Kapitel 17: Die Bombe

Wie würde ich um Himmels Willen nach Hause kommen, wenn ich jetzt etwas davon trinken müsste?

"Ehm ... aber ich kann nicht trinken. Ich muss später noch nach Hause fahren.", sage ich und nehme zögernd das kleine Glas in die Hand.

"Bestell dir doch einfach ein Taxi für heute! Ich kann Ralph, unserem Chauffeur, sicher Bescheid sagen, dass er dein Auto jetzt gleich nach Hause bringen soll und dann mit dem Taxi oder Bus wieder her kommen soll.", bietet Scar unbekümmert an und ich runzle die Stirn.

"Nein, das wäre doch viel zu viel Aufwand, wirklich!", tue ich ihr Angebot ab und schüttle mit dem Kopf.

"Aber nein!", erwidert sie begeistert und macht eine lässige Handbewegung.

"Jennifer, spiel nicht und fahr auf der Stelle nach Hause, ich bitte dich!", flüstert mir unerwartet jemand ins Ohr und von der Stelle an meinem Ohr, an dem sein heißer Atem auf meine Haut trifft, breitet sich augenblicklich eine Gänsehaut bis in meine Fingerspitzen aus und in meinem Bauch beginnt wieder dieses merkwürdige Kribbeln.

"Was gibt es da zu Tuscheln?", will Lexi mit etwas zu hoher Stimme wissen und reckt das Kinn.

"Nichts.", antworte ich mit fester Stimme und sehe über meine Schulter zu Nate. Dann sehe ich wieder zu Scar.

"Okay. Mach es.", weise ich sie an und sie grinst. Ich wollte eigentlich nicht trinken, ich wollte eigentlich gerade einfach gehen, aber allein die Tatsache, dass Nate nicht will, dass ich mitspiele, bewegt mich dazu, genau das Gegenteil von dem, was er will, zu machen.

Scar zieht sogleich ihr Handy aus der Hosentasche und hält es sich kurt darauf ans Ohr.

"Guten Abend, Ralph. Könnten Sie bitte ein Auto von hier nach-", Ich nenne ihr die Adresse, die sie dann in das Handy wiederholt.

"Wie sieht dein Auto aus?", flüstert Scar, "Ich bräuchte auch bitte deine Schlüssel.", Ich tue wie mir geheißen und krame aus der kleinen Handtasche meine Autoschlüssel.

"Ein dunkelblauer Mini Cooper.", antworte ich und gebe ihr die Schlüssel.

"Haben Sie gehört?"

Stille.

"Danke vielmals, Ralph. Ich bringe Ihnen jetzt die Autoschlüssel.", und mit diesen Worten erhebt sie sich und verlässt das Zimmer.

"Dylan, kommst du, oder hast du keine Lust mehr?", fragt der schlaksige Junge mit den braunen Locken mir gegenüber, aber als ich einen Blick über meine Schulter riskiere, schüttelt nur den Kopf Kopf.

"Okay. Ich fang an! Ich habe noch nie ein A in einem Test bekommen", quiekt Lexi und ich schenke mir ein wenig von der braunen Flüssigkeit aus der Flasche, das mir eben ein Mädchen hinstellte, ein.

"Das musst du schon ganz voll machen.", brummt ein Junge mit wasserstoffblonden Haaren dumpf und meine Augen weiten sich.

Ich fülle das Glas bis auf den Rand mit dem Schnaps und hebe es dann zu meinem Mund. Ein strenger Geruch geht von dem Glas aus und ich muss mich überwinden, mir nicht die Nase zuzuhalten. Ich kneife kurz die Augen zu und schlucke dann den Inhalt in einem Zug hinunter. Was darauf folgt ist viel schlimmer als nur der ekelhafte Geruch. Ein schmerzhaftes Brennen breitet sich augenblicklich in meiner Kehle aus und ich muss sofort laut anfangen zu husten. Mein gesamter Mund und Rachen brennt grauenvoll und ich spüre immer noch den scharfen und bitteren Geschmack auf meiner Zunge.

"Wie kann sowas Leuten nur Spaß machen? ", frage ich mich und sehe zu wie drei oder vier andere ihr Schnapsglas ebenfalls leer auf den Boden stellen.

Dem Uhrzeigersinn geht es anscheinend weiter, denn Kaylee ist nun an der Reihe.

"Ich habe noch nie getrunken ohne mich nachher zu übergeben.", kichert sie.

"Aber das ist unfair! Du kotzt doch eh alles aus, was du isst!", sagt Cat, das Mädchen mit dem Lippenpiercing und den maus-braunen Haaren, und runzelt die Stirn.

"Ja und?", gibt Kaylee etwas zickig zurück und sieht zufrieden dabei zu, wie sich über die Hälfte, mir eingeschlossen, nacheinander Tequila einschenken.

Abermals hebe ich das Glas zu den Lippen, kneife wieder die Augen zu und leere das Glas in einem Zug. Da das Brennen in meiner Kehle noch nicht mal durch die erste Runde wirklich verschwunden ist, spüre ich es diesmal nicht ganz so heftig, wofür ich äußerst dankbar bin. Der Tequila tut anscheinend bereits seine Wirkung, denn langsam fühle ich mich immer wohler hier zwischen dem Haufen fremder Leute und mein Körper scheint sich auf mysteriöser Weise irgendwie aufzuwärmen.

"Ich habe mir noch nie einen Jungen oder ein Mädchen aus diesem Raum nackt vorgestellt!", lacht der hünenhafte Junge neben Kaylee und die Runde buht. Ertappt.

"Als ob wir dir das glauben würde, Ian!", kichert das blonde Mädchen neben mir und ich verdrehe die Augen.

"Na na ... doch nicht so unschuldig, wie wir alle dachten was, Jenny?", schnarrt Lexi als ich das kleine Glas wieder auf den Boden stelle.

"Tja. Wenigstens stell ich es mir nur vor und habe nicht schon tatsächlich jeden Jungen oder das ein oder andere Mädchen hier nackt gesehen.", gebe ich kühl zurück und sehe zufrieden zu, wie Lexi's Mund vor Einsetzten aufklappt.

"Ich habe noch nie was anderes getrunken als Tequila!", rufe ich giggelnd als ich ein paar Runden später an der Reihe bin. Ausnahmslos jeder trinkt.

"Ach ja, Scar!", rufe ich und versuche Scar's Gesicht neben mir zu fixieren, was gar nicht so einfach ist, da sie immer wieder vor meinen Augen verschwimmt, "Ich liebe deine Haare! Am Anfang dachte ich, dass du voll verrückt bist wegen den pinken Strähnen, aber ich glaub ich lass mir das auch machen! Oder nein! Ich färbe sie mir in Grün, wie das von-" Ich halte abrupt inne, aber Scar scheint es anscheinend nicht bemerkt zu haben, denn sie kichert nur.

"Sweety, du verträgst echt rein gar nichts!"

Ich glaube ich habe bis jetzt etwa fünf oder sechs Shots getrunken. "Oder weniger? Ach keine Ahnung, auf jeden Fall macht das hier riesigen Spaß!", denke ich grinsend und scheine gar nicht zu realisieren, dass ich bereits ziemlich betrunken bin.

"Ich hatte noch nie einen Dreier!", gickelt Scar neben mir, da sie jetzt an der Reihe ist und einige trinken einen Kurzen.

"Nope hatte ich noch nie!!", rufe ich viel zu laut für meine Verhältnisse und einige aus der Runde lachen.

Die nächsten zwei Runden muss ich nicht trinken, dafür aber die darauffolgenden vier Mal sehr wohl.

Langsam ist mir wirklich speiübel und mein Kopf fühlt sich noch durch die laute Musik von Unten so an, als würde er jede Sekunde glatt entzwei brechen.

"Ich habe noch nie ... ehm ... auf nem Konzert gewesen", sagt das sehr betrunkene Mädchen dessen Namen ich schon längst wieder vergessen habe und ich führe einen kleinen Freudentanz auf, da ich tatsächlich noch nie auf einem Konzert gewesen bin und ich deshalb auch nicht trinken muss.

"Hier magst du mal ziehen?", bietet mir Scar lächelnd an und hält mir eine Art Zigarette hin.

"Ist das ein Joint?", frage ich erstaunt und sie nickt grinsend. Ich sehe sie zweifelnd an, aber sie lacht nur.

"Komm! Ist ja nicht so als solltest du gleich Heroin nehmen! Probier halt mal einen Zug!", ermuntert sie mich und ich zucke mit den Schultern.

Ganz davon abgesehen, dass ich in diesem Moment das Gefühl habe, dass sie Recht hat, bin ich schon längst über den Punkt hinaus, wo ich über irgendetwas eine "richtige" Entscheidung treffen könnte.

"Okay!", sage ich unbeschwert und nehme den Joint zwischen Daumen und Zeigefinger.

Ich hebe ihn zu meinem Mund, lege ihn an meine Lippen und sauge dann stark. Ich huste sofort los, da der Rauch irgendetwas schmerzhaftes in mir auslöst, aber Scar lächelt nur.

"Danke.", pruste ich und gebe Scar die Zigarette zurück.

"Hey Jenny, du bist wieder dran!", ruft das blonde Mädchen neben mir und ich drehe den Kopf. Ihr Gesicht verschwimmt andauernd vor meinem Gesicht und ihre Worte hallen unnachgiebig in meinem Kopf, wie ein endloses Echo, nach.

"Klar stimmt!", grinse ich und überlege.

"Komm schon mach nicht wieder sowas langweiliges! Wir wollen was pikantes!", grölt der hünenhafte Junge namens Ian und ehe ich mich's versehe ruft der gesamte Kreis wie im Chor: "Sex! Sex! Sex!".

In diesem Fall, scheine ich es überhaupt nicht komisch zu finden, sondern ganz im Gegenteil: zum Schreien komisch.

"Ja ja, ist ja gut!", lache ich und die Leute verstummen jäh, obwohl ich mich immer noch vor Lachen fast kringle.

"Hm ... ich ...", überlege ich und schlagartig wird mir wieder bewusst, dass ich darüber nichts sagen kann, weil ich noch nie in meinem Leben mit einem Jungen geschlafen habe. Augenblicklich vergeht mir das Lachen vollkommen.

Allein der Gedanke, dass ich noch nie Sex hatte oder sogar jemand anderen als Nate geküsst habe, lässt meine Laune auf den Nullpunkt sinken, nein schlimmer, es macht mich unbeschreiblich traurig. Zu traurig. Als hätte ich keinerlei Oberhand über meine Gefühle mehr, spüre ich wie jäh Tränen in meine Augen steigen und mir die Sicht nur noch mehr vernebeln.

"Was ist los? Was zur Hölle habt ihr mit ihr gemacht?", ruft plötzlich eine nur zu bekannte, laute Stimme bei der Tür und ich sehe auf.

Ich hatte nicht einmal bemerkt, dass Nate den Raum verlassen hat, aber jetzt bringt mich sein bloßer Anblick schon dazu vollkommen in Tränen auszubrechen. Bevor ich es realisieren kann, ist er auch schon neben mir und sieht mich besorgt an.

"Hey Jen, was ist denn los?", fragt Scar giggelnd, aber ich heule einfach (vermutlich ziemlich geräuschvoll) weiter.

Ich sehe, wie ein besorgt wirkender Alex jetzt auch auf mich zu kriecht, was mich wiederum fuchsteufelswild macht.

"Du!", schreie ich mit schwerer Stimme und und deute anklagend auf Alex, "Du bist ein Arsch, Feigling und ... und ich will nichts mit dir zu tun haben, verstanden!", brülle ich außer mir vor Wut, das Weinen ganz vergessen, und Alex erstarrt jäh.

"Was zum Teufel -", flüstert Nate völlig perplex, aber jetzt sind die Pferde anscheinend schon mit mir durchgegangen.

"Was zum Teufel! Uhh! Nein, Jennifer, du darfst da jetzt nicht mitspielen, weil ich dich ja so sehr hasse, aber dir trotzdem immer Befehle geben kann, weil ich ja so ein riesen Ego habe!", äffe ich Nate mit hoher, piepsiger Stimme nach und sehe mit Genugtuung dabei zu, wie sein Gesicht bleich wird.

"Ganz ehrlich, kannst du das nicht später klären? Sag jetzt, was du noch nie gemacht hast oder verschwinde einfach!", sagt Kaylee etwas lallend und andere nicken zustimmend.

"Ja um Himmels Willen!", brülle ich, da ich das dringende Bedürfnis habe meine Wut an irgendjemanden auszulassen, "Ich habe noch nie Sex gehabt, zufrieden?"

Bevor ich überhaupt wirklich realisieren kann, was ich da eben gesagt habe, wird mir ganz plötzlich so extrem übel, dass ich mich nach links zu dem zwischen Scar und mir kauernden Nate drehe und mich (unabsichtlich) über Nates Schuhe übergebe.

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So ich hoffe wirklich sehr es hat euch gefallen! ♡

♥︎Vielen Dank für's Lesen, Voten und Kommentieren!!♥︎

x Eliana











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