Kapitel 24
Alice P.O.V.
Kleine Schauer an Gänsehaut laufen über meinen Rücken, während Niall vorsichtig mein Kleid öffnet, und leicht verlegen gucke ich über meine Schulter, als er einen Schritt nach hinten macht. „Den Rest bekommst du alleine hin?", fragt er nach und ich nicke, während mein Blick auf ihm ruht. Er trägt noch immer seinen Anzug, nur das Jackett hat er ausgezogen und über die Lehne von einem Stuhl gehängt.
Dann schließe ich die Badezimmertür wieder und streife den Stoff von meinem Körper. Die Realisation, wo an meinem Körper überall Makeup zum Abdecken ist, trifft mich unvorbereitet, und kurz überlege ich, ob eine Dusche nicht das Effektivste wäre, aber eigentlich fehlt mir jegliche Kraft dafür. Also ziehe ich mir stattdessen Nialls Shirt über den Kopf und nehme mir die Abschminktücher. Die ersten paar Tücher verwende ich dafür, die Schminke auf meinen Handgelenken und Armen generell zu entfernen. Wir hatten es überhaupt nicht richtig geschafft, alles abzudecken, aber das Kleid hat zum Glück die letzten Schatten überdeckt.
Weiter mache ich an meinem Hals, wo, ähnlich wie an meinen Oberarmen, deutlich die einzelnen Finger von Felix zu erkennen sind. Auch wenn sie inzwischen schon ein wenig verlaufen sind, da sich das Blut etwas mehr verteilt hat.
Mein Gesicht ist das letzte, was ich abschminke, und auch zuerst die Seite, die nichts abbekommen hat. Ich bin mehr als froh darüber, dass meine Stylistin so schnell angekommen ist und er abgehauen ist, sobald er gehört hat, wie das Auto in der Einfahrt geparkt hat. Es hat mir vermutlich einiges erspart.
Länger kann ich mein Schluchzen nicht zurückhalten und fast augenblicklich klopft Niall an der Tür, um zu fragen, ob ich Hilfe bei irgendwas brauche. Als ich nicht antworte, macht er die Tür vorsichtig ein Stück auf, aber sobald er mich weinend vorm Waschbecken stehen sieht, kommt er komplett rein und nimmt mich in den Arm. So sanft und vorsichtig, als hätte er Angst, mich kaputtzumachen, sollte er mich zu stark anfassen.
Eine ganze Weile lässt er mich einfach weinen, bis er ein Taschentuch hervorzaubert und mir die Tränen aus dem Gesicht tupft. Es fällt ihm auf jeden Fall auf, dass nur eine Hälfte abgeschminkt ist, und er greift nach der Packung Abschminktücher. „Soll ich es machen?", fragt er sanft nach und zaghaft nicke ich. Ich schaffe es nicht, mir das volle Ausmaß anzusehen.
Niall dreht mich vom Spiegel weg, während er vorsichtig die Schminke von meiner Haut entfernt. „Falls ich dir irgendwie wehtue, sag Bescheid."
Schließlich löst er auch die Nadeln aus meinen Haaren und bürstet sie zaghaft, bevor er die Salbe, die Harry mitgebracht hat, holt und sie auf meine blauen Flecken tupft. Die Kälte lässt mich im ersten Moment zusammenzucken, aber Nialls Hände sind angenehm warm und gleichen die Temperatur der Salbe ein wenig aus.
„Alice, du verdienst das nicht. Es gibt nichts, was rechtfertigen würde, dass er dich schlägt. Er ist dein Freund, er...", sagt Niall irgendwann, während er meinen linken Oberarm eincremt, aber ich unterbreche ihn. „Er war mein Freund.", korrigiere ich zaghaft und er sieht auf, direkt in mein Gesicht. „Weißt du, der Urlaub mit meinen Eltern hat mich daran erinnert, was es heißt, jemanden zu lieben. Und... ich hatte eh vor, mich morgen von ihm zu trennen, nachdem die Veranstaltung durch ist. Ich wollte mir nicht meinen ersten roten Teppich von ihm versauen lassen. Naja, das hat eher so semi-gut geklappt, fürchte ich."
„Gott sei Dank.", entfährt es ihm und augenblicklich kratzt er sich verlegen am Hinterkopf. „Also, nein, es ist natürlich nicht gut, was passiert ist, aber zum Glück bist du den Typen los. Wobei die nächste Zeit wohl nochmal ziemlich schlimm wird, so wie der drauf ist.", stammelt er los und entlockt mir tatsächlich ein kleines Lächeln, das auch anhält, als er die letzten blauen Flecken eincremt.
Kaum ist er damit fertig, geht er aber auch schon wieder aus dem Raum, damit ich mich zu ende fertig machen kann. Während ich meine Zähne putze, vermeide ich es, in den Spiegel zu gucken.
Als ich schließlich aus dem Bad komme, hat Niall sich auch umgezogen und guckt hoch, sobald er die Tür hört.
Sein Blick trifft auf meinen und ich bleibe im Türrahmen stehen, überfordert damit, wie ich seinen Gesichtsausdruck einordnen soll. Aber dann beginnt er zu lächeln und einen kurzen Augenblick frage ich mich, ob ich mir den Blick vorher nur eingebildet habe.
Allerdings ist es kein fröhliches Lächeln, sondern ein trauriges. Sein Blick gleitet über die blauen Flecken, als hätte er sie nicht eben erst selbst eingecremt.
„Wie kann er nur behaupten, dich zu lieben, und dir gleichzeitig sowas antun?", murmelt Niall dann leise und es ist offensichtlich, dass es eine rhetorische Frage ist. Aber ich stelle sie mir auch.
„Geh doch schon mal schlafen, Alice. Der Tag war anstrengend.", sagt er dann und während ich zu dem einladend weichen Bett gehe, geht er ins Bad.
Kaum dass mein Kopf das Kissen berührt, überkommt mich schlagartig meine Müdigkeit. Trotzdem bin ich zu aufgewühlt, um in dem riesigen, fremden Bett zur Ruhe kommen zu können.
Ich weiß nicht, wie viel Zeit vergangen ist, bis Niall wieder aus dem Bad kommt, aber es war vermutlich schneller als es sich angefühlt hat. „Niall?", frage ich leise nach und er dreht sich zu mir, während er sein Handy vom Couchtisch nimmt. „Ja?" „Kannst du dich zu mir legen?" Es fühlt sich falsch an, die Frage auszusprechen, und Niall sieht ähnlich überrascht aus wie ich mich fühle. „Klar, wenn du das möchtest.", kommt dann von ihm und er zieht sich sein Shirt über den Kopf, bevor er sich neben mich in das große Bett legt und sich die zweite Decke nimmt.
Es fühlt sich merkwürdig an, denn obwohl er neben mir liegt, ist da diese Lücke zwischen uns und ich fühle mich fast noch einsamer als vorher, weshalb ich kurzerhand weiter zu ihm rutsche und mich, noch immer in meine Decke gewickelt, an ihn kuschele.
Ich, die normal bei der Arbeit so ziemlich den ganzen Tag sitzt und nie hohe Schuhe anhat: Nice, ich muss in den Shop, wo ich den ganzen Tag stehe und regelmäßig auf Leitern steigen muss, lass mal hohe Schuhe anziehen. Ob ich dämlich bin? Ein wenig.
Meine armen Füße...
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