Kapitel 6.
Anuk rannte quer über Felder und Wiesen, mitten in den Wald hinein. Äste peitschten ihr ins Gedicht und Dornen hinterließen Kratzer auf ihren Armen. Einige Sonnenstrahlen durchbrachen das dichte Blätterdach und die grünen Blätter bewegten sich seicht im Wind. Außer Atem hielt sie auf einer Lichtung an. Das grüne Gras und die hohen Bäume schwankten leicht im Wind und die heiße Mittagssonne schien hell am wolkenlosen Himmel. Vorsichtig setzte Anuk den Beutel ab und öffnete ihn. Sofort streckte der kleine Drache seinen Köpf heraus und kletterte aus dem Beutel. Er war schon ein ganzes Stück größer, als noch am Morgen. Fragend sah er Anuk an, als warte er auf ein Zeichen von ihr, was er tun soll.
„Du musst verschwinden, sofort. Man sucht nach dir und ich will nicht, dass man mich oder meine Familie da mit reinzieht. Es tut mir ja leid, aber du gehörst nicht zu mir. Flieg in den Süden, oder sonst wo hin, aber komm nicht zurück. Dein Ei, oder was auch immer das war, gehört nicht mir, es gehört einem Mädchen namens Livia Alpha. Also los jetzt, flieg!"
Anuk gab sich Mühe, ihre Tränen zu unterdrücken. Der kleine Drache sah sie verständnislos an und senkte den Kopf. Er spreizte seine türkisfarbenen Schwingen, die im Sonnenlicht wunderschön schimmerten. Mit kräftigen Flügelschlägen hob er vom Boden ab und stieg in den Himmel.
„Na dann, ich muss jetzt nach Hause. Lebe Wohl!"
Anuk drehte sich um und wollte gerade den Rückweg antreten, als plötzlich der kleine Drache im Sturzflug auf sie zuhielt. Schockiert stolperte Anuk rückwärts und landete im feuchten, grünen Gras, wobei ihr der Geruch von Erde und Moos in die Nase stieg. Der Drache näherte sich rasant dem Boden. Kurz bevor er aufgeschlagen wäre, beendete er den Sturzflug und blieb in der Luft stehen, wobei er kräftig mit den Flügeln schlagen musste, um in der Luft zu bleiben.
„Was sollte das!? Ich muss nach Hause!"
Anuk stand auf, entfernte einige Erdklumpen aus ihren platinblonden Haaren und wollte an dem Drachen vorbei gehen, doch er hatte etwas dagegen. Wie aus dem nichts spuckte er Feuer und schnitt Anuk somit den Weg ab. Beinahe hätte er sie mit den Flammen erwischt. Erschrocken wich Anuk einige Schritte zurück.
„Warum tust du das?", schrie sie den Drachen an.
Der Drache war etwa so groß, wie ein Wolfswelpe und hatte tiefschwarze Augen, die wunderbar zu seinen türkisfarbenen Schuppen passten. Majestätisch landete er vor Anuk und fauchte sie bedrohlich an.
„Was willst du von mir?", fragte sie ihn verzweifelt.
Der Geruch von verbranntem Gras und Erde stieg ihr in die Nase. Der aufsteigende Qualm raubte ihr zunehmend die Sicht.
„Warum ich?", fragte sie verständnislos.
Plötzlich fuhr der Drache herum und fauchte bedrohlich.
„Was...", begann Anuk, doch weiter kam sie nicht.
Man konnte Stimmen hören die immer näher kamen.
„Dahinten, Beeilung! Wir müssen das Feuer löschen, bevor es sich noch weiter ausbreitet!"
Panisch schaute Anuk sich um, wenn irgendjemand den Drachen sehen würde, hätte das fatale Folgen.
„Komm kleiner, wir verschwinden von hier", forderte sie den Drachen auf.
Er ließ sich das nicht zweimal sagen und hob kraftvoll vom Erdboden ab. Anuk tat ihr bestes, um nicht den Anschluss an den Drachen zu verlieren, doch er war einfach zu schnell.
„Warte!", rief sie ihm hinterher.
Er landete geschickt auf einem Ast, der unter seinem Gewicht bedrohlich schwankte, und wartete auf Anuk.
„Halt, stehenbleiben!", rief jemand hinter Anuk.
Außer Atem versuchte Anuk weiterzulaufen, doch ihre Verfolger schlossen immer dichter zu ihr auf. Sie verlor immer mehr an Geschwindigkeit und die Verfolger waren ihr schon bedrohlich nahe. Hilfesuchend schaute sie zu dem Drachen, der immer noch auf dem Ast saß. Zum Glück schien er sie zu verstehen, denn er flog direkt auf sie zu. Nach Luft schnappend musste Anuk stehen bleiben. Kurz bevor die Verfolger sie erreichten, packte der Drache sie mit seinen Klauen, schlang seinen langen Schwanz um ihren Oberkörper und hob sie in die Luft. Nur mit Mühe schaffte er es, sich in der Luft zu halten. Außer Atem mussten die Verfolger abbrechen und zusehen, wie der Drache mit Anuk verschwand.
„Was war das?", fragte einer von ihnen.
„Ich habe nicht die geringste Ahnung"
~~~
„Mein König!", ein Diener des Königs betrat den langen, düsteren Thronsaal und kniete vor seinem König nieder.
„Was ist jetzt schon wieder?", fragte König Agron Daytona genervt.
„Eure Hoheit, Eure Krieger haben des Haus des Mädchens finden können, doch leider war sie nicht aufzufinden"
„WAS!?"
„Keine Spur von ihr oder Eurem Stein. Das Einzige, was wir finden konnten sind diese Splitter", der Berater übergab dem König ein kleines Stoffsäckchen.
Neugierig öffnete Agron Daytona dieses, doch als er den Inhalt sah, wich ihm jegliche Farbe aus dem Gesicht.
„Das...das ist unmöglich...das darf nicht wahr sein...niemals!"
„Eure Hoheit?", fragte der Diener vorsichtig.
„SCHWEIG! Ich will sofort mit Lord Tohaido sprechen, AUF DER STELLE!", befahl der König.
Fluchtartig verließ der Diener den Thronsaal und suchte den besagten Lord.
„Verzeiht, Mylord. Der König wünscht euch zu sprechen, unverzüglich", sprach der Diener ihn an.
„Ich komme sofort", antwortete der Lord und folgte dem Diener.
„Was die wohl wieder zu besprechen haben?", fragte Max Tohaido interessiert, nachdem die Erwachsenen nicht mehr zu sehen waren.
„Das ist doch eh langweilig", beschwerte sich seine große Schwester Sara.
„Vielleicht ist es auch super spannend", meinte Pia, die jüngste der Drei.
„Pia, kannst du nicht einmal deinen Mund halten?", beschwerte sich Sara und strich sich ihre roten Haare aus dem Gesicht.
„Hört auf euch zu streiten!", entgegnete Max.
„Das sagt der richtige", meinte Sara genervt.
„Ja, ich bin nicht umsonst der Erbe von Klingenfels und der Schwarzbucht"
„Ist klar, du kannst nicht mal mit einem Hund umgehen, wie willst du dann ein ganzes Heer befehligen?", fragte Sara.
„Es geht doch nicht immer um Krieg, Sara. Es herrscht Frieden!", mischte sich Pia ein.
„Noch, aber das kann sich zu jeder Zeit ändern"
„Sara, Pia, hört jetzt endlich auf zu streiten! Wir könnten mal lieber rausfinden, was unser absoluter Lieblingskönig, den wir ja so verehren, und unser Vater besprechen", wandte Max ein.
„Was hast du gefrühstückt? Sonst bin ich doch immer die mit den draufgängerischen Plänen", meinte Sara überrascht.
„Tja, die Zeiten ändern sich halt. Also, Operation Belauschen hat soeben begonnen!", verkündete Max stolz.
„Irgendwann bekommt ihr beide mal richtig Ärger", meinte Pia und verdrehte die Augen.
Leise durchquerten sie durch die mit Fackeln beleuchteten Gänge und schlichen über die roten Teppiche, die ausgelegt waren.
„Diese Festung ist so ein verdammtes Labyrinth, ein Wunder, das wir uns hier noch nicht verlaufen haben", beschwerte sich Max.
„Du meinst, wie auf unserem Spaziergang?", provozierte Sara.
„Haha, sehr lustig", entgegnete Max sarkastisch.
„Könnt ihr jetzt bitte mal leise sein, wir sind da", meinte Pia und blieb vor den riesigen Türen des Thronsaals stehen.
„Und was jetzt?", fragte Max.
„Na was wohl, lauschen an der Tür und hoffen, dass wir etwas hören", erklärte Sara.
„Du bist verrückt", stellte Pia fest.
„Erzähl mir was neues", konterte Sara und legte ein Ohr an die Tür, um zu lauschen.
„...hat mir meinen Stein gestohlen und irgend einem Bauernmädchen gegeben!", schimpfte der König.
„Wo ist das Problem?", fragte der Vater der drei Geschwister.
„Wo das Problem ist?! Das Mädchen ist verschwunden, wie vom Erdboden verschluckt!"
„Wo lebt sie denn?"
„In Angsana, eine Stadt hier in der Königsebene. Meine Leute behaupten, dass sie 19 Jahre alt ist", erklärte der König.
„Kennt ihr den Namen des Mädchens?", fragte der Lord der Schwarzbucht.
„Laut einem Händler hört sie auf den Namen Anuk und..."
„Max, Pia, ich glaub, wir haben ein Problem", meinte Sara.
„Was hast du gehört?", fragte Max neugierig.
„Anuk steckt in Schwierigkeiten, wir müssen ihr helfen!", erklärte Sara.
„Wer ist Anuk?", fragte Pia verwirrt.
„Pia du hole Nuss, Anuk haben wir in dieser Stadt getroffen, wo wir neulich waren. Die mit den blonden Haaren und den blauen Augen, das ist Anuk. Und ich bin definitiv der Meinung, dass sie unsere Hilfe nicht braucht", meinte Max,
„Was ist dein Problem? Der König hat seine verdammten Krieger auf sie angesetzt! Außerdem, wie willst du irgendwann mal die Schwarzbucht führen, wenn du dich nicht um dein Volk kümmerst? Also los jetzt, wir gehen sie suchen!", erklärte Sara und begab sich zu den Ställen.
„Wie sollen wir sie finden?", fragte Max.
„Ganz einfach, wir reiten und nehmen ihr ein Pferd mit", erklärte Sara ihren Plan.
„Und was machen wir, wenn wir sie gefunden haben?", fragte Max weiter.
„Das klären wir dann spontan", meinte Sara und stieg auf eine Fuchsstute.
„Na ganz toll", murmelte Max und stieg auf den grauen Hengst, den Sara ihm losband.
Pia entschied sich für eine braune Stute, hatte aber Mühe, auf das große Pferd zu steigen.
„Pia, du weist schon, dass es sowas wie Steigbügel gibt, oder?",fragte Sara.
„Klar, wusste ich", entgegnete Pia und kletterte auf ihre Stute.
„Dann mal los, bevor uns noch jemand bemerkt", meinte Sara und galoppierte durch das gigantische Burgtor der Königsfestung.
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