24.12.2020
Kein Wort kommt über meine Lippen an diesem Morgen. Nicht einmal, als Ryan mir Frühstück ans Bett bringt. Kein Danke - kein Nichts.
"Also, was ist mit der Quinn passiert, die vor 24 Tagen plötzlich ganz auβer sich vor Freude nach New York geflogen ist?" - Nichts. - "Quinn, Schatz, Liebling", versucht er es weiter, als hätte ich ihn nicht gehört. Als hätte er vergessen, was er vor ein paar Tagen am Telefon gesagt hätte. Seine Worte schallen immer noch in meinem Kopf. da kann man leider nichts machen hatte er gesagt. Kein brauchst du Hilfe? Kein es tut mir leid, dass ich nicht schon früher kommen kann, Quinn. Nichts. Er hätte wenigstens anrufen können, bevor er einfach so aus heiterem Himmel aufschlägt und mich plötzlich zur Gala begleiten will.
Vor zwei Wochen nur wäre ich überglücklich darüber gewesen, wenn er spontan hier zu mir gekommen wäre, um mich zur Gala zu begleiten. Doch jetzt fühlt es sich falsch an. Er ist nicht der, der mich zur Gala begleiten soll. Ich bin nicht mehr die Quinn, die aus ihrem Heimatdorf auf dem letzten Fleck der Erde kommt. Ich bin ein hoffnungsloser Fall, bereit in die Klappsmühle zu gehen. Ich habe Wünsche und Träume von Menschen zerstört. Ich bin ein Monster.
"Na komm schon", Ryan schnappt sich meine Hände und zieht mich hoch. Ein seltsames Gefühl. Ein Gefühl, das ich so lange nicht mehr gespürt habe, dass ich verlernt habe, damit zu leben. Unfreiwillig stehe ich wackelig ohne Motivation auf den Beinen und schaue in Richtung Ryan. Vor mir sehe ich den Jugendlichen, der als Teenager mein bester Freund wurde.
"Ich kann nicht mehr so leben, Ryan." Gerade noch ist er motiviert und voller Zuversicht mich aufzuheitern und im nächsten Moment schaut er mich fragend an: "Wie meinst du das?" Seine Mimik verblasste allmählich. - "Du warst und wirst immer mein bester Freund bleiben. - Aber ich habe erkannt, dass da nie mehr war. Es war immer nur Freundschaft, nicht mehr. Für dich vielleicht aber nicht für mich." auf einmal komme ich viel angriffslustiger rüber, als ich gedacht habe. Meine Power ist wieder da.
Ryan nickt bloβ getrübt und verschwindet dann im Flur. Habe ich gerade noch einem Mann das Herz gebrochen? Nein. Ich habe nur die Wahrheit gesagt. Aber ich habe Schluss mit meinem besten Freund gemacht.
Ich bekomme kein Bissen herunter. Stattdessen übe ich für meinen Text, den ich heute Abend vor allen Menschen präsentiere. Eifrig blättere ich in den Karteikarten umher, suche die passenden Stellen, doch bin am Ende verwirrter, als am Anfang. Ryan geht mir einfach nicht aus dem Kopf. Ob ich nach ihm sehen sollte?
Nein, besser nicht. Ich muss ihm etwas Zeit lassen zum Nachdenken. Ich habe es nicht anders verdient.
Die Gala nähert sich langsam. Drauβen wird es immer kälter und ich schlüpfe in mein Weihachtskleid, das bezaubernd in rot und weiβ funkelt. Es ist wirklich magisch geworden und irgendwie erinnert es mich an meine Zeit hier in New York.
Jakob, wie ich ihn zum ersten mal traf, als mir mit dem Gepäck half.
Jay, der mir den Kopf verdrehte im Fitnissstudio.
Aber auch Ryan, der mich betrunken von einer Party nach Hause brachte.
Ich habe so schöne Momente erlebt mit allen dreien von ihnen. Doch nur einer oder keiner kann in meinem Leben bleiben.
Noch ein letztes mal betrachte ich mich im Spiegel, bevor ich die Wohnung verlasse. - Allein. Ich gehe zu Fuβ zur Argentur, da mich niemand fahren kann und das Geld für ein Taxi nicht da ist.
"Quinn! Da sind Sie ja! Ich habe Sie bereits erwartet. Haben SIe die Rede?" - "Ja, habe ich." - "Na, dann kannˋs a losgehen!", verkündet sie voller Stolz. Vor mir ist die ganze Halle mit Menschenmassen gefüllt. Fast jeder von Ihnen hält ein Sektglas in der Hand und schaut mich neugierig an. - "Wo ist ihr Begleiter?",fragt Miss Gleece verwundert und schaut sich hinter mir um. - "Er musste nur einmal ins Badezimmer", log ich, um mir nicht vor allen Augen anmerken zu lassen, dass ich alleine bin. - "Sollen wir noch warten?", fragt Miss Gleece mit fester Stimme. - "Nein, nein. Wir können anfangen", verkünde ich doch mit einer anderen Meinung im Kopf.
Nun stehe ich auf der Bühne. Von hier aus kann man noch viel mehr die Deko an den Wänden und der Decke sehen, die extra für dieses Fest aufgehangen wurde. Alles funkelt und strahlt.
Ich spreche in das Mikrofon vor mir, um die Aufmerksamkeit der Leute zu erlangen. Doch fast niemand nimmt mich wahr. Dann, eine Dame im blauen Kleid, klopft drei mal mit ihrem Löffel an das Sektglas. Sofort horchen alle auf und starren mich an. Ich denke mal, ihnen gefiel mein Kleid, zumindest redeten sie quer durch den Raum.
"Danke", bedanke ich mich bei der Frau, die mir aus der Patsche geholfen hat. Nervös blätttere ich in den Karteikarten herum. Meine ersten Worte sind noch klar und deutlich. Die darauffolgenden werden immer undeutlicher und missverständlicher und ergeben zum groβen Teil keinen Satz: "Herzlich Willkommen auf dieser Weihachtsgala, hier in der Modelargentur. Vielen Dank, dass Sie so zahlreich heute Abend erschienen sind. Ich möchte gerne damit anfangen...ähm...und...mich bei Miss Gleece bedanken, die mich so sehr bei meiner Übergangsfasse nach New York unterstützt hat", augenblicklich wandern alle Blicke zu Miss Gleece, die selbstbewusst zu ihrem Publikum winkt. Weihnachten. Was ist das? Es ist das Fest des Schmerzes. Nein...Verzeihung...der Liebe. Fest der Liebe", in der Menge kommt unruhe auf. Nervös tippe ich von einem Fuβ auf den anderen, wühle in den Karten herum, bis sie auf einmal komplett durcheinander sind. Ich schaue in die Menge, entschuldige mich tausendmal bei den Menschen, die sich aufgebracht bei mir beschweren.
Miss Gleece will schon zur Bühne stürmen, um mich aus diesem Elent zu befreien. Doch jemand hält sie auf. Jemand, den ich kenne. Besser bekannt als "nur ein Freund". Schnell schaue ich mich in der Menge um, ob ich auch noch Jay und Ryan irgendwo entdecke. Und tatsächlich! Sie stehen nicht einmal fünf Meter von der Bühne entfernt. Jay macht eine Handbewegung. Ich kann sie nicht ganz deuten, doch ich versuche es. Nach zwei Minuten verstehe ich dann, was er meint. Und ich tue es. In diesen Sekunden geht mir so viel durch den Kopf. Wieso sind sie zurück gekommen nach meinem lächerlichen Verhalten?
"Meine Damen und Herren! Darf ich um Ihre Aufmerksamkeit bitten", kommt es selbstbewusst aus mir heraus. Ehrlichgesagt weiβ ich nicht, woher dieser Mut plötzlich kommt, doch ich mache weiter: "In dem letzten Monat ist vieles passiert, was ich schätze, doch auch bereue." In diesem Moment schmeiβe ich meine Karteikarten zu Boden. DIe brauche ich nun nicht mehr: "Ich habe vorallem drei meiner wichtigsten Menschen im Leben verletzt und das ist allein meine Schuld. Wenn ich könnte, würde ich es augenblicklich wieder bei ihnen gut machen, doch das kann man nicht." Mein Blick wandert zu den dreien, die stillschweigend mit einem Lächeln im Gesicht auf mich schauen. - "Ryan, Jay und Jakob", wende ich mich persönlich an sie: "Ich weiβ zwar nicht, weshalb ihr zurückgekommen seid, weil ich es eigentlich nicht verdiene, aber - ich muss euch sagen, wie leid es mir tut, was ich euch in dem letzten Monat angetan habe. Jeder von euch ist einzigartig auf seine ganz persönliche Weise. Doch ich will nicht länger mit euch wie Spielfiguren spielen und euch von diesem Tag an geloben, dass ich euch immer die Wahrheit erzählen werde." Ein dankender Gesichtsausdruck spielt sich auf ihren Gesichtern ab. - "Weihnachten. Was ist Weihnachten? Weihnachten ist zwar das Fest der Liebe, doch auch das Fest der Schmerzens und der neuen Hoffnung. Man muss loslassen, um glücklicher zu werden. Das Fest der Liebe sollte man mit seinen Liebsten verbringen. Doch ihre Anwesenheit verdient man sich nur durch Ehrlichkeit. Und ich war das nicht. Deshalb möchte ich heute Abend und in Zukunft ehrlich sein. Ihr seid alle Farbelhaft auf eure Weise. Doch ich kann nicht mit euch allen drei zusammen sein." Diese Worte tuen mir selber im inneren weh. Die Leute im Raum erschrecken, als ihnen klar wird, was ich letzten Monat angestellt habe. Doch ich weiβ mich zu wehren: "Es ist mir egal, was Sie nun von mir denken! Es ist mir egal, was alle von mir denken! Ich lebe nicht für die Meinung anderer! Ich lebe für mich selbst! Und mein Glück braucht einfach drei perfekte Männer, das dachte ich zumindest", ich gebe den dreien mein schönstes Lächeln: "An Weihnachten sollten Sie das tun, was Sie glücklich macht und die Zeit mit den Leuten verbringen, die Sie glücklich machen. Egal, was andere von Ihnen denken! Das, oh ja - genau das ist Weihnachten!", mit diesen Worten beende ich meine Rede. Ein paar Leute klatschen für meine Worte, die anderen schweigen. Doch das ist mir inzwischen egal. Ich bin Quinn Campbell und mir ist es egal, was andere von mir denken, solange es mich glücklich macht.
Ich falle den drei freudig in die Arme. Sie freuen sich ebenfalls. Es ist wie ein Wunder, dass alle drei wieder glücklich sind und nicht mehr wütend auf mich.
Und drauβen vor dem Fenster fängt es friedlich leise an zu schneien.
Frohe Weihnachten und ein frohes neues Jahr euch allen!
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