Kapitel 8.

„Danke für die Rettung mein Kleiner. Ich muss jetzt aber wirklich nach Hause, aber von mir aus kannst du mitkommen, solange du dich wieder in dem Beutel versteckst und keinen Ton von dir gibst, verstanden?", erklärte Anuk dem jungen Drachen, der vor ihren Füßen landete.

Die untergehende Sonne färbte den Himmel orange und der seichte Wind zerzauste Anuks blonde Haare und brachte die Baumkronen zum schwanken. Anuk liebte den Geruch von Moos und Erde, der ihr in die Nase stieg, dennoch war sie beunruhigt. Der Vorfall vorhin im Wald hatte Aufsehen erregt und das gefiel ihr ganz und gar nicht. Nadja hatte ihr auch berichtet, dass nach ihr und dem Ei gesucht wird und das war alles andere, als gut. Ob Anuk es zugeben wollte, oder nicht, sie mochte den kleinen Drachen und würde ihn nicht abgeben wollen. Der kleine Drache war aber gar nicht mehr so klein, jetzt war er war etwa so groß, wie ein Wolfswelpe.

„Na dann, auf nach Hause", meinte Anuk und begab sich auf den Heimweg.

Der Drache war auf ihre Schulter geflogen und blieb auch den ganzen Weg auf ihrer Schulter. Anuk kämpfte sich einen Weg durch das dichte Unterholz. Sie wollte noch bevor die Sonne untergegangen war, Zuhause angekommen sein. In ihrer Heimatstadt Angsana kursierten unzählige Horrorgeschichten über diesen Wald, den alle den Wald der Schatten nannten. Angeblich sollen dort nach Anbruch der Dunkelheit Werwolfe und Vampire ihr Unwesen treiben. Natürlich war Anuk der Meinung, dass das alles nur Geschichten waren, aber es heißt, dass jede Geschichte einen wahren Kern hat und Anuk wollte definitiv nicht herausfinden, ob das auch für diese Geschichten galt. Sie hatte schon genug Schwierigkeiten, da musste sie nicht auch noch Stress mit irgendwelchen Werwölfen oder Vampiren bekommen, falls es die überhaupt gab. Aber seitdem Anuk miterlebt hatte, wie ein Drache, von dem sie dachte, dass es ihn gar nicht gab, schlüpfte, war sie bei Geschichten über Ungeheuer und andere Sagengestallte vorsichtig.

Als sie dem Ende des Waldes immer näher kam, wurde der Drache auf Anuks Schulter zunehmend unruhig. Er begann zu fauchen und behielt die Umgebung sorgfältig im Blick.

„Was hast du denn?", fragte Anuk den Drachen.

Unbeirrt lief sie weiter auf das Waldende zu, als ihr allmählich ein seltsamer Geruch in die Nase stieg. Die Luft roch verbrannt und als Anuk den Wald verließ blieb sie geschockt stehen. Flammen schlugen aus einer kleinen Hütte und es stank widerlich nach Rauch und verbranntem Fleisch. Die Hütte war Anuks Zuhause! Fassungslos starrte Anuk auf die lichterloh brennende Ruine, die einst ihr Zuhause gewesen war. Viele Bewohner der Stadt versuchten vergeblich das Feuer zu löschen. Unfähig, sich zu bewegen, stand Anuk am Ende des Waldes, vor den Feldern ihrer Familie und starrte auf das Geschehen. Tränen schossen ihr in die Augen. Ohne vorher darüber nachzudenken rannte Anuk los und mischte sich unter die Helfer, die das Feuer versuchten zu löschen. Nirgendwo waren ihr Bruder, oder ihre Eltern zu finden, doch Anuk wollte einfach nicht aufgeben. Sie war fest davon überzeugt, dass ihre Familie nicht tot sein konnte. Panisch suchte sie immer weiter, bis sie schließlich mit einer ihr unbekannten Person zusammenstieß.

,,Entschuldigung. Wissen Sie, ob die Bewohner überlebt haben?", fragte sie die Person.

,,Nein, ich fürchte nicht. Wir haben bisher drei verkohlte Körper gefunden", entgegnete die Person und half weiter bei den Löscharbeiten.

"Was ist das da oben?", fragte einer der Helfer und zeigte in den Himmel.

Erst jetzt wurde Anuk bewusst, dass sie den Drachen bei sich gehabt hat. Ein Blick in den Himmel genügte, um ihre Befürchtung zu bestätigen. Der Drache kreiste über ihr und jeder konnte ihn sehen. Immer mehr Helfer wurden auf den Drachen aufmerksam.

,,Verdammt!", fluchte Anuk und versuchte irgendwie die Aufmerksamkeit des Drachen zu erregen.

Sie winkte, klatschte in die Hände, doch vergeblich. Als Anuk dann auch noch Nadja in der Menge erkannte, die zielstrebig auf Anuk zukam, ergriff sie die Flucht. Sie rannte wieder auf den Wald zu, doch Nadja folgte ihr und auch mehrere in schwarz gekleidete Männer nahmen die Verfolgung auf.

,,Anuk, bleib stehen!", rief Nadja ihr hinterher.

Anuk hörte ihr gar nicht zu, sondern setzte ihr Flucht fort. Die in schwarz gekleideten Männer holten immer mehr auf und folgten ihr auch in den Wald hinein. Nadja fiel immer mehr zurück, doch auch sie folgte dem blonden Mädchen in den Wald. Panisch drehte sich Anuk immer wieder zu ihren Verfolgern um, bis sie einen Augenblick nicht aufpasst und über einen am Boden liegenden Ast fiel. Schmerzhaft schlug sie auf dem Boden auf. Sie hörte die trommelnden Schritte ihrer Verfolger. Ihr Kopf dröhnte von dem Aufprall und die konnte sich nur mit großer Mühe aufsetzten. Ihre Verfolger standen jetzt direkt vor ihr und grinsten sie triumphierend an.

„Jetzt hat das Weglaufen ein Ende! Auf deinen Kopf ist eine Belohnung ausgesetzt, die jetzt uns gehört!", knurrte der Anführer ihrer Verfolger und holte ein Seil und ein Knebel hervor.

„Niemals!", protestierte Anuk und versuchte aufzustehen, aber vergeblich.

„Dummes Kind, was willst du tun, um uns aufzuhalten? Beißen? Treten?", Anuks Verfolger brachen in schallendes Gelächter aus.

„Feuer!", sagte Anuk mit einem bedrohlichem Unterton.

Ihre Verfolger starrten sie kurz verdutzt an, bevor sie erneut in Gelächter ausbrachen. Doch das Lachen verging ihnen, als der Drache sich von oben auf sie hinabstürzte und Feuer spuckte. Sie wurden bei lebendigem Leibe verbrannt und ihre gequälten Schreie erfüllten die gerade angebrochene Nacht. Einer von ihnen versuchte zu fliehen, doch es gab kein entrinnen. Angewidert verzog Anuk das Gesicht und erhob sich, der Gestank von verbranntem Fleisch stieg ihr in die Nase. Ihr Drache setzte sich wieder auf ihre Schulter und wirkte sichtlich zufrieden mit seinem Werk. Anuk drehte sich um und ließ ihre lichterloh brennenden Verfolger zurück.

Der Vollmond war bereits aufgegangen und tauchte den Wald in ein geisterhaftes Licht. Anuk kämpfte sich ziellos durch das dichte Unterholz. Sie hatte alles verlohren, ihre Familie, ihr Zuhause, einzig und allein der Drache war noch an ihrer Seite. Sie wusste nicht, wo sie schlafen, oder wie sie weitermachen sollte. Tränen stiegen ihr in die Augen und sie setzte sich kraftlos vor einen dicken Baumstamm. Anuk konnte sich das alles einfach nicht erklären. Warum sie, warum der Drache und wie hatte sie es geschafft, dass er auf sie hörte? Immer wieder hallte die Prophezeiung der Wahrsagerin in ihrem Kopf. Was, wenn an der Prophezeiung wirklich etwas dran war? Was, wenn es wirklich Krieg geben würde? Anuk fielen die Augen zu und sie versank in einen unruhigen Schlaf.

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