Kapitel 36: Oh Oh ... So viele Geheimnisse

Die Frau mit dem flammend rotem Haar, der schwarzhaarige Mann und deren kleines Kind flechten sich in der darauffolgenden Nacht durch meine Träume und lassen mich, durch die verzweifelten Schreie und der erstickenden Dunkelheit, schweißgebadet aus dem Schlaf schrecken. Jedoch sind es nicht nur meine immer realer werdenden Träume, die mir Sorge bereiten, sondern auch mein Handgelenk. Nachdem die Schwellung diesen Morgen kein bisschen zurückgegangen war, bin ich schließlich mit einer unheimlich aufgeregten und nervösen Marisol zum Arzt gegangen.

"Miss Jennifer Larissa Clark bitte.", sagt gerade die Arzthelferin im luxuirös eingerichteten und klinisch weißen Wartezimmer und ich sehe von der Broschüre "G wie Gesundheit - ihr Wohlbefinden ist unsere Aufgabe!" auf.

"Kommen Sie, das sind Sie, Señorita!", zischt Marisol erregt und springt auf, als hätte ihr der ebenfalls weiße Stuhl einen elektrischen Schlag verpasst.

"Ja doch.", murmle ich weniger begeistert und schlurfe Marisol und der Frau in ebenfalls weißer Aufmache hinterher bis in eines der geräumigen Sprechzimmer.

"Dr. Cole ist leider beschäftigt, aber Dr. Thomas wird gleich bei Ihnen sein.", meint die Arzthelferin und wirft mir und Marisol einen strengen Blick zu, als würde sie prüfen wollen, dass wir auch ja da bleiben und nicht aus dem Fenster springen.

Marisol nickt kurz und setzt sich schweigend und mit immer noch verängstigtem Blick gegenüber des weißen Schreibtischs, wo zwei Stühle stehen, hin. Ich setzte mich neben sie und sehe zu, wie sie mit zitternden Fingern, einen Notizblock und Stift aus ihrer Tasche zieht. Jetzt da ich neben Marisol, die sich in ein einziges Nervenbündel verwandelt hat, sitze, scheint mir der Gedanke, aus dem Fenster zu springen, gar nicht mehr so abwegig, kann jedoch nicht länger darüber grübeln, da sich die Tür öffnet und ein großer Mann in dunkelblauem Arztkittel, blondem Haar und strahlenden, ozean-blauen Augen den Raum betritt.

Marisol und ich stehen auf und gehen auf den Mann zu.

"Guten Tag. Sie müssen Miss Clark sein, nicht wahr?", sagt der Arzt mit einem breiten Lächeln, bei dem er seine makellos weißen Zähne zur Schau stellt und schüttelt mir die Hand.

"Ja genau.", erwidere ich lächelnd.

"Und Sie sind ...?", fragt er stirnrunzelnd mit Blick auf Marisol.

"Marisol Juaníta Jaramillo. Ich bin ... die Hausfrau.", antwortet Marisol prompt, jedoch gelingt es ihr nicht auch nur ansatzweise, ihre Nervosität aus ihrer Stimme zu halten.

"Sehr schön.", sagt der Mann und lächelt.

"Mein Name ist Dr. Thomas"

Bei dem Wort runzle ich die Stirn. Thomas. Ich kenne diesen Namen und doch, kann ich mich nicht erinnern von woher. Etwas an ihm kommt mir bekannt vor, aber-

"Sie haben gerade eben mit einer Kollegin Röntgen-Bilder gemacht und den Unfall für die Krankenkasse dokumentiert, richtig?", fragt er, aber bevor ich etwas sagen kann, schneidet mir Marisol mit piepsiger Stimme das Wort ab.

"Ganz genau. Sie haben bereits angesehen? Ist schlimm? Wird-"

"Sehr schön.", fällt ihr Dr. Thomas mit ruhiger Stimme ins Wort und sieht mich einen Moment abschätzend an, bevor er aus dem Umschlag in seiner Hand zwei Röntgen-Bilder zieht, das Licht an der kleinen beleuchteten Scheibe an der Wand zum Ansehen von Röntgen-Aufnahmen anknipst und die beiden Fotos neben einander daraufklemmt.

"Wie Sie hier erkennen können", Dr. Thomas zeigt mit dem Finger auf einen der Knochen am Handgelenk, "Ist das Gelenk nicht weiter verletzt oder entzündet.", Er dreht sich mit freundlichem Blick zu uns um, "Ich denke, dass Sie sich nach ihrem Sturz vielleicht etwas überanstrengt haben. Stress oder andere Einfüsse, die Sie seelisch belasten, können es am Heilen hindern, jedoch muss dies auch nicht der Grund sein. Ich würde Ihnen für's erste empfehlen, täglich und nächtlich einen Verband mit Schmerzgel, das sowohl gegen die Schwellung hilft, als auch Ihnen den Schmerz vollkommen nimmt, zu tragen."

"Danke Doctor!", sagt Marisol immer noch mit unnatürlich hoher Stimme und nickt eifrig.

"Nichts zu danken.", erwidert Dr. Thomas freundlich und sieht mich erneut an.

"Ich kenne ihn.", schießt es mir erneut durch den Kopf, jedoch will mein Gehirn die Verknüpfung einfach nicht schließen.

"Brauchen Sie noch ein Attest für die Fehlstunden des heutigen Tags in der Schule, Miss?", will er wissen und ich nicke.

"Gut dann sollten wir am besten zur Rezeption gehen und dort unterschreibe ich es Ihnen."

Ich nicke wieder stumm, da ich immer noch verbittert den Kampf in meinem Kopf führe, wer dieser Mann wohl ist und woher ich ihn nur kenne.

Nach kurzen Zögern verlasse ich schließlich nach Marisol und Dr. Thomas das Sprechzimmer und folge den beiden den Gang hinunter, entlang an den vielen anderen Patientenzimmern, bis wir schließlich wieder an der, durch die großen Fenster hell beschienenen, Rezeption angelangt sind.

Ähnlich wie bei Nate's Apartment bietet auch diese Praxis eine atemberaubende Aussicht auf die ganze Stadt, jedoch kann ich sie im Gegensatz zu den anderen, seltenen Malen, in denen ich hier war, nicht genießen, da mir genau in diesem Moment mit einem tiefen Stich in meiner Magengrube wieder bewusst wird, dass Nate's Penthouse nur einige Blöcke von hier entfernt liegt. Aus Gründen, die selbst ich nicht kenne, bereitet es mir eine gewisse Unruhe, zu wissen, dass ich so nah und doch wieder so weit weg von ihm bin, da er sicherlich um gerade mal halb zwölf noch in der Schule ist.

"Miss Clark?", fragt eine belustigte Stimme neben mir und reißt mich damit mit voller Wucht aus meinen Gedanken.

"Oh ... ehm ... tut mir Leid, ich habe nicht zugehört.", nuschle ich und laufe rot an. Nicht etwa, weil es mir peinlich vor dem Arzt ist, sondern weil mir eine zornfunkelnde Marisol einen ihrer typischen "Du solltest dich schämen!"-Blicke zuwirft.

"Ich habe Ihnen hier den Namen des Schmerzgels aufgeschrieben und das Attest haben Sie hier.", sagt Dr. Thomas ohne darauf einzugehen und drückt mir zwei Blätter Papier in die Hand, die ich ohne weiteres ordentlich in der Mitte falte und sorgsam in meine Tasche lege.

"Vielen Dank."

"Nichts zu danken. Hoffentlich sehe ich Sie nicht so bald wieder.", verabschiedet er sich lächelnd und schüttelt er erst mir und dann Marisol die Hand.

"Wenn es schlimmer werden sollte, kommen Sie sofort vorbei, ja?", sagt er in etwas strengem Tonfall und wendet sich zum gehen.

"Warten Sie.", rufe ich und er erstarrt in seiner Bewegung, "I-Ich ... ehm ... kenne ich Sie nicht irgendwo her?", frage ich zögernd und beiße mir dabei auf die Unterlippe.

Er sieht mich stirnrunzelnd an.

"Ich denke nicht, Miss, vermutlich verwechseln Sie mich mit jemandem.", antwortet er langsam, ohne die Spur eines Lächelns.

"Schönen Tag noch.", murmelt er abweisend und rauscht dann an uns vorbei.

"Bueno, Miss Jennifer. Wir jetzt hier erst mal raus und kaufen Ihnen besser gleich die Gel aus Apotheke, ja?", sagt Marisol und ich spüre, wie die Nervosität und das Unbehagen immer noch in ihrer Stimme mitschwingt.

Ich nicke etwas abwesend und folge dann Marisol zu den Aufzügen, ohne jedoch den Blick von dem Gang, indem Dr. Thomas verschwunden ist, abwenden zu können.


Endlich - nach fast einer ganzen Stunde zuhause angekommen - Marisol hat darauf bestanden, sich von jedem einzelnden Apotheker im Geschäft sich die sehr seltenen Nebenwirkungen und Risiken, das solch ein Schmerzgel verursachen könnte, aufzählen zu lassen - sitze ich mit Marisol am Küchentisch und lasse mir von ihr den Verband um mein Handgelenk wickeln. Ich beobachte sie mit gerunzelter Stirn, während sie vorsichtig, wie als wäre ich zerbrechlich, das letzte bisschen Stoff mit einem Stück Klebeband fixiert. Mir ist es nicht entgangen, dass seit sie heute morgen mein rot-gelbes und immer noch geschwollenes Handgelenk gesehen hat, ungewöhnlich nervös und unruhig geworden ist. Marisol ist gewöhnlich immer der fröhlichste, optimistischste Mensch, den ich kenne, der nie auch nur die Spur von Angst oder Nervosität zeigt ... aber so, wie sie mit zitternden Fingern und bleichem Gesicht ein letztes Mal meinen Verband überprüft, bereitet sie mir ... Angst?

"Marisol?", sage ich langsam und sehe sie besorgt an, "Geht es ... ehm ... geht es Ihnen gut?"

Sie wirft mir einen kurzen, ängstlichen Blick zu und steht dann auf.

"Warum gehen Sie nicht nach oben und sich etwas ausruhen, ja?", antwortet sie mit zittriger Stimme und kehrt mir den Rücken zu, um augenscheinlich den Verbandskasten wieder in den Schrank zu stellen.

"I-Ich ... Sind Sie sicher, dass-"

"Sie wirklich Ruhe brauchen, Señorita. Mir geht es gut, ich fühle mich nur ... ein wenig schwach."

Ich nicke, obwohl ich weiß, dass sie mich nicht sehen kann, da sie mir immer noch den Rücken zugekehrt hat.

"Manchmal brauchen Menschen ihren Freiraum, verstehst du, Kleines? Wenn sie bereit sind, ihre Probleme mit dir zu teilen, wirst du es merken.", höre ich die ruhige Stimme meines Vaters in meinem Kopf und stehe auf.

Kurz bevor ich den Türrahmen erreicht habe, drehe ich mich noch ein letztes Mal um und sehe zu Marisol, die mit dem Rücken zu mir sich mit den Armen auf die Küchenoberfläche abstützt.

"Auch wenn wir nicht verwand sind, sind Sie für mich wie meine Mutter. Ich weiß, dass normalerweise ich diejenige bin, die zu Ihnen kommt, um über meine Probleme zu reden, aber ich will, dass Sie wissen, dass ich Sie aus tiefstem Herzen liebe und Sie mir alles erzählen können, wenn Sie etwas belastet."

Marisol dreht sich überrascht um und ich bemerke, wie ihre Augen gerötet sind und eine einsame Träne ihre Wange herunter kullert.

"Sie auch sind wie meine Tochter, mi amor."

Ich lächle und wende mich dann um.

Sobald ich in meinem Zimmer angelangt bin, schnappe ich mir sofort mein Handy vom Nachttisch, das ich heute morgen hier vergessen hatte und entsperre den Bildschirm, während ich mich auf mein Bett fallen lasse.

Ich schlucke. 6 neue Nachrichten. Darunter fünf von Nate und eine von Kimberly.

Ich öffne erst die von Kimberly, die wissen will, ob ich krank bin und ich antworte ihr, dass es mir gut geht und wir später darüber reden können.

Dann tippe ich auf Nate's Nachrichten und ich spüre wie sich sofort mein Herzschlag beschleunigt.

Nate: Jennifer, es ist eine halbe Stunde seit Unterrichtsbeginn! Hast du verschlafen?

Nate: Wo steckst du??

Nate: Ist alles in Ordnung?

Nate: Wo zur Hölle bist du?

Nate: Ich mache mir Sorgen. Warum antwortest du mir nicht?

Ich beiße mir nervös auf die Unterlippe und tippe meine Antwort.

Ich: Tut mir Leid ich hatte mein Handy zuhause vergessen

Ich warte aufgeregt auf seine Antwort, die fast sofort auf meinem Bildschirm erscheint.

Nate: Ich mag es nicht, wenn du mir nicht antwortest, Jennifer. Wo bist du?

Ich rolle mit den Augen.

"Controllfreak", murmle ich und tippe erneut meinen Text in die kleine Tastatur unter der Nachricht.

Ich: Ich war beim Arzt wegen der Schwellung am Handgelenk aber es ist alles ok

Wieder erscheint seine Antwort augenblicklich.

Nate: Gut.

Ich überlege, was ich antworten könnte, da ich keines Falls möchte, dass die Unterhaltung damit beendet ist, jedoch erscheint eine weitere Nachricht von ihm.

Nate: Wir müssen reden.

Verblüfft starre ich auf den Text und ohne es zu merken, fängt mein Herz an zu rasen. Mit zitternden Fingern schreibe ich:

Ich: Über was?

Seine Antwort erscheint so schnell, dass ich mich ernsthaft fragen muss, ob es nicht ungesund ist, so schnell zu tippen.

Nate: Wir reden in meiner Wohnung. Sei um 7 da.

In Sekunde, in der ich das Handy seufzend auf meinen Nachtisch lege, wird mir eines noch klarer als je zuvor: Ich bin verloren. 

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Es tut mir wirklich unheimlich Leid, dass ich sooooo lange nicht geupdatet habe und ich hätte eigentlich schon letzte Woche das neue Kapitel veröffentlichen sollen, aber ich hatte leider einfach so viel um die Ohren ... :/

Naja bei mir sind jetzt Ferien (yeayyyy) und das heißt, dass ich öfter was von mir hören werdet :)♡

Ich hoffe sehr, es hat euch gefallen und ich würde mich riesig über einen Kommentar und einen Vote von euch freuen (wenn es euch gefallen hat - wenn nicht - Kritik ist immer gerne bei mir gesehen) ♥︎☆

Bis Bald ihr Lieben, 

x Eliana♥︎

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