08 | Türchen 8
Viel Spaß mit dem 8. Türchen. Beantworte vor dem Schlafen noch eure Kommis :) Danke, ihr Herzen.
Marten streckte sich genüsslich, als er am Samstagmorgen langsam die Augen aufschlug. Das helle Tageslicht, das durch die noch zugezogenen Vorhänge fiel, blendete ihn. Schläfrig griff er nach seiner Uhr, die er auf dem Nachttisch abgelegt hatte. Halb elf. Ächzend ließ er seine schweren Hände wieder in die weichen Daunen sinken und fuhr sich übers Gesicht. Die vergangene Nacht auf dem Kiez steckte ihm in den Knochen, aber er hatte sich heute allerhand Erledigungen vorgenommen, also konnte er nicht mehr lang liegenbleiben und seine Verpflichtungen ignorieren.
Er seufzte lautlos, als sein Blick auf Nikas Seite des Bettes fiel. Sie war längst aufgestanden und sicherlich schon eine Runde mit Chopper und Rambo gegangen. Einen Moment horchte er in die Stille hinein, um herauszufinden, ob sie überhaupt zuhause war. Dabei schweiften seine Gedanken zu ihrem gemeinsamen Abend im Restaurant ab. War es ihm nur so vorgekommen oder hatte sie irgendetwas beschäftigt? Ihm war das seltsame Funkeln in ihren Augen nicht entgangen, er hatte aber wieder mal zu viel im Kopf gehabt, um nachzuhaken. Dabei hatte er sich fest vorgenommen, ihr mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Es ärgerte ihn, dass er wieder mal seine eigenen Interessen in den Mittelpunkt gestellt hatte, statt sich auch mal um die seiner Freundin zu kümmern. Doch so sehr er sich auch bemühte, an sich zu arbeiten – es wollte ihm einfach nicht so richtig gelingen.
Vielleicht bildete er sich all das jedoch auch bloß ein. Schließlich hatte sie ihn in der letzten Zeit kaum kritisiert oder sich beschwert. Es konnte also genauso gut sein, dass er zu viel in ihre Blicke hineininterpretierte, einfach, weil ihn sein schlechtes Gewissen so sehr quälte. Marten wusste, dass er nicht der Mann war, den Nika an ihrer Seite verdiente. Wahrscheinlich konnte er vom Glück reden, dass es ihr gelungen war, sich mit all seinen Ecken und Kanten zu arrangieren, statt ihn völlig entnervt zu verlassen und sich einen anderen zu suchen, der mehr auf ihre Bedürfnisse einging als er selbst. Es konnte also nicht schaden, sie im Laufe des Tages darauf anzusprechen, um die Ungewissheit aus dem Weg zu räumen.
Marten wischte sich über die Augen und die schlechten Gedanken beiseite. Statt länger herumzuliegen, richtete er sich auf und schwang seine Beine über den Rand des Bettes. Für einen Moment saß er einfach nur so da, dann stand er auf und zog die Vorhänge endgültig beiseite, um noch mehr Tageslicht hineinzulassen. Draußen hingen dicke, graue Wolken am Himmel, der Asphalt der Straße war noch nass vom letzten Dezemberregen, doch gerade fielen nur vereinzelte Tropfen herab.
Noch immer nicht ganz bei sich machte er sich auf den Weg ins Bad. Im Flur stolperte er beinah über ein Paar Turnschuhe, von dem er glaubte, dass Rambo sie dorthin getragen, daran herumgeknabbert und schließlich liegengelassen hatte. „Baby?"
Er blieb an der Türschwelle zum Badezimmer stehen und horchte in die Stille hinein, doch die Wohnung war leer. Krampfhaft versuchte er sich daran zu erinnern, was sie ihm über ihre heutigen Pläne erzählt hatte, aber es wollte ihm nicht einfallen. Entweder hatte er ihr wieder mal nur mit einem Ohr zugehört, weil er zu viel im Kopf hatte, oder es war ihm längst entfallen.
Über sich selbst den Kopf schüttelnd betrat er das Bad und betrachtete sein erschöpftes Gesicht einen Moment lang im Spiegel über dem Waschbecken. Die vergangenen Monate auf dem Kiez hinterließen Spuren darauf, die nicht mehr zu leugnen waren. Er wirkte ausgelaugt, seine Haut fahl, die Augen stumpf und darunter zeichneten sich dunkle Ränder ab. Seine eigene Bar zog ihm viel Energie und das Dolls, in dem er nun doch wieder mit einem Fuß drinhing, raubte ihm alles, was noch von ihm übrig war. Wahrscheinlich konnte ein Kurzurlaub auf dem Solarium nicht schaden, um ihm zumindest ein bisschen Frische zurückzugeben. Es war das erste Mal, dass er sich nicht nur um Jahre gealtert fühlte, sondern auch glaubte, so auszusehen und sich bei der Frage erwischte, ob der Erfolg dieses Opfer wert war.
Mit einem Seufzen wischte er sich übers Gesicht und seine Gedanken damit beiseite. Jahrelang hatte er sich all das aufgebaut, verdiente gutes Geld und konnte sich später entspannt zurücklehnen; gemeinsam mit Nika an seiner Seite. Es gab nichts, das er bereuen musste. Dennoch konnte es nicht schaden, sich auch mal eine Auszeit zu gönnen. Was lag da näher, als kurz vor Weihnachten mit seiner Freundin ein paar Tage wegzufahren?
Allein die Vorstellung, mit ihr ungestört Zeit zu genießen, fernab der Realität, zauberte ihm ein zufriedenes Lächeln ins Gesicht und er nahm sich vor, ihr später ein Angebot zu machen, das sie nicht ablehnen konnte; nicht, dass er das tatsächlich erwartet hätte. Im Gegenteil. Er wusste, dass auch sie sich gern mehr Zweisamkeit mit ihm wünschte und ständig zu kurz kam.
Doch bevor er sein Vorhaben in die Tat umsetzte, nahm er eine kalte Dusche, wusch seine Haare und putzte seine Zähne, um seine Lebensgeister zu wecken. Er hatte gerade das Wasser wieder abgestellt, als er leise Geräusche aus dem Flur hörte. Nika war also zurück und schien mit jemandem zu telefonieren. Während er ins Schlafzimmer zurückkehrte, um in eine Jogginghose und ein T-Shirt zu schlüpfen, schnappte er lediglich Wortfetzen ihres Gesprächs auf. Neugierig folgte er ihrer Stimme in die Küche. Nika stand mit dem Rücken zu ihm am Tresen, hatte die Hand aufgestützt und sah aus dem Fenster, während sie das Handy ans Ohr presste. Sie trug einen dunklen Hoodie und dazu eine Jeans, die ihren heißen Hintern gut in Szene setzte. Die langen Haare hatte sie zu einem Pferdeschwanz gebunden.
„Klingt super. Ich sage dir Bescheid, sobald ich mit ihm gesprochen habe", versicherte sie ihrem Gesprächspartner und fuhr dann, vermutlich alarmiert durch das Geräusch, das er machte, als er den Raum betrat, zu ihm herum. Er runzelte fragend die Stirn, als sie ihm ins Gesicht sah und ihre freie Hand in der Tasche ihres Hoodies verschwinden ließ. Mit wem redete sie da und worüber wollte sie mit ihm sprechen? Ging es etwa um Doris? Hatte ihre Mutter sie wieder einmal zu einem ihrer legendären Familienessen eingeladen, die in der Vergangenheit nie sonderlich harmonisch geendet hatten? Augenblicklich breitete sich ein flaues Gefühl in seinem Magen aus und seine Muskulatur versteifte sich.
„Er kommt gerade rein", fuhr sie fort, doch gerade, als sie ansetzen wollte, das Rätsel zu lüften, grätschte die Person am anderen Ende offenbar dazwischen. „Alles klar, kein Problem. Bis später dann", sagte sie stattdessen, bevor sie das Telefonat beendete. Marten musterte sie mit hochgezogenen Augenbrauen.
„Wer war'n das?", fragte er, ohne sie aus den Augen zu lassen.
„Dir auch einen schönen guten Morgen", flötete sie, statt ihm zu antworten, und reckte sich ihm für einen Kuss entgegen. Er ließ es geschehen, genoss das sanfte Kribbeln auf seinen Lippen, doch als sie sich viel zu früh für seinen Geschmack wieder von ihm löste, sah er erwartungsvoll auf sie herab.
„Worüber wolltest du mit mir sprechen?", hakte er misstrauisch nach, noch immer in der Befürchtung, ihm stünde ein erneutes Zusammentreffen mit Nikas Eltern bevor. Er hatte nicht vor, sich ein weiteres Mal das Weihnachtsfest von ihnen versauen oder seine Beziehung von ihnen torpedieren zu lassen. Nika ließ schmunzelnd das Handy in der Gesäßtasche ihrer Jeans verschwinden.
„Das war Cassie. Sie hat uns für heute Abend zu sich eingeladen..."
Marten atmete innerlich erleichtert auf und ließ die Schultern sinken.
„Achso", entfuhr es ihm beruhigt. Nika huschte ein Schmunzeln über die Lippen, während sie die Arme um seinen Hals schlang. „Also, hättest du Zeit?"
„Ich muss später in den Laden", wollte er sagen, biss sich jedoch gerade noch rechtzeitig auf die Zunge, als er sich an sein Vorhaben zurückerinnerte, etwas zu ändern. „Klar. Ich wollte heute eh erst später los", flunkerte er und machte sich eine Erinnerung in seinem Kopf, gleich Yasmin anzurufen und sie zu bitten, ihn in seiner Abwesenheit zu vertreten. Augenblicklich begannen Nikas Augen zu strahlen. Sie so fröhlich zu sehen, löste auch in ihm ein Gefühl von Glück und Entspannung aus.
„Cool. Da freut sie sich sicher", sagte sie und drückte ihm einen weiteren Kuss auf die Lippen.
„Und ich mich erst." Nika kicherte.
„Du freust dich genauso lange, bis Kaia dir wieder auf die Schuhe kotzt...", erinnerte sie ihn amüsiert an den Vorfall bei ihrem letzten Besuch bei Cassie und John.
„Wie die Mutter, so die Tochter", kommentierte Marten trocken, bevor Nika sich aus seiner Umarmung wandte.
„Nicht, dass du nachtragend wärst...", stellte sie amüsiert fest.
„Hör mal, das waren limitierte Schuhe", erinnerte er sie. Sie grinste.
„Und du hast es knapp überlebt."
„Wenn du so weitermachst, fahre ich doch auf den Kiez", gab er düster zurück. Sie schenkte ihm ein entwaffnendes Lächeln. Je länger er ihr in die Augen schaute, desto mehr wurde er das Gefühl nicht los, das etwas in der Luft lag. Doch gerade, als er sie fragen wollte, was los war, brach die Vibration seines Handys die Stille. Als er es aus der Hosentasche zog, um einen Blick auf das Display zu werfen, blinkte ihm Jokers Name entgegen. Sofort zog sein Magen sich unheilvoll zusammen. Sein Gespräch mit Nika musste noch einen kurzen Moment warten.
„Was ist?", begrüßte er ihn angespannt, presste sich das Smartphone ans Ohr und verließ die Küche.
„Große Scheiße ist. Die haben den gesamten Laden auf links gedreht."
„Fuck, man. Ich bin unterwegs."
Ich weiß. Ihr seid unzufrieden. Aber dafür war das Kapitel ordentlich lang und ihr wisst, was in Martens Kopf abgeht. Ich meine, wusstet ihr das jemals in den letzten Jahren? :p
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