Dienstag und der Rest der Woche
Ich habe keine Ahnung, wie viel Zeit vergangen ist, als mich das leise klicken der Tür aus meiner Versunkenheit reißt.
Neugierig schaue ich mich um, um zu sehen, wer mich belauscht, doch es ist niemand da. Wie seltsam.
Ob ich mich verhört habe? Oder ist derjenige der mir zugehört hat gerade gegangen und nicht gekommen? Wie auch immer.
Ich bin jetzt soweit, aufzuhören. Und außerdem bin ich unheimlich müde.
Erschöpft decke ich den Flügel ab, dann gehe ich in mein Zimmer.
June sitz auf ihrem Bett. sie sieht mich neugierig an, als ich das Zimmer betrete.
>>Du warst aber lange weg. << stellt sie fest.
>>Wieso? Wie spät ist es denn?<< frage ich gähnend.
>>Gleich acht. << erklärt sie mir.
>>Oh!<< staune ich. >>Dann war ich länger beschäftigt als ich gedacht habe.
>>Wo warst du denn?<< will June wissen.
>>Ich hatte Nachhilfe. << erkläre ich ausweichend. Ich möchte nicht, das alle von meinen Klavierstunden erfahren. Es ist schon schlimm genug, das ich auf der Wohltätigkeitsveranstaltung vorspielen muss.
>>So lange?<< wundert sich June.
Gleichgültig zucke ich mit den Schultern. >>Ich habe halt viel nachzuholen.<<
Und eigentlich stimmt das sogar. Nach zwei Jahren spielpause bin ich tatsächlich ganzschön aus der Übung, was unbekannte Stücke angeht. Früher hat es mir nicht solche Schwierigkeiten gemacht neues zu lernen.
>>Tut mir leid für dich.<< sagt June mitleidig.
>>Ach, das macht mir nichts. Eigentlich hat es sogar spaß gemacht. Nur bin ich jetzt völlig fertig. << ich muss ein gähnen unterdrücken. >> Ich glaub ich geh jetzt ins Bett.<<
>>Willst du denn gar nichts essen?<<
>>Nein, ich glaub nicht. Aber hast du vielleicht was zu trinken hier?<< frage ich sie, während ich mir das Top über den Kopf ziehe und in meinen Pyjama schlüpfe.
June kramt kurz in ihrer Schublade herum, dann reicht sie mir eine Flasche Kirschwasser.
>>Ich hoffe, du magst sowas. Ist das einzige, was ich hier habe.<< erklärt sie entschuldigend.
>>Ja, danke. Mir ist eigentlich völlig egal, was es ist, Hauptsache es ist nass. << sage ich mit einem lachen und nehme ihr die Flasche ab, die sie mir reicht.
In kürzester Zeit ist sie leer. >>Hmmm, das tut gut. << seufze ich. Ich hatte wirklich durst.
Dann lege ich mich ins Bett und ziehe die Vorhänge um mich herum zu, so das ein kleines bisschen privatsphäre entsteht.
>>Gute Nacht, June. << wünsche ich ihr, dann drehe ich mich auf die Seite. Hoffentlich gelingt es mir einzuschlafen, obwohl sie hier ist, aber gestern habe ich ja auch geschlafen, auch wenn ich da woanders eingeschlafen bin. Ein Lächeln huscht über mein Gesicht, als ich daran denke.
>>Schlaf gut, Mia. Ich weck dich dann morgen früh, damit du mit mir laufen kannst, ja?<<
Auweia, das hatte ich ja ganz vergessen.
>>Äh, ja. Ist gut.<< sage ich unsicher, dann schließe ich die Augen.
Eine weile liege ich mit geschlossenen Augen einfach in meinem Bett, ohne das mich der Schlaf erlöst. Ich lausche den leisen Geräuschen, die June verursacht. Scheinbar liest sie ein Buch, denn immer wenn sie umblättert rascheln die Seiten und wenn sie sich bewegt quietscht ihr Bett ganz leicht und auch ihre Decke macht Geräusche, als sie sich endlich auch hin legt. Dann höre ich das Klicken ihres Lichtschalters und es wird dunkel. June scheint schnell einschlafen zu können, denn bald vernehme ich nur noch ihren gleichmäßigen Atem, sonst nichts.
Doch ich liege noch immer Wach. Ich drehe mich auf den Rücken. Die Hände lege ich auf meinen Bauch, meine Augen sind geschlossen. Ich konzentriere mich auf meinen Atem.
Ein...
Aus...
Ein...
Aus...
Ob Ian auch schon schläft?
Ein...
Aus...
Was er wohl den Tag über gemacht hat? Ich habe ihn gar nicht mehr gesehen seit dem Frühstück. Den ganzen Tag nicht, dabei wollte ich ihm doch irgendeine Frage stellen.
Ein Atmen... oder kommt jetzt Aus atmen...?
Mia! konzentrier dich.
Ein...
Aus...
Ein...
Aus...
Seine Augen sind so schön. Sie erinnern mich fast an die Farbe des Meeres, auf diesen Südsee Bildern. Türkise-blau ein Bisschen mehr ins Grüne. Einfach umwerfend.
Ich sehe sie vor mir, sehe seinen eindringlichen Blick, fühle seine Hände an meiner Hüfte, spüre seinen warmen Körper an meinem. Wir bewegen uns langsam im Takt zu irgendeiner Musik. Dann zieht er mich an sich und legt seine Arme um mich. Er schließt die Augen und steckt seine Nase in meine kurzen Haare und atmet tief meinen Duft ein.
Ich spüre die behaglichen schauer auf meiner Haut, die seine Brührungen hinterlassen. Behutsam fährt er mit den Lippen meinen Hals hinunter, bis zu meinem Schlüsselbein. Immer wieder küsst er meine Empfindsame Haut und lässt ein kribbelndes brennen zurück.
Seine Hände wandern meinen Rücken hinauf und hinunter, streicheln mich, liebkosen die Haut wo mein Top endet und meine Hose beginnt. Eine erregendes pulsieren breitet sich in meinem Unterleib aus, als er mit den Fingerspitzen den Saum meines Tops einige Zentimeter hochschiebt und meine Empfindliche Haut berührt.
Mein Atem beschleunigt sich, als auch ich mit den Händen auf Wanderschaft gehe. Seine Haut ist herrlich warm und duftet verführerisch nach Minze und frisch gemähtem Gras. Unter seinem Shirt ist sie verführerisch weich und am liebsten würde ich ihm das Hemd vom Leib reißen, nur um sie vollkommen unbedeckt betrachten zu können. Stattdessen fahre ich mit den Lippen an seinem kantigen Kiefer entlang und erspüre die unbeschreiblich weiche Haut an dieser Stelle. Ich neige den Kopf ein Stück zurück, damit ich ihm in die Augen schauen kann. Wir sind uns so nah, das wir die selbe Luft atmen. Ich die seine und er die meine.
Ein...
Aus...
Ein...
Aus...
Die Sekunden verstreichen, jeden Moment könnten wir uns küssen, aber keiner von uns bewegt sich.
Wir stehen einfach da und schauen uns an. Gefangen im Blick des anderen. Hypnotisiert, unfähig uns zu bewegen.
Ich spüre seine Hand auf meiner Schulter, doch es fühlt sich seltsam an. Fremd.
Er rüttelt daran, dann ist er plötzlich weg, steht hinter mir. Seine Hand liegt noch immer auf meiner Schulter. Ich drehe den Kopf in seine Richtung. Sein Mund bewegt sich.
>>Mia, wach auf. << sagt er, doch es hört sich seltsam an. Das rütteln an meiner Schulter wird fester.
>>Mia, komm schon. << sagt er noch mal und entfernt sich immer weiter von mir. Ich möchte ihn festhalten, ihm hinterher rennen, aber ich kann ihn nicht erreichen. Kann mich nicht von der Stelle bewegen.
Panik macht sich in mir breit. Ian! Will ich schreien. Komm zurück! Aber ich bekomme keinen Laut heraus. Ich starre ihm entsetzt hinterher, dann ist er weg und lässt mich allein.
Es fühlt sich fürchterlich an, allein zu sein. Allein ohne ihn. Unruhig werfe ich mich hin und her, dann schlage ich die Augen auf. Mein Herz hämmert wie wild in meiner Brust und ich Atme ziemlich hastig.
>>Alles Okay?<< fragt June besorgt, >>Ich wollte dich nicht erschrecken. <<
Langsam kehre ich in die Realität zurück, auch der Aufruhr in meinem Inneren kommt langsam zur Ruhe.
>>Ja. Ich... hab nur geträumt. << erkläre ich ihr, meine Unruhe.
>>Ich hoffe was Gutes. << neugierig schaut sie mich an, während ich mich gähnend strecke und mich aus dem Bett quäle.
>>Wie man's nimmt. Erst war es gut, doch das Ende war nicht so schön.<< erkläre ich, während ich mir meine Sportsachen anziehe. Gott, ich muss echt verrückt gewesen sein, mich hierauf einzulassen.
Als ich fertig bin gehen wir gemeinsam nach draußen. Es ist noch ziemlich frisch, doch die Luft ist herrlich.
>>Komm, wir wärmen uns zum Anfang langsam auf.<< sagt June und beginnt loszulaufen. Sie läuft auf den Wald zu und folgt dann dem Pfad, den ich auch schon mal allein entlanggegangen bin. Nach fünf Minuten machen wir eine Pause und gehen ein Stück.
Wir dehnen unsere Muskeln und lockern die Beine, dann laufen wir weiter.
Ich merke, wie June versucht auf mich Rücksicht zu nehmen, denn sie tänzelt leichtfüßig auf der Stelle, während ich schwer atmend hinter ihr her keuche.
>>Lauf doch einfach vor. Ich bin nicht so schnell wie du. << rate ich ihr.
>>Ne, ist schon gut. Wir bleiben besser zusammen. Brauchst du eine Pause?<<
Unsicher zucke ich mit den Schultern. Obwohl mein Herz ganzschön rast, und auch meine Atmung beschleunigt ist geht es mir recht gut.
>>Nein, ich glaub nicht. << gebe ich meine Beobachtungen schnaufend an sie weiter.
>>Du sagst mir aber, wenn du nicht mehr kannst, ja?<<
>>Ja.<<
Dann laufen wir schweigend weiter. Nach weiteren Zehn Minuten machen wir eine Pause und gehen einige Zeit.
Als ich wieder einigermaßen ruhig atmen kann sage ich entschuldigend. >>Das muss echt nervig für dich sein. Ich halte dich nur auf. <<
>>Ach was. Du bist das halt nicht gewohnt. Aber du wirst schon sehen, in ein paar Tagen wird es dir schon deutlich leichter fallen, davon bin ich überzeugt.<<
>>Du willst wirklich, das ich nochmal mit komme?<< frage ich zweifelnd.
>>Sicher, warum denn auch nicht. Zu zweit ist es doch viel lustiger.<< verkündet sie gut gelaunt.
>>Na, wenn du meinst. Ich werde es versuchen, aber ich verspreche nicht, das ich nächste Woche auch immer noch mitkomme, Okay.<< um Verständnis bittend schaue ich sie an.
>>Ist gut. Du kannst jeder Zeit wieder aufhören, aber gib der Sache eine Chance, ja?<< bittet sie.
>>Das mach ich doch gerade.<< sage ich grinsend, dann laufe ich weiter, weil ich mich dazu wieder in der Lage fühle.
So geht es weiter. Wir laufen schweigend ein Stück, wobei ich mich auf meine Atmung konzentriere, dann gehen wir und unterhalten uns, dann laufen wir. Nach geschätzten vier Stunden kommen wir wieder im Internat an, doch als ich auf mein Handy schaue stelle ich fest, dass wir gerade mal etwas mehr als fünfunddreißig Minuten unterwegs waren.
Dennoch bin ich völlig am Ende. Erschöpft gehe ich unter die Dusche. June hingegen scheint nicht im mindesten erhitzt, trotzdem kommt sie mit.
Als wir beim Frühstück sitzen, bin ich mir nicht sicher, ob ich morgen tatsächlich wieder mit ihr laufen gehen soll. Doch so schnell möchte ich auch nicht aufgeben.
Der Unterricht verläuft ereignislos. Die Stunden sind zwar anstrengend, aber im Vergleich zu meiner Sportlichen Betätigung sind sie ein Kinderspiel.
Die Pausen verbringe ich mit Joris, Alex und June und auch die Mittagspause. Selbst Ian sehe ich beim Mittagessen kurz in der Cafeteria. Wir lächeln uns freundlich zu, aber das war's dann auch schon.
Schon komisch, wie man sich so selten über den Weg laufen kann, obwohl man sich am selben Ort aufhält. Am Nachmittag finde ich mich dann mal wieder im Kaminzimmer ein, um an meinem Geschenk für Page zu arbeiten. Noch immer ist eine Menge zu tun. Noch sieht das Gras unnatürlich grün aus und auch einigen Augen fehlt noch die Lebendigkeit. Doch der Himmel ist schon wunderschön. Er ist Blau mit einigen Dunstschleiern und dem Kondensstreifen eines Flugzeug durchzogen. Auch die Zwillinge sind soweit fertig. Ihre Gesichter strahlen mich glücklich an.
Motiviert mache ich mich ans Werk und als die Stunde um ist, habe ich eine Menge geschafft. Allerdings glaube ich nicht, dass ich es bis zum Wochenende fertig bekomme.
Nach dem Abendessen gehe ich wieder früh schlafen, doch heute fällt es mir viel leichter einzuschlafen. Ich liege nur eine kurze zeit lang wach, bevor ich in einen Traumlosen schlaf falle.
Auch am nächsten Morgen weckt June mich, um mich mit zum Joggen zu nehmen. Als ich mich aus dem Bett quäle stöhne ich schmerzhaft auf, sosehr schmerzen meine Beine.
Doch June kennt kein Erbarmen. Sie schleift mich einfach mit nach draußen und treibt mich durch den Wald. Heute fällt es mir wenn möglich sogar noch schwerer mit ihr schritt zuhalten, meine Beine brennen fürchterlich und schmerzen bei jedem Schritt.
Ich bin unheimlich erleichtert, als wir die Runde beendet habe und ich unter der Dusche stehe.
>>June, ich glaube nicht, das ich das durchhalte. << gesteh ich, als wir wieder in unserem Zimmer sind.
>>Aufgeben gibt's nicht! Du wirst sehen, wenn der Muskelkater weg ist, wird es besser.<< sagt sie bestimmt und lässt keine Wiederworte zu. Also bleibt mir nichts anderes übrig, als mich geschlagen zu geben.
Am Nachmittag habe ich wieder Klavierunterricht. Er ist genauso anstrengend wie am Montag, nur das Herr Möller dieses Mal auch noch mit mir schimpft, als ich ihm sage, das ich gestern nicht gespielt habe.
>>Frau Mendéres, sie nehmen die ganze Sache wohl nicht ernst.<< tadelt er mich. >>Wenn ich sie auch weiterhin unterrichten soll, werden sie sich schon etwas zusammenreißen müssen und auch an den Tagen üben, wenn ich nicht dabei bin.<<
>>Tut mir leid, ich hatte so viel zu tun. << entschuldige mich bei ihm.
>>Soll das heißen, das sie keinen Unterricht mehr nehmen wollen.<< fragt er streng.
>>Wa... Nein! Ich will den Unterricht.<< erwiedere ich erschreckt.
>>Dann erwarte ich, das sie spielen! Jeden Tag. Haben sie mich verstanden?<< er sieht mich eindringlich an und erst als ich zustimmend nicke fährt er mit dem Unterricht fort.
In Rekordzeit ist die Woche vergangen. Mir bleibt kaum mehr Zeit, mit Mel zu schreiben und auch für Joris, Alex, Felix und June bleibt kaum noch Zeit.
Morgens laufe ich mit June durch den Wald, dann habe ich Unterricht. An den Nachmittagen spiele ich stundenlang Klavier oder ich male erst und spiele dann. Als ich es schon das dritte Mal diese Woche nicht zum Abendessen schaffe bitte ich June mir beim nächsten Mal etwas mitzubringen.
>>Wie lange willst du dieses Arbeitspensum denn durchhalten?<< fragt sie verwundert, >>So viel lernen sollte verboten werden, das kann doch nicht gesund sein!<<
Es ist Freitagabend und ich liege erschöpft auf meinem Bett und knabbere Müde an dem Brötchen was June mir mitgebracht hat. Auch heute hatte ich wieder Klavierunterricht.
>>Ich weiß nicht.<< sage ich gähnend. >>Aber ich bin froh, dass endlich Wochenende ist. Fährst du eigentlich nach Hause?<< will ich wissen.
>>Ja, aber meine Eltern holen mich erst Morgen früh ab und du? <<
>>Nein, ich nicht. Aber Felix hat mich zu sich nach Hause eingeladen.<< erkläre ich ihr.
>>Und wann fahrt ihr?<<
>>Oh, das weiß ich gar nicht, das letzte Mal sind wir schon nachmittags gefahren, aber scheinbar fahren wir heute später.
Ich nehme mein Handy zur Hand und schaue nach der Zeit. Es ist neunzehn Uhr dreißig. Mel hat geschrieben und als ich ihre Nachricht öffne, fällt mir auch die von meiner Mutter wieder ins Auge.
Seufzend öffne ich sie.
"Hallo Mia,
Wir kommen dich am Samstag besuchen.
Ich freue mich dich zu sehen."
Schreibt sie.
So ein Mist. Fluchend werfe ich mein Handy beiseite.
>>Schlechte Nachrichten?<< fragt June und sieht mich nachdenklich an:
>>Ja, meine Eltern kommen am Samstag vorbei. Da werde ich wohl doch nicht mit Felix fahren können. << sage ich betrübt.
>>Das ist doch toll, das deine Eltern kommen. Oder nicht?<< fragt sie skeptisch, als sie meinen ärgerlichen Gesichtsausdruck bemerkt.
>>Oder nicht. << knurre ich. >>Wir verstehe uns nicht so besonders.<< erkläre ich ihr.
>>Oh, das tut mir leid.<< sie schaut mich entschuldigend an.
>>Lässt sich nicht ändern. Ich gehe dann mal und sage Felix Bescheid.<< ich hieve mich aus dem Bett und gehe zur Tür, doch bevor ich sie öffnen kann klopft jemand an. Da ich sowieso gerade davor stehe mache ich sie auf.
Vor der Tür steht Ian.
>>Hast du deine Sachen schon gepackt? << fragt er mich und betritt das Zimmer.
>>Hi, Ian. << grüßt June ihn lässig. Sie schein eines der wenigen Mädchen zu sein, die sich nicht zu ihm hingezogen fühlen, was auch daran liegen könnte, das sie so frisch in Joris verliebt ist.
>>Hey June!<< erwidert er ihren Gruß und macht es sich auf meinem Sofa bequem.
>>Ich kann nicht mitkommen Ian.<< enttäuscht schaue ich ihn an.
>>Warum nicht?<< will er wissen.
>>Weil meine Eltern am Samstag vorbeikommen wollen.<< erkläre ich betrübt. >>Tut mir leid, wenn es nach mir ginge würde ich viel lieber mit zu euch kommen.<<
Bevor Ian etwas erwidern kann geht die Tür erneut auf und Felix kommt mit einem Rucksack bewaffnet ins Zimmer. >>Na bist du abreisebereit?<< fragt auch er.
>>Sie kommt nicht mit.<< gibt Ian übellaunig zurück.
>>Warum das denn nicht? Mia, komm schon. >>Bittet er. >>Du wolltest es dir doch überlegen. Ich hab mich schon so darauf gefreut. <<
>>Ich kann nicht. << sage ich entschuldigend. >>Meine Eltern kommen her.<<
>>Ach scheiße! Da kann man dann wohl nichts machen. << flucht er, dann fügt er Hoffnungsvoll hinzu. >>Aber nächstes Wochenende kommst du doch, Ja?<<
>>Wenn mir nicht wieder was dazwischen kommt, gerne.<< nicke ich, dankbar für die Einladung.
>>Na gut, wir müssen dann mal los, Marvin ist schon da. << Erklärt er mir und hält Ian auffordernd die Tür auf.
Der wirft mir einen rätselhaften, nachdenklichen Blick zu. >>Bis dann. << verabschiedet er sich enttäuscht, bevor er geht.
>>Ciao. << sagt Felix noch, bevor auch er unser Zimmer verlässt.
Betrübt schaue ich den beiden nach. Viel lieber wäre ich mit ihnen übers Wochenende aufs Land gefahren, als noch ein Wochenende hier allein zu verbringen, auch wenn June erst morgenfrüh abreist. Da habe ich endlich mal Zeit für meine Freunde, weil kein Unterricht ist und dann sind sie nicht da.
Langsam kehre ich zu meinem Bett zurück und ziehe mich um. Ich esse noch das restliche Brötchen, dann gehe ich mir die Zähne putzen. Bevor ich die Vorhänge um mein Bett herum zuziehe wünsche ich June noch eine gute Nacht.
Ich brauche nicht mehr lange zum einschlafen. Inzwischen könnte vermutlich eine Elefantenherde durch mein Zimmer trampeln, ohne das es mich vom einschlafen abhalten könnte, denn meine Tage sind viel zu anstrengend, als das mich so eine Kleinigkeit wie eine weitere Person mich daran hindern könnte.
Der Samstag beginnt wie jeder andere Tag auch. Wenn ich geglaubt habe, das June mir auch nur einen Tag Ruhe gönnen würde, dann habe ich mich geschnitten. Das einzige, was ich ihr zugutehalten kann, ist, das sie mich nicht um halb sechs weckt sondern erst um halb sieben.
Auch wenn mein Muskelkater inzwischen verschwunden ist, kann ich noch keine wirkliche Verbesserung feststellen.
Noch immer muss ich immer wieder Pausen einlegen, doch diese werden Täglich kürzer. Und manche lässt June komplett weg, oder aber die Abstände dazwischen werden größer.
Doch davon, wovon June geredet hat, das man seinen Gedanken nachhängt und das Laufen vollkommen vergisst, bin ich noch meilenweit entfernt.
Nach dem Frühstück wird June von ihrem Vater abgeholt und ich lege mich wieder ins Bett.
Und tatsächlich schlafe ich sogar nochmal ein.
Als ich wieder aufwache ist es fast Mittag, doch da bis zum Essen noch Zeit ist und meine Eltern erst am frühen Nachmittag kommen wollen bleibt mir noch Zeit fürs Klavierspielen.
Es ist wirklich toll, wenn man sich Zeit lassen kann, weil man mal keine anderen Termine mehr hat, stelle ich fest.
In letzter Zeit bin ich nur noch von einem Unterricht zum nächsten gehetzt und obwohl Herr Müller langsam etwas netter wird, ist gerade sein Unterricht alles andere als leicht.
Doch heute versuche ich mich wieder einmal einfach nur zu entspannen. Ich nehme mir vor, nur langsame Stücke zu spielen, welche die ich schon lange kenne und die mich entspannen.
Wie "All myselfe to you" denn dieses Lied mag ich besonders.
Während ich spiele höre ich wie die Tür geöffnet wird, aber ich schaue nicht nach, wer es ist. Was das angeht, habe ich mich schon deutlich gebessert. Längst lasse ich mich nicht mehr so schnell aus der Ruhe bringen, wie früher, denn auch wenn während meines Unterrichts niemand außer Herrn Müller und mir hier ist, so bekomme ich noch immer regelmäßig besuch, wenn ich allein übe.
Bevor ich jedoch meine Übungsstunde beendet habe lässt mich mein Zuhörer wieder allein, so dass ich nicht weiß, wer es gewesen ist.
Nach dem Mittagessen werde ich langsam nervös. Unruhig wandere ich in meinem Zimmer umher, dann gehe ich nach draußen und laufe am See entlang.
Hoffentlich gelingt es mir, mich nicht mit meinen Eltern zu streiten. Immerhin ist es das erste Mal, dass ich sie seit drei Wochen wieder sehe.
Als ich um das Internatsgebäude herum zum Haupteingang gehe, sehe ich den Wagen meiner Eltern in der Auffahrt stehen.
Na sowas! Wundere ich mich. Kann es tatsächlich schon so spät sein? Ein Blick auf mein Handy verrät mir, das sie ziemlich früh dran sind, gleichwohl sind sie schon da.
Ich atme einmal tief durch, dann gehe ich ins Gebäude. Gerade als ich durch das Eingangsportal trete sehe ich Mara die große Freitreppe in der Halle herunterkommen.
Sie sieht viel glücklicher und erholter aus, als ich sie das letzte Mal gesehen habe, auch die Ringe unter ihren Augen sind weg und eine leichte röte ziert ihre Wangen.
Noch deutlicher könnte sie es mir gar nicht zeigen, wie gut es ihr ohne mich geht.
Dennoch kommt sie fröhlich lächelnd auf mich zu.
>>Mia!<< ruft sie erfreut aus, als sie mich bemerkt.
>>Ich hab dich so vermisst!<< eilig kommt sie auf mich zu und streckt zögernd die Arme nach mir aus. Wiederstrebend lasse ich es zu, das sie mich umarmt. Irgendwie freue ich mich trotz alledem sie zu sehen. Auch Pascale ist scheinbar froh mich zu sehen. Er lächelt mich an.
>>Hallo Marie. << grüßt er mich freundlich.
>>Hallo. << erwidere ich verlegen. Was soll ich bloß sagen. Ich habe keine Ahnung, worüber ich mit ihnen reden soll.
>>Wie geht es dir? << fragt Mara.
>>Gut. Und dir?<< erwidere ich zögernd.
Sie zuckt lächelnd mit den Schultern. >>Du fehlst mir. Es ist viel zu still geworden zuhause.<<
Am liebsten würde ich ihr sagen, das sie mich ja wieder mit nach Hause nehmen könnten, aber zum einen möchte ich sie nicht beleidigen und zum anderen bin ich mir im Moment nicht ganz sicher, ob ich das überhaupt noch will.
>>Frau Wolf hat uns erzählt, das du wieder Klavier spielst. << sagt sie unsicher.
>>Ähm ja, << sage ich schlicht. War ja klar, dass sie mit meinen Eltern darüber spricht. Ob sie auch wissen, dass ich so krank war in der ersten Woche? Bestimmt. So was darf Frau Wolf den Eltern ihrer Schüler sicher nicht vorenthalten.
>>Magst du uns ein bisschen herumführen. << versucht Mara das Gespräch am Laufen zu halten. >>Wir haben ja noch gar nichts von der Schule gesehen. Nur das bisschen hier. << dabei deutet sie auf die Treppe und die Lobby.
>>Okay. << stimme ich unsicher zu.
Ich führe sie den rechten Gang zum Kaminzimmer entlang.
>>Oh, das ist aber hübsch. << staunt Mara, als wir den Großen Raum mit der Terrassentür betreten. >>Ich wusste gar nicht, dass es hier einen so schönen Ausblick gibt.<< Sie geht auf die Terrasse und schaut verträumt auf den See. >>Bist du schon mal Baden gewesen?<< will sie wissen.
>>Ja, ein Mal. Letztes Wochenende.<< erzähle ich verhalten.
>>Mia?<< sie dreht sich zu mir um. >>Bist du uns noch sehr böse?<< fragt sie ängstlich.
Unschlüssig zucke ich mit den Schultern, bleibe aber stumm.
Mara seufzt. >>Wir wollen wirklich nur das Beste für dich, dass weißt du doch oder?<< flehend schaut sie mich an.
Pascal steht unsicher neben ihr, sagt aber nichts. Er ist schon die ganze Zeit ziemlich schweigsam.
Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Weiß ich, dass sie nur das Beste für mich wollen? Eigentlich nicht, denn noch immer bin ich überzeugt, dass sie mich hergebracht haben , weil sie mich loswerden wollten.
>>Wollt ihr auch mein Zimmer sehen?<< frage ich ausweichend.
Mara nickt lächelnd, doch ich kann sehen, wie traurig es sie macht, das ich ihr nicht antworte. Pascal nimmt sie an der Hand, dann folgen sie mir durch die Zweite Tür am Musikraum vorbei um die Biegung, bis zu meinem Zimmer.
Überrascht schauen sie sich um. Dafür, dass ich in diesem Zimmer seit drei Wochen wohne ist es erstaunlich Ordentlich, was wohl auch daran liegt, das ich kaum Zeit habe es unordentlich zu machen.
Nach der Besichtigungstour setzen wir uns in die Cafeteria und Trinken einen Kaffee und essen ein Stück Kuchen.
Mara schaut mir erfreut beim Essen zu.
>>Bitte starr mich nicht so an.<< sage ich bestimmt aber freundlich.
>>Tut mir leid. << entschuldigt sie sich verlegen und schaut auf ihren Teller. >>Es ist nur so ungewohnt, dich essen zu sehen. << erklärt sie mir erfreut.
Verlegen starre ich schweigend auf meinen Teller, ich habe gar nicht mehr daran gedacht, dass ich zuletzt, als ich zu Hause gewohnt habe, so gut wie nichts mehr gegessen habe.
Schweigend essen wir den restlichen Kuchen, dann gehen wir noch einmal um das Internatsgebäude herum.
Während die Zeit verstreicht, scheint Mara immer unsicherer zu werden. Immer wieder sieht sie Pascal an, als würde sie ihn fragen, ob sie das richtige tun.
Als wir das Gebäude einmal umrundet haben und wieder an ihrem Auto angekommen sind, bin ich beinahe erleichtert, dass ich diesen krampfhaften Besuch endlich hinter mir habe.
>>Ja, also... dann bis bald. << verabschiede ich mich gedehnt.
>>Mia, warte. << sagt Mara ängstlich. >>Wir müssen dir noch was sagen.<< sie schaut Pascal flehend an, so als wäre sie sich nicht sicher, ob sie mir wirklich sagen soll, was ihr auf dem Herzen liegt.
Pascal legt beruhigend einen Arm um sie, dann atmet sie noch mal unsicher auf und beginnt.
>>Also ich wollte dir noch sagen, dass du... das ich... wir... << stottert sie.
>>Mara ist schwanger. << platzt es aus Pascal heraus.
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