Kapitel 51: Schuldig
Der Geschmack von dem widerlichen Zitronenkuchen klebt immer noch an meinem Gaumen.
Mein Herz bleibt stehen.
Dieser Geruch.
Geh.
Wie frische Zitronen.
Lass mich in Ruhe.
Und doch ist der Duft so süß und unschuldig.
Es tut mir Leid, mein Engel.
Tess ...
Es ist heiß. Drückend heiß.
Ich fummle genervt an meiner weißen Fliege herum.
Niemand sollte eine Hochzeit im Juli unter freiem Himmel und OHNE Klimaanlage in Miami haben.
Zum eindutzendsten Mal frage ich mich wieder, was ich hier überhaupt soll. Warum ich nicht einfach gehe.
Ja, es ist die Hochzeit von Tess' Eltern ... und? Ist ja nicht so, dass die beiden zum ersten Mal heiraten.
Aber ich mag Tess.
Sie ist ein perfekter Zeitvertreib.
Mein kleines Spielzeug.
Mein Engel.
Ich seufze erneut und starre griesgrämig in die Gegend.
„Hier.", sagt plötzlich eine Stimme neben mir und eine keuchende Tess drückt mir ein Glas kühle Limonade in die Hand.
Ich sehe sie streng an.
Ist das ihr Ernst?
„Das ist die Hochzeit meiner Eltern, Nate. Du kannst doch nicht vor ihnen Alkohol trinken.", meint sie nur und ich verdrehe die Augen.
„Na gut.", murre ich und nehme ihr die Limonade ab.
Ich nehme einen Schluck, während ich sie mustere.
Sie trägt ein cremefarbenes Kleid, das ihr bis an die Knie reicht, weiße Sandalen und ein paar weiße Blumen im offenem Haar.
Du bist meins, Tess.
„Du siehst gut aus, Baby.", sage ich leise und sehe dabei zu, wie sie rot anläuft.
Mein Engel.
„Danke ... du auch.", erwidert sie schüchtern und wirft mir einen flüchtigen Blick zu.
Ich grinse.
So unschuldig. So rein.
Nicht mehr lange, Tess. Du bist meins.
Sie sieht nervös auf die Uhr.
Sie zittert.
„Ich denke ich muss los.", sagt sie hastig und stellt ihr volles Glas Limonade bei einem der vorbeigehenden Kellner ab.
„Ich sehe sicher gut aus?", fragt sie leise und ich sieht mich unsicher an.
Oh ja, Tess.
Auch ich stelle meine Limonade bei einem der Kellner ab und sehe dann wieder in ihre Augen. Haselnuss Braun. Ohne zu antworten, ziehe ich sie an der Hüfte dichter zu mir und und nehme ihr Gesicht in meine Hände. Verlangend presse ich meine Lippen auf die ihren und spüre wie sie eine Gänsehaut auf dem Arm bekommt.
Oh, Tess, mein unschuldiger Engel.
„Du bist wunderschön, Tess.", hauche ich, als wir uns voneinander gelöst haben und sie wird wieder rot.
So süß, so schön. Und ganz allein meins.
Sie lächelt und geht dann die Treppen hinauf und verschwindet schließlich in der pompöse Villa hinter mir.
Ich seufze leise auf.
Im Vorbeigehen schnappe ich mir ein Glas Champagner von den um uns herum wuselnden Kellnern und leere das Glas in einem Schluck.
„Sie sind wer?", fragt mich ein hagerer Junge mit Hornbrille und sieht dabei auf seinen Sitzplan.
Hinter dem Jungen kann man durch den Zelteingang Reihe um Reihe goldener Stühle erkennen, die jeweils zu beiden Seiten des langen weißen Teppichs aufgestellt wurden. An den Stützstangen ranken sich rote und weiße Blumen empor.
„Nathaniel Dylan.", antworte ich etwas unbehaglich und der Junge bekommt große Augen.
„Oh, Mr. Dylan, Sir.", sagt er fahrig und ich rolle mit den Augen, „Hier entlang, Sir."
Ich folge dem Jungen ins Zelt, in dem endlich eine angenehme Kühle herrscht und setzte mich an einen meinen Platz in der ersten Reihe neben eine alte und gebrechlich wirkende Dame.
„Du bist also dieser Nate, nicht wahr. Teresa's Freund.", sagt die alte Frau plötzlich und sieht mich durch ihre Brille streng an.
Sie hat ihre Augen.
„Ja das stimmt.", erwidere ich freundlich und nehme ihre Hand, „Es ist so schön, Sie endlich kennenzulernen. Tess spricht immer in den höchsten Tönen von Ihnen."
Ich küsse ihren runzeligen Handrücken und sehe, wie sie dabei errötet.
„Ach papalapap! Lass mal das Sie, mein Lieber, ich bin Evelyn.", sagt sie schnell und ich lächle breit.
Ich hasse diese Frau.
„Es ist mir eine Ehre, Evelyn.", erwidere ich und sie lächelt stolz.
Ich sehe mit gerunzelter Stirn über meine Schulter. Kaum ein Platz ist leer.
Sie kommt zu spät. Wie immer.
„Oh, vielen Dank!", keucht eine Stimme am Eingang des Zeltes ein paar Minuten später und ich drehe den Kopf.
„Wieso bist du so spät?", knurre ich und sehe meine Schwester, die gerade neben mir Platz nimmt, streng an.
„Stau.", entschuldigt sie sich außer Atem und stellt sich dann Tess' Großmutter vor.
„Ich bin froh, dass du hier bist.", murmle ich Fiona zu und lächle leicht.
„Ich bin froh, dass mich Tessa eingeladen hat.", erwidert sie noch leiser, da in diesem Moment die Band zu spielen beginnt und der Bräutigam das Zelt betritt.
Die Menge erhebt sich einen Augenblick später und ich höre die Mädchen hinter mich leise tuscheln. Ein einziger lauter Seufzer entfährt den versammelten Menschen, als Tess und ihre Mutter den Mittelgang entlangkommen.
Du bist so schön, Tess.
Der Duft von frischen Zitronen steigt mir in die Nase, als Tess unmittelbar vor mir steht und dann schließlich auf den Altar empor gleitet.
„Meine Damen und Herren", sagt eine leicht leiernde Stimme, „Wir sind heute hier versammelt, um die Vereinigung dieses Mannes, Charles William Fell und dieser Frau, Grace Cecilia Johnson zu bezeugen."
„Sie ist so schön, oder?", flüstert Fiona leise und ich nicke, obwohl ich fast sicher bin, dass wir nicht von derselben Person sprechen.
„Ja, das ist sie."
Oh Tess.
Meine Gedanken schweifen weit weg. Weit weg von dem Zelt und zu den ruhigen Stunden zurück, die ich mit Tess an leeren Plätzen vom Strand verbracht habe.
„Willst du Charles William Grace Cecilia ...?"
Tess' Großmutter schluchzt neben mir laut in ihr Taschentuch. Ich sehe zu Tess, die mir einen kurzen strahlenden Blick zu wirft. Auch in ihren Augen glitzern die Tränen.
„Dann erkläre ich euch hiermit zu Mann und Frau. Sie dürfen die Braut jetzt küssen.", sagt der Mann mit der leiernden Stimme und rümpft leicht die Nase, als alle zu klatschen beginnen.
Die Menge erhebt sich, als Mr. und Mrs. Fell den Mittelgang herab gleiten.
„Komm, wir sollten hingehen und ihnen Glück wünschen.", sagt Fiona, die auf Zehenspitzen steht und zu der Stelle hinübersieht, wo Mr. und Mrs. Fell in einer Menge aus Gratulanten verschwunden waren.
„Mach du ruhig.", murmle ich und sehe mich um, „Ich muss Tess suchen."
„Gut dann bis später.", strahlt sie und gibt mir zum Abschied einen Kuss auf die Wange, bevor sie in der Menschentraube um dem Hochzeitspaar unter geht.
Wo bist du nur, mein Engel?
Ein Kellner wirft mir einen bösen Blick zu, als ich mir wieder ein Glas Champagner von seinem Tablett nehme, sagt aber nichts. Ist auch besser so.
„Ich habe dir doch gesagt, du sollst nichts trinken.", sagt eine enttäuschte Stimme hinter mir und ich drehe mich um.
„Und sehe ich so aus, als würde ich je das tun, was man von mir verlangt?", frage ich und ziehe eine Augenbraue hoch.
Leg es nicht drauf an, Tess.
„Nate ...", fängt sie an und ich stöhne genervt auf.
„Ich trinke wann und wo ich will. Komm damit klar oder auch nicht."
Ihre Augen werden groß und ich seufze wieder auf.
„Vielleicht -", sagt sie und ich sehe, wie ihr Tränen in die Augen steigen, „Vielleicht solltest du einfach gehen, Nate."
Bevor sie sich umwenden kann, packe ich sie am Handgelenk und ziehe sie an mich.
„Du weißt, dass ich das nicht so gemeint habe, Baby.", hauche ich und sehe ihr dabei tief in die Augen.
Mit der Nummer kriegt man doch jedes Weib rum.
„Hm.", brummt sie, aber bevor sie noch etwas sagen kann, küsse ich sie stürmisch.
„Hör auf. Alle schauen schon.", kichert sie in den Kuss hinein und löst sich dann von mir.
„Lass sie schauen. Du bist wunderschön. Wenn sie jemanden anschauen, dann nur dich, mein Engel.", sage ich und küsse sie erneut.
~
„Ich liebe Hochzeiten.", jauchzt meine Schwester begeistert, während wir zu einem schnellen Lied tanzen, das die Band gerade spielt.
Das Zelt, in dem vor einigen Stunden die Zeremonie war, wurde während dem Abendessen zu einem Saal fürs Tanzen umfunktioniert.
„Ich werde niemals heiraten.", erwidere ich und sehe dabei zufällig zu Tess hinüber, die begeistert mit Evelyn spricht.
„Aber warum denn nicht? Wer weiß, vielleicht wenn Tess und du einmal auf die selbe Uni geht ...", meint Fiona und ich werfe ihr einen wütenden Blick zu.
„Ich bin nur auf dieser behinderten Hochzeit, weil ich nichts anderes zu tun habe.", knurre ich und Fiona's Grinsen verschwindet.
„Du hast getrunken.", sagt sie tonlos und mit beunruhigend leerem Gesichtsausdruck.
„Das geht dich einen Scheiß an.", fauche ich und höre auf zu tanzen.
Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, drängle ich mich durch die Menge und lasse mich schließlich auf den leeren Platz neben Tess fallen.
„ ... das ist gut, Kind. Junge Liebe ist so wertvoll.", sagt gerade Evelyn und ich würde am liebsten kotzen.
„Hm.", murmelt Tess nachdenklich und wirft mir einen unsichern Blick zu.
„Kann ich kurz mit dir reden?", flüstert mir Tess zu und ich starre sie verwirrt an, „Allein?"
Ich nicke und wir stehen auf.
„Entschuldige mich bitte, aber ich habe wohl meine Jacke im Haus vergessen.", sagt sie schnell und zieht mich dann mit sich.
„Was ist denn los?", frage ich misstrauisch, aber sie schüttelt nur den Kopf und zieht mich aus dem Zelt.
„Willst du mir jetzt endlich sagen, was los ist?", wiederhole ich, diesmal lauter.
„Shh!", zischt sie und sieht sich besorgt um, „Da drüben.", sie deutet auf eine kleine Böschung am Rand des Gartens.
Wiederwillig gehe ich mit.
Aus dem Augenwinkel erkenne ich, wie Mr. und Mrs. Fell, beide sehr beschwipst, von dem Chauffier ins Auto bugsiert werden.
„Also?", frage ich laut und Tess sieht mich erstaunt an.
Sie senkt den Blick.
„Vergiss es.", murmelt sie, „Du hast zu viel getrunken. Wir reden morgen darüber."
„Nein. Du sagst es mir jetzt.", verlange ich und packe sie am Oberarm, um sie am Gehen zu hindern.
Sag es mir, Tess.
„Du ... hast meiner Oma erzählt, wir wären zusammen.", sagt sie langsam und ich runzle die Stirn.
Oh nein, mein Engel.
„Und?"
„Und ... ich dachte, naja ... ich will mit dir zusammen sein, Nate."
Ich seufze.
„Das hatten wir schon, Tess. Vor deinen Eltern und deiner Oma kann ich meinetwegen der Freund sein, aber ich will keine Beziehung. Ich bin zu jung, ich bin sechzehn, verdammt! Viel zu jung um Beziehungen zu führen.", erwidere ich genervt und sie nickt.
„Ich weiß, das hast du schon oft gesagt.", murmelt sie und sieht zu Boden.
„Erinnerst du dich noch, wo du gesagt hast, ich soll mich nicht in dich verlieben, weil es sonst schmerzvoll wir?", sagt sie leise und meine Augen werden groß.
Oh Tess, sag es nicht.
Sie holt tief Luft und sieht mir dann direkt in die Augen.
Tu dir das nicht an, mein Engel.
„Nate ... Ich liebe dich.", flüstert sie und mit einem gewaltigen Krach! bricht meine Welt entzwei.
Nein.
Tess bitte.
Ich starre sie an.
„Ich gehe.", sage ich schwer atmend und sehe sie zornig an, „Du bist ein Zeitvertreib für mich, Tess. Nicht mehr und nicht weniger. Wenn du gelernt hast, dich damit abzufinden, ruf mich an."
Mit diesen Worten lasse ich sie stehen und gehe so schnell ich kann zu meinem Auto. Dort angekommen steige ich ein und knalle hinter mir die Türe zu. Einen Moment später heult das Auto auf und ich drücke auf's Gas.
„Nate ... ich liebe dich."
Ich ziehe den Flachmann aus dem Handschuhfach, während ich mit alarmierender Geschwindigkeit um eine Kurve rase und nehme einen großen Schluck daraus.
Der Whisky brennt angenehm in meiner Kehle und ich nehme noch einen Schluck.
Ich trete noch stärker auf's Gas.
Eine Anzeige wegen deutlich erhöhter Geschwindigkeit ist mir gerade vollkommen egal.
Ich kippe den Rest des Whiskys herunter und werfe dann den Flachmann achtlos auf den Beifahrersitz.
Ich trete das Gaspedal durch und rase dann um eine weitere Kurve.
„Ich liebe dich."
Ich reibe mir die Augen und plötzlich ist jemand auf der Fahrbahn.
Ich sehe, wie die Frau erschrocken herumwirbelt, aber die Sicht ist zu verschwommen, als dass ich noch ausweichen könnte.
Es ist zu spät.
Wie in Zeitlupe sehe ich durch die Windschutzscheibe, wie ihr Körper durch Luft wirbelt und höre dann, wie sie mit einem fürchterlichen Geräusch wie von brechenden Knochen hinter mir auf dem harten Asphalt aufkommt.
Aber ich bleibe nicht stehen.
Ich lasse den vermutlich größten Fehler meines Lebens einfach geschehen.
________♡________
Dam Dam Dam ... Wenn das nur alles aus seiner Vergangenheit wäre ... Aber ich will ja nicht spoilern ;)
Ich hoffe, es hat euch gefallen! Ich würde mich sehr über jegliche Unterstützung freuen, also lasst doch ein Vote und einen Kommentar da :)♡
Vielen Dank für's Lesen♡
Eliana
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