Kapitel 4: Die Party

„Hey.", ruft Alex fröhlich als ich die Türe öffne und umarmt mich kurz. Wie auch die Male davor, habe ich das Gefühl einen Riesen zu umarmen und fühle mich unweigerlich schwach und kraftlos.

„Hey.", erwidere ich und grinse.

Alex sieht zugegebenermaßen wirklich gut aus. Er trägt einen dunkelblauen Anzug mit weißem Hemd und hellblauer Fliege, die seine blauen Augen nur noch besser zur Geltung bringen und sie erstrahlen lassen.

„Sollen wir?", fragt er grinsend und ich nicke.

Ich klaube mir meine kleine braune Handtasche mit kleinen Symbolen und LV Lettern darauf, die mir meine Mutter vor Jahren zu Weihnachten geschenkt hat, vom Boden auf und lasse Sekunden später die Haustür ins Schloss fallen.

„Du siehst ... ehm ... nett aus.", meint Alex etwas zaghaft als wir schließlich in seinem Auto sitzen und ich lächle.

„Danke, du auch.", erwidere ich und sehe kurz an mir herunter.

Ich trage das einzige einigermaßen elegante Kleid, das ich besitze: Ein türkisfarbenes, knöchellanges Kleid mit Rundhalsausschnitt und Dreiviertel Ärmeln.

„Danke", sagt er und startet verschmitzt grinsend den Motor.

Nach circa zehn Minuten, während der Fahrt haben wir uns prächtig über die verschiedenen Vorbereitungsmethoden der SAT's unterhalten, fahren wir auch schon in die Einfahrt der Villa, wo sich bereits ein kleiner Stau an Stoßstange an Stoßstange fahrender beziehungsweise hupender sündhaft teurer und von den Bediensteten auf Hochglanz polierter Autos gebildet hat. Als Alex es endlich schafft sein Auto vor der Villa neben den vielen Anderen zu parken, steigt er aus und verschwindet. Für eine Sekunde blinzle ich verwirrt. Hat er vergessen, dass ich auch noch da bin? Ohne viel Federlesen reiße ich die Autotür auf, um dann auszusteigen und Alex zu suchen, komme aber nicht einmal dazu, da ein lautes „Rumps!" ertön.

„Oh mein Gott Alex! Es tut mir ja so Leid!! Ich hab dich irgendwie nicht gesehen", kreische ich hysterisch und schlage die Hand vor den Mund. Auf unerklärlicher Weise muss ich es wohl geschafft haben, Alex genau mit der Tür erwischt zu haben, sodass er wohl aus dem Gleichgewicht gerissen wurde.

„Du hättest nur aus dem Fenster sehen müssen!", faucht er halb belustigt halb genervt, steht auf und klopft sich den Schotter von dem Anzug.

„Es tut mir so Leid!", wiederhole ich verzweifelt, „Du bist irgendwie verschwunden und dann wieder aus dem Nichts aufgetaucht."

„Ich hab das Geschenk für Logan vom Rücksitz genommen und wollte dir die Tür öffnen!", lacht er, wirkt dabei dennoch etwas verbittert.

„Oh", hauche ich und hätte mir am Liebsten die Hand gegen die Stirn geschlagen.

„Na ja ... gehen wir dann?", fragt Alex und hält mir seine Hand hin.

„Okay", antworte ich mit leicht zitternder Stimme, da ich jetzt doch nicht mehr alle Nervosität aus meiner Stimme verbannen kann und ergreife lächelnd seine Hand.

Die Villa von Logan ist wirklich gigantisch, allein das Erdgeschoss ist bestimmt doppelt so groß, wie das Unsere. Was ich zumindest von der ersten knappen Stunde her sagen kann, ist die Party wirklich komplett anders, als was ich erwartet habe. Zwar gibt es kleine Ähnlichkeiten zu den „Teenager Partys", wie ich sie aus diversen Filmen kenne, aber generell scheint alles einfach ins Superlative übertragen zu sein. 

Im Eingang gibt es ein paar Bedienstete im Pinguin-Anzug, die uns die Mäntel abnehmen, den Gästen dafür gleich das Geschenk abnehmen, das sie auf dem gigantischen Berg stapeln und ihnen sofort ein Glas mit rosafarbener, prickelnder Flüssigkeit in die Hand drücken, das nebenbei bemerkt einfach nur widerwärtig schmeckt. Nachdem man dann durch einen weitläufigen Foyer von den vielen Menschen mehr oder weniger geschoben wird, kommt man in einen riesigen Raum mit so vielen Leuten, dass es einfach unmöglich ist, sie alle zu zählen, einer Tanzfläche mit verschiedensten, meiner Meinung nach äußerst nervigen Lichteffekten, einem DJ, der auf einer kleinen Art Tribüne steht und einer Cocktailbar mit einem unglaublich schwulen, aber sehr lieben Barkeeper. Eine weitere Entdeckung, die ich gemacht habe, ist, dass 1.) Tanzen unglaublich anstrengend sein kann und dass 2.) ich es nicht auch nur ansatzweise beherrsche.

„Wollen wir mal in ein paar andere Räume reinschauen?", schreit Alex, damit ich ihn einigermaßen durch die laute Musik und den Lärm der Leute verstehen kann.

Ich recke erleichtert den Daumen in die Höhe, um ihn zu signalisieren, dass ich damit einverstanden bin - mehr als einverstanden sogar, da ich vom Tanzen vollkommen müde bin und ich langsam von dem lauten Elektro-Gedröhne vom DJ Kopfschmerzen bekomme. Alex ergreift meine Hand und zieht mich durch die Menschenmenge, bis wir endlich wieder im Foyer angelangt sind. Obwohl hier nur wenige Leute sind, lässt Alex meine Hand nicht los, sondern führt mich weiter unbeirrt in Richtung des Ausgangs.

„Alex?", setze ich an, aber bevor ich weitersprechen kann, führt er mich am Eingang vorbei und in einen Raum, indem sich vielleicht zwanzig Leute, die in einem Kreis am Boden sitzen, aufhalten. Dieser Raum ist im Gegensatz zu dem von gerade um ein Vielfaches kleiner und wirkt mit dem Parkettboden und der großen Couch sehr viel einladender und freundlicher.

„Es ist wirklich traurig, wenn ihr mich fragt, dass hier sogar schon der Abschaum reinkommt.", ertönt eine schneidende, kalte Stimme und ich balle meine Hände zu Fäusten als ich das blonde Haar entdecke.

„Sie ist meine Begleitung. Hast du ein Problem damit, Lex?", blafft Alex sie an und ich bemerke wie sich ihre blauen Augen überrascht weiten und dann zwischen Alex und mir hin und her blitzen.

„Nein hat sie nicht.", brummt ein schlaksiger, rothaariger Junge, den ich als Logan erkenne mitten zwei asiatisch und identisch aussehenden Mädchen.

„Wollt ihr mitspielen?", fragt er zögernd den Blick auf mich gerichtet.

Alex sieht mich fragend an.

„Ehm ... was spielt ihr denn?", erwidere ich und sehe dabei den rothaarigen Jungen an.

"Wahrheit oder Plicht. Wieso?", erwidert er und grinst vergnügt," Angst?"

„Natürlich nicht.", antworte ich trotzig und marschiere auf die Lücke zu, die eben für uns geschaffen wurde.

„Gut.", zischt Logan und zwinkert belustigt einen Jungen mit zerzausten, dunklen Haaren an. 

In dem Moment, als seine klaren, grünen Augen meinem Blick begegnen, realisiere ich erst wirklich, wer er ist. Ich seufze leise auf, während ich mich neben Alex und einem lockigen Mädchen mit dunkelbraunem Haar und wilden pinken Strähnen setze.

„Ihr kommt genau richtig, wir fangen nämlich gerade eine neue Runde an.", flüstert mir das Mädchen begeistert zu und grinst mich an.

„Okay." Ich grinse unsicher zurück, „Einmal musste ich, als ich mit ein paar Freunden das gespielt habe, eine ganze Tüte Marshmallows essen. Ich hoffe wirklich-"

„Ach Schätzchen, so sind aber nicht unsere Spiele.", unterbricht mich das Mädchen kichernd und ich stutze verwundert. 

Was meint sie damit?

„Was meinst du?", frage ich besorgt, aber sie zuckt nur mit den Schultern.

„Du wirst schon sehen."

Sie richtet ihren Blick wieder in die Mitte des Kreises und ich folge ihrem Blick. Eine Flasche ist plötzlich darin aufgetaucht und ich muss unwillkürlich daran denken, dass das Grün von Nate's Augen so unbeschreiblich viel schöner ist, als das der ebenfalls grünen Bierflasche. Nun ja ... genau genommen ist Nate's Grün ohne hin die schönste und beeindruckendste Farbe, die ich je in meinem Leben gesehen habe.

„Hör auf, an so etwas zu denken!", ermahnt mich meine innere Stimme und ich versuche meine Gedanken so weit es geht von Nate wegzulenken.

„Okay, Brooklyn beginnt.", entscheidet Logan und wenig später beugt sich ein zierliches Mädchen mit dunkelblondem Haar vor, um die Flasche zu drehen.

Sie bleibt bei einem rundgesichtigen, aber gigantischen Jungen mit strohblondem, stoppeligem Haar stehen.

„Sieht aus wie ein Schwein mit Perücke", denke ich und verkneife mir unter großen Anstrengungen das Lachen.

„Uhh Ian!", kichern ein paar Mädchen.

„Also, Wahrheit oder Pflicht?", fragt sie aufgeregt.

„Plicht", erwidert der Junge selbstbewusst.

„Okay ... hm.", überlegt das Mädchen, dann grinst sie und sagt: „Du musst vor uns allen strippen."

Alle Mädchen brechen wieder in heiseres Gekicher aus.

„Darf ich meine Boxershorts anlassen?", fragt der Junge mit dem blonden Haar und grinst.

„Ausnahmsweise.", erwidert das schmächtige Mädchen und lächelt zufrieden als der Junge namens Ian aufsteht.

„Ian, du bist!", ruft jemand als das Ganze endlich vorbei ist und so langsam dämmert es mir, was das Mädchen neben mir mit „anders" gemeint hat.

Ian dreht die Flasche, die dann bei Kaylee, Lexi's bester Freundin, die genauso dumm ist wie sie, weshalb sie vermutlich auch so gut zusammenpassen, zum Stehen kommt. Hayley ist groß, sehr schlank, hat gold-blondes, glänzendes, schulterlanges Haar, große hellbraune Augen und ist Cheerleader.

„Ich nehme Pflicht.", sagt Kaylee schnell.

„Küss das Mädchen neben dir. Mit Zunge!", befielt Ian übers ganze Gesicht feixend und die Runde höhnt und lacht. Mir wird schlecht und die Anspannung und ja auch Angst steigt mit jeder weiteren Sekunde.

„Okay" Sie zwinkert Lexi neben ihr zu, beugt sich dann zu ihr rüber und presst ihren Mund auf ihren.

Ich muss beinahe würgen, als sich das Zungenknäul kurz bemerkbar macht und sehe schnell weg.

Als sie sich wieder lösen, klatscht und johlt der Kreis, während ich nur gezwungen lächle und versuche den Anschein zu machen, dass ich das überhaupt nicht ekelhaft finde und ich genau so wie alle anderen Spaß, anstatt Angst zu haben.

Die nächsten Runden werden nicht besser: Ein Mädchen, das erste, das Wahrheit genommen hat, musste ein pikantes Detail ihres ersten Mals erzählen, ein Anderes musste einem Jungen in seine Hose greifen, wieder ein Anderer sollte einen Schluck irgendeiner Sorte Alkohol nehmen, diesen aber nicht wie ein normaler Mensch entweder hinunterschlucken oder wie ich vermutlich reagieren würde: ausspucken, sondern diesen Schluck über seinen Mund der schwarzhaarigen Nachbarin geben. In der Art vergehen noch drei weitere Runden bis:

„So ... wie heißt du nochmal?", fragt ein schwarzhaariger Junge mit spitzem Gesicht .

„J-Jenny.", stottere ich und spüre wie mein Herz immer schneller und schneller zu schlagen beginnt.

„Gut, Jenny. Wahrheit oder Pflicht?"

„Nimm lieber Pflicht, bei Wahrheit können sie wirklich gemeine Fragen stellen.", flüstert mir das Mädchen neben mir zu und lächelt mich dann ermutigend an. 

Ich schlucke.

„Pflicht.", krächze ich hervor und der Junge überlegt.

Wie auf meinen Urteilsspruch, warte ich auf die Entscheidung des Jungen und halte dabei den Atem an. Ich höre selbst das Blut in meinen Adern rauschen, derartig aufgeregt bin ich.

Der Junge grinst plötzlich bösartig und fast hinterlistig und sagt dann:

„Nimm einen Würfel und ziehe so viele Kleidungsstücke aus, wie es die Zahl ist. Schuhe zählen als Eins."

Mein Herz rutscht mir in die Hose. Ich habe ein Kleid an verdammt nochmal! Wenn ich nicht eine Eins würfle (dann könnte ich schließlich meine Ballerinas ausziehen), muss ich mich halb nackt vor allen zeigen, die abgesehen von der offensichtliche Bloßstellung noch auf meine Schule gehen. Insgesamt habe ich Ballerinas, Kleid, BH und Unterhose an - das macht also gerade mal eine Vier! Was wäre, wenn ich mehr als eine Zwei würfle oder sogar eine Vier und mich dann jeder nackt sehen würde? Ich würde am liebsten heulen.

Jemand reicht mir einen Würfel und ich atme noch einmal tief ein und aus, bevor ich ihn schließlich fallen lasse. Wie in Zeitlupe sehe ich ihn erst in der Luft herumwirbelnd, dann tiefer und immer tiefer fallen und dann schließlich am Boden aufschlagen.

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So wieder ein neues Kapitel ... Ich hoffe sehr, es hat euch gefallen!

♥︎Danke für's Lesen♥︎

x Eliana





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