Kapitel 18
Als Tala aufwacht, liegt sie ganz klein an einem Ende des Bettes, da sie kaum Platz hat, weil ihre Freundin sich so breit macht. Sie steht auf, um sich ins Badezimmer zu begeben und sich anzuziehen, damit sie sich und ihrer Freundin Frühstück machen kann. Dass Youki ebenfalls da ist, hat sie schon wieder vergessen, da er nicht mehr auf dem Sofa liegt. Als sie wieder in ihr Zimmer kommt, kommt auch Youki gerade in das Zimmer hinein.
„Jetzt hast du alles kaputt gemacht, ich wollte euch Frühstück ans Bett bringen", schmollt er.
„Wieso kennst du dich schon so gut hier aus?", fragt Tala ihn lachend.
„Deine Mutter war kurz da und war mir etwas behilflich", antwortet er.
„Aber du hast doch das Essen dabei. Also ist alles palletti", grinst sie ihn an und nimmt das Tablett aus seiner Hand, um es auf den Wohnzimmertisch zu stellen.
„Ich halte es keine Sekunde mehr mit Nevada in einem Bett aus. Es ist unnormal, wie breit sie sich machen kann. Das ist unmenschlich. Niemand macht sich so breit, wie sie", sagt Tala, um sich auf das Sofa zu setzen und sich etwas von dem Orangensaft in das Glas zu kippen. Kurz nachdem die beiden angefangen haben zu frühstücken und beschlossen haben, alleine zu frühstücken, damit Nevada den Kater ausschlafen kann, kommt diese völlig verschlafen in das Zimmer hinein.
„Was macht er denn hier?", fragt sie Tala völlig verwirrt, als sie Youki erblickt.
„Das gleiche könnte ich dich fragen", sagt er grinsend. Sie setzt sich nun gegenüber von den beiden auf einen der Sessel, um sich eines der Croissants zu nehmen. Somit frühstücken die drei gemeinsam und Nevada bietet sogar an, Youki mit nach Hause zu nehmen, aber er fährt lieber nicht mit ihr, denn er glaubt, dass sie noch Restalkohol im Blut hat.
„Nein, Danke. Ich will sowieso noch gleich mein Auto abholen", sagt er.
„Ich dachte, du bist mit einem Freund gekommen", stellt Tala fest.
„Und bei dem steht mein Auto noch, denn er hat mich ja einfach sitzen lassen, als er mit seinem Auto wieder nach Hause gefahren ist", sagt er lächelnd.
„Dann müssen wir wohl die Bahn nehmen", stellt Tala fest, als Nevada schließlich weg ist.
„Du brauchst echt nicht mitkommen. Du hast schon so viel getan, ich meine, ich durfte hier schlafen. Du schuldest mir echt nichts mehr, Tala. Ich kann mein Auto alleine abholen", antwortet er.
„Dann bleibe ich halt hier, wenn du mich nicht dabei haben willst", gibt sie zurück und setzt sich schmollend zurück auf das Sofa.
„So war das nicht gemeint. Ich verbringe gerne Zeit mit dir, aber du hast doch bestimmt etwas Besseres vor, als deinen freien Dienstag damit zu verbringen, mit mir mein Auto abzuholen", erwidert er.
„So kann ich mich vor meinen Hausaufgaben drücken", lacht Tala. Nach der Diskussion ziehen die beiden sich dick an und gehen aus dem Haus, um zum Bahnhof zu laufen.
„Lass und ein Spiel spielen", schlägt Tala vor, als die beiden zum Bahnhof laufen und sich ihre Arme streifen.
„Und was ist das Spiel?", fragt Youki.
„Erzähle mir etwas, was kein Mensch über dich weiß", sagt Tala.
„So lernt man sich total gut kennen", fügt sie noch hinzu.
„Okay, aber das was ich dir gleich erzähle, ist wirklich nicht einfach für mich, okay? Ich will es dir erst erzählen, wenn wir in meinem Auto sind", erklärt er ihr.
„Du kannst dich nicht drücken. Du wirst mir hier und jetzt eine Antwort geben, denn sonst werde ich wahnsinnig und kann dich nicht begleiten. Außerdem haben wir dann keine Gesprächsthemen mehr und ich kann mich nicht über dich lustig machen", antwortet sie grinsend.
„Woher willst du wissen, dass es etwas zum Lachen ist, was ich dir erzähle?", fragt Youki sie.
„Menscheninstinkt", grinst Tala.
„Okay, ich erzähle dir jetzt etwas, was ich noch nie jemandem erzählt habe. Aber du musst es für dich behalten, okay? Versprichst du es mir?", fragt er sie.
„Tala?", fragt er, als sie keine Antwort gibt.
„Ja, ich verspreche es. Dass ich es keinem erzähle" , verspricht sie.
„Ich habe das wirklich noch nie jemandem erzählt und ich möchte auch nicht, dass es jemand erfährt. Deshalb muss ich dir wirklich vertrauen können", sagt er nun und ist auf einmal eine ganz andere Person, als die ganze vorige Zeit. Er zeigt nun eine Seite an sich, die Tala noch nicht entdeckt hatte.
„Das ist wirklich schwer für mich, jemandem das zu erzählen. Ich habe bisher immer nur mit meinem Vater darüber geredet und sonst mit keinem. Nicht einmal meine besten Freunde wissen das. Mache dich bitte nicht über mich lustig, okay? Kannst du einfach für einen Augenblick ruhig sein?", fragt er sie und sie nickt. Die beiden bleiben einen Augenblick stehen. Sie stehen sich gegenüber und Tala schaut ihm tief in die Augen, Angst vor dem was nun kommt.
„Damals, vor zwei Jahren, da hatten wir...", fängt er an zu erzählen, doch er hört mitten im Satz auf zu reden.
„Du musst es mir nicht erzählen", sagt Tala schließlich. Eigentlich dachte sie, dass wird ein lustiges Spiel und er erzählt, wie seine Badehose gerissen ist oder eine ähnlich peinliche Geschichte, doch damit hatte sie nicht gerechnet.
„Jetzt möchte ich es dir aber erzählen. Ich hasse es, wenn Menschen anfangen, etwas zu erzählen, aber es dann nicht beenden. Ich muss es dir jetzt auch zu Ende erzählen, aber ich muss aus der Menschenmasse raus.", sagt er und die beiden bewegen sich weiter Richtung Bahnhof. Die beiden steigen in die Bahn und finden zwei Plätze, auf die sie sich setzen können. Youki scheint völlig neben sich zu stehen, denn er ist nicht mehr ansprechbar. Tala nimmt einfach, ohne nachzudenken, seine Hand in ihre und streicht vorsichtig mit ihrem Daumen darüber. Bis die beiden an der Station ankommen, sagen die beiden nichts, doch dann zieht Tala ihn aus der Bahn hinaus, als die beiden angekommen sind und Tala sieht schon von weitem das Auto von Youki, welches schräg auf einem Parkplatz geparkt hat. Tala schlurft neben Youki her, bis die beiden im Auto sitzen und immer noch kein Wort gesagt haben.
Tala schließt die Autotür hinter sich und schaut Youki an, in dessen Augen sich Tränen gebildet haben. Er macht das Radio an und ein Weihnachtssong wird gespielt. Tala macht dieser Song dieses Mal überhaupt nichts aus und Youki scheint es nicht wahrzunehmen, denn sonst macht er diese Songs immer aus. Danach fängt er an zu erzählen.
„Vor zwei Jahren.. hatten wir einen Autounfall. Es war irgendwie ähnlich, wie bei dir. Du wirst mir wahrscheinlich kein Wort glauben", fängt er an zu erzählen. Er muss in irgendeiner Weise wissen, was ihr passiert ist, aber sie kann sich nicht vorstellen, woher er es weiß, denn die Menschen reden doch nicht einfach darüber, hinter ihrem Rücken, oder? Weiß er vielleicht grob, was passiert ist? In Talas Kopf kreisen tausende von Fragen und Gedanken herum, doch dann kann sie sich wieder konzentrieren und hört Youki aufmerksam zu.
„Es war ein Lastwagen, der in unser Auto gecrashed ist. Der Täter wurde als Attentäter identifiziert und wollte in den Weihnachtsmarkt hinein fahren, doch ist wegen der Glätte davon abgekommen und in unser Auto hinein gefahren, welches gerade eingeparkt ist, um auf den Weihnachtsmarkt zu gehen", sagt er und hört auf zu reden, weil ihm nun die Tränen kommen.
„Das tut mir so wahnsinnig Leid", sagt Tala.
„Mein großer Bruder saß hinten auf der linken Seite und ist", versucht er weiter zu erzählen, bricht jetzt jedoch komplett in Tränen aus.
„gestorben", beendet Tala seinen Satz.
„Ja, und das ist der Song, der im Radio lief. Es ist ähnlich, wie bei dir. Ich kann diesen Song nicht hören, genauso wenig, wie du Weihnachtssongs hören kannst und Weihnachten verabscheust. Ich müsste es eigentlich auch hassen, aber ich tue es nicht. Ich mag Weihnachten und weißt du warum?", fragt er Tala, nachdem er sich wieder etwas beruhigt hatte, doch sie schüttelt den Kopf und schaut ihn fragend an.
„Weil es mich an ihn erinnert, weil er in dieser Zeit irgendwie am meisten bei mir ist. In dieser Zeit ist er mir am nächsten", erzählt er und nun kommen auch Tala die Tränen, weil sie so berührt von seiner Geschichte ist.
„Das habe ich noch nie jemanden erzählt. Meine ganzen Freunde wissen nichts davon und ich will auch nicht, dass sie es wissen. Deshalb sind wir unter anderem umgezogen. Ich war immer nur der mit dem toten Bruder", erklärt er.
„Ich verspreche, dass ich es keinem erzählen werde. Das ist nun unser Geheimnis, denn ich weiß, wie beschissen das ist", antwortet Tala.
„Sein Zimmer ist noch genauso eingerichtet, wie damals. Meine Großeltern leben nun in dem Haus und wir besuchen sie jedes Weihnachten. Dieses Jahr sind sie allerdings im Urlaub, deshalb feiern mein Vater und ich alleine. " , erklärt Youki ihr.
„Es tut mir so unglaublich Leid", sagt sie.
„Das braucht es nicht. Du kannst nichts dafür", antwortet er.
„Darf ich fragen, wie dein Bruder heißt?", fragt Tala nun.
„Noel", antwortet Youki.
„Noel war älter als ich und war gerade dabei sein Abitur zu machen, doch abschließen konnte er es nie. Wäre ich nicht dabei gewesen, wäre er vermutlich noch am Leben. Aber ich mache mein Abitur, damit ich es für ihn zu Ende bringen kann. Er hat so vieles nicht mehr erleben können. Er hatte zwar seine erste Freundin, zumindest konnte er das noch erleben. Sie war am Boden zerstört, als dass passiert ist. Wir haben heute manchmal noch ein bisschen Kontakt. Aber er hatte nie seine erste eigene Wohnung und konnte nie seinen Wunsch zu studieren ausüben. Er weiß nicht, wie es ist zu arbeiten und alt und grau zu werden, mit seiner großen Liebe. Er hat so vieles nicht erlebt und das tut so verdammt weh Verstehst du?", fragt er sie.
„Wieso meinst du, dass er noch am Leben wäre, wenn du nicht dabei gewesen wärst?", fragt Tala vorsichtig.
„Weil ich wollte, dass er hinten bei mir sitzt und nicht vorne bei Mama. Als er den LKW sah, hat er sich über mich geworfen, um mich zu schützen. Wäre ich nicht da gewesen, hätte er vorne gesessen und er hätte niemanden beschützen müssen", erklärt er Tala und wieder läuft ihm eine Träne über das Gesicht, die er schnell versucht, wegzuwischen.
„Du bist nicht schuld daran. Ich habe mir auch lange die Schuld gegeben und manchmal tue ich das heute noch. Aber uns trifft keine Schuld. Merke dir das bitte okay?", fragt Tala und umarmt ihn erst einmal innig.
„Okay", antwortet Youki und nach einer Weile des Schweigens und fährt los, doch in Gedanken ist er immer noch bei seinem Bruder und er wird wohl auch niemals damit aufhören, sich die Schuld an seinem Tod zu geben, denn die paar Worte von Tala sind eigentlich von einem Ohr aus dem anderen wieder raus gegangen, wie es manchmal in der Schule ist, wenn der Lehrer etwas uninteressantes und langweiliges erzählt. Youki fährt dennoch bedacht, auch wenn er in Gedanken woanders ist, denn er will keinen Unfall versursachen, bei dem möglicherweise Menschen ums Leben kommen.
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