Internat
Minuten später, zumindest kommt es mir so vor, werde ich durch lautes Klopfen an meiner Zimmertür wach.
>>Ja?<< frage ich müde.
>>Aufstehen Mia!<< es ist Pascal, er klingt gereizt. Na super.
>>Bin schon wach!<< rufe ich ihm zu und quäle mich aus dem Bett. Ich schlurfe durch mein Zimmer, öffne die Tür.
Schleppe mich an ihm vorbei und gehe ins Bad.
>>Hast du geweint?<< fragt Pascal, aber ich beachte ihn nicht.
Ich Dusche, föhne mir die Haare, putze meine Zähne und ziehe mich an. Ich überschminke die tiefen Ringe unter meinen Augen und versuche das brennen nicht zu beachten.
Sie sind angeschwollen und rot, doch dagegen kann ich nichts machen.
Zurück in meinem Zimmer hole ich die Lederjacke, die Mara mir geschenkt hat aus dem Schrank. Ich lege sie auf meine Reisetasche und setzte meinen Rucksack auf. Dann nehme ich Jacke und Tasche in die Hand und verlasse mein Zimmer. Bevor ich die Tür schließe, werfe ich einen letzten Blick hinein.
Das Zimmer ist noch immer ziemlich ordentlich. Seit Mara es Anfang der Woche aufgeräumt hat habe ich kaum Gelegenheit gehabt es unordentlich zu machen. Sogar mein Bett hat sie gemacht, als ich unter der Dusche war.
Wehmütig ziehe ich die Tür zu. Erst in frühestens drei Monaten werde ich hierher zurück kommen. Drei Monate, in denen sich so viel verändern kann.
Viel verändern kann sich auch in drei Minuten denke ich und schon fangen meine Augen wieder an zu brennen, als ich an Mike denke und wie er in nur drei Minuten mein Leben in Schutt und Asche gelegt hat.
Schnell verdränge ich den Gedanken und gehe die Treppe hinunter. Im Wohnzimmer sitzen Mara und Pascal.
>>Ich bin fertig. << sage ich leise und gehe zur Haustür.
Ich stopfe meine große Tasche in den Kofferraum unseres Wagens und setze mich auf die Rückbank. Dann starte ich die Musik auf meinem Handy und schließe die Augen, während ich mich krampfhaft darum bemühe nicht in Tränen auszubrechen.
Seit drei Stunden sind wir jetzt schon unterwegs. Schweigend sitze ich auf meinem Platz. Ich knülle die Lederjacke zusammen und schiebe sie als Kissen zwischen meinen Kopf und die Scheibe, dann starre ich mit leerem Blick hinaus, bis mir die Augen zufallen.
Als ich das nächste Mal erwache, sehe ich rund um mich nichts als Bäume.
Erstaunt stelle ich fest, dass es bereits dunkel wird.
Der Wagen schwankt ein wenig hin und her, als Pascal über eine unebene Stelle fährt.
Vor uns endet der Wald ziemlich plötzlich und macht den Blick auf ein altes Herrenhaus frei. Es ist aus Roten Ziegeln und überall im Mauerwerk sind große Fenster eingelassen in denen sich das letzte Tageslicht spiegelt.
Pascal fährt auf dem Kiesweg an einem großen Brunnen vorbei, der direkt gegenüber der Eingangstür liegt, und stoppt den Wagen direkt dazwischen, also zwischen Tür und Brunnen. Der Weg führt im Kreis einmal um den Brunnen herum, bis er wieder dort ankommt, wo er begonnen hat und somit zurück in den Wald führt.
Ich steige aus und nehme Pascal meine Tasche ab, die er aus dem Kofferaum geholt hat, dann gehe ich die Treppen hinauf bis zur Tür. Gerade als ich oben ankomme, öffnet sie sich quietschend.
Eine Frau mit braunen Haaren kommt auf mich zu. Sie trägt sie streng zurückgenommen und zu einem Dutt aufgesteckt auf dem Kopf.
>>Du musst Marie sein. << grüßt sie mich freundlich, dann stellt sie sich vor. >>Ich bin Frau Wolf.<<
Ich nicke nur, dass ich Mia heiße, wird sie schon noch früh genug herausfinden.
>>Und sie Müssen Maries Eltern sein, wenn ich das richtig sehe. Herr und Frau Menderés. << nacheinander gibt sie Mara und Pascal die Hand.
>>Bitte, wenn sie mir folgen wollen, dann können wir alles weitere in meinem Büro besprechen.<<
sagt sie einladend und hält uns die Tür auf.
Im inneren befindet sich eine große Freitreppe, die auf einer Empore endet, von der verschiedene Türen und Flure abgehen. Auch im Erdgeschoss, wo wir stehen, kann ich links und rechts von der Treppe weitere Türen sehen.
Frau Wolf, von der ich denke, das sie die Direktorin ist geht die Treppe hinauf. Sie trägt ein Graues Kostüm, das aus Rock, Bluse und Blazer besteht. Sie geht rechts die Empore entlang. An der dritten Tür auf der linken Seite bleibt sie stehen und öffnet die sie.
Dahinter sieht es aus wie in jedem anderen Schulbüro auch. Es gibt einen Tresen, der aufgrund der späten Stunde und vermutlich weil Ferien sind nicht besetzt ist. Links vor dem Tresen an der Wand stehen ein paar Stühle. Rechts stehen Aktenschränke. Ebenfalls auf der rechten Seite befindet sich auch noch eine Tür, auf die Frau Wolf jetzt zugeht, sie ebenfalls öffnet und uns eintreten lässt.
Der Raum ist ein Büro, was auch sonst. Sie hat ja gesagt, das wir hier her gehen werden, doch in den meisten Büros, in denen ich war gab es keine gemütlich eingerichtete Sitzecke mit einladenden roten Sofas und einem Tisch, auf dem Obst und Gebäck steht. Dazu Kaffee, Saft und Wasser.
>>Bitte setzen sie sich doch. << bietet Frau Wolf an. >>Möchten sie vielleicht einen Kaffee? Oder etwas anderes?<< fragt sie Mara und Pascal.
>>Zu einem Kaffe würde ich nicht nein sagen.<< nimmt Pascal die Einladung an. Auch Mara lässt sich ein Glas Wasser reichen. Nur mir ist nicht danach. Ich setzte mich auf einen der roten Sessel und starre vor mich hin. Mir ist nicht nach Small talk.
Was die erwachsenen zu bereden haben ist hauptsächlich langweiliger Schulkram.
Wie der Unterricht aufgebaut ist, was es für Fächer gibt und was für zusätzlichen Neigungsunterricht die Schule anbietet Tanzen Musik, Künstlerisches Gestalten, Technik, Chemie. Sie reden über die Möglichkeiten der Freizeitgestaltung, die Verpflegung und so weiter und so fort.
Irgendwann wird mir alles zu viel und ich schalte ab. Ich stehe auf und wandere durchs Büro. Mit hinter dem Rücken verschränkten Armen schaue ich mir die Bücher im Regal neben der Tür an. Es gibt Hauptsächlich Bücher über Schulpädagogik, Motivationstraining und Psychologie aber auch den einen oder anderen Roman kann ich entdecken. Die meisten Namen sagen mir nichts, nur eines kommt mir vage bekannt vor. Ich glaube, von dem habe ich schon mal die ersten Seiten gelesen. Es ist von Diana Gabaldon und heißt Feuer und Stein.
Undeutlich erinnere ich mich daran, dass es darin um Zeitreisen in die Vergangenheit geht und um die Liebe zu einem jungen Mann, der von einem Masochistisch veranlagten Hauptmann oder so etwas verfolgt wird.
Mein Blick wandert von den Büchern zu einigen Bildern, die an der Wand hängen. Das meiste sind Landschaftsbilder. Ein See im Sonnenuntergang, eine Wiese mit Pferden, die im Nebel verschwinden und eines von einem Gebäude. Es kommt mir bekannt vor, aber ich weiß nicht woher. Hinter dem Gebäude ist eine Wiese und direkt daran schließt sich ein Großer See an. Vielleicht ist es sogar der selbe See, wie der auf dem anderen Bild. Wer weiß.
>>Gefallen dir die Bilder?<< reißt mich Frau Wolf's Stimme aus meinen Gedanken.
Gleichgültig zucke ich mit den Schultern.
>>Deine Mutter hat mir erzählt, das du gerne malst. Vielleicht magst du ja mal bei unserem Zeichenkurs vorbei schauen, wenn du Lust hast.<<
Ich werfe Mara einen gleichgültigen Blick zu bleibe aber weiterhin stumm.
Mara wirft Frau Wolf einen entschuldigenden Blick zu.
>>Schauen wir mal, wir werden schon das richtige für dich finden, damit du dich bei uns nicht langweilst << sagt Frau Wolf freundlich, dann wendet sie sich wieder an meine Eltern.
>>Also, wenn von ihrer Seite aus keine weiteren Fragen mehr sind, dann möchte ich sie nicht länger aufhalten, sie haben ja noch einen ziemlich weiten Heimweg.<< verabschiedet sie sich von Mara und Pascal.
>>Nein, ich glaube fürs erste ist alles geklärt. << sagt Pascal und Mara nickt zustimmend.
>>Sicher wollen sie sich noch von Marie verabschieden. Ich warte so lange draußen.<< sagt Frau Wolf und verlässt das Zimmer.
In betretenem Schweigen stehen wir uns gegenüber. Pascal steht die Hände vor der Brust verschränkt dicht an der Tür, wenn es nach ihm ginge, wäre er längst auf dem Rückweg, doch Mara schaut mich mit Tränen in den Augen an.
>>Mia. << sagt sie leise und kommt einen Schritt auf mich zu.
Ich weiche vor ihr zurück. Sie tut mir leid, aber ich kann ihre nähe nicht ertragen.
>>Wir kommen dich bald besuchen, ja.<< sagt sie.
Als würde mir das irgendetwas bedeuten.
>>Ich hab dich lieb.<< flüstert sie so leise, das ich es kaum verstehe, dann ist es mit ihrer Selbstbeherrschung vorbei, die ersten Tränen kullern ihre Wangen hinab, sie dreht sich um und verlässt den Raum.
Pascal sagt nichts, er wirft mir nur noch einen ziemlich wütenden Blick zu, rein nach dem Motto, wie kannst du das deiner Mutter antun, dann folgt er ihr nach draußen. Als ich den Raum verlasse und ihnen auf den Flur folge sind sie bereits die Treppe hinunter und aus der Eingangstür gegangen.
Ich kann gerade noch das Auto und ein Stück von dem Brunnen sehen, bevor sich die Tür endgültig schließt und ich hier allein zurückbleibe.
>>Also gut Marie. Wenn du willst, werde ich dir jetzt dein Zimmer zeigen.<< bietet Frau Wolf an.
Als ich nichts erwidere geht sie einfach voraus. Sie geht die Freitreppe hinunter, dann nach rechts durch eine Tür, hinter der sich ein Flur befindet. Wir gehen ein ganzes Stück, den Korridor entlang, der dann eine Biegung nach rechts macht.
In diesem Teil des Gebäudes befinden sich hauptsächlich die Schlafräume der Mädchen, die Jungen sind oben untergebracht erzählt mir Frau Wolf, während wir an unzähligen Türen vorbeigehen.
Die Türen sind alle gleich.
Gleich hoch, gleich breit, sie haben alle die gleiche weiße Farbe und den gleichen silbernen Türgriff. Das einzige, wodurch sie zu unterscheiden sind, sind die kleinen Tafeln, die an den Türen Angebracht sind.
Oben steht eine Nummer, darunter irgendwelche Namen, doch mein Interesse daran ist nicht ansatzweise existent, so dass ich Teilnahmslos hinter Frau Wolf her trotte, bis sie am Ende des Ganges vor einer Tür auf der linken Seite stehen bleibt.
Sie holt einen kleinen Schlüssel aus der Tasche und schließt die Tür auf, dann überreicht sie mir den Schlüssel.
>>Das ist dein Zimmer. <<erklärt sie und tritt zur Seite, damit ich hineingehen kann.
Ich betrete ein geräumiges, rechteckiges Zimmer. Es ist durch Schränke, die als Raumteiler dienen in zwei Bereiche unterteilt. In jedem davon steht ein weißes Bett, um das herum luftige Vorhänge von der Decke hängen, ein weißer Schrank, ein Schreibtisch, ebenfalls weiß und ein Kuscheliges braunes Sofa mit türkiesen und braunen Kissen. Vor den Fenstern, die so breite Fensterbänke haben, das man bequem darauf sitzen kann hängen ebenfalls Türkise Vorhänge und auf dem Boden liegt jeweils ein brauner Teppich.
Die beiden Hälften sind absolut identisch, mit der einen Ausnahme, das es im hinteren Teil ein zweites Fenster gibt und hier wo ich stehe ist ja die Tür, aber sonst sind sie gleich.
>>Wenn die Ferien vorbei sind kommt deine Mitbewohnerin zurück, aber bis dahin, hast du es für dich allein. Ich werde jetzt gehen, damit du in ruhe auspacken kannst. Du kannst das hintere Bett nehmen, das ist noch frei. << sie deutet in den hinteren Teil des Zimmers, dorthin, wo das zweite Fenster ist.
Dann lässt sie mich allein. Allerdings teilte sie mir noch mit, das mich morgenfrüh um sieben jemand abholen würde, um mir den Speiseraum zu zeigen und wo ich zur ersten Stunde hingehen muss, damit ich mich hier auch zurecht finden würde.
Jetzt bin ich allein.
Ich stehe immer noch an derselben Stelle, wie vor zehn Minuten, als Frau Wolf gegangen ist. Gleichgültig stehe ich hier, die Koffer in der Hand und starre Löcher in die Luft.
Ich bin so ausgebrannt und leer. Ich weiß nicht was ich machen soll. Mehrmals habe ich versucht mit irgendetwas zu beginnen, aber ich wusste nicht womit.
Koffer auspacken, ins Bett legen, aus dem Fenster schauen oder doch umdrehen und einfach irgendwo hingehen?
Aber ich konnte mich für keine dieser Dinge entscheiden und so bin ich einfach stehen geblieben.
Doch langsam tun mir die Arme weh, weil ich noch immer meine schweren Taschen trage und deshalb ist es wohl das naheliegendes sie abzustellen. Doch da der hintere Teil des Zimmers mir gehört muss ich da hin gehen.
Mühsam hebe ich einen Fuß vom Boden und setzte ihn einen Schritt nach vorn. Dann den Anderen, dann wieder den ersten und den Zweiten. Einen Schritt nach dem nächsten.
Kaum bin ich hinter dem Raumteiler, lasse ich die Koffer fallen und da das Bett nur zwei Schritte weiter ist gehe ich da hin und lasse mich darauf fallen. Ich lege mich hin und ziehe die Beine an die Brust.
Stundenlang liege ich einfach nur da. Ich bewege mich nicht, ich weine nicht und am liebsten würde ich auch nicht Atmen aber da mein verräterischer Körper mich dazu zwingt, tue ich es trotzdem.
Noch immer habe ich meine Klamotten an, auch die Schuhe habe ich nicht ausgezogen. Mir erscheint alles irgendwie Sinnlos.
Irgendwann halte ich die Stille nicht mehr aus. Ich ziehe mein Handy aus der Tasche und starte irgendeine der Playlists, die ich auf meinem Handy habe, dann liege ich wieder regungslos auf meinem Bett.
Mit dem Gesicht zur Wand und warte.
Keine Ahnung worauf, aber irgendwann wird schon was passieren.
Tock! TOck! TOCK!
TOCK!!! TOOCCKKK!!!!
Stille.
Klick, Quietsch.
>>Hallo? Bist du wach?<< höre ich die Stimme eines Mädchens.
>>Ich soll dich abholen. Ich bin Alexandra, aber alle sagen nur Alex zu mir. << stellt sie sich vor.
>>Mia.<< sage ich nur und stehe auf. Verschlafen reibe ich mir übers Gesicht.
>>Man, du siehst echt scheiße aus!<< stellt Alex gut gelaunt fest. >>Komm ich zeig dir mal das Bad, dann kannst du dich fertig machen.<<
Irgendwie ist ihre Gute Laune echt Nerv tötend, aber ich nehme mir trotzdem ein paar frische Sachen aus meiner Tasche und folge ihr auf den Flur. Wir gehen den Gang ein Stück zurück, bis zu einer weißen Türen, auf der linken Seite, die sich in Aussehen, Form und Größe in nichts von den anderen unterscheidet. Nur ein Schild weist darauf hin, dass das hier das Badezimmer ist.
>>Ich hol dich in einer halben Stunde dann in deinem Zimmer wieder ab, ja? Du findest doch den Weg zurück oder?<< fragt sie und ich nicke, so schwer ist das ja nicht, nur den Gang ganz bis zum Ende, dann die letzte Tür Links. Nichts leichter als das.
>>Du redest nicht viel was?<< lacht Alex auf. >>Egal, das kommt schon noch. Bis später.<< ruft sie mir noch zu, bevor sie mich allein lässt.
Der Duschraum hat mehrere kleine einzelne Kabinen. Ich gehe in eine davon. Ziehe mich aus, dusche, ziehe mir die sauberen Sachen wieder an. Ich erledige, was es sonst noch zu erledigen gibt und gehe in mein Zimmer zurück.
Unschlüssig stehe ich mit meinen gebrauchten Sachen da und starre vor mich hin. Dann lege ich die schmutzigen Sachen einfach auf den Boden, vor den Schrank, der immer noch leer ist.
Ich habe keine Ahnung, wie viel Zeit mir noch bleibt, bis Alex wiederkommt, also setzte ich mich einfach aufs Bett und starre weiter vor mich hin.
Als Alex wiederkommt, macht sie sich nicht erst die Mühe zu klopfen, sie kommt einfach frech grinsend in mein Zimmer spaziert.
>>Na, wie siehts aus? Hungrig?<< fragt sie mich, wartet aber nicht darauf, ob ich antworte, sondern plappert munter weiter. >>Also ich find das Essen hier echt toll! Die heben hier ne super Auswahl. Du wirst schon sehen. Komm.<< fordert sie mich auf und hält mir die Tür auf.
Ich folge ihr in den Gang hinaus, dann schließe ich meine Tür ab.
Wir gehen den Weg zurück, den ich am Abend mit Frau Wolf hierhergekommen bin, doch statt rechts die Tür zur Lobby, öffnet Alex eine Tür auf der Linken und führt mich durch einen hübsch eingerichteten Aufenthaltsraum.
Der Raum hat einen großen offenen Kamin und um einen Tisch in der Mitte sind Sofas und Sessel gestellt, die zum verweilen einladen. Eine große Doppelflügelige Außentür führt auf eine Terrasse von der aus man auf einen großen See blicken kann, der hinter einer großen Rasenfläche direkt an die Schule angrenzt.
Während wir den Raum durch eine zweite Tür wieder verlassen redet Alex ununterbrochen über die Schule und was sie am liebsten macht, was sie toll findet und was nicht.
Nach fünf Minuten kenne ich sie fast besser als mich selbst.
Ihr Lieblingsfach ist Mathe, sie rechnet und Analysiert für ihr Leben gern und sie spielt Geige, seitdem sie vier ist. Am liebsten isst sie Pfefferminzschokolade und ihre Lieblingsfarbe ist blau. Sie mag keine Papageien, weil der Vogel ihrer Tante sie mal in den Finger gebissen hat und auch irgend so einen Typen aus der zehnten findet sie ätzend, weil der ihr ständig irgendwelche streiche Spielt.
Der Gang, den wir gerade entlang gehen endet an einer Tür, als Alex sie öffnet ist rechts neben uns die große Treppe und uns gegenüber die Eingangstür. Sie führt mich durch die Lobby und öffnet eine weitere Tür zu unserer Linken. Dahinter befindet sich der Speiseraum.
Wir gehen zwischen einigen Tischen hindurch, bis zu einem Büffet, auf dem sich vom Brötchen, über Brot, Eier, Speck, Müsli, Marmelade, Milch, Saft, Wasser, Obst, Tee Wurst und Käse alles befindet, was man sich nur vorstellen kann.
Alex nimmt sich ein Tablett und stellt zwei Teller darauf, auf den einen legt sie ein Brötchen und Butter, auf den anderen Käse und Marmelade, dazu ein gekochtes Ei. Sie nimmt sich ein Glas Orangensaft und einen Apfel, dann Trägt sie das Tablett zu einem langgezogenen Tisch, an dem schon drei Jugendliche in unserem Alter sitzen.
Ich folge ihr, bin mir aber unsicher, ob sie mit dem Rundgang durch die Schule ihre Pflicht erfüllt hat und ich nun lieber das Weite suchen sollte, doch als ich mich nicht zu ihr an den Tisch setzte schaut sie mich auffordernd an.
>>Setzt dich doch. << sagt sie, dann weiten sich ihre Augen verwundert, als sie sieht, das ich mir nichts vom Frühstücksbüffet genommen habe. >>Willst du gar nichts essen?<< fragt sie.
Wieder ein Kopfschütteln meinerseits.
Verwundert zuckt sie mit den Schultern, gibt aber sonst keinen weiteren Kommentar dazu ab. Dann stellt sie mich den Anderen am Tisch vor.
>>Hey Leute! Das ist Mia, sie ist neu hier und... << sie grinst mich an. >>sie spricht nicht viel.<<
>>Hallo Mia. << begrüßen mich die Drei.
>>Ich bin Joris. << stellt sich ein blonder etwas pummeliger Junge mit lustig funkelnden grünen Augen vor. Er steht auf und reicht mir über den Tisch hinweg die Hand.
Dann stellt sich der Junge neben Joris vor.
>>Und ich Felix. << auch er reicht mir die Hand.
Das Mädchen, das auf der anderen seite neben Alex sitzt, schaut mich etwas hochnäsig an, doch dann stellt auch sie sich vor.
Ihr Name ist Irma van der Au. Sie betont ihren Nachnamen, als ob das was besonderes wäre.
>>Ja Irma, wir wissen, dass du was besonderes bist. << zieht Joris sie auf. >>Gib doch nicht immer so an, nur weil deine Urururururururgroßmutter Väterlicherseits mal einen Grafen oder so zum Mann genommen hat.<<
>>Es war meine Ururururgroßmutter Mütterlicherseits und sie war die Gräfin von einem großen Landsitz in den Niederlanden.<< klugscheißerte Irma
>>Ist ja gut Irma, jetzt komm mal wieder runter, denn wie du sagst... es war einmal. Und alles was du davon noch hast ist der Name.<< genervt verdreht Felix die Augen.
Irma scheint das gar nicht Lustig zu finden, denn sie verschränkt beleidigt die Arme vor der Brust und sagt nichts mehr, bis die Anderen mit dem Frühstück fertig sind. Kaum hat Alex, den letzten Rest von ihrem Saft getrunken, steht sie auf und bringt ihr Geschirr zu einem dieser roll baren Teile, wo man das Tablett mit dem dreckigen Geschirr abgibt, wenn man es nicht mehr braucht.
Dann marschiert sie aus dem Saal.
Gerade als wir ihr folgen wollen kommt eine ältere Frau auf uns zu.
>>Du musst Marie sein. << grüßt sie mich und reicht mir einen Zettel. >>Ich habe dir deine Unterrichtsstunden für die nächsten zwei Wochen aufgeschrieben.<< erklärt sie. >>Damit du weißt, wo du hin musst. Joris kann dich gleich mit zur ersten Stunde nehmen, ihr habt zusammen Mathe.<<
Entschuldigend schaue ich ihn an, doch er scheint sich zu freuen.
>>Hey cool!<< sagt er >>Die neue gehört mir. << dabei zwinkert er mir belustigt zu.
>>Komm Mia!<< und damit schnapt er meinen Arm und zieht mich hinter sich her.
>>Ciao ihr beiden, wir sehen uns dann später! << ruft Alex uns nach.
Joris schleift mich durch die Lobby zur Eingangstür. Er hält sie für mich auf und schiebt mich hindurch. Dann folgt er mir.
Verwirrt schaue ich ihn an.
>>Der Mathekurs findet zur Zeit draußen statt. << Erklärt er mir, während wir um den Brunnen herum und dann auf den Wald zugehen.
Am Waldrand steht eine kleine Gruppe Schüler, doch ein Lehrer kann ich nirgends entdecken.
Wie stehen eine Weile herum, dann kommt ein junger Mann auf uns zu.
>>Alle da wie ich sehe. << begrüßt er uns. >>Du musst Marie sein. Ich bin Professor Matthiesen aber alle nennen mich Matti. << stellt er sich mir vor.
>>Sie heißt Mia!<< korrigiert Joris Proffessor Matthiesen
>>Ach so? Na dann! Willkommen bei unserer Freiluftstunde Mia.<<
Nach dieser kurzen Vorstellung, beginnt Matti mit dem Unterricht, er erklärt, wie man anhand der Tageszeit und einem Schatten, die Größe von irgendwelchen dingen berechnen kann. In unserem Fall den von einem Baum, aus dem Wald. Ich versteh kein Wort von dem was er sagt und so dauert es gar nicht lange und ich starre gelangweilt in den Wald oder auf den Brunnen, den Kiesweg oder sonst wohin, aber dem Unterricht folge ich kaum.
Als die Mathestunde endlich vorüber ist, reicht Joris mich an Felix weiter, der mit mir Deutsch hat. Wieder stellt sich mir ein Lehrer vor und wieder kann ich dem Unterricht nicht folgen. Ich sitze die meiste Zeit teilnahmslos auf meinem Stuhl auf der Terasse beim Kaminzimmer und schaue auf den See hinaus.
Ich bin froh, wenn man das denn so sagen kann, als ich den Unterricht hinter mir habe. Denn eigentlich habe ich nicht mehr genug Gefühl in mir, um überhaupt irgendetwas wahr zunehmen.
Ich rede den ganzen Tag nicht und würde es vermutlich verwunderlich finden, wenn ich darüber Nachdenken würde, das Joris Felix und auch Alex mich zum Mittagessen immer noch um sich haben wollen, aber als Alex mich nach der Chemiestunde Fragt, ob ich mit zum Essen komme schüttele ich den Kopf.
>>Du willst schon wieder nichts essen? << fragt sie verwundert.
Erneutes Kopfschütteln meinerseits.
Sie zuckt resigniert die Schultern. >>Sehen wir uns später? << will sie wissen. >>Vielleicht hast du ja Lust am Nachmittag mit uns an den See zu kommen.<< bietet sie mir an.
Unentschlossen zucke ich mit den Schultern, dann gehe ich in mein Zimmer.
Ich nehme die Decke von meinem Bett und setze mich hinter den Vorhang auf die breite Fensterbank. Ich lehne den Kopf an die kühle Scheibe und starre hinaus. Von hier aus habe ich einen guten Blick auf den See, aber ich beachte ihn nicht. Blicklos starre ich nur vor mich hin, ohne etwas zu sehen.
Seit Mike mir das mit der Wette erzählt hat bin ich wie gelähmt. Ich habe das Gefühl in ein tiefes Loch zu fallen. Ich falle immer tiefer und tiefer. Ich versinke im Sumpf meiner Gedanken und kann mich nicht daraus befreien.
Das Gefühl an meinem schmerz zu ersticken, ist so beängstigend stark, das jedweder Lebenswille, aus meinem Körper gewichen ist.
Und sosehr sich Alex, Felix und Joris sich auch bemühen mich wieder aus dem Loch zu befreien, es gelingt ihnen nicht.
Am nachmittag, als Alex mich zum schwimmen abholen will, bemerke ich sie nicht, weil ich auf der Fensterbank eingeschlafen bin und als ich erwache ziehe ich lediglich in mein Bett um und wälze mich die halbe Nacht hin und her. Von Albträumen gequält, die mich immer wieder schweißgebadet aus dem Schlaf schrecken lassen.
Als die Sonne am morgen langsam am horizont auftaucht fühle ich mich vollkommen erschlagen. Ich schleppe mich ins Bad um zu Duschen, doch ich wäre beinahe in der Kabine zusammen geklappt, als mir plötzlich schwarz vor Augen wurde.
Da mich Alex auch heute wieder um halb acht zum Frühstück abholt sitze ich wenig später mit ihr Joris und Felix an dem selben Tisch wie am Tag zuvor nur Irma zieht es vor am Nachbartisch Platz zu nehmen. Die drei Plaudern ausgelassen über irgendetwas, an das ich mich nicht erinnere, weil ich nicht zuhöre.
So geht das den Rest der Woche. Längs wundern die drei sich nicht mehr, das ich immer noch nicht spreche, auch nicht darüber, dass ich nicht esse und auch selten etwas trinke aber immer öfter werfen sie sich besorgte Blicke zu.
Und als ich dann am Donnerstag, das erste Mal im Unterricht zusammen klappe wird ihnen die ganze Sache wohl irgendwie zu unheimlich, denn als ich in meinem Bett liege, weil ich vom Unterricht befreit wurde kommt Frau Wolf in Begleitung von Alex und eines älteren Herren in mein Zimmer.
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