Kapitel 32: Versöhnung
Seine Miene gefriert augenblicklich und ich habe wieder einmal das Gefühl in eine noch massivere Maske zu blicken.
"Jennifer ... Ich ...", sagt er, aber ich wende den Blick ab, da ich spüre wie mir Tränen in die Augen steigen.
Ich hasse es, dass ich immer so unglaublich weinerlich sein muss.
"Was willst du überhaupt mit mir, Nate?", krächze ich und spüre wie eine einsame Träne meine Wange hinunter kullert," Warum ich? Kannst du nicht irgendeine andere nehmen, die dein Spielzeug sein soll?"
"Sieh mich an, Jennifer.", sagt Nate in befehlerischem Ton, aber ich sehe ihn nicht an. Ich kann ihn nicht ansehen.
"Hör mir zu.", sagt Nate zwischen zusammen gebissenen Zähnen und umschließt mein Gesicht mit seinen großen Händen, um mich so zu zwingen ihm in seine wunderschönen Augen zu sehen.
"Ich kann keine Beziehungen führen. Ich bin dafür nicht gemacht. Aber du bist nicht mein Spielzeug, Jennifer, das musst du mir einfach glauben."
Er legt seine Stirn langsam gegen meine und ich spüre wie mein Herz anfängt zu rasen. Der Schwarm Schmetterlinge in meinem Bauch erweckt wieder zum Leben und hier und da spreizt einer auch schon einen Flügel.
"Sagst du das nur, damit du hinter meinem Rücken noch mit anderen schlafen kannst?", frage ich mit zitternder Stimme und sehe ihn an.
Er haucht einen samtweichen Kuss auf meine Stirn und ich schließe kurz die Augen. Er ist so umsichtig, vorsichtig und zart. Eine Seite, die ich so noch nie an ihm gesehen habe.
"Es gibt keine anderen.", flüstert er und stützt sein Kinn auf meinem Kopf ab.
"Was macht es dann für einen großen Unterschied, ob wir offiziell zusammen sind oder nicht?"
"Es macht einen großen Unterschied. Einen riesigen Unterschied. Jennifer, versteh doch, i-ich -", er bricht ab und entfernt sich von mir.
Er rauft sich verzweifelt die Haare und starrt einige Sekunden lang aus dem Fenster. Dann atmet er tief durch und sieht mich wieder an.
"Ich will keine Beziehung. Der Rest geht dich nichts an.", sagt er in eisernem Ton und ich habe das Gefühl seine Worte wären wie Schüsse, die jeden einzelnen meiner farbenfrohen Schmetterlinge in meinem Bauch erschießen würden.
"Oh", hauche ich und spüre einige heiße Tränen über meine Wange rollen.
Ohne darüber nachzudenken, nehme ich meine kleine Tasche, stoße die Tür auf, springe aus dem Auto und renne zum schmiedeeisernen Tor vor unserer Villa. Hastig drücke ich den Knopf der Freisprechanlage und atme auf, als ich Marisol's Stimme keine zwei Sekunden später daraus höre.
Einen kurzen Augenblick später öffnen sich die Tore und ohne einen weiteren Blick nach hinten zu werfen, renne ich so schnell ich nur kann die lange Auffahrt hinauf.
"Ay, Señorita Jennifer!", seufzt Marisol erleichtert und nimmt mich fest in den Arm bevor ich überhaupt einen Schritt über die Schwelle gesetzt habe.
"Que le pasa, mi amor?", fragt sie traurig und sieht mich mitfühlend an.
"I-Ich ...", stottere ich und sage dann genau die Worte, die mir schon seit einer Woche ununterbrochen durch den Kopf gehen, "I-Ich will zu Kimberly."
"Ay, probresita!", stöhnt sie mitleidvoll und drückt mich fest gegen ihre Brust, "Miss Kimberly gutes Mädchen, warum Sie rufen sie nicht einfach an?"
Ich löse mich von ihr und sehe sie zweifelnd an.
"Sie hasst mich doch, Marisol.", krächze ich und spüre wie mir dabei wieder eine Träne die Wange hinunterkullert.
"Miss Kimberly hasst Sie nicht, Señorita.", sagt sie leise und wischt mir die Träne weg.
Ich sehe sie traurig an und beiße mir auf die Unterlippe.
"Theoretisch kann ich ohnehin nichts verlieren.", sage ich leise und lehne mich gegen den Türrahmen, "Wenn sie mir vergibt, habe ich meine beste Freundin wieder zurück und mit ein wenig Glück auch noch Matt, aber wenn nicht ... Kann sie mich denn wirklich noch mehr hassen als sie es eh schon tut?"
"Du hast Recht, Marisol.", sage ich dann laut vernehmlich und sehe sie mit feuchten Augen an, "Ich werde es versuchen."
Ich hole ein weiteres Mal tief Luft und sehe dann wieder auf mein Handy in meinen zitternden Fingern. Mein Herz klopft so laut, dass ich den Rhythmus laut mitzählen könnte. Mein Atem geht flacher als gewöhnlich und ein kleiner Schauder läuft mir den Rücken hinunter als ich mich endlich dazu zwinge, den grünen Knopf zu drücken.
Ich halte mir das Handy gegen das Ohr und warte. Das gewohnte Tuten ertönt und ich spüre wie mein Herz immer schneller und heftiger gegen meinen Brustkorb pocht. Ich warte.
"Wie konntest du mir das verschweigen? Wie konntest du nur?", brüllt Kimberly's Stimme in meinem Kopf und ich kneife meine Augen zu.
Ich warte.
"Du bist keine Freundin, -"
"Was?", unterbricht die echte Kimberly die schneidende Stimme meiner Erinnerungen und ich schlage die Augen auf.
"Ich weiß, dass du es bist. Also. Was willst du?", will sie ungeduldig wissen, weil ich immer noch nichts gesagt habe.
Ich hole tief Luft und spüre dann wie meine Augen sich wieder mit Tränen füllen.
"I-Ich ... E-Es tut mir so Leid.", flüstere ich und versuche ein Schluchzen zu unterdrücken, jedoch scheint es mir nicht recht zu gelingen, da Kimberly sofort sagt:
"Weinst du?"
"K-Kannst du komm-en ... b-bitte?"
"Ich bin unterwegs", erwidert sie knapp und legt auf bevor ich auch nur ein weiteres Wort herausbringe.
Ich nehme das Handy vom Ohr und starre fast ganze zehn Sekunden auf den Bildschirm bis ich langsam das Glücksgefühl in mich sickern fühlen kann. Ich atme rasselnd aus und schließe dann ein weiteres Mal meine Augen. Erleichterung macht sich in mir breit, was mich anscheinend nur noch heftiger weinen lässt.
Ich weiß zwar nicht, ob sie mir komplett vergeben hat, aber ich weiß jetzt, dass sie mich zumindest nicht hasst.
Als ich mich nach einigen Minuten wieder beruhigt habe, stehe von meinem Bett auf. Ich gehe in das große Bad am anderen Ende des Zimmers und knipse darin das Licht darin an. Undankbar hell blendet es mich und ich muss einige Sekunden blinzeln, bevor ich das Mädchen im Spiegel vor mir erkenne.
Meine pechschwarzen Haare sind zerzaust und unordentlich, meine Augen sind immer noch vom vielen Weinen gerötet und meine Lippen sind farblos. Ich wende den Blick ab und nehme aus einer der Schubladen unter dem Waschbecken einen Haargummi hervor und binde mir das Haar zu einem Pferdeschwanz. Ich sehe wieder in den Spiegel.
"Was findet Nate bloß an mir?", schießt es mir wieder durch den Kopf und ich drehe mich ein wenig, um mich von der Seite aus im Spiegel zu betrachten.
Ich bin nicht durchtrainiert oder dünn wie es sich meine Mutter so sehnlich erhofft und meine Haut ist nicht porenfrei wie die von Kimberly, da ich nicht wie sie nur mit einigen Ausnahmen auf Zucker, Mehl und Fleisch verzichte. Ich bin alles andere als perfekt - ich bin der Inbegriff des Nicht-perfekten.
Mein Herz schlägt schneller, als es circa fünf Minuten später an der Tür klingelt. Ich stehe auf und gehe die Treppe hinunter. Im Foyer angekommen sehe ich die Haustüre offen stehen, daneben eine unsicher dreinschauende Marisol, jedoch habe ich keinerlei Augen für sie. Alles, was ich sehen kann, ist das blauäugige Mädchen mit den haselnussbraunen Haaren, die mit vor der Brust verschränkten Armen im Türrahmen steht und mich unschlüssig ansieht.
Ich kann nicht sagen warum oder wieso in genau diesem einen Moment, aber als ich in ihre eisblauen Augen sehe, verschwinden plötzlich alle Erinnerungen an den großen Streit zwischen uns und doch spüre ich sofort wie sich meine Augen mit Tränen füllen.
"Hi.", piepse ich und versuche angestrengt gegen meine Tränen anzukämpfen.
"Was besseres fällt dir nicht ein?", blafft sie mich an.
Ich kann nicht anders, als sie nur groß anzustarren, während sie mit großen Schritten auf mich zu marschiert und mich fest umarmt.
"Ich habe dich vermisst, Süße.", flüstert sie und zum ersten Mal seit einer langen Zeit, weine ich nicht aus Schmerz, sonders aus Hoffnung. Hoffnung, dass ich nicht mehr alleine bin.
"... und dann.", seufze ich und werfe Kimberly einen raschen Blick zu, "Bin ich einfach aus dem Auto gestiegen und gegangen."
"Das ist alles? Die ganze Wahrheit?", hakt sie misstrauisch nach und ich nicke langsam.
Es ist fast Elf Uhr - so lange hat es gedauert, Kimberly alles zu erzählen, was ich ihr entweder bereits vor dem Streit verschwiegen habe oder sie verpasst hat, weil wir nicht mehr mit einander sprachen.
"Bist du sauer auf mich?", flüstere ich und beiße mir auf die Unterlippe.
"Sauer?", fragt sie verwundert, "Nein, Jen, ich bin doch nicht sauer. Ich meine ja, ich war wirklich sauer, dass du mir das alles am Anfang verschwiegen hast, aber", sie seufzt, "du bist immer noch meine beste Freundin und man gibt nicht so einfach Leute auf, die man liebt."
Ich lächle schwach und will gerade etwas ebenso sentimentales erwidern, als Kimberly jedoch sofort fortfährt:
"Aber versteh mich nicht falsch. Ich mag Nate nicht und ich will einfach nur nicht dabei zusehen, wie du verletzt wirst, das ist alles."
Ich nicke, dann frage ich das, was mir schon seit dem ersten Kuss zwischen mir und Nate auf der Zunge liegt:
"Denkst du er benutzt mich nur?"
Sie sieht mich eine Weile nachdenklich an, dann endlich sagt sie:
"Ja, Jen, das glaube ich."
"Hast du nicht zugehört? Er meinte doch-"
"Ich habe dir zugehört", unterbricht sie mich und ich verstumme jäh, "Ich finde es nur sehr interessant, wie erschrocken er auf deine Frage, was ihr seid, reagiert hat."
"Er meint er will keine Beziehung", murmle ich und senke traurig den Kopf.
Kimberly nickt.
"Ich weiß. Aber wenn du mich fragst, ist das keine Bindungs-Angst, sondern purer Egoismus. Es ist natürlich bequemer für ihn, mit dir rumzumachen, dich als sein kleines Spielzeug zu haben, aber trotzdem nicht als Sündenbock da zu stehen, wenn er mit ein Dutzend anderen Frauen ins Bett springt."
Ich schweige.
"Sie hat Recht.", flüstert mir meine innere Stimme ins Ohr und trotzdem kann ich den Gedanken nicht abschütteln, dass das nicht der Grund ist, warum Nate keine Beziehung will. Ich kann es mir selbst nicht erklären warum, aber ich weiß, dass etwas anderes, tieferes dahinter steckt als nur sein Egoismus. Aber ... w a s ?
~
Der peitschende Regen schlägt erbarmungslos gegen die Fensterscheiben, während das laute Heulen des Windes durch das kleine Haus dröhnt. Der Sturm rüttelt gegen die Fenster und lässt die kleinen Baumwipfel im großen Garten gefährlich weit schwanken.
Das Einzige, das den kleinen Raum mit dem altmodischen Kamin, in dem ein Feuer lodert, erhellt, ist der gelegentliche Blitz, der die Szenerie jäh in helles, weißes Licht taucht und das kleine, schwarzhaarige Mädchen zusammenzucken lässt.
"Willst du eine Geschichte hören, Janie?", fragt der hochgewachsene, schlaksige Mann mit ebenso pechschwarzem Haar neben ihr und sieht sie lächelnd an, während das Kind immer noch ängstlich auf die Spiegelung des Kamins sieht.
"Dip-du.", flüstert sie und schlüpft noch ein Stück tiefer unter die Wolldecke, die über Vater und Tochter gespannt ist.
"Es war einmal ein kleines Mädchen namens Jane, die dir, abgesehen vom Namen, sehr ähnlich war.", der Vater wirft der Tochter einen liebevollen Blick zu und sie kichert kurz, "Sie hatte unglaubliche Angst vor Gewitter und dann -", er hält dramatisch Inne und sieht das Kind mit großen Augen an, "zog eines Tages ein grausames Unwetter auf. Die Wolken zogen sich zusammen und wurden immer dunkler. Es begann zu regnen. Immer heftiger, bis schließlich Blitze auf die Erde trafen.", er attackiert das Mädchen mit seinem Finger, während er ein pfeifendes Geräusch von sich gibt und sieht glücklich dabei zu, wie seine Tochter abermals in Kichern ausbricht.
"Aber weißt du was? Als Jane sich traute, sich vor das Fenster zu stellen und dem Gewitter zuzusehen, bemerkte sie plötzlich etwas: Sie begriff plötzlich, dass es nur darum geht, sich den Blitzen und dem Donner zu stellen und sich nicht davor zu verstecken. Und da hatte sie Recht: Sobald der Sturm vorbei ist, wirst du dich nicht mehr daran erinnern können, wie du es geschafft hast, zu überleben. Du wirst nicht die gleiche Person sein, wenn du wieder zurück kommst. Du bist dir nicht einmal ganz sicher, ob der Sturm überhaupt vorbei ist, aber eins kannst du dir immer sicher sein: Du wirst auch den noch so heftigsten Sturm überleben, Jane, weil es immer Leute gibt, wie Mommy und Daddy, die dich vor allem Unwetter da draußen beschützen werden."
Ein weiterer Blitz, der das Wohnzimmer in weißes Licht taucht und mit diesem alles verschwunden. Was bleibt ist das Geräusch des wütenden Sturms und das kalte, weiße Licht.
Ein höhnisches Lachen, das jäh jeden Ton des Unwetters verstummen lässt, ein lauter, verzweifelter Schrei und plötzlich wird alles Schwarz.
Schweißgebadet schrecke ich aus meinem unruhigen Schlaf und starre die schwarze Wand mir gegenüber an. Mein Herz schlägt schnell und ich kann das Blut in meinen Ohren rauschen hören. Ich wende den Blick, um auf die leuchtende Digitaluhr auf meinem Nachttisch zu sehen. Es ist kurz nach Drei. Ich lasse mich wieder zurück in die Kissen fallen und schließe dann die Augen, in der Hoffnung wieder Ruhe zu finden.
"Nein, nein. Ich habe gesagt die fettarme Milch!", murmelt Kimberly etwas aufgeregt neben mir und dreht sich dann auf den Rücken.
Ich schmunzle.
Ich werde den Sturm überleben.
________♡_______
So, als aller erstes muss ich mich wirklich dafür entschuldigen, dass ich so lange nicht mehr geupdatet habe, aber wie der ein oder andere vielleicht schon gemerkt hat, mache ich gerade eine Art Großputz mit meinem Buch und habe beschlossen EINIGE Kapitel in 2 aufzuteilen, weil sie sonst echt lang sind und ich bemerkt habe, dass ich es nicht sooo toll finde, extrem lange Kapitel zu lesen :)
Ich hoffe, ihr seit mir deswegen nicht böse :) ♥︎
Wie auch immer. ♡Vielen Dank für's Lesen, Ihr seit echt die besten!!♡
Vergesst nicht zu voten und zu kommentieren!
x Eliana
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