Kapitel 5.
„Eure Hoheit, wir haben Euren Stein gefunden"
Ein Botschafter des Königs Agron Daytona betrat den langen, düsteren Thronsaal der Königsfestung, vor den Stufen des Thrones kniete er nieder.
„Wir haben ihn gefunden eure Hoheit, ein Mädchen trägt ihn immer mit sich herum. Sie lebt bei ihrer Familie in der Stadt Angsana"
„Ein Kind? Wie alt ist sie?"
„19, nach allem, was ich weiß"
„Wie ist der Stein in ihren Besitz gelangt?"
„Anscheinend hat Livia Alpha, die Diebin, ihr den Stein gegeben. Das Mädel hat auch einen eurer Krieger von seinem Pferd geschossen"
„Findet das Kind! Aber ich will sie lebend, was mit der Familie geschieht ist mir egal! Was die kleine Alpha betrifft, die Wölfe stehen mir so oder so schon viel zu lange im Weg. Schreibt einen Brief an Lord Alpha und warnt den Wolf, welche Strafe auf Verräter, wie seine Tochter, wartet! Wenn er sie nicht ausliefert, dann drohen im deutlich weitreichendere Strafen!", befahl König Agron Daytona.
~~~
Verschlafen rieb Anuk sich die Augen. Erschrocken zuckte sie zusammen, als plötzlich ein knackendes Geräusch ertönte, als ob irgendwas auseinander brechen würde. Panisch sah sie sich um. Ihr Blick blieb an dem türkisfarbenen Stein hängen, der neben ihr lag. Auf dem Stein hatte sich ein langer Riss gebildet hatte. Schockiert hob sie denn Stein hoch und untersuchte den immer größer werdenden Riss. Hilflos musste Anuk dabei zusehen, wie der schöne Stein immer mehr Risse bekam und plötzlich, mit einem lauten Knall explodierte. Die Splitter flogen überall hin und Anuk musste die Augen schließen, um nicht irgendwelche Splitter ins Auge zu bekommen.
Vorsichtig öffnete sie die Augen, doch was sie sah, ließ ihr das Blut in den Adern gefrieren. Vor ihr saß ein kleines Geschöpf, mit türkis grünlichen Schuppen und tief schwarzen Augen. Zusammengekauert hockte es auf dem mit Stroh bedecktem Boden und hob vorsichtig den kleinen Kopf. Wie gebannt starrte Anuk das Wesen an und streckte vorsichtig ihre Hand nach ihm aus. Das kleine Wesen fauchte Anuk bedrohlich an und spreizte seine glänzenden Flügel. Erschrocken zog Anuk ihre Hand zurück und musterte misstrauisch des kleine, glänzende etwas mit den Flügeln.
„Du bist ein Drache!", flüsterte Anuk ehrfürchtig.
Anuk überlegte kurz und streckte ihre Hand erneut nach dem kleinen Drachen aus. Diesmal reagierte der Drache nicht aggressiv, sondern schnupperte an Anuks Hand. Vorsichtig streichelte sie den kleinen Kopf des Drachen.
„Wie ist das nur möglich? Es gibt seit über 300 Jahren keine Drachen mehr. Also hatte Daun doch recht, das war ein Drachenei, aber was mache ich jetzt nur mit dir? Ich kann dich unmöglich überall mit hinnehmen, aber alleine lassen kann ich dich auch nicht. Warum ist Daun ausgerechnet jetzt ausgezogen? Er wüsste genau, was zu tun ist, aber anscheinend muss ich alleine mit dir klarkommen, mein Kleiner"
„Anuk, kommst du?", rief ihre Mutter.
„Ja, Augenblick", rief Anuk zurück.
„Alles klar, du wartest hier und machst keinen Lärm. Fliegen und Feuer speien kannst du doch noch gar nicht, oder?", meinte Anuk an den Drachen gewannt.
Natürlich bekam sie von ihm keine Antwort, weshalb sind zu der alten Holztreppe ging. Die Treppe führte von dem Heuboden, auf dem Anuk schlief, runter in den Wohnbereich der kleinen Hütte. Sie wollte gerade einen Fuß auf die erste Stufe setzen, als der kleine Drache ihr auf die Schulter flog.
„Du kannst ja doch schon fliegen", stellte Anuk fest.
„Wenn du unbedingt mit mir kommen willst, dann eben so", meinte sie und setzte den Drachen in den Beutel, indem sie vorher auch immer das Ei transportiert hatte.
Vorsichtig schwang sie sich den Beutel auf ihren Rücken und stapfte die Treppe runter.
„Da bin ich, wie kann ich helfen?"
„Schön, dass du uns freiwillig hilfst, Anuk. Wärst du so lieb und hilfst mir schnell beim kochen, Nadja, die Tavernenbesitzerin, kommt gleich mal eben zu Besuch", meinte ihre Mutter.
„Klar" antwortete Anuk und machte sich an die Arbeit.
„Du Mama, was weißt du eigentlich über Drachen?", fragte Anuk.
„Über Drachen? Wie kommst du denn auf Drachen?", fragte ihre Mutter.
„Nur so, Daun hat immer viel von ihnen erzählt"
„Ja das hat er, aber wie du sicher weißt, gibt es keine Drachen mehr"
„Ich weiß ich, aber was erzählt man sich denn so über sie? Wie wurden sie beispielsweise trainiert?", fragte Anuk weiter.
„Oh, da fragst du aber die Falsche. Nadja könnte sowas schon eher wissen, die bekommt ja echt alles mit", entgegnete ihre Mutter.
„Warum will Nadja denn kommen?"
„Sie meinte es wäre wichtig"
„Was, was ist wichtig?", fragte Anuk nervös.
,,Ich weiß es nicht Anuk, frag sie doch einfach selber, wenn sie hier ist", beendete Anuks Mutter das Gespräch und schüttete die Zwiebeln, die sie soeben geschnitten hatte in eine Holzschale.
Auf einmal klopfte es an der Tür.
„Na wenn man vom Teufel spricht", meinte Anuk und öffnete die Holztür.
„Hallo Nadja, setz dich doch schon mal hin, der Eintopf ist auch gleich fertig", begrüßte Anuks Mutter den Gast.
Nadja setzte sich an den kleinen Tisch und Anuk setzte sich ihr gegenüber.
„Nadja, weißt du, wie man Drachen trainiert und was die so brauchen?", fragte Anuk sofort.
„Warum willst du dass denn wissen?", fragte Nadja.
„Nur so", meinte Anuk.
„Anuk, können wir mal bitte unter vier Augen sprechen?", Nadja schaute Anuk ernst an.
„Klar, macht ihr nur, ich gehe nur eben den Rest der Familie holen", meinte Anuks Mutter und verließ die kleine Hütte.
„Also was ist?", fragte Anuk unsicher.
„Wo ist der Stein?", fragte Nadja ernst.
„Was denn für ein Stein?", fragte Anuk und versuchte ihre Nervosität so gut es ging zu verstecken.
„Anuk, das ist nicht mehr lustig, die Männer des Königs suchen nach diesem Stein! Und irgendwer hat dich angeblich damit gesehen!"
„Ich habe den aber nicht!", entgegnete Anuk.
„Und was ist dann in dem Beutel auf deinem Rücken?", fragte Nadja.
„Ein Geschenk von Daun, er hat gesagt, ich soll es erst heute Abend öffnen", log Anuk.
„Aber irgendwas bedrückt dich doch, was ist los?", fragte Nadja sie besorgt.
„Nichts besonderes", entgegnete Anuk abwesend.
Nadja stand auf und ging zu Anuk.
„Ich höre"
Anuk seufzte genervt, aber erzählte Nadja schlussendlich von der Prophezeiung.
„Mir hat heute eine Wahrsagerin eine Prophezeiung überbracht"
„Oh, worum ging es?", fragte die freundliche Tavernenbesitzerin.
„Das war irgendwie komisch, sie sagte irgendwas von Krieg, einem Feuer in der Dunkelheit und einer Waffe, mit der Macht alles zu zerstören", berichtete Anuk.
„Interessant", murmelte Nadja nachdenklich.
„Das heißt du glaubst diese Prophezeiung ist echt?"
„Weißt du Anuk, ich habe gelernt an sowas zu glauben. Das wirst du auch noch lernen. So verrückt Prophezeiungen im ersten Moment auch klingen mögen, irgendwann wirst du sie verstehen. Also merke dir jedes einzelne Wort und versuche sie zu verstehen", riet ihr Nadja.
„Das werde ich", versprach Anuk und schenkte ihr ein lächeln.
Kurz dachte sie nach und versuchte sich an jedes Wort zu erinnern.
Wenn Krieg wirft Schatten übers Land, der Frieden sei vollends verbannt. Die Dunkelheit, sie wird euch knechten, allein das Licht kann sie durchbrechen. So wird entfacht das Feuer in der Dunkelheit, erst dann des Hoffnungs Rückkehr ist bereit. Des größten Macht wird geben euch die Waffe, nur durch sie ans Ziel gelange. Das Schicksal der Lande liegt in des Einen Händen, durch Mut, Hoffnung und Gerechtigkeit der Krieg wird enden.
Immer wieder ging Anuk die Prophezeiung gedanklich durch und versuchte sie zu verstehen, als der Drache in dem Beutel auf ihrem Rücken zunehmend unruhig wurde.
„Du wolltest ja noch was über Drachen wissen. Soweit ich weiß wachsen Drachen recht schnell, aber es ist sehr schwer, sie zu trainieren. Ich habe auch mal gehört, dass sie sehr loyal sein können. Aber selbst wenn man einen Drachen trainiert, er bleibt immer noch ein Drache und ist gefährlich. Wenn er außer Kontrolle gerät, kann er alles zerstören", wurde Anuk aus ihren Gedanken gerissen.
„Ich muss los!", meinte Anuk plötzlich und sprang auf.
Sie sprintete zur Haustür, borgte sich erneut den Bogen ihres Vaters aus und verließ das Haus. Der Drache wurde immer unruhiger und wirbelte in dem Beutel herum.
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