33 | Ungewissheit

Was soll ich euch sagen? Ich liebe euch auch.

Cassie griff hilflos nach Johns Hand, als sie auf einen Arzt warteten. Nach einem kurzen Quick-Check des eintreffenden Sanitäters, der ihren Kopf und das Reaktionsvermögen getestet hatte, hatten sie Cassie ins Krankenhaus gefahren. John hatte sie ohne zu zögern begleitet und war bei ihr geblieben, als die Ärzte weitere Untersuchungen mit ihr durchgeführt hatten. Nun saßen sie in einem Besprechungsraum und warteten auf einen Gynäkologen.

„Was, wenn dem Baby etwas passiert ist?"

Cassie drehte John verzweifelt den Kopf zu. Ihre Augen hatten sich mit Tränen gefüllt.

„Vertrau mir. Dem geht es gut", versicherte er und drückte ihre Hand sanft zusammen. Sie wollte ihm so gern glauben, doch es fiel ihr wahnsinnig schwer. Besorgt strich sie über den noch immer schmerzenden Unterleib, versuchte, in sich hineinzuhören und konzentrierte sich darauf, das kleine Wesen in sich zu spüren.

„Ich habe so wahnsinnige Angst, John. Wochenlang haben wir uns gefreut, weil es endlich geklappt hat und ich hätte beinah die Show hingeschmissen, um nichts zu riskieren, aber alles ist gutgegangen. Und jetzt verlieren wir unser Baby, weil ich nicht gut genug aufgepasst habe?"

Ihr Hals schnürte sich so sehr zu, dass ihre Stimme brach.

„Wir verlieren das Baby nicht. Es wird alles gut", versprach er ein weiteres Mal. „Und es war auch nicht deine Schuld."

„Weißt du, wie oft ich mich vor Willow beinah verplappert habe?", fragte sie kopfschüttelnd. „Und jetzt, wo wir die drei Monate fast geschafft haben und es endlich allen sagen können, da..."

Sie brach ab, strich sich die Haare aus dem Gesicht und schüttelte ungläubig den Kopf. Die Vorstellung, dieses Baby, das beinah zwölf Wochen in ihr gewachsen war, doch noch zu verlieren, zerriss ihr das Herz. Nie hatte sie geglaubt, einen derartigen Schmerz spüren zu können, und von einer Sekunde auf die andere verstand sie erst das Leid, das Nika und Marten erfahren hatten. Es war viel zu groß, um es überhaupt in Worte zu fassen. John strich ihr die Tränen von den Wangen, als sie die Kontrolle verlor.

„Wein nicht. Es wird alles gut", wiederholte er und schlang seinen Arm um sie. Es tat gut, dass er bei ihr war, ihr Sicherheit und Halt gab. Als er ihr ins Gesicht schaute, bemühte sie sich, zu lächeln.

„Wir stehen das zusammen durch, okay?", flüsterte er. Sie erschauderte unter seinem intensiven Blick. Er hatte etwas Beruhigendes. „Ich liebe dich so sehr, ich kann das gar nicht in Worte fassen. Egal, was jetzt passiert, ich weiche nicht von deiner Seite. Hast du das verstanden?", setzte er hinzu. Sie war so überwältigt von seinen Worten, dass sie ihm ein gerührtes Lächeln schenkte. „Ich liebe dich auch", erwiderte sie und drückte ihm einen Kuss auf. Als ihre Lippen sich berührten, schloss sie kurz ihre Augen und genoss dieses wohlige Kribbeln in ihrem Bauch, das sogar die Unterleibsschmerzen kurz ganz klein und unbedeutend erscheinen ließ. Gerade, als sie sich voneinander lösten, betrat der Arzt das Behandlungszimmer. Er schenkte ihnen ein aufmunterndes Lächeln.

Cassie glaubte, vor Nervosität gleich das Bewusstsein zu verlieren. Der blonde Arzt Mitte Vierzig, der sich ihnen als Dr. Westermann vorstellte, setzte ein sachliches Gesicht auf.

„Der Kollege hat mich bereits informiert. Zunächst möchte ich mit Ihnen ein paar Dinge besprechen, bevor wir über die möglicherweise anstehende Untersuchung reden."

Er gab den beiden einen Moment, den Unfallhergang so gut es ging zu rekonstruieren, ehe er ein paar Standard-Fragen der Gynäkologie abarbeitete. Er erkundigte sich nach ihrer letzten Monatsblutung, ihrem letzten Frauenarztbesuch, ihren Verhütungsmethoden, vorliegenden Vorerkrankungen innerhalb der Familie und einer möglichen Schwangerschaft, bevor er zur Untersuchung überging.

„Ich werde zunächst eine Ultraschalluntersuchung durchführen, um nach dem Baby zu sehen. Anschließend sehe ich mir die Organe an. Ich will ehrlich zu Ihnen sein: Ihre Schmerzen scheinen mir eher von einer Verkrampfung her zu rühren, nicht von einem Problem des Kindes. Wenn wir hier keine Auffälligkeiten feststellen können, würde ich Sie gern an ihre Gynäkologin überweisen."

Cassie fühlte sich ein wenig sicherer, denn es klang nicht danach, als hätte der Arzt große Sorge um das Baby. Doch vor Abschluss der Untersuchung wollte sie nicht erleichtert aufatmen.

„Wenn Sie möchten, können Sie sich direkt freimachen und ich schaue mir das mal an", sagte Dr. Westermann freundlich.

„Von innen?", knurrte John. Cassie schmunzelte.

„Zunächst einmal von außen. Anschließend vielleicht noch von innen."

Cassie entging nicht, wie skeptisch John sie dabei beobachtete, als sie die Hose und den String auszog, sich auf die Behandlungsliege legte und ihre Beine spreizte. Zunächst tastete der Arzt vorsichtig auf Cassies Unterleib herum. John stellte sich misstrauisch daneben und schaute dem Arzt genauestens auf die Finger, als dieser nach der Tastuntersuchung schließlich das durchsichtige Gel auf das Ultraschallgerät auftrug. Sie griff nach seiner Hand, um ihn zu beruhigen.

„Das sieht aber alles ganz gut aus. Andernfalls könnten Sie das hier gar nicht aushalten. Moment, ich muss hier mal eben..."

Der Arzt brach ab und kniff seine Augen zusammen. John versuchte seine Gereiztheit zu überspielen, während der blonde Arzt wie gebannt auf den Bildschirm seines Ultraschalls schaute.

„Frau Rosado. Ich habe gute Nachrichten", sagte er schließlich. Sie atmete erleichtert aus und griff nach Johns Hand. „Es ist also alles in Ordnung?", hakte sie nach und musterte den Arzt erwartungsvoll. „Ja, ihre Tochter hat den Unfall unbeschadet überstanden."

So. Und jetzt sagt mir nochmal, dass ihr mich hasst :D Aber wie gesagt, ich liebe euch auch :D

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top