Kapitel 60
Alice P.O.V.
Entgegen Nialls anfänglicher Proteste bin ich die ganze Strecke nach Eastfield gefahren, allerdings in seinem Auto. Ich finde sein Auto einfach toll, ich glaube, ich saß noch nie in einem bequemeren Auto. Und es fährt sich unglaublich angenehm. Außerdem habe ich, wenn ich fahre, keine wirkliche Gelegenheit dazu, Niall von der Seite anzugucken. Und er kann mich entsprechend auch nicht dabei erwischen.
Dafür hat Niall mir die Fahrt über von seiner Zeit in Irland erzählt und wie schön es war, mal wieder ein wenig länger da zu sein. Und ich muss sagen, dass ich wirklich gerne wieder mitgekommen wäre, aber es war auch schön, meine Eltern bei mir zu haben. Generell genieße ich es wieder deutlich mehr in LA, seit ich wieder in einer Wohnung wohne, die ich mir selbst ausgesucht habe, weil sie mir gefällt, und nicht, weil sie möglichst sicher vor Felix ist. Okay, und es ist auch echt schön, einen so kurzen Weg zu Niall zu haben, wenn er dann auch in der Stadt ist.
Eastfield hat sich überhaupt nicht verändert, seit ich das letzte Mal hier war, und das ist schon wieder eine gefühlte Ewigkeit her. Meistens kommen eher meine Eltern nach London, wenn ich in Großbritannien bin, damit ich nicht so weit fahren muss, und so war ich das letzte Mal hier, bevor ich mich von Felix getrennt habe. Also vor etwas über zwei Jahren.
Nur der Vorgarten meiner Eltern ist anders, sie haben eine neue Hecke gepflanzt und die Einfahrt ist jetzt ein wenig breiter. Es ist also deutlich entspannter, Nialls nicht gerade kleines Auto neben dem Wagen meiner Eltern abzustellen. Und noch bevor der Motor aus ist, geht auch schon die Haustür auf.
„Standet ihr etwa schon am Fenster?", frage ich meine Eltern lachend, sobald ich ausgestiegen bin, und als meine Mutter nur schmunzelt, weiß ich die Antwort. Natürlich haben sie schon am Fenster gewartet. Nialls Tür geht ebenfalls auf und meine Eltern kommen ein Stück weiter raus, um sich vorzustellen.
Meine Mutter hat einen totalen Aufstand veranstaltet, nachdem ich Bescheid gesagt habe, dass wir über Silvester kommen. Aber wir fahren auch an Neujahr schon gleich wieder, nachdem wir in Ruhe ausgeschlafen haben.
Jessie habe ich schon ewig nicht mehr gesehen, auch wenn sie immer meine beste Freundin war. Als ich nach London gezogen bin, ist der Kontakt einfach durch die Entfernung ein bisschen weniger geworden, und als ich dann irgendwann mit Felix zusammen war, ist die Freundschaft quasi ganz eingeschlafen und man hat sich nur noch zu Geburtstagen kurz geschrieben. Generell habe ich in den Jahren mit Felix einige Freunde aus den Augen verloren, irgendwie.
Aber entsprechend groß ist die Freude darüber, alle endlich einmal wiederzusehen, als wir am nächsten Abend um das Haus von Jessies Eltern gehen und im Garten zu den anderen stoßen, die bereits da sind. Es ist wirklich viel zu lange her, dass ich diesen Haufen gesehen habe, und auch Niall passt wunderbar mit in die Gruppe. Es sind generell auch ein paar weitere neue Gesichter dabei, da ich nicht als einzige eine neue Begleitung mitgebracht habe. Wobei die anderen doch eher Partner mitgebracht haben und nicht... einen besten Freund.
Als es uns draußen auf Dauer doch auch mit Feuerschale zu kalt wird, ziehen wir ins Gartenhaus um, wo es auch einen Kamin und Heizstrahler gibt. Und ehe ich mich versehe, sitzen wir in einem Kreis und spielen Never have I ever. Das habe ich wirklich nicht mehr gespielt, seit ich nach London gezogen bin. Meine einzige Befürchtung ist, dass Niall sich dabei ein bisschen fehl am Platz fühlen könnte, immerhin möchte er vielleicht nicht unbedingt alles so quasi Fremden gegenüber offenbaren, aber er sitzt neben mir und sieht nicht im geringsten so aus, als hätte er ein Problem mit dem Spiel. Stattdessen füllt er recht enthusiastisch unsere Gläser nochmal auf, damit wir nicht so schnell das Spiel unterbrechen müssen, um nachzuschenken.
Eigentlich ist das Spiel wirklich noch genauso wie immer, wenn wir es als Jugendliche gespielt haben, nur dass die Fragen deutlich expliziter geworden sind. Als Niall bei der Frage nach dem Miles High Club trinkt, drehe ich mich so ruckartig zu ihm, dass sich kurzzeitig alles vor meinen Augen dreht. „Was denn?", fragt er nach und als er realisiert, dass mir schwindelig ist, legt er vorsichtig eine Hand auf meinen Arm und als ich nicht weg zucke, stützt er mich leicht. „Nichts, was sollte sein?", entgegne ich aber nur, sobald ich mich wieder ein bisschen gefangen habe, und er zuckt mit den Schultern. „Du hast so geschockt reagiert." „Ich war halt ein wenig überrascht.", ist meine letzte Aussage zu dem Thema, bevor ich mich wieder von ihm abwende. Es kann mir eigentlich ziemlich egal sein, immerhin bin ich auch kein unbeschriebenes Blatt und Niall hat mir immerhin auch mal von einigen Dingen erzählt, aber vor allem davon, dass er nie in der Lage war, eine wirkliche Beziehung zu führen. Aber das erklärt die Tatsache, dass er immer gerne mit Privatjets fliegt.
Und nein, es stört mich überhaupt nicht. Wirklich nicht. Warum sollte es auch? Es ist mir absolut egal, was er macht. Es gäbe immerhin wirklich keinen Grund dazu, warum mich das Sexleben meines besten Freundes etwas angehen sollte. Ist ja seins... und nicht meins.
„Ich habe mich noch nie in einen Freund verliebt.", kommt einige Minuten später von Natalie und aus dem Augenwinkel registriere ich Nialls Blick auf mir, während er einen Schluck trinkt. Generell trinkt gefühlt fast jeder und eigentlich würde ich mein Glas einfach stehen lassen, aber als ich zu Niall schiele, sein Blick ist schon nicht mehr bei mir, greife ich instinktiv doch nach meinem Glas und trinke einen großen Schluck.
Bin ich heute von der Schule aus direkt nach Hamburg gefahren, um ein Geburtstagsgeschenk für meine beste Freundin zu kaufen? Ja. Habe ich die Entscheidung bereut, sobald ich gesehen habe, wie voll der Zug nach Hamburg ist? Auch ja. Habe ich ein Geschenk gefunden? Nope, nur ein Buch für mich. Also habe ich mich sinnlos in diesen Zug gequetscht, der undefinierbar gestunken hat, und hätte doch einfach nach Hause und zum Pferd fahren können...
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