23.12.2020

Komischerweise wache ich diesen Morgen ungewöhnlich früh auf, so dass ich noch viel Zeit habe, mich fertig zu machen. Vielleicht kann ich das Kochen zum Frühstück ausprobieren. Ich hätte dann auch noch genügend Zeit, um das Chaos zu beseitigen.

Also fange ich an zu kochen und mich etwas recht zu machen, bevor Jakob aufstehen würde und den vollgefüllten Tisch sehen würde. Ich passe haarscharf da drauf auf, dass diesmal nichts überkocht. Es wird ein typisches englisches Frühstück. Das fand ich so lecker, als ich für ein halbes Jahr mal in England war. Komischerweise sind mir da die Männer nicht so hinterher gelaufen. Vielleicht lag es daran, dass ich erst 16 war.

"Nichts verbrannt", gratuliert Jakob mir leicht verwundert mit schnuppernder Nase. - "Natürlich nicht. Diesmal habe ich ja auch aufgepasst." Stolz fülle ich die Teller auf und setzte mich mit Jakob an den Tisch.

"Ich muss heute wieder arbeiten gehen. Und Miss Gleece mein Kleid zeigen. Wo habe ich das bloβ hingelegt?" - "Du wirst es schon finden und den Tag heute rocken. Du hast lange und hart dafür gearbeitet. Ich bin mir sicher, sie wird das Kleid lieben." - "Nett, dass du das sagst."
"Sag mal, wer geht mit dir jetzt eigentlich zur Weihachtsgala?", schneidet Jakob das Thema an, mit dem ich den Tag eigentlich nicht starten wollte. - "Also, da du ja nicht kannst und ich mit Jay gerade nicht so gut bin, kommt ein Freund aus meiner alten Heimatstadt." - "Ein Freund?" Ich nicke schnell. - "Nicht mehr und nicht weniger", log ich.
Ich weiβ, dass es falsch ist, ihn anzulügen, doch ich brauch noch ein bisschen mehr Zeit, um mich für einen von ihnen zu entscheiden. Später könnte ich dann einfach sagen, dass es eine Notfalllüge war. Ich versuchte, den Gedanken jetzt erstmal zu verdrängen und an die Arbeit zu denken.

"Also", fange ich leicht zögernd an, als wir mit dem Essen fertig sind: "Bringst du mich wieder?" - "Eigentlich habe ich keine Lust dadrauf - Aber, wenn ich schon mal wach bin", spaβt er. Dafür bekommt er einen Tritt auf seinen Fuβ von mir.

Natürlich fahren wir wieder den Umweg, um sicher ans Ziel zu kommen. Wir haben schlieβlich aus dem Unfall gelernt, obwohl ich sagen muss, dass dieser Nervenkitzel mir gefallen hat.
In der Argentur laufe ich sofort MIss Gleece über den Weg. - "Da sind Sie ja wieder! Ich habe mir schon Sorgen gemacht, dass irgendetwas nooch schlimmeres passiert ist", sie lacht schief und drückt mich am Rücken neben sich her. Ich hoffe, Sie haben das Kleid dabei? Die Teilnehmer warten nähmlich schon auf das Endergebnis und eigentlich mache ich keine Ausnahmen, wenn es um das Einreichdatum geht. Aber bei Ihnen war es ja total schlimm und deshalb habe ich eine Ausnahme gemacht. - Es ist schlieβlich morgen Heiligabend!", schreit sie in den Raum, doch keine einzige Person scheint sich drum zu schärren.

Im Unterrichtsraum angekommen, hole ich das Kleid hevor und halte es stolz in die Höhe, vor Miss Gleece Augen. Sie ist hin und weg, was mir ein breites Grinsen verpasst. - "Oh, es ist hinreizend! Einfach perfekt! Werden Sie es morgen auch tragen?", fragt sie ganz auβer sich. Darüber habe ich noch gar nicht nachgedacht. Doch ich denke, ich werde es tragen. Irgendwann muss es schlieβlich getragen werden. Ich nicke. - "Dann werden Sie gleich auf dem Catwalk laufen mit diesem Kleid, damit ich es mir überlegen kann." Schnell nicke ich und gehe mich umziehen. Sie sitzt streng und mit durchgestrecktem Rücken vor dem Catwalk und blickt zu mir, die geradewegs auf dem Weg zu ihr versuche, eine gute Pose abzugeben. Ich versuche, nicht nervös oder verunsichert aufzutreten, doch ich bezweifle, dass das heute nicht gerade mein Tag ist.

Nach dem Laufen, werde ich noch zusammen mit den anderen Models unterrichtet. Jeder ist aufgeregt, als Miss Gleece die Entscheidung verkündet: "Ich war wirklich beeindruckt von Marys Catwalk", sie deutet auf eine junge braunhaarige Schülerin: "Doch es ging nicht nur um den Catwalk, sondern um das Kleid und den Look. Und da das mehr zählt, als der Catwalk in diesem Wettbewerb, gewinnt heute Quinn, mit ihrem einzigartigem Weihachtslook." In dem Moment starren mich alle von der Seite an, als hätten sie jetzt erst gemerkt, dass ich hier in dieser Klasse existiere. Was vermutlich auch der Fall ist. Dankend und mit pochendem Herzen in der Brust übernehme ich den kleinen Pokal, der extra für diesen Wettbewerb entworfen wurde.

Voller Leben und Freude stürme ich zu Jakobs Auto, steige ein und präsentiere ihm Stolz meine Trophäe und rede auf ihn ein. Doch er scheint sich nicht dafür zu interessieren, schenkt mir keine Aufmerksamkeit und starrt mit wütender Grimasse auf die Straβe vor sich. - "Ist es wahr?", raunt er mit fallender Stimme. - "Was?", frage ich verwirrt. Ich weiβ, dass es nicht um den Wettbewerb geht. - "Stimmt es, dass du einen festen Freund in deiner alten Stadt hast, der vielleicht dieser "nur ein Freund" ist?" - "Woher weiβt du?" - "Ich habe mit Jay heute gesprochen. Er hat mir alles erzählt. Ja sogar deine Liebesafähre mit ihm!", seine Stimme erhebt sich. Es treibt mir die Trännen in die Augen. - "Jakob - Ich kann das erklären. Es ist nicht so, wie du denkst. Das ging alles so schnell und..." - "Du hast mich mit zwei anderen Männern betrogen! Wie kann ich dir das je verzeihen?" - "Jakob", flüstere ich verängstigt. - "Ich habe genug gehört - geh!" Ich schüttel mit dem Kopf: "Jakob, ich..." - "Geh schon! Raus hier!", brüllt er durch das ganze Auto, so dass man es bis auf die Straβe hören kann. Dabei umkralt er das Lenkrad mit seiner einen Hand so fest, dass seine Muskeln zittern. Sein Gesicht ist feuerrot immer noch mit Blick auf die Straβe. Nicht einen Augenblick auf mich gerichtet.
Schnell steige ich verängstigt aus dem Wagen aus und sehe ihm nach, wie er wegfährt. In diesem Moment bin ich nicht wütend auf Jay, weil er es Jakob erzählt hat. Ich bin wütend auf mich selber. Wieso habe ich mich bloβ jemals darauf eingelassen?

In Selbstmitleid versunken setzte ich mich auf die Stufen vor der Argentur bis es dunkel wird. Die ganze Zeit denke ich nur über meine Tat nach. Ich habe alles vermasselt. Mein Gesichtsausdruck bleibt eiskalt. So wie das Wetter. Es wird immer kälter und beinah hat man das Gefühl, es würde gleich anfangen zu schneien. Doch das interessiert mich nicht. Ich habe keinen Platz, wo ich schlafen konnte. Sollte ich etwa in dieser Kälte mit nur einem dünnen Kleid die Nacht verbringen?

"Quinn!", überfällt mich eine Stimme, woraufhin ich aufblicke. Ryan kommt auf mich zugelaufen. Und zum ersten Mal in meinem erbärmlichen Leben, freue ich mich kein bisschen über seinen Besuch. - "Als ich dich nicht in deinem Hotel gefunden habe, habe ich gedacht, du bist hier. Du musst ja ganz unterkühlt sein. Komm her, ich gebe dir meine Jacke. Nur unfreiwillig stehe ich auf und lasse mir seine Jacke über die Schultern legen. Gedankenverloren und total blass im Gesicht beachte ich ihn nicht und starre ins Leere. Wenn ich schon drei Menschen in meinem Leben verletzte, dann will ich hier drauβen erfrieren. Ich schäme mich so für mein Verhalten und fühle mich so arrogant und selbstsüchtig. An Jakobs und Jays Stelle wäre ich ganz weit weg gerannt und hätte mein Ich alleine zurück gelassen. Ich bin so ein schlechter Mensch.

"Na komm. Wir suchen uns ein Hotel für diese Nacht. Ich habe gehört, dass du dein Hotel verlassen hast. Das musst mir umbedingt später erklären." An diesem Abend, als wir ein luxeriöses Hotelzimmer bewohnt haben, spreche ich immer noch kein einziges Wort mit ihm, weise ihn und sämtliches Essen ab. Ich will nur noch im Boden versinken und für immer alleine sein, wo ich niemanden verletzen kann.

Ryan versucht mich wieder aufzumuntern, doch ohne Erfolg. Ich bleibe eiskalt zu ihm.   

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