31 | Rotlicht-Romantik

Okay. Hier ist er also, der zweite Teil :) Viel Spaß mit Papa M. auf dem Kiez. 

„Kriegst du das allein hin, ohne die beiden umzubringen, oder willst du besser deinen Sohn mitnehmen?"

Marten schnaubte wütend.

„Der ist der Letzte, den ich dabei gebrauchen kann. Der spielt sich bloß wieder auf. Sorg dafür, dass der Prolet den Schampus bezahlt. Ich bin weg", sagte er, dann verabschiedete er sich von Joker und machte sich auf den Weg. Als er seinen Wagen kurz darauf durch die Parallelstraße der Amüsiermeile lenkte, setzte er ein finsteres Gesicht auf.

Die dumpfe Musik, die aus einigen Clubs drang, wurde von den Stimmen der Partygänger geschluckt, die mitten in der Nacht durch die vielen Gassen aus und in die Bars, Diskotheken, Imbissläden, Kneipen und Bordelle strömten. Die bunten Lichter der verschiedenen Etablissements tanzten vor seinen Augen. Den Blick starr auf den Taxistand gerichtet, der in immer greifbarere Nähe rückte, biss er die Kiefer fest aufeinander und versuchte, die in ihm brodelnde Wut zu kontrollieren. Als sein Blick auf die beiden Mädchen fiel, die wie zwei Obdachlose auf dem Boden saßen, begann das Blut in seinen Adern zu kochen. Er bremste, dann sprang er aus dem Auto. Mit schnellen Schritten ging er auf sie zu. Wie oft hatte er Lia gesagt, dass sie hier nichts verloren hatte? Warum zur Hölle hörte sie nie auf ihn?

Das Mädchen mit den großen, blauen Augen und den wilden, brünetten Locken bemerkte ihn als erste. Kaia stieß Lia an und deutete mit einem Kopfnicken auf Marten. Als Lia ihn sah, schaute sie ihn einfach nur an. Die Blondine war ihrer Mutter wie aus dem Gesicht geschnitten und erinnerte ihn immer mehr an Nika. Doch obwohl er sie mehr liebte als sein Leben, setzte er einen finsteren Gesichtsausdruck auf, als er schließlich vor den beiden stehenblieb. Die Jeans, die sie trug, war für seinen Geschmack viel zu eng und das Top so kurz, dass sie viel zu viel Haut zeigte. Was dachte sie sich dabei, hier so herumzulaufen und sich praktisch zur Zielscheibe für jeden besoffenen Wichser zu machen, der ihr über den Weg lief? Noch ehe sie aufstehen konnte, zog er sie kommentarlos auf die Beine.

„Spinnst du?", fuhr sie ihn an, doch er ließ sich davon nicht beeindrucken.

„Das sollte ich euch fragen", konterte er, während er Kaia aufhalf, die, genau wie Lia, Schwierigkeiten hatte, das Gleichgewicht zu halten.

„Voll korrekt, dass du uns abholst", sagte Kaia anerkennend und strich sich durch die wilden Locken. Er warf ihr einen finsteren Seitenblick zu.

„Ja, klar. Hab ja sonst nichts zu tun", knurrte er, dann sah er sich um und schob die beiden zu seinem Auto. Er glaubte, jede Sekunde die Selbstbeherrschung zu verlieren.

„Ich hab dir gleich gesagt, dass es ne Scheiß-Idee ist, meinen Vater anzurufen", nuschelte Lia ihrer Freundin zu.

„Kannst es ja das nächste Mal bei deiner Mutter versuchen", schoss Marten kühl zurück. Lia verdrehte die Augen.

„Ich bin doch nicht lebensmüde."

Noch immer rasend vor Wut lud Marten die beiden Mädels in seinen Wagen, dann stieg er ein, startete den Motor und brauste davon.

„Was habt ihr überhaupt hier verloren?", fragte er und schaute von Lia zu Kaia, dann wieder auf die Straße.

„Ne Freundin hat im Velvet ihren Geburtstag gefeiert", erzählte Kaia.

„Und da habt ihr euch gedacht, könnt ihr euch mal so richtig abschießen", schlussfolgerte Marten kopfschüttelnd. Kaia hob abwehrend die Hände.

„So viel haben wir gar nicht getrunken", beteuerte sie. Er runzelte die Stirn und musterte sie flüchtig über den Rückspiegel.

„Deshalb kannst du auch so gut einen Fuß vor den anderen setzen", kommentierte er bissig. Kaia kicherte.

„Okay, vielleicht ein, zwei Drinks zu viel", räumte sie ein und hatte in dem Moment riesige Ähnlichkeit mit Cassie.

„Eher so zehn", lachte Marten unwillkürlich.

„Sag das nicht Nio, okay?", bat Kaia ihn. Marten zog irritiert die Augenbrauen hoch.

„Was hat der damit zu tun?", wollte er wissen und sah nochmal über den Rückspiegel zu Kaia.

„Ach, neulich hatten wir so ne Diskussion übers Trinken", erzählte sie. „Und er meinte, er findet es nicht cool, wenn Frauen sich volllaufen lassen."

„Muss der gerade sagen. Der hat sich gerade noch ne Flasche Dom Perignon in die Birne gekippt."

Erst, als Lia ihm einen misstrauischen Seitenblick zuwarf, realisierte er, dass er seine Gedanken offen ausgesprochen hatte. Kaia legte neugierig den Kopf schief.

„Ach ja?"

„Keine Ahnung, war bloß ne Vermutung", sagte Marten lässig, um nicht vor Lia darüber sprechen zu müssen. Schließlich hatte er noch nicht mit Nika geredet und sie musste ihm da nicht zuvorkommen.

„Achso", sagte Kaia betont desinteressiert und knibbelte an ihren perfekt manikürten Nägeln herum. Marten musterte sie misstrauisch. „Also, weißt du, wo er heute ist?", hakte sie nach, als er nicht antwortete. Auch Lia sah wieder neugierig zu ihm und kniff leicht die Augen zusammen, so, als würde sie bereits ahnen, dass er mehr wusste, als er zugab.

„Nee. Wollte damit nur sagen, dass er manchmal selbst über die Stränge schlägt", versuchte er, seinen Kopf nochmal aus der Schlinge zu ziehen, bevor sie sich zu ziehen konnte. „Warum ist es überhaupt wichtig, wie Nio das findet?", ging er zu einem Gegenangriff über, bevor Kaia weiter lästig nachbohren konnte. Die hielt den Blick auf ihre Nägel gerichtet.

„Ist es nicht", leugnete sie. „Ich hab bloß keinen Bock, dass er mich demnächst deshalb zu Tode nervt, weil er meint, zu wissen, was das Beste für alle anderen ist."

Marten seufzte innerlich auf, als er begriff, dass da irgendetwas zwischen Kaia und Nio ging, das ihm bisher entgangen war. Die beiden kannten sich seit seiner Geburt und waren zusammen aufgewachsen. Aber bisher hatten weder Cassie und John, noch Nika und er den Eindruck gehabt, dass die beiden mehr füreinander übrighatten. Das wirkte gerade das erste Mal anders, zumindest von Kaias Seite.

„Da kenne ich noch jemanden", nuschelte Lia. Marten ignorierte ihren nervtötenden Einwand fürs Erste und konzentrierte sich weiter auf Kaia.

„Und weshalb interessiert es dich so, wo er heute ist?", bohrte er weiter, um zu sehen, ob sie sich aus der Reserve locken ließ.

„Ach, juckt mich gar nicht, was der macht, ehrlich", sagte sie betont gleichgültig. Als Kaia das Schmunzeln bemerkte, das ihm übers Gesicht huschte, seufzte sie schwer. „Okay, wenn du es unbedingt wissen willst – ich habe ihn vor dir angerufen, weil ich nicht wollte, dass ihr mitbekommt, dass wir ein bisschen zu viel getrunken haben, aber er ist nicht rangegangen", brachte sie jetzt Licht ins Dunkel.

„Aha", machte Marten unbeeindruckt. Lia verdrehte die Augen.

„Mach dir nichts vor. Der hätte uns bei der erstbesten Gelegenheit ans Messer geliefert, spätestens, wenn ich wieder mal nicht nach seiner Pfeife tanze", sagte sie überzeugt. Marten musterte sie von der Seite.

„Als ob du dich von Nio unterbuttern lassen würdest..."

Er glaubte, zu sehen, dass sie schmunzelte.

„Außerdem hätte er noch schlimmer reagiert als du, wenn er uns abgeholt hätte", ergänzte sie. Marten schnaubte.

„Dafür, dass du so viel gesoffen hast, bin ich noch voll locker", verteidigte er sich. Lia drehte Kaia den Kopf zu.

„Das sagt dein Vater auch immer, oder?", kicherte sie. Kaia stimmte mit ein.

„Mein Dad ist voll locker. Das ist der Unterschied."

Marten warf ihr einen finsteren Blick über den Rückspiegel zu.

„Werd nicht frech, sonst sag ich Nio doch Bescheid."

„Ich wünschte, ich hätte auch so entspannte Eltern wie du", nuschelte Lia. Marten verdrehte die Augen.

„Du kannst froh sein, dass du nicht bei Oma und Opa aufgewachsen bist. Frag mal Mama, wie das war."

Lia winkte ab.

„Brauch ich nicht. Kann ich mir bei Oma Doris schon ganz gut vorstellen, dass sie nicht viel zu lachen hatte", murmelte sie trocken, dann wandte sie ihren Blick aus dem Fenster. Den Rest der Fahrt sprachen sie kaum ein Wort miteinander. Erst, als er Kaia sicher zuhause abgesetzt hatte und sie sich auf den Heimweg machten, fand Lia ihre Sprache wieder.

„Keine Ahnung, warum ihr daraus so ein großes Drama macht", sagte sie. Marten sah kurz zu ihr herüber.

„Du bist sechzehn. Du hast auf dem Kiez nichts verloren", stellte er entschieden klar. Seine Tochter verdrehte die Augen.

„Klar, bei mir ist das immer ein Kapitalverbrechen, aber Nio kann in diesen Tittenschuppen rumhängen, wie er will – da sagt niemand was!", jammerte sie theatralisch.

„Erstens war das sein Geburtstag und zweitens-"

„So ein Bullshit. Meinst du, ich weiß nicht, dass der immer bei dir vorbeikommt?", fiel Lia ihm ins Wort. Marten biss sich ertappt auf die Zunge.

„Okay, von mir aus – sobald du achtzehn bist, darfst du auch ins Dolls gehen, wann immer du willst, um dir nackte Titten und Ärsche anzugucken", konterte er bissig. Lia verdrehte die Augen.

„Nee, danke. Keinen Bock, die Wochenenden auch noch mit meinem Vater zu verbringen. Weiß Mama überhaupt, dass du da ständig nackte Frauen angaffst? Gott, das ist so ekelhaft", tadelte sie ihn und schenkte ihm einen abschätzigen Seitenblick, der noch tiefer in sein Herz stach als ihre harten Worte selbst. Als er den Wagen an einer Ampel zum Stehen brachte, sah er ihr ins Gesicht. Die Enttäuschung in ihren Augen zu sehen, tat ihm weh. Aber möglicherweise hatte sie auch einfach nur zu viel getrunken und sagte jetzt Dinge, die sie so nicht meinte.

„Klar weiß sie das – wir haben keine Geheimnisse voreinander. Außerdem bin ich da nicht, um mir die Mädchen anzusehen, sondern, um mich ums Geschäft zu kümmern."

Als er realisierte, dass er gerade dabei war, sich vor seiner Tochter zu rechtfertigen, schnaubte er wütend. Er hatte immer alles für sie getan und das war jetzt ihr Dank dafür?

„Mein zukünftiger Mann macht das später nicht", sagte Lia überzeugt. Marten nickte zustimmend.

„Das will ich für ihn hoffen, denn sonst breche ich ihm alle Knochen einzeln", stellte er klar. Als die Ampel auf Grün schaltete, gab er Gas. Lia verdrehte einmal mehr die Augen.

„Mein Freund darf also nicht in den Stripclub gehen, mit dem mein Vater sein Geld verdient", kombinierte sie. „Wie fühlt sich diese Doppelmoral eigentlich an?"

Sie sah ihm herausfordernd ins Gesicht.

„Manchmal ist es anstrengend, dass du so viel von deiner Mutter hast", überging er ihre Kritik.

„Wenn ich sie wäre, würde ich dir die Hölle heißmachen."

Marten lachte unwillkürlich bei den Erinnerungen daran auf, wie Nika all die Jahre genau das getan hatte. Und doch hing er mittlerweile wieder mit drin, einfach, weil er nicht anders konnte.

„Und wenn ich sie wäre, hättest du bis an dein Lebensende Hausarrest", konterte er überlegen.

Nika wusste, dass es Dinge gab, die sie nie aus ihm herausbekommen würde, und solang er sich gut um ihre Kinder kümmerte, war sie damit einverstanden.

„Sag ihr bitte nichts, okay?", jammerte Lia. Marten schnaubte beleidigt.

„Gerade hast du dich noch für mich geschämt, aber jetzt bin ich wieder gut genug, dich zu decken? Vergiss es. In unserer Familie steht man für die Scheiße gerade, die man baut...", sagte er entschieden. Lia sah ihn aus großen Kulleraugen flehend an.

„Aber sie wird stinksauer sein."

„Meinst du, ich nicht? Wie oft habe ich dir schon gesagt, dass du noch zu jung hierfür bist? Und trotzdem machst du, was du willst. Das ist nicht cool, Lia. Vertrauen ist das Wichtigste zwischen uns. Wie soll ich dir glauben, wenn du das immer wieder missbrauchst?"

Erst jetzt merkte er, wie neunmalklug und erwachsen er auf einmal klang. Lia biss sich reumütig auf die Unterlippe.

„Ich will dich nicht enttäuschen", sagte sie kleinlaut.

„Dann hör auf, uns anzulügen."

„Aber wenn ich euch sagen würde, dass ich mit den Mädels auf dem Kiez feiern will, würdet ihr mich niemals gehen lassen", seufzte sie theatralisch.

„Weil wir uns Sorgen um dich machen. Ich mach das hier schon mein ganzes Leben, ich weiß genau, was hier abgeht. Ich will mich nicht immer über irgendwelche Arschlöcher aufregen, die zu viel gesoffen haben und dich dann belästigen", versuchte er, ihr ins Gewissen zu reden. Lia drückte sich beleidigt in den Sitz.

„Erstens kennt dich da sowieso jeder, was schon peinlich genug ist, und zweitens hat Mama sich früher bestimmt auch dort rumgetrieben", protestierte die Blondine und strich sich das Haar nach hinten. Dass sie sich für ihn schämte, verletzte ihn. Er hoffte, dass es an der Pubertät lag und sich das später wieder legen würde, denn ganz anders als Nio ging Lia immer wieder hart mit ihm ins Gericht. Manchmal hatte er den Eindruck, dass sie zu viel Zeit mit ihren Großeltern verbracht hatte. Als kleines Mädchen hatte sie ihn jedenfalls bedingungslos geliebt, doch heute musste er sich immer wieder mal Vorwürfe von ihr anhören.

„Erstens ist es gut, dass mich da jeder kennt, weil sich so schnell niemand an dich rantraut, und zweitens hat Mama früher tatsächlich nicht hier rumgehangen – sie hat nämlich besser auf mich gehört als du", flunkerte er und unterschlug Nikas Alleingang im Dolls, die Razzia und ihren Ausflug mit Janet, nachdem sie ihn betrunken angepöbelt hatte.

„Ich würde mir niemals was von meinem Freund verbieten lassen", kommentierte Lia. Marten zog skeptisch eine Augenbraue hoch.

„Welcher Freund?"

Lia seufzt schwer.

„Gott, ich habe allgemein gesprochen. Entspann dich."

„Ich zeig dir gleich mal, wie ich mich entspanne", sagte er düster. „Während du die letzten drei Kilometer zu Fuß nach Hause gehst."

Lia winkte ab.

„Da muss ich mir keine Sorgen machen. Du würdest mich nie allein im Dunkeln nach Hause laufen lassen", kommentierte sie überlegen. Marten warf ihr einen flüchtigen Blick zu.

„Stimmt, aber ich kann neben dir herfahren und locker noch ein, zwei Kippen rauchen", schoss er überlegen zurück. Sie drehte ihm herausfordernd den Kopf zu.

„Weiß Mama eigentlich inzwischen, dass du wieder angefangen hast?"

Marten verdrehte die Augen. Es war unglaublich, wie sehr sie manchmal nerven konnte – genau wie Nika.

„Keine Ahnung. Ist mir aber auch egal."

Hach, was soll ich euch sagen? Ich hab's ein bisschen geliebt, dass er sich vor seiner Tochter verantworten muss. :p Wie hat euch das Kapitel denn gefallen? Habt ihr euch gefreut, Cassies Tochter zu sehen? :p Und würdet ihr euch noch ein bisschen mehr von der nächsten Generation wünschen? :D Also nicht, dass ich aus einem besonderen Grund fragen würde :p Aber würdet ihr? Haha.

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