Kapitel 50: Hass und Liebe

Jennifer P.O.V.

"Und wie lang wirst du bleiben, Schätzchen?", sagt gerade Fiona und reißt mich damit aus meiner Gedankenwelt.

"Vermutlich eine Woche, länger werden die Renovierungsarbeiten nicht dauern.", sagt Liam lächelnd und ich starre verwirrt in die Runde.

"Du bleibst so lang, wie du willst, Liebes. Du bist Familie und Familie ist immer herzlich Willkommen, verstanden?", erwidert Fiona entrüstet und zwinkert mir zu, "Das selbe gilt natürlich auch für dich, Jenny."

Eine Welle der Zuneigung für Fiona überkommt mich jäh, sodass ich am liebsten aufgesprungen wäre und sie umarmt hätte.

"Danke, das ist ... das ist wirklich nett.", sage ich mit etwas belegter Stimme und lächle dankbar.

Ich hoffe, dass sie mich versteht und ich glaube sie tut es, da sie mich warmherzig anlächelt.

"So ... wer hat Hunger?", ruft George nach einer kurzen Pause und klatscht begeistert in die Hände.

-

"Du und Nate scheint euch nicht wirklich zu mögen.", sage ich und sehe von meinem Berg zu schälende Kartoffeln auf.

Liam seufzt leise auf und schüttelt dann den Kopf.

"Es gibt einfach Menschen, die man zum ersten Mal sieht und sie von dem Moment an nicht ausstehen kann. Er war einfach einer dieser Menschen.", erwidert er schmunzelnd und ich lache auf.

„Ja, ich verstehe, warum man ihn hassen kann.", sage ich und lege die fertig geschälte Kartoffel in die Schüssel vor mir.

„Du ... bist in ihm verliebt, stimmt's?", fragt er vorsichtig und ich starre ihn entgeistert an.

„Woher?-„

"Ach, allein der Blick, den du ihm beim Mittagessen zugeworfen hast, hat gereicht.", sagt er und lächelt wissend.

"Du kennst mich keine", ich zähle die Stunden an den Fingern ab, "fünf Stunden.", gebe ich entrüstet zurück und er bricht in schallendes Gelächter aus.

"Ich habe eben ein Gespür für Menschen, könnte man sagen.", antwortet er und ich wende mich verdrießlich meinen Kartoffeln zu.

"Ich nehme dein Schweigen als ein ja?", fragt er nach kurzer Stille, aber ich brumme nur.

"Was denkt dieser Schönling sich eigentlich? Keine fünf Stunden ist er hier und glaubt, er weiß alles.", denke ich trübselig und schäle meine Kartoffel weiter, die langsam jedoch immer kleiner wird.

"Ich denke, die Kartoffel ist fertiggeschält.", sagt er lachend und nimmt mir den gelblich weißen Kloß aus den Händen.

Ich verdrehe die Augen und nehme mir die Nächste.

"Tut mir Leid.", murmelt Liam leise und ich drehe den Kopf.

"Was?", schnappe ich zurück und sehe ihn wütend an, während ich die Hände in die Hüfte stämme.

"Ich hätte es nicht erwähnen sollen.", seufzt er, "Können wir einfach wieder von Vorne anfangen?"

"Hi, ich bin Liam. Schön dich kennenzulernen.", sagt er fröhlich und streckt mir wie zum Grüß die Hand hin.

Auf meinem Gesicht breitet sich unwillkürlich ein Grinsen aus.

"Schön auch dich kennenzulernen, Liam.", antworte ich belustigt und schüttle die seine.

"Und du heißt?", fragt er grinsend, aber mein Lächeln erlischt, wie als hätte man Wasser über eine Kerze geschüttet, sodass nicht einmal mehr der Rauch übrig bleibt.

"Treib es nicht zu weit.", knurre ich und sehe ihn so ernst an, wie ich nur kann, ohne in Lachen auszubrechen.

Liam's Augen weihten sich und sein Grinsen verschwindet, sodass ich mich nicht mehr länger beherrschen kann und in schallendes Gelächter ausbreche.

"D-Du ... du hättest ... dein Gesicht ...", platze ich unter meinem Lachanfall heraus und deute prustend mit dem Finger auf ihn.

Auch Liam stimmt in das Gelächter mit ein und für einen Moment scheint alles gut. Alle Probleme aus der Welt geschaffen, alle Sorgen wie in Luft aufgelöst. Für einen Moment bin ich sorgenlos glücklich.

Aus dem Spalt zwischen der angelehnten Küchentür bemerke ich plötzlich einen Strahl grünes Licht. Nur dass es kein Licht ist, was mir schlagartig bewusst wird. Es sind seine Augen.

"Ist alles ok? Jen?", ertönt eine Stimme neben mir und zieht mich damit wieder in die Wirklichkeit zurück.

Ich blinzle.

Nate's Augen sind verschwunden.

"Ja ... I-Ich ... Ich denke ich habe eben Nate an der Tür gesehen.", murmle ich ohne den Blick von der Tür zu richten.

"Und?", fragt Liam verwirrt, aber ich schüttle nur den Kopf.

"Vergiss es.", brumme ich und wende mich wieder meinen Kartoffeln zu.

-

„Fiona, das schmeckt wirklich unglaublich.", lobt Liam und ich nicke zustimmend, bringe aber nicht auch nur einen Ton heraus, da meine Backen mit Zitronenkuchen und Sahne gefüllt sind.

„Tja, ohne meine hervorragenden Helfer hätte ich es nicht halb so gut geschafft.", erwidert Fiona zwinkernd und wirft George einen warnenden Blick zu, der abermals einen großen Schluck aus seinem Weinglas nimmt.

„Wenn ich dich nicht wegen deiner-", er hickst leise, „Tschuldigung - Schönheit und Intelligenz heiraten würde", er hickst erneut diesmal etwas lauter, „dann wäre es wegen diesem Zitronenkuchen."

Liam und ich wiehern los, wobei ich mich dabei fast an meinem Bissen verschlucke, während Fiona eher gekünstelt hüstelt und unauffällig George's Weinglas mit ihrem Glas Wasser vertauscht. Sie lächelt ihn zufrieden an und ich bemerke nicht umhin den enttäuschten Blick ihres Verlobten. Liam und ich werfen uns einen verschmitzten Blick zu und beginnen dann beide zu grinsen.

Ich werfe Nate einen flüchtigen Blick zu, aber wie die letzte Stunde über, scheint er es nicht zu bemerken, oder besser gesagt, will es nicht bemerken.

Ich seufze leise.

Nate P.O.V:

Ich bemerke, wie mir Jennifer ständig Blicke zuwirft oder mich anstarrt. Aber ich ignoriere sie. Ich ignoriere sie alle. Die ganze Bagage.

Wenn es jemand anderes wäre, jemand anderes als sie, wäre ich schon längst abgehauen.

Aber es ist sie.

„In zwei Monaten ist es soweit, nicht wahr?", sagt gerade Liam und ich sehe zum ersten Mal seit fast einer Stunde auf.

Für eine Sekunde treffen sich unsere Blicke, aber ich sehe wieder auf meinen Teller.

Ich hasse Zitronenkuchen.

Aber noch mehr hasse ich, was kommen wird und doch hoffe ich, dass er es nicht sagt.

„Hm.", murmelt Fiona leise und ich spüre, wie ihre Augen zu mir huschen.

„Was ist in zwei Monaten?", fragt Jennifer und ich reiße mich gewaltig am Riemen sie nicht anzusehen.

Wieso muss sie auch so wunderschön sein?

„Die Hochzeit natürlich.", sagt Liam und etwas feierliches liegt in seiner Stimme, „Ich freue mich ja schon so! Morgen müssen wir auf jeden Fall alle Sachen durchgehen und wirklich mit der Planung beginnen! Es sind schließlich nur noch zwei Monate!"

„Es sind ungefähr zwei einhalb Monate, Liebling, aber selbstverständlich. Mach dir nur keine große Mühe, ja? Ich denke, wir wollen es etwas kleiner halten.", antwortet Fiona.

Ich muss gleich kotzen.

„Das ist doch keine Mühe!", erwidert Liam und das ist es, was genügt.

Was mich endgültig zum Explodieren bringt.

Ich springe auf. Alle Augenpaare sind plötzlich auf mich gerichtet.

„Mach dir keine Arbeit, Liam.", knurre ich und werfe Fiona einen tödlichen Blick zu, „Zu ihrer Hochzeit würde sowieso niemand freiwillig gehen."

Und mit diesen Worten rausche aus dem Raum und knalle hinter mir laut die Türe zu. So schnell ich kann und zwei Stufen auf einmal nehmend, rase ich die Treppe hoch und ich mein Zimmer. Die Tür kicke ich mit meinem Fuß zu.

Schwer atmend setzte ich mich aufs Bett.

Shakespeare sagte einmal: „Love me or hate me, both are in my favor. If you love me I'll always be in your heart, if you hate me I'll always be in your mind." („Liebe mich oder hasse mich, beides ist mir Recht. Wenn du mich liebst, werde ich immer in deinem Herzen bleiben, wenn du mich hasst, werde ich immer in deinen Gedanken bleiben.")

Wer auch immer das Gerücht verbreitet hat, dies sei ein echtes Shakespeare Zitat, wusste offensichtlich nichts über Hass und Liebe.

Hass ist ein starkes Gefühl. Genau wie die Liebe. Aber während man für die Liebe Wochen, Monate, ja vielleicht sogar Jahre braucht, um sie zu hegen und zu pflegen, braucht es nur einen kurzen Moment um alles wieder zu zerstören. Es braucht nur ein einziger, giftiger Gedanke einem in den Kopf kommen und es ist vorbei.

Eine einzige Sekunde, die so viel entscheidet.

So einfach wird aus Liebe Hass.

Durch diesen einen, riesigen Fehler habe ich alles auf's Spiel gesetzt und dabei fast alles verloren.

Den Respekt meiner Schwester.

Den Respekt den sie mir gegenüber durch diese Sekunde verloren hat.

Tausend Bilder kommen mir in den Kopf und ich kneife verzweifelt die Augen zu.

Nein.

______♡______

Ich weiß, dieses Kapitel ist peinlich kurz, aber das nächste wird dafür länger ... ♥︎ Morgen kommt es dann (ja Safe wirklich) - ich hab's sogar schon fertig geschrieben ;)

Ich hoffe wirklich trotzdem, dass es euch gefallen hat und ihr nicht allzu sauer auf mich seit, weil ich momentan nicht besonders aktiv hier bin ... :/

Danke an alle, die mein Buch so unterstützen.

Bis morgen, Eliana

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