" ich ziehe sie am Arm ins Haus und werfe die Tür hinter ihr zu.

"Mara! Mel ist da!" rufe ich über die Schulter Richtung Wohnzimmer.

"Komm." fordere ich meine Freundin auf und zeige ihr den Weg.

"Du musst Mel sein." grüßt Mara sie freundlich, als wir das Zimmer betreten.

"Ja, genau. Und sie sind Mias Mutter, ja?"

Mara schaut mich unschlüssig an, doch dann nickt sie zustimmend.

Das hatte ich ganz vergessen. Ich habe Mel ja noch gar nichts von den neuesten Entwicklungen erzählt. In der letzten Woche, war ich selbst noch viel zu überfordert, mit den Informationen, die ich zu verarbeiten hatte, als das ich ihr davon erzählen konnte, aber das werde ich gleich nachholen.

"Wir gehen erst mal hoch, ja?"

"Macht das, ich ruf euch dann, wenn der Kaffee fertig ist."

"Danke!"

"Bis später Frau Menderés." verabschiedet sich Mel respektvoll.

"Du kannst ruhig Mara zu mir sage." sagt meine Mutter lächelnd, dann ziehe Mel auch schon hinter mir her die Treppe hoch in mein Zimmer.

Kaum dass ich die Tür hinter uns geschlossen habe, sage ich, "Setz dich. Ich muss dir was erzählen." und dann hole ich den Karton hervor, in dem die Bilder von meinen Eltern sind und erzähle ihr die ganze Geschichte.

Mel ist redlich geschockt und reißt Mund und Augen auf vor Staunen und Verwunderung und sie beginnt tatsächlich zu weinen, als ich ihr die Kette zeige und ihr erzähle, wie meine Eltern gestorben sind.

"Und Mara ist wirklich deine Tante?" fragt sie überwältigt, als sie sich wieder beruhigt hat.

"Ja. Ziemlich unglaublich oder?" sage ich, selbst noch ganz erstaunt und weil ich noch immer den Anhänger meiner Mutter in der Hand halte hole ich die Silberne Kette, die Mara und ich gekauft haben aus ihrer Schatulle und befestige den Anhänger daran.

"Machst du sie mal zu?" bitte ich Mel und drehe ihr den Rücken zu, so dass sie die Kette schließen kann.

Vorsichtig schließt Mel den Verschluss. "So fertig." sagt sie und ich wende mich ihr wieder zu, doch dann muss ich sie unbedingt im Spiegel anschauen.

Die Kette ist einfach perfekt!

Das Anhänger hängt in genau der richtigen Höhe. Genau über meinem Herzen.

"Jetzt hast du etwas von deinen beiden Müttern." sagt Mel gerührt.

Und irgendwie hat sie Recht. Der Anhänger ist von meiner Leiblichen Mutter, doch die Kette ist von Mara, die so lange ich denken kann meine Mutter war. Die mich geliebt hat, die sich um mich gekümmert hat, als ich krank war, die sich immer um mich gesorgt hat und die in den letzten Jahren für mich da war, auch wenn ich es nicht zu schätzen gewusst habe.

Den Tränen nahe räuspere ich mich vernehmlich, doch ich kann es nicht verhindern, das mir eine Träne über die Wange läuft.

"Ja, du hast recht." stimme ich meiner Freundin zu. "Ich hatte wirklich Glück, das ich nicht nur eine Mutter hatte, sondern zwei."

Mel kommt zu mir und nimmt mich tröstend in den Arm.

Aber eigentlich bin ich nicht wirklich traurig, sondern eher ergriffen und gerührt und so habe ich mich schnell wieder im Griff.

Lachend atme ich auf. "Wollen wir mal schauen, ob der Kaffee schon fertig ist?"

"Au ja!" stimmt Mel begeistert zu.

Gemeinsam gehen wir nach unten, doch noch ist der Tisch nicht gedeckt und so helfen wir Mara dabei.

Es dauert keine fünf Minuten, bis wir fertig sind, dann laufe ich schnell zu Pascal, der in seinem Büro am Schreibtisch sitzt und irgendwelche Akten wälzt.

"Kommst du Kaffeetrinken?" frage ich ihn.

"Fangt ruhig schon an, ich komme gleich." sagt er abgelenkt.

Doch als er endlich aus seinem Büro kommt sind wir beinahe schon mit dem Essen fertig. Dabei sollte er Mel doch ein bisschen kennenlernen, damit er sieht, wie Nett und vor allem Normal sie ist. Denn ich glaube Pascal denkt, das alle meine Freunde Verbrecher sind. Wobei das eigentlich auf keinen von ihnen zutrifft.

In gemütlicher Runde sitzen wir fast noch eine halbe Stunde am Tisch und unterhalten uns. Und um so mehr Pascal aus Mel herausquetscht, desto freundlicher wird er.

"Ach Mia!" wirft Mel irgendwann ein, "Hast du Lust heute Abend mit Feiern zu gehen? Wir treffen uns im Black Angels?" fragt sie arglos. Nichtsahnend, das sie damit bei Pascal auf einen wunden Punkt trifft. Sein Blick verfinstert sich bei ihren Worten merklich, doch Mara legt beruhigend eine Hand auf seine und schaut ihn beschwichtigend an.

"Ähm, ich weiß nicht." sage ich unsicher, dann wende ich mich an meine Eltern. "Darf ich?"

"Meinet wegen schon." sagt Mara, doch Pascal brummt nur unwillig in sich hinein.

"Keinen Alkohol und du bist um Mitternacht wieder zu Hause!" sagt er bestimmt.

"Aber, das lohnt sich doch gar nicht!" sage ich bestürzt. "Kann ich nicht wenigstens bis um zwei wegbleiben?" bettele ich, dabei schaue ich Mara flehend an.

"Aber du bist Pünktlich! Und es bleibt dabei! Keinen Alkohol!" verlangt er streng.

"Gut keinen Alkohol." stimme ich zu. Mir ist sowieso nicht nach trinken zu Mute, aber ununterbrochen auf die Uhr zu schauen, darauf habe ich eigentlich auch keine Lust.

"Und ich komme heute Abend pünktlich nach Hause, aber..." setzte ich an, denn ganz kampflos aufgeben will ich auch nicht. "...wenn du anfängst, mich hier einzusperren, dann könnte es durchaus passieren, das ich wieder ganz die Alte werde. Ein bisschen Vertrauen musst du mir schon!" sage ich verstimmt. "Ich verspreche dir, dass ich keinen Blödsinn mehr mache. Ehrenwort! Ich bleibe auch nicht mehr einfach über Nacht weg ohne Bescheid zu sagen. Aber ich möchte auch nicht immer diejenige sein, die als erste geht!"

"Marie...!" beginnt Pascal gereizt, doch Mara springt mir wieder mal bei.

"Wenn es heute klappt, dann kannst du nächstes Mal länger weg bleiben. Okay? Wir müssen erst wieder lernen einander zu vertrauen und ich finde es gut, das du uns gefragt hast." beschwichtigend schaut sie Pascal an, der die Arme vor der Brust verschränkt hat und uns Frauen böse anschaut.

"Ich hab hier wohl gar nichts mehr zu sagen, was!" sagt er aufgebracht und steht auf.

"Zwei Uhr! Pünktlich! Ich warte auf dich!" sagt er erregt, dann lässt er uns allein.

Oh je, arme Mara. Sicher darf sie sich nachher noch eine standpauke von ihm anhören.

"Danke, das du dich für mich eingesetzt hast." sage ich erleichtert.

"Naja, ich war auch mal jung und... " sie räuspert sich verlegen "wie soll ich sagen, ich hatte es faustdick hinter den Ohren, aber in gewisser Weise stimme ich auch mit Pascal überein" dann fügt sie bestimmt hinzu. "Du bist heute pünktlich zu Hause. Sonst kriege ich kein Auge zu."

"Ja, versprochen." sage ich kleinlaut. "Um zwei bin ich wieder da."

Als ich Mel nach diesem etwas unschönen Gespräch zur Tür bringe entschuldigt sie sich mehrmals bei mir.

"Tut mir echt leid Mia. Hätte ich gewusst, wie dein Vater darauf reagiert, hätte ich die Party gar nicht erwähnt."

"Ist schon gut. Irgendwann wäre es sowieso dazu gekommen. Und vielleicht ist es ganz gut, dass es jetzt schon passiert ist. Ich bin halt nicht mehr die dreizehnjährige, die er sich wünscht und die immer brav zu Hause geblieben ist. Aber ich bin auch nicht mehr die, die ich war, als ich in den Sommerferien weggegangen bin. Nur kann ich auch verstehen, dass er das nicht glaubt. Wie auch. Wir kennen uns kaum, deshalb ist es auch wirklich wichtig, das ich heute Nacht um zwei wieder hier bin." resigniert seufze ich auf, dann zucke ich mit den Schultern. "Kannst du mich nachher abholen?"

"Ja. Ich komm um zehn mit Jason vorbei." sagt sie lächelnd. "Das wird bestimmt lustig. ganz wie in alten Zeiten."

"Ja, bestimmt." stimme ich begeistert zu, aber ich mache mir auch ein wenig Sorgen.

Was wird wohl passieren, wenn ich nachher auf Mike treffe. Ob er sich freuen wird mich zu sehen? Oder eher nicht?

Ich kann nur hoffen das, ja, sonst könnte dieser Abend vielleicht früher enden, als mir lieb ist.

"Bis dann Mia!" sagt Mel und umarmt mich zum Abschied.

"Ja, bis um zehn dann." sage ich noch, bevor sie geht. Dann schließe ich die Tür hinter ihr und gehe nach oben in mein Zimmer.


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