Kapitel 5

Alice P.O.V.
„Hey Emma, da bin ich.", sage ich, sobald ich in der recht kleinen Maske stehe und meine Tante entdeckt habe. Sie steht neben einer Frau mit dunkelbraunen Haaren, die vermutlich das eigentliche Model heute ist. „Ah, Alice, sehr schön." Emma dreht sich zu mir um und auch die Frau neben ihr richtet ihren Blick auf mich. „Alice, das ist Eleanor. Eleanor, Alice. Meine Nichte.", stellt sie uns einander vor und Eleanor kommt zu mir, um mir die Hand zu geben. „El reicht vollkommen, freut mich, dich kennenzulernen."
Verlegen nehme ich ihre Hand an und dann kommt eine weitere Frau rein. „Ah, dann sind wir jetzt ja vollzählig und können loslegen. Husch husch, setzt euch schon mal, meine Kollegin ist gleich da und fängt dann bei dir auch an, Eleanor Liebes."

Wie ein Wirbelwind ist die Frau, die sich mir noch immer nicht vorgestellt hat, damit beschäftigt, um mich herumzuwuseln und meine Haare in eine strenge Hochsteckfrisur zu stecken. Fasziniert beobachte ich, wie sie es schafft, die Wellen meiner Haare verschwinden zu lassen, ohne auch nur ein Glätteisen anzugucken, aber das macht scheinbar die Erfahrung, wenn man lange genug als Stylistin arbeitet, oder so. Direkt danach beginnt sie mit meinem Makeup und ich muss mich wirklich zusammenreißen, nicht einzuschlafen, während sie mit zahlreichen Pinseln in meinem Gesicht zugange ist. Momentan stehen einige Klausuren in der Uni an, immerhin ist das erste Jahr bald vorbei, und ich hatte ein wenig unterschätzt, wie viel Stoff eigentlich drankommt, weshalb ich etwas zu wenig Schlaf hatte in der letzten Zeit. Und es ist wohl nicht zu leugnen, dass sämtliche kosmetische Sachen, die von anderen Leuten gemacht werden, einfach nur beruhigend sind.

Nicht viel später stehe ich in einem weißen Hosenanzug zusammen mit El im Studio und der Fotograf kommt zu uns, um uns zu begrüßen. „Alice, richtig?", wendet er sich dann an mich und ich nicke. „Freut mich, dass du so spontan einspringen konntest. Emma hat dir grob erklärt, wie das heute ablaufen wird?" Wieder nicke ich nur, etwas überfordert mit der Situation, aber das scheint für ihn gar kein Problem zu sein. „Okay gut, ich erkläre es dir jetzt trotzdem nochmal etwas genauer. Du siehst ja das Klavier da drüben, da wirst du sitzen und spielen. Eigentlich wird das auch deine einzige Aufgabe sein, wobei du zwischendurch gerne auch mal deine Sitzposition oder Blickrichtung etwas verändern sollst, soweit es das spielen zulässt, damit du nicht auf allen Bildern genau gleich sitzt und wir auch bei dir etwas Abwechslung haben.", erklärt er und geht dabei mit mir zusammen zum Klavier. Auf der Notenablage liegen verschiedene Blumen und ich muss schmunzeln, als ich mich auf die edle Lederbank setze. „Und du darfst spielen, was du willst, aber das weißt du ja sicherlich.", schiebt er noch hinterher und ich bejahe seine Aussage. Dann ist er allerdings auch schon wieder weg, zu seiner Kamera, und El stellt sich neben das Klavier. „Und los!", ruft irgendwer und ich spiele einfach das erstbeste Stück, das mir in den Kopf kommt, während ich aus dem Augenwinkel El beim Posen beobachte.

„Sehr gut, wir sind durch!" Der Ruf hat fast schon etwas erlösendes und ich strecke meine Finger erstmal, bevor ich aufstehe. Ich habe keine Ahnung, wie lange das Shooting ging, aber meine Hände schmerzen davon, so lange Klavier gespielt zu haben. Tatsächlich kommt jetzt auch Emma aus irgendeiner Ecke des Studios zu uns und nimmt mich in den Arm. „Das hast du wirklich gut gemacht, Kleine.", sagt sie leise und ich bedanke mich bei ihr, bevor El ihr zustimmt. „Wenn man es nicht wüsste, würde man nicht denken, dass sie noch nie gemodelt hat." Augenblicklich spüre ich, wie mir die Röte in die Wangen schießt, und senke meinen Blick schnell auf den Boden, um es ein wenig zu verstecken. „Es hat auch wirklich Spaß gemacht.", nuschele ich dann und für einen ganz kleinen Moment schießt mein Blick nach oben zu El, die mich anlächelt. „Vielleicht kannst du ja mal wieder einspringen.", schlägt sie vor und Emma seufzt. „Oder wir nehmen sie gleich unter Vertrag, dann ist das weniger Chaos, sie einspringen zu lassen. Aber jetzt warten wir erstmal ab, wie die Bilder ankommen und was andere Leute aus dem Label dazu sagen, wie sie sich gemacht hat. Dann gucken wir weiter."

Mit dem Kapitel anfangen wollte ich eigentlich um halb sechs. Stattdessen habe ich noch gegessen, Stardew Valley gespielt, mit meiner Schwester und meinem Neffen telefoniert, sinnlos Zeit auf Pinterest verschwendet, eine Idee für ein weiteres Spin-Off gehabt und aufgeschrieben und irgendwie vielleicht eine Dreiviertelstunde von fünfeinhalb Stunden produktiv mit Alice verbracht. Ein Hoch auf meine Konzentration. Aber jetzt bin ich ja fertig.

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