Im Keller

"Aufmachen!" brülle ich verärgert, doch anstatt dass meinen Worten Folge geleistet wird, höre ich Emmas hämisches Lachen durch die Tür dringen. Auch die Stimme von dem Mädchen ist zu hören, allerdings kann ich nicht verstehen, was sie sagt.

"Da kannst du lange warten, du Biest!" tönt Emmas hasserfüllte Stimme durch die Tür. "Du hast ihn jetzt lange genug gehabt. Damit ist jetzt Schluss! Er gehört mir!"

"Emma! Spinnst du! Man! Wann kapierst du es denn endlich! Ian liebt dich nicht! Sondern mich!" sage ich aufgebracht. Das kann doch jetzt echt nicht ihr ernst sein.

"Jetzt nicht mehr du Fotze! Oder glaubst du ich würde dich hier wieder raus lassen? Hier kommt nie einer her. Du kannst also schreien wie du willst. Dich hört eh keiner. Und wenn es dich nicht mehr gibt, dann gehört er mir!" ein ziemlich irres Gelächter erklingt, doch abrupt reißt es ab, als das Mädchen, was mich hier runter gebracht hat etwas sagt.

Ich wage kaum zu hoffen, das uns vielleicht jemand gefolgt ist, aber als Emma etwas wütend.

"Sie hat es verdient!" sagt, schwindet meine Hoffnung.

Noch einmal wendet Emma sich an mich, schlägt mit der Hand kräftig an die Tür, was einen laut hallenden Ton verursacht und Lacht, dann sagt sie. "Leb wohl du "Engel". Ian wusste scheinbar schon immer, dass du früh stirbst." verzweifelt schlage ich an die Tür, als sie Ians Kosewort benutz, doch bei ihr klingt es fast wie ein Fluch.

"Hau ab du Schlange! Ian wird dich niemals lieben!" schreie ich aufgebracht.

"Oh, doch das wird er. Wenn du weg bist." kann ich sie noch sagen hören, aber dabei wird ihre Stimme immer leiser, bis sie erstirbt.

Mit vor Aufregung schlagendem Herzen lausche ich an der Tür, doch ich kann sie nicht mehr hören. Sie kann mich doch nicht wirklich hier unten Allein lassen!

"Hallo?" schreie ich laut. "Seid ihr noch da?" doch ich höre nichts. Keinen Laut. Kein Flüstern und auch kein Lachen. Nichts. Es ist totenstill.

Ich höre nicht einmal ein kichern, nur das Blut, was laut in meinen Ohren rauscht, weil mein Herz so heftig am Pumpen ist.

"Das ist nicht mehr witzig!" versuche ich es noch einmal, aber außer das meine Worte durch die unheimliche Stille hallen, ist nichts zu hören.

Immer wieder hämmere ich mit den Fäusten an die Tür und schreie mir die Lunge aus dem Leib, bis ich ganz heiser bin, doch es bleibt unheimlich still.

Irgendwann gebe ich meine Versuche auf und lehne mich vor Erschöpfung und Angst zitternd mit dem Rücken an die Tür und setzte mich auf den Boden.

Aus Angst in der Dunkelheit die Tür nicht wieder zu finden wage ich es nicht mich von der Stelle zu rühren und ob es hier einen Lichtschalter gibt, weiß ich nicht. Doch selbst wenn, könnte ich ihn nicht sehen.

Leise beginne ich zu weinen, so verzweifelt bin ich. Wie lange bin ich jetzt wohl schon hier? Vielleicht eine Stunde? Bestimmt sucht Ian mich schon überall, denn wir wollten heute zusammen auf das Gut fahren um erneut das Wochenende dort zu verbringen. Ich hatte mich so darauf gefreut. Doch jetzt wird daraus wohl nichts mehr.

Was wenn Emma recht hat und mich hier unten Niemand findet. Und wer außer Ian würde mich denn schon suchen?

Alex und June sind heute schon sehr früh abgeholt worden. Gleich nach der letzten Stunde und wenn sie am Sontag wiederkommen, bin ich bestimmt schon halb tot.

Natürlich wird Felix nach mir suchen und Joris auch, wenn sie denn überhaupt bemerken, dass ich weg bin.

Ob Joris überhaupt noch da ist? Oder ist auch er schon abgeholt? Keine Ahnung.

Die einzigen, von denen ich sicher weiß, dass sie noch da sind, sind Ian und Felix, denn mit ihnen wollte ich zusammen nach Hause fahren. Aber was werden sie tun, wenn ich nicht wieder auftauche?

Würde Ian auch ohne mich fahren? Oder würde er die ganze Schule auf den Kopf stellen, bis er mich gefunden hat.

Bestimmt letzteres. Wahrscheinlich bleibt er hier und tut das ganze Wochenende nichts anderes als mich zu Suchen und Felix wird ihm helfen.

Ja, ganz sicher sogar.

Ein klein wenig erleichtert schluchze ich auf, doch schon im nächsten Moment schleicht sich ein ungebetener Gedanke in meinen Kopf.

Was ist, wenn Emma ihn irgendwie davon überzeugt, dass ich nach Hause gefahren bin? Vielleicht gibt sie ihm ja einen gefälschten Brief, den ich angeblich geschrieben haben soll und er denkt, dass ich tatsächlich nach Hause gefahren bin. Vielleicht, weil was mit Mara ist oder so. Wäre ja möglich.

Wenn sie ihn überzeugen kann, so wie sie mich überzeugen konnte, dass ihm was passiert ist, dann werde ich hier unten verrotten, bis nichts mehr von mir übrig ist. Niemand wird nach mir suchen und wenn mich niemand sucht, kann ich auch nicht gefunden werden.

Panik steigt in mir auf und erneut bemühe ich mich mit viel Geschrei und heftigen Schlägen an die Tür jemanden auf mich aufmerksam zu machen.

"Hallo! Hilfe! Hört mich denn keiner!?" schreie ich immer wieder so laut ich kann, doch als mir langsam die Stimme versagt gebe ich auf.

Verzweifelt setzte ich mich erneut auf den Boden und lehne mich hilflos weinend an die Tür und ziehe ganz dicht die Beine an den Bauch, wobei mich etwas in die Seite drückt.

Irritiert taste ich schniefend in meiner Jackentasche nach dem Gegenstand und ziehe mein Handy hervor.

Aber ich dachte, ich hätte es gar nicht dabei! Ich dachte, es würde bei meiner Tasche oben im Zimmer liegen.

Eilig wische ich mir die Tränen aus den Augen, dann taste ich nach dem Schalter, der den Bildschirm entsperrt.

Und endlich leuchtet ein klein wenig Licht auf, was ich unheimlich beruhigend finde. Die Uhr auf meinem Display zeigt mir allerdings, dass ich schon länger hier bin als ich dachte, denn es ist mittlerweile bereits Halb Elf. Ian wird umkommen vor Sorgen, wenn er mich sucht.

Ja, WENN.

Aber wenn er es bis jetzt nicht getan hat, dann wird er es bald tun. Und wenn ich hier raus bin, kann Emma was erleben!

Mit zitternden Fingern drücke ich auf die Kurzwahltaste und warte angespannt auf das erlösende Geräusch das mir anzeigt, das die Verbindung aufgebaut wird.

Und warte und warte und ....

NICHTS!

Das kann doch nicht sein! Verwirrt schaue ich auf mein Handy, doch ich habe kein Netz.

"Verdammt!" schreie ich wütend auf und pfeffere das Handy beiseite, was eine schlechte Idee war, wie mir im nächsten Moment klar wird, denn es ist die einzige Lichtquelle die ich habe.

Schnell krabbele ich auf allen vieren zu dem Telefon und nehme es erleichtert wieder an mich.

Gott sei Dank, sind solche Telefone heutzutage ja nicht nur zum Telefonieren geeignet, sondern haben auch viele andere praktische Funktionen und so versuche ich es zuerst mit einer SMS, doch da man auch dafür ein Netzt braucht, war das nicht die beste Idee, an diesem Abend. Also versuche ich es mit einer Whats App Nachricht, aber scheinbar habe ich hier unten auch keine LAN-Verbindung. Zumindest nicht hier, wo ich sitze.

Nun gut, wenn ich mir von außen keine Hilfe holen kann, muss ich mir irgendwie selbst helfen. Immerhin habe ich jetzt ein wenig Licht und damit könnte ich zumindest mal nach einem Lichtschalter schauen, denn die Lampe an der Decke sagt mir, dass es hier irgendwo einen geben muss.

Mit dem Handy leuchte ich zur Lampe hinauf, doch ganz so altmodisch, wie in den Filmen, wo an der Lampe ein Bänzel zum einschalten hängt ist es hier dann doch nicht. Aber auch an der Wand neben der Tür ist kein Schalter zu finden.

"Bitte nicht! Lass den Knopf nicht vor der Tür sein!" flehe ich leise, nur um etwas zu hören. Die Stille hier unten macht mich ganz verrückt.

Doch ich scheine kein Glück zu haben, denn solange ich auch nach dem Schalter suche, ich finde ihn nicht.

Wenigstens ist mein Handy voll aufgeladen. Wenigstens was.

Nach meiner erfolglosen Suche, wage ich es endlich mich im Raum umzusehen, auch wenn ich nur wenig sehen kann. Immerhin ist ein Handy keine Leuchtstoffröhre.

Aber ausser Stühlen, Tischen, einigen Kissen und sogar nem ausgedienten Sofa, Ersatzdecken und allerhand anderem Einrichtungskram lässt sich in diesem Gefängnis nichts brauchbares finden. Es gibt nicht mal eine Heizung, nur ein paar Rohre, die an der Wand entlanglaufen und dann oben in der Decke verschwinden.

Wenigstens muss ich nicht mehr frieren, denn es ist ganz schön kühl hier unten.

In eine der Decken gewickelt, räume ich einige Kartons von dem Sofa und zerre es dann ein wenig dichter zur Tür, wobei ein Stapel Stühle bedenklich ins Wanken gerät.

Gerade noch rechtzeitig schaffe ich es aus dem Weg zu springen, als er unter lautem Getöse umstürzt. Das dumpfe dröhnen hallt unheimlich laut und auch ziemlich lange durch die Stille. Verwirrt schaue ich die Stühle an. Warum machen ein paar Stühle nur so einen Lärm?

Ach, was solls, ist ja auch egal. Mich hört hier unten sowieso keiner.

Erneut mache mich daran das Sofa freizuschaufeln, denn einige der Stühle sind darauf liegen geblieben, dann setzte ich mich erschöpft darauf.

Doch immer wieder geht mir dieses dumpfe Geräusch, was die Stühle erzeugt haben nicht aus dem Kopf.

Unwillig schüttel ich ihn, weil mich diese Gedanken nicht loslassen, doch irgendwann gebe ich es auf und schaue mir die Stühle noch mal an.

Aber es sind nur Stühle! Ganz normale, beschissene Stühle! So wie in jedem Klassenzimmer, oder an den Schreibtischen. An ihnen ist rein gar nichts besonders.

Aber wenn die Stühle nicht diesen durchdringenden, nachhallenden Laut verursacht haben, dann muss es etwas anderes gewesen sein. Nur was?

Interessiert räume ich die Stühle beiseite, dabei versuche ich so viel Krach zu machen, wie nur irgend möglich, wenn ich hier schon am Ackern bin, dann kann ich auch gleich weiter versuchen Aufmerksamkeit auf mich zu ziehen, nur für den Fall, dass doch jemand nach hier unten kommt.

Doch als ich schon fast alle Stühle beiseite geräumt habe, bin ich noch keinen Schritt weiter.

Aber jetzt bin ich schon so weit gekommen, dass ich auch die letzten Stühle, die ganz hinten an der Wand gelandet sind, aufheben kann. Als ich den letzten Stuhl resigniert auf seine Beine stelle, stoße ich beim umdrehen zufällig an eines der Rohre, die in der Wand verschwinden und erneut ertönt dieses unheimliche hallende Geräusch.

Verwirrt schaue ich von dem Stuhl in meiner Hand auf das Runde Metallding. Kann es sein, dass nicht die Stühle dieses Geräusch gemacht habe, sondern das Rohr?

Natürlich, Mia! Verärgert über mich selbst schüttel ich den Kopf.

"Rohre ziehen sich durch die ganze Schule und auch durch jedes Zimmer. Vielleicht hören sie es, wenn ich dagegen schlage." spreche ich meine Gedanken aus.

Nur womit kann ich gegen die Rohre schlagen? Die Stühle sind ja so schwer und unhandlich, damit könnte ich gar nicht lange genug durchhalten. Bis mich jemand hört. Wenn es denn überhaupt jemanden gibt, der es hören könnte.

Nachdenklich schaue ich noch mal durch den Raum, dann beginne ich in den Kartons zu wühlen, bis ich auf eine zierliche Vase aus Metall stoße.

Sie ist nicht sehr groß. Passt gerade in meine Hand, aber der Boden sieht sehr Stabil aus. Damit ließe sich etwas anfangen.

Hoffnungsvoll setzte ich mich auf den Stuhl neben das Rohr und beginne Rhythmisch darauf einzuschlagen.

Ein durchdringendes DONG! ertönt bei jedem Schlag und lässt die Rohre und auch die Vase in meiner Hand vibrieren.

Nach einer Viertelstunde mache ich eine Pause und blicke resigniert auf mein Handy. Obwohl ich inzwischen durch den ganzen Raum gewandert bin, wurde meine Nachricht an Ian noch immer nicht Versand. Scheinbar ist hier unten alles zu gut isoliert, als das eine Nachricht die Chance hätte von hier zu fliehen, genauso wenig wie ich.

Doch als ich mein Handy checke, fällt mir auf, das sich die Akkuleistung bereits auf fünfzig Prozent reduziert hat. Und so schalte ich das Licht und das Handy aus, um Energie zu sparen. Wer weiß, wie lange ich hier unten noch ausharren muss.

Stundenlang schlage ich auf das Rohr ein, doch nichts passiert. Naja, außer dass ich von dem durchdringenden Laut Kopfschmerzen bekomme und mir vor Müdigkeit die Augen zufallen wollen.

Bedrückt stelle ich meine Bemühungen ein und lege mich auf das Sofa um ein wenig auszuruhen.

Mit knurrendem Magen und ziemlich durstig wache ich am nächsten Morgen wieder auf. Mit Hilfe der Taschenlampe ziehe ich mich auf den Stuhl zurück und beginne erneut auf die Rohre einzuhämmern, obwohl es mir so sinnlos erscheint.

Aber alles ist besser als gar nichts zu tun. Am liebsten würde ich Musik anmachen, um wenigstens ein wenig Ablenkung von dem ganzen Gehämmere zu bekommen, aber das wage ich nicht, denn mir bleiben nur noch zwanzig Prozent, obwohl ich die Lampe nur kurz einschalte oder auf die Uhr schaue.

Die Mittagszeit kommt und geht, aber ich sitze noch immer hier unten fest. Und langsam bekomme ich wirklich Angst.

Emma würde mich doch nicht umbringen, oder? Ich meine, sie ist vielleicht ein wenig verrückt, aber eine Mörderin ist sie nicht. Zumindest hoffe ich das. Bestimmt hat sie schon jemandem gesagt, wo ich bin. Aber wieso kommt denn dann keiner?

Erneut verstärke ich meine Bemühungen mich bemerkbar zu machen, dabei weiß ich nicht mal, ob mich überhaupt jemand hört.

Es könnte ja auch sein, dass ich hier wie wild auf die Rohre einschlage, aber es überhaupt keiner hört. Vielleicht sollte ich ja doch wieder dazu übergehen an die Tür zu hämmern.

Ich glaube nicht, das ich mit schreien weiterkomme, also bleibe ich beim klopfen.

Ich klopfe irgendwas, ein SOS bekomme ich nämlich nicht hin, dafür habe ich im Unterricht nicht genug aufgepasst, als wir das Thema hatten. Aber ich hoffe auch so, dass jemand hellhörig wird, wenn sich die Geräusche nicht von allein geben.

Weitere Stunden vergehen in denen ich immer wieder verzweifelt in Tränen ausbreche und wie eine verrückte auf die Rohre schlage nur um nach meinem Anfall resigniert vor mich hinzuhämmern.

Doch irgendwann höre ich auf. Ich kann einfach nicht mehr. Mein Arm schmerzt von der immer wiederkehrenden Bewegung, genauso wie mein Kopf. Und selbst als ich schon mit dem Hämmern aufgehört habe dröhnen die lauten Geräusche auch weiterhin in meinen Ohren.

Ein Blick auf mein Handy zeigt mir zweierlei. Erstens, das der Tag bereits zu Ende geht und zweitens, dass ich vermutlich nicht noch mal in den Genuss kommen werde zu wissen wie spät es ist oder ein wenig Licht ins Dunkel zu bringen, denn es verbleiben nur noch fünf Prozent.

Schnell versuche ich mir den Weg vom Sofa zu dem Rohr und zur Tür einzuprägen so dass ich den Weg auch im Dunkel finden kann, dann räume ich noch einige Stolperfallen aus dem Gang und stecke das Telefon wieder ein.

Das wars dann wohl.

Verzweifelt setzte ich mich aufs Sofa und weine mich in den Schlaf. Als ich wieder aufwache ist es wie zu erwarten noch immer stock dunkel, trotzdem taste ich mich zu dem Stuhl vor und hämmere aufs neue drauflos, doch als mich die Hoffnung mal wieder verlässt, will ich mein Glück doch noch mal an der Tür versuchen.

Während ich mich Schritt für Schritt durch die Dunkelheit taste, bleibe ich mit dem Fuß an einem Tischbein hängen und stoße schmerzhaft mit der Schulter gegen die Wand. Kurz erfasst mich Panik, denn wenn ich die Richtung verliere, dann finde ich nicht zur Tür oder zum Sofa zurück, doch da ich an einer Wand bin, kann die Tür nicht weit sein. Und so ist es dann auch.

Erleichtert lasse ich mich dagegen sinken und beginne erneut mit der Vase dagegen zu hämmern.

Immer wieder ertönt das laute DONG, doch mit jeder Stunde die vergeht, wird mein Arm schwerer und meine Schläge leiser. Ich bin so müde. Mein Kopf schmerzt, ich habe Hunger und Durst und auch sonst fühle ich mich nicht gerade gut.

Ob der Sonntag auch schon vorbei ist? Oder bin ich einfach nur so müde, weil ich nichts gegessen und getrunken habe. Ich weiß es nicht. Ist aber auch egal. Wenn mich nicht bald jemand hier herausholt, dann brauche ich mir um sowas belangloses wie Hunger und Durst ohnehin keine Gedanken mehr zu machen.

Nur Ian bereitet mir Kummer. Was wird er tun, wenn ich nicht wieder auftauche?

Ausgerechnet jetzt, wo wir endlich wieder zueinander gefunden haben, soll unser Glück nur von kurzer Dauer gewesen sein? Das will ich einfach nicht glauben. Das ertrag ich nicht!

Wütend knalle ich die Vase gegen die Tür, dann ziehe ich mich am Türgriff auf die Beine. Ich nehme all meine Kraft zusammen und Ramme meine Schulter gegen die Tür.

"Geh auf du scheiß Ding!" brülle ich sie an und ramme erneut dagegen. Meine Schulter tut schon höllisch weh, aber bis auf, das die Tür leicht wackelt, passiert nichts. Wieder und wieder pralle ich mit voller Wucht gegen das Holz. Ich versuche es sogar mit einem kleinen Anlauf, aber auch das hilft nichts.

Noch ein letztes Mal will ich mit der Schulter versuchen die Tür aufzustoßen, als sie plötzlich nach gibt und ich mit einem schmerzhaften Aufprall auf dem Boden lande.

Mit schmerzenden Augen blinzele ich in die ungewohnte Helligkeit, doch da meine Augen so lange nichts sehen konnten, schütze ich sie für einen Moment mit der Hand, bis es langsam besser wird.

Und was ich sehe, lässt mein Herz höher schlagen. Zwei bekümmerte grüne Augen schauen mich an, doch als er sieht, das es mir gut geht, wobei gut mehr als übertrieben ist, sehe ich das erleichterte lächeln, dass sein Gesicht zum Leuchten bringen.

"Was machst du nur wieder für Sachen!" sagt er seufzend und zieht mich in seine Arme, dann drückt er mir einen Erleichterten Kuss auf die Stirn.

Noch immer ziemlich verwirrt finde ich keine Worte, sondern schaue von ihm zu dem älteren Herren in grauem Kittel, der mich besorgt anschaut und gleich hinter ihm steht das Mädchen, das mich hier hergebracht hat. Auf ihrem Gesicht sehe ich die Tränen, die ihr unaufhörlich über die Wangen rollen.

"Das wird noch ein Nachspiel haben, junge Dame." sagt der Mann Tadelnd zu dem Mädchen hinter ihm, die sich nun vollends in Tränen auflöst. "Wissen sie eigentlich, was da alles hätte passieren können?"

"Ich wollte das nicht. Ich dachte doch, sie würde sie wieder raus lassen. Mir hat sie gesagt, sie will ihr nur einen Schrecken einjagen." sagt sie verzweifelt und vergräbt ihr Gesicht schluchzend in den Händen.

"Kümmern sie sich um Frau Mendéres?" wendet er sich fragend an Ian, der nur zustimmend nickt und mich sanft hoch hebt und zur Treppe trägt.

"Ihre Freundin braucht jetzt dringend etwas zu Trinken und Ruhe. Und was zu essen wäre auch nicht schlecht." schlägt der Hausmeister, denn dafür halte ich ihn, vor.

"Und sie kommen mit mir." sagt er streng und schaut das Mädchen, dessen Namen ich nicht weiß finster an.

Dann folgt er uns die Treppe hinauf.

"Ich bin sicher, Frau Wolf wird nachher noch mit ihnen sprechen wollen Marie." wendet sich der Mann noch mal an mich. Doch Ian mischt sich ein.

"Das hat doch sicher Zeit bis Morgen, Herr Blumentritt. Mia muss sich erst mal ausruhen. Bitte sagen sie der Direktorin Bescheid. Wir kommen dann gleich Morgenfrüh in ihr Büro."

Nachdenklich wirft er mir einen Blick zu, doch dann nickt er zustimmend.

"Also gut, Ian. Und ihnen gute Besserung." fügt er an mich hinzu, bevor er samt Übeltäterin im Büro der Direktorin verschwindet.

"Wo bringst du mich denn hin?" frage ich verwundert, als mir endlich klar wird, dass wir nicht zu meinem Zimmer gehen.

"Ich nehm dich mit zu mir." sagt Ian brummig. "Dich kann man ja keine fünf Minuten allein lassen, ohne das dir was passiert."

"Hey, da kann ich doch nichts für, wenn mich jemand in einen Raum einsperrt." wiederspreche ich erschöpft.

Böse vor sich hinstarrend trägt Ian mich zu seinem Zimmer und stellt mich vor seinem Bett auf die Füße.

"Möchtest du ein T-Shirt von mir anziehen?" will er wissen, während ich mich auf das Bett setzte und er mir etwas zu trinken gibt.

"Ja, bitte." sage ich erfreut und leere gierig das Glas mit Wasser, dann noch eines. Doch als ich ihm erneut das Glas hinhalte schüttelt er verneinend den Kopf.

"Zu viel auf einmal ist nicht gut. Zieh dich erst mal um, ich besorg dir was zu essen, dann bekommst du mehr."

Resigniert stelle ich das Glas auf den Nachtisch und beginne meine Hose zu öffnen, als ich plötzlich merke, wie dringend ich eigentlich auf die Toilette muss.

Ich meine ich muss selten aufs Klo, weil ich so wenig esse und auch nicht immer genug trinke, aber ich war seit über vierundzwanzig Stunden nicht mehr und das macht sich jetzt bemerkbar.

"Was macht du?" fragt Ian verwirrt, als ich die Hose wieder zuknöpfe.

"Ich muss mal." sage ich mit einem kleinen lachen. Auch Ian beginnt ein wenig zu grinsen, was seine besorgte Stirn ein wenig glättet.

"Dann komm."

"Ian, das schaff ich auch allein."

"Bei euch unten vielleicht, aber hier sind überall nur Jungs, die nur das eine im Sinn haben, vor allem, wenn du in einem Jungsklo pinkeln gehst."

"Ja, schon gut, habs verstanden." genervt verdrehe ich die Augen und folge ihm auf den Gang.

Nachdem Ian sich vergewissert hat, das die Toilette leer ist, bezieht er vor dem Raum Stellung, während ich mich erleichtere.

Nachdem er mich zurück in sein Zimmer begleitet hat, geht er etwas zu essen holen und ich lege mich wohlig seufzend in sein Bett. Endlich habe ich diese Scheiße hinter mir und kann mich etwas erholen.

Der Radiowecker auf seinem Nachttisch zeigt mir, das es erst früher Nachmittag ist. Und da ich nicht glaube, dass Montag ist, wird wohl Sontag sein. Aber auch so war ich beinahe 40 Stunden in diesem Kellerloch gefangen, was eindeutig zu lange ist.

Es dauert eine Weile bis Ian wiederkommt, doch dann höre ich endlich das erlösende klicken der Tür, als er den Raum betritt.

Sein Bett steht in einer Nische, so dass ich die Tür von hieraus nicht sehen kann und so warte ich erfreut auf seinen Anblick, doch was ich dann sehe lässt mein Herz erstarren!


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