Kapitel 9.

Anuk wurde von der morgendlichen Sonne geweckt, die ihr ins Gesicht schien. Die Sonnenstrahlen ließen die Blätter der Bäume im Wald grün leuchten, die Vögel zwitscherten und der Geruch von Moos, Gras und Erde stieg Anuk in die Nase. Eigentlich ein wunderschöner Morgen. Doch Anuk nahm das alles gar nicht wahr, sie hatte alles verloren, ihre Familie, ihr Zuhause, nur der kleine Drache war ihr noch geblieben.

Anuk wusste nicht wie sie weitermachen sollte, oder ob sie überhaupt weitermachen wollte. Für sie gab es nur eine Person, die für all das verantwortlich war, sie selbst. Hätte sie einfach das gemacht, was ihre Eltern ihr gesagt hätten, dann wären sie jetzt noch am Leben. Sie könnte sich mit ihrem Bruder streiten und einfach Zeit mit ihrer Familie verbringen. Doch sie wären alle tot und das nur, weil sie ja unbedingt in den Wald gehen und diese Livia Alpha retten musste. Sie hatte alles falsch gemacht, was sie irgendwie hätte falsch machen können und ihre Familie hatte den Preis dafür gezahlt.

Am liebsten würde sie in der Zeit zurückreisen und alles anders machen, doch das konnte sie nicht. Es war zu spät und sie musste jetzt mit dem Gedanken klarkommen, für den Tod ihrer Familie verantwortlich zu sein. Erneut stiegen ihr Tränen in die Augen und sie begann zu schluchzen. Ihr kleiner Drache flog zu ihr hinüber und schmiegte sich an sie. Zärtlich streichelte sie ihm über den Kopf, seine blaugrünen Schuppen glänzten magisch im Sonnenlicht. Langsam beruhigte Anuk sich wieder, ihre Familie würde nicht wollen, dass sie einfach so aufgab. Sie würde schon einen Weg finden, vielleicht könnte sie sich einer Räuberbande anschließen und zu einer Gesetzlosen werden. Irgendwie gefiel ihr der Gedanke, mit einer Bande umherzuziehen und sich einen Namen zu verschaffen. Das Fauchen ihres Drachen riss sie aus ihren Gedanken. Sie versuchte den Drachen zu beruhigen, indem sie ihm den Kopf kraulte, doch es half nichts. Der Kleine flog los und verschwand zwischen den Bäumen.

,,Verdammt!", fluchte Anuk und hetzte hinter dem Drachen her.

Sie konnte bereits die Schrei einiger Personen und das Fauchen ihres Drachen hören. Sie sprang über einen am Boden liegenden Baumstamm, kämpfte sich durch das dichte Unterholz. Ihr Drache war auf einem dicken Ast gelandet, der quer über den Schotterweg reichte und fauchte bedrohlich. Vor dem Ast saßen zwei Mädchen und ein Junge auf ihren Pferden, die verängstigt stehen blieben, ein weiteres Pferd wurde von dem Jungen festhalten. Auch den Reitern stand die Furcht ins Gesicht geschrieben. Anuk erkannte das rothaarige Mädchen, dass sie neulich in Angsana getroffen hatte, Sarah war ihr Name. Das andere blonde Mädchen und der blonde Junge müssen dann ihre Geschwister Pia und Max sein. Aber bevor Anuk sich um sie kümmern könnte, müsste sie erstmal ihren Drachen unter Kontrolle bekommen.

,,Hey, Kleiner. Alles gut beruhige dich", versuchte sie mit ihm zu kommunizieren.

,,Anuk, was geht hier vor sich?", fragte Sara mit zitternder Stimme ritt näher zu Anuk hin.

Augenblicklich wandte der Drache sich ihr zu und drohte ihr mit einer kleinen Flamme. Saras Geschwister rührten sich nicht von der Stelle und ließen den Drachen nicht aus den Augen.

,,Nein Sara, komm nicht näher! Hey mein Kleiner, ist doch alles gut. Bleib da!"

Der Drache hielt sofort inne und schaute Anuk erwartungsvoll an, aber nicht ohne Sarah immer wieder einen kontrollierenden Seitenblicke zuzuwerfen.

,,Der gehorcht dir ja!", stellte Max erstaunt fest.

,,Anuk, was geht hier vor sich?", fragte auch Sara.

,,Sara, Pia, Max, dass ist mein Drache, er hat noch keinen Namen. Und ja, er tut manchmal, was ich ihm sage", erklärte Anuk.

,,Wo ist eigentlich deine Familie?", fragte Pia.

,,Sie...sie sind... tot", Anuk stiegen erneut Tränen in die Augen.

,,Oh, tut mir leid, dass wusste ich nicht", entschuldige sich Pia.

Anuk nickte nur und wischte sich die Tränen weg. Der kleine Drache war in der Zwischenzeit wieder auf ihrer Schulter gelandet und ließ sich von Anuk am Kopf kraulen.

,,Woher hast du ihn?", fragte Max neugierig.

,,Er war in einem Ei, das hat mir Livia Alpha anvertraut", berichtete Anuk.

,,Alpha? Halt dich bloß von denen Fern, die sind Verräter, alle", warnte Sara.

,,Auf mich wirkte die aber eher freundlich", meinte Anuk.

,,Naja, die Alphas sind immerhin nicht solche Monster, wie die Daytona", fügte Max hinzu.

,,Weißt du Max, ich glaube, dass niemand von Anfang an ein Monster ist. Monster werden gemacht, nicht geboren", behauptete Anuk.

,,Das kann schon sein, aber es trifft nicht immer zu", entgegnete Max.

,,Das reicht jetzt. Anuk, du bist in Gefahr, deshalb haben wir dir ein Pferd mitgebracht, damit wir dich in Sicherheit bringen können", wechselte Sara das Thema und zeigte Anuk den schwarzen Hengst, den ihr Bruder festhielt.

,,Pass auf, der beißt ganz schön fest zu", warnte Max.

,,Fester als ein Drache bestimmt nicht", entgegnete Anuk.

,,Also kommst du mit uns?", fragte Pia.

,,Wohin reitet ihr überhaupt?"

,,Zur Schwarzbucht", antwortete Sara.

,,Wir sollten aber einen großen Bogen um die Königsfestung machen, am besten reiten wir gar nicht erst durch die Königsebene", meinte Max.

,,Das ganze Königreich sucht nach ihr, da ist es vollkommen egal, wo wir Langreiten. Wir sollten nur unserem Vater eine Nachricht zukommen lassen, dass wir nach Klingenfels reiten. Ach und Anuk, was ist eigentlich mit deinem...Drachen", wollte Sara wissen.

,,Es ist ja wirklich nett von euch, dass ihr mir helfen wollt, aber wäre es nicht wirklich schlauer, nach Norden zu reiten? Was meinen Kleinen hier angeht, ich lasse ihn definitiv nicht zurück, er ist der Einzige, den ich noch habe", antwortete Anuk.

"Na achön, dann halt nach Norden. Aber kannst du bitte aufpassen, dass dein Kleiner hier niemanden auffrisst oder grillt?"

,,Das wird er nicht tun, stimmt's mein Süßer?", Anuk nahm Max den schwarzen Hengst ab und stieg auf.

Gemeinsam ritten sie nach Norden, der Drache flog dabei neben Anuk her. Sara ritt mit Pia vorne weg, während Max eben Anuk herritt.

,,Anuk, wie stehst du eigentlich zu unserem König?"

,,Ich habe bisher nie sonderlich viel mitbekommen, höchstens Mal irgendwelche Gerüchte von Händlern, oder Briefe an Nadja, die Besitzerin der Taverne in Angsana. Die hat mir und meinen Bruder auch das Lesen beigebracht, damit wir eine Chance auf eine bessere Zukunft haben. Ich vermisse sie. Sie und meine Familie. Ich habe mich echt unmöglich verhalten, wir haben uns so oft gestritten, weil ich mich geweigert habe, auf dem Feld zu arbeiten. Sie hatten auch ständig Probleme, wegen mir. Besonders der Metzger und sein Sohn haben es auf mich abgesehen, dabei habe ich ihnen gar nichts getan"

,,Oh, hast du den Spruch, das Monster gemacht und nicht geboren werden auch von Nadja?", fragte Max vorsichtig.

,,Ja, das hat sie mir immer wieder gesagt, wenn ich mich über den Metzger und seinen Sohn beschwert habe", erzählte Anuk.

,,Es stellt sich dann halt nur die Frage, wie Monster erschaffen werden. Es muss schon mega viel passieren, damit jemand auch nur ansatzweise böse wird"

,,Ja, ich schätze, da hängt auch viel von der Sichtweise und Einstellung ab. Für jeden bedeutet Gerechtigkeit etwas anderes"

,,Da hast du wohl Recht", stimmte Max ihr zu.

,,Womöglich"

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