20 | Türchen 20

Meine Freunde, ich kann es nicht glauben. Türchen 20. Mein Herz weint. Das geht alles so schnell.

„Locke?"

Cassie verdrehte die Augen, als Johns Stimme durchs Haus hallte. Kaia war endlich eingeschlafen, also hatte sie beschlossen, die Gelegenheit zu nutzen und gerade damit begonnen, sich ein heißes Bad einzulassen. Die letzten Tage hatten ihr sämtliche Energie entzogen, also hatte sie sich auf ein kleines bisschen Entspannung gefreut. Doch jetzt, da John durchs Haus brüllte, drohte ihre Hoffnung auf die kurze Me-Time zu zerplatzen wie eine der Seifenblasen, die in der Wanne vor sich hin blubberten. Kurzerhand stellte sie das Wasser ab und zog sich den kuschligen Bademantel über, dann huschte sie in den Flur. Als sie den oberen Treppenabsatz erreichte, konnte sie John durchs Erdgeschoss huschen sehen.

„Schhh", zischte sie ihm zu. Er fuhr überrascht zu ihr herum. Als er sie dort stehen sah, machte er sich unmittelbar auf den Weg zu ihr. Als er Cassie erreichte, streckte er seine Hände nach ihr aus, legte sie an ihre Taille und drückte ihr einen Begrüßungskuss auf.

„Schrei nicht so hier rum, sie ist gerade eingeschlafen", flüsterte Cassie ihm zu, dann zog sie ihn hinter sich her ins Badezimmer. John schob leise die Tür hinter sich zu. Er schmunzelte, als sein Blick auf das halb eingelassene Badewasser fiel.

„Du wolltest also ohne mich baden gehen", stellte er betont beleidigt fest. Cassie grinste.

„Ich kann nichts dafür, wenn du dich lieber mit Marten rumtreibst, statt Zeit mit der Mutter deiner Tochter zu verbringen", konterte sie frech. John machte zwei Schritte an sie heran und grinste schief auf sie herab.

„Tut mir leid, okay? Aber jetzt bin ich ja da."

Cassie legte ihm entschieden die Hände an die Brust.

„Du bist süß. Aber ich würde gern ein paar Minuten für mich haben. Schlimm?"

Er schüttelte verständnisvoll den Kopf.

„Nee, alles gut. Ich chill dann im Wohnzimmer, bis du kommst."

Sie lächelte.

„Danke", sagte sie und drückte ihm einen Kuss auf. Dann wandte sie sich von ihm ab.

„Sag mal... Du weißt nicht zufällig, was mit Nika los ist?"

Cassie erstarrte in ihrer Bewegung, als John sie völlig unerwartet auf Nika ansprach. Ihr Magen zog sich unheilvoll zusammen, schließlich hatte sie Nika ein Versprechen gegeben, Als sie zu ihm herumfuhr, setzte sie einen betont ahnungslosen Blick auf.

„Was meinst du?", hakte sie ratlos nach. John pirschte sich regelrecht an sie heran, den Blick prüfend auf ihre Augen gerichtet.

„Marten sagt, sie verhält sich seltsam in letzter Zeit. Weißt du irgendwas darüber?"

Cassie legte irritiert den Kopf schief.

„Seltsam? Inwiefern denn?", hakte sie nach und versuchte, nicht so ertappt auszusehen, wie sie sich gerade fühlte. John blieb vor ihr stehen und schaute auf sie herab.

„Weicht ihm aus, hört nicht richtig zu, ist abwesend, guckt ihn nicht mehr an...", gab er Martens Erzählungen wieder.

„Hm. Keine Ahnung. Vielleicht hat sie Stress mit der Selbstständigkeit. Oder mit ihren Eltern", schob Cassie gekonnt vor, in der Hoffnung, dass John ihr nicht ansah, dass sie ihm etwas verheimlichte.

„Marten glaubt, sie hatte vielleicht wieder eine Fehlgeburt oder macht irgendwas anderes krasses mit sich aus, womit sie ihn nicht belasten will", sagte John, ohne sie aus den Augen zu lassen. Cassie biss sich auf die Unterlippe. Es tat ihr leid, dass Marten sich derartige Gedanken machte. Zum Glück dauerte es nicht mehr lang bis Weihnachten, sodass er schon recht bald erlöst werden würde.

„Ach was, nein. So schlimm wird es schon nicht sein."

„Er hat mich gefragt, ob du mal mit ihr reden kannst", erwiderte John. Cassie nickte.

„Klar. Mache ich...", antwortete sie, dann drehte sie sich von ihm weg und nestelte am Knoten ihres Bademantels herum.

„Wow, das ging schnell. Eigentlich wolltest du dich doch bei denen nicht mehr einmischen", erinnerte er sie an ihre eigenen Worte von vor ein paar Jahren. Cassie fuhr wieder zu ihm herum und runzelte skeptisch die Stirn.

„Warum fragst du mich dann überhaupt?", wollte sie wissen. John zuckte mit den Schultern.

„Eigentlich dachte ich, du wüsstest schon, was los ist. Schließlich hast du dich in letzter Zeit verdächtig häufig mit ihr getroffen", sagte er. Cassie lachte unwillkürlich auf.

„Verdächtig oft?", wiederholte sie. „Hast du ne Strichliste geführt?", fragte sie und ließ den Stoffgürtel wieder fallen, statt ihn zu öffnen.

„Also – weißt du was oder nicht?", bohrte er hartnäckig nach, zog die Augenbrauen hoch und musterte sie erwartungsvoll. Cassie schluckte unmerklich. Wenn sie John die Wahrheit sagte, würde er es wohlmöglich direkt Marten stecken, weil der sich momentan so viele Gedanken machte. Wenn sie ihr Wissen für sich behielt, lief sie Gefahr, dass John einen Streit mit ihr vom Zaun brach, weil er merkte, dass sie ihn anschwindelte. Schwer seufzend strich sie sich durch die dunklen Locken.

„Ha!", machte John. „Du weißt was!"

Cassie ließ ihren Blick durch den Raum schweifen. Das schlechte Gewissen nagte an ihr. Es war Nikas Sache, Marten zu erzählen, dass er Vater wurde. Sie wollte ihr das nicht kaputtmachen oder das Gefühl geben, dass sie Dinge nicht für sich behalten konnte.

„Cas?"

John sah ihr ungeduldig ins Gesicht. Doch gerade, als sie ihrem Herz einen Stoß gab, und zu sprechen ansetzte, drang ein leises Quengeln aus dem Babyphone, das auf dem Waschbecken stand. Innerlich erleichtert darüber, dass sie einen guten Grund hatte, dem Gespräch aus dem Weg zu gehen, drückte sie sich an John vorbei.

„Oh nein, du lässt mich jetzt nicht einfach so stehen", kommentierte er und versperrte ihr den Weg.

„Unsere Tochter ist wach geworden. Wegen dir", appellierte Cassie an sein Gewissen und deutete mit einem Nicken auf das Babyphone. Doch John schüttelte entschieden den Kopf.

„Mir zu sagen, was du weißt, dauert bloß zehn Sekunden", blieb er hartnäckig und sah ihr erwartungsvoll ins Gesicht. „Oder hast du jetzt auch Geheimnisse vor mir?"

Cassie schnappte beleidigt nach Luft.

„Ich kann nicht glauben, dass du dich so tief herablässt...", sagte sie enttäuscht. John schmunzelte.

„Warum erzählst du es mir nicht einfach?"

Cassie warf die Hände in die Luft.

„Weil ich es Nika versprechen musste, okay?", platzte es verärgert aus ihr heraus. John musterte sie grimmig.

„Du hast also wirklich Geheimnisse vor mir", schlussfolgerte er. Sie seufzte schwer.

„So ist das nicht", sagte sie leise, dann machte sie einen Schritt an ihn heran. Er musterte sie skeptisch.

„Wie ist es dann?"

Cassie biss sich auf die Unterlippe, dann atmete sie tief durch und sah ihm fest in die Augen.

„Versprich mir, dass Nika nie von dir erfährt, dass ich es dir erzählt habe, und du es Marten nicht sagst."

John schnaubte.

„Das kann ich dir nicht versprechen, ohne zu wissen, worum es geht", erwiderte er entschieden. Cassie legte ihre Hände an seine Brust.

„Du musst. Sonst kann ich es dir nicht sagen. Ich habe ihr mein Wort gegeben."

John ließ seinen Blick durch den Raum schweifen und zog eine beleidigte Grimasse.

„Du bringst mich in eine echt beschissene Situation, Locke", jammerte er gequält.

„Es ist nichts Schlimmes", ergänzte sie sanft. Ein Lächeln umspielte ihre Lippen, als er ihr wieder ins Gesicht schaute. Er nickte zustimmend. „Okay. Ich verspreche es."

„Nika ist schwanger."

Augenblicklich begann John zu strahlen.

„Ehrlich?"

Nika nickte grinsend.

„Ja. Und eigentlich wollte sie es ihm längst erzählen, aber immer, wenn sie es versucht hat, kam irgendwas dazwischen. Erst dachte sie, er will überhaupt kein Kind, weil er sich bei uns neulich so dagegen ausgesprochen hat, dann kam er mit irgendeiner haarsträubenden Kiezgeschichte um die Ecke und sie hat sich gefragt, ob er überhaupt schon bereit ist für ein Baby – und dann hat er ihr gesagt, dass er sich eine Familie wünscht, aber als sie es ihm dann sagen wollte, hat er sie wieder unterbrochen. Also hat sie sich jetzt überlegt, es ihm an Weihnachten zu sagen. Darum haben wir uns auch so oft getroffen – weil ich ihr dabei geholfen habe. Du ahnst nicht, wie süß das wird und wie gern ich dabei wäre, wenn sie es ihm sagt", plapperte Cassie aufgeregt drauf los. Es fühlte sich an wie eine Befreiung, John endlich nichts mehr verschweigen zu müssen. John grinste schief.

„Okay, Locke. Hol mal Luft zwischendurch, bevor du blau anläufst", stichelte er, doch Cassie ließ sich davon nicht beirren.

„Du darfst es ihm auf keinen Fall sagen – sonst machst du ihr diese Überraschung kaputt", sagte sie entschieden. John schüttelte den Kopf.

„Mache ich nicht. Versprochen", sagte er besänftigend. Sie musterte ihn stirnrunzelnd.

„Also bist du nicht sauer, dass ich es dir nicht erzählt habe?", fragte sie. Er schnalzte mit der Zunge.

„Nee, hast es ihr schließlich versprochen – und ist ja auch was Schönes."

„Gut. Ich hatte nämlich echt Sorge", gestand sie. Er strich ihr lächelnd eine Locke nach hinten.

„Mach dir keinen Kopf", sagte er, dann drückte er seine Lippen auf ihre. Cassie seufzte leise in den Kuss hinein. Gerade, als sie sich dichter an ihn schmiegen und den Kuss intensivieren wollte, drang ein weiteres leises Quengeln aus dem Babyphone. So gern sie auch Zeit zu zweit mit ihm verbracht hätte – es ging jetzt einfach nicht. Also löste sie sich frustriert von ihm.

„Ich mach das schon. Geh du in die Badewanne", lächelte John, ehe er ihr einen weiteren Kuss gab und im Flur verschwand.

War so klar, dass sie es nicht für sich behalten kann. Was meint ihr? Kann John dichthalten? 

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