Kapitel 17.
Noch bevor die ersten Sonnenstrahlen den nächsten Tag ankündigten, betrat Anuk den Burghof. Der Schnee auf den Türmen von Wolfsthron war geschmolzen und die Banner wehten im seichten Morgenwind. Die Luft war frisch und klar, ideal für lange Fußmärsche.
Anuk trug eine leichte Rüstung, die ihre Schultern schütze, Armschienen und einen schwarzen Umhang, der mit einer silbernen Kette mit einem Drachenkopf zusammengehalten wurde. Ein frisch geschliffenes Schwert hing an ihrer Hüfte und sie hatte sich ihren Bogen umgehangen. In einem ledernen Köcher, den sie sich auf ihren Rücken geschnallt hatte, warteten mehr als genug Pfeile aus dunklem Fichtenholz und mit roten Federn nur darauf, eingesetzt zu werden.
Livia wartete bereits auf Anuk, ihre weiße Wölfin Aurora wartete geduldig neben Livias Schimmelstute. Sie selber trug einen schwarzen Umhang, der von einer Brosche in der Form eines Wolfkopfes zusammengehalten wurde. Auf ihren Rücken hatte sie sich ihr Schwert und zwei kurze Dolche für den Nahkampf geschnallt. Im Gegensatz zu Anuk trug Livia fast gar keine Rüstung, lediglich lederne Armschienen schützen ihre Handgelenke und Unterarme.
Anuk ließ ihren Blick über den Burghof schweifen und Staunte. Die einfachen Leute, die sie am Vortag noch trainieren sehen hat, standen in Reihe und Glied. Alle trugen mit Leder überzogene Rüstungen, mit dem Wappen der Alphas auf der Brust. Jeder der Soldaten trug ein Schwert an der Hüfte und einen Schild auf dem Rücken.
,,Worauf warten sie?", fragte Anuk an Livia gewand.
,,Sie warten darauf, dass du auf Alvars Rücken steigst und sie in die bevorstehende Schlacht führst. Sie sehen in dir und Alvar die Hoffnung auf eine bessere Zukunft und sind bereit für diese Zukunft zu kämpfen!", antwortete Livia entschlossen, ihre grauen Augen funkelten.
Anuk atmete einmal tief durch, bevor sie auf Alvar Zuschrift, der geduldig hinter ihr wartete. Sanft streichelte sie dem Drachen über den Hals, bevor sie nach dem Seil griff, das Lope ihr am Vortag gegeben hatte und sich auf Alvars Rücken schwang. Sie nickte Livia kurz zu, die ihre Stute wendete, an die Spitze der Armee trabte und ihre Stimme erhob.
,,Wollt ihr weiter unter dem Joch von Agron Daytona leben und zusehen, wie er eure Zukunft zuerstört? Oder wollt ihr für eure Freiheit kämpfen, für eure Familien und eure Zukunft? Der selbst ernannte König sieht in euch nur ein paar bedeutungslose, wertlose Bauern, doch ich sehe entschlossene Krieger und Helden, über die man noch in tausend Jahren Lieder singen wird! Seit ihr bereit, euch gegen die Unterdrückung und die Finsternis zu behaupten? Seit ihr bereit, Seite an Seite mit einem Drachen und seiner Reiterin in die Schlacht zu ziehen?"
Entschlossene Rufe und Jubel schallten Livia entgegen und als die gigantischen Burgtore aufschwangen, ritt Livia voran und führte die Armee von nicht einmal 5.000 Mann durch die Tore. Anuk ließ ihren Blick noch ein letztes Mal über die drei prächtigen, markanten Türme von Wolfsthron schweifen, bevor sie ihren Griff um das Seil verstärkte. Ihr Drache hob kräftig vom Boden ab und gewann mit seinen großen Schwingen schnell an Höhe. Majestätisch glitt er über der Armee durch die Luft und bleitete Richtung Süden, nach Finsterwacht in den Berglanden.
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,, Jetzt komm schon Pia, wach endlich auf! Ich habe Hunger!", beschwerte sich Sara Tohaido und rüttelte unsanft an der Schukter ihrer kleinen Schwester.
Die beiden Schwestern und ihr Bruder Max bezogen für ihren Aufenthalt in Wolfsthron ein sehr geräumiges Gästezimmer, in dem andere hohe Lords schlafen könnten, wenn sie auf Wolfsthron zu Gast waren.
Sara Band sich ihre Schulterlangen, roten Haare zu einem einfachen Zopf zusammen und wandte sich an ihren Bruder, der nachdenklich am Fenster stand.
,,Sag mal, geht es dir gut? Du wirst so nachdenklich, dass kenne ich gar nicht von dir"
,,Irgendwas stimmt hier nicht", antwortete Max beunruhigt.
Er ließ seinen Blick weiter über den großen Burghof schweifen, als würde er jeden Millimeter des Gesteins scannen. Sara stellte sich neben ihm und starrte ebenfalls auf den Burghof, als Pia sich dann doch Mal dazu entschloss, endlich aufzustehen.
,,Was steht ihr denn so am Fenster, lächekt euch die Sonne entgegen, oder verzaubert euch der glitzernde Schnee? Es hat doch nicht geschneit, oder? Ich meine, wir haben fast Sommer. In der Schwarzbucht könnten wir jetzt bestimmt schon im Meer schwimmen und..."
,,Pia, halt doch ausnahmsweise Mal deinen Mund. Hier stimmt etwas nicht", führ Sara ihre kleine Schwester an.
Neugierig drängelte Pia sich ans Fenster und blickte auf den Burghof hinab.
,,Also ich weiß ja nicht, was ihr habt, aber ich sehe da gar nichts", meinte sie und zuckte mit den Schultern.
,,Das ist es ja, was mich so beunruhigt. Es ist zu ruhig und es ist niemand da", erklärte Max.
,,Stimmt, die Soldaten sind weg", erkannte jetzt auch Sara.
,,Hä, welche Soldaten?", fragte Pia.
Sara schüttelte nur den Kopf, Pias Naivität ging ihr fehörig auf die Nerven.
,,Na die, die gestern und vorgestern alle im Trainingshof trainiert haben. Die Kerle in Metallrüstungen, verstehst du? Und jetzt beeile dich doch Mal, ich habe Hunger. Also zieh dir eins deiner Kleidchen über und dann gehen wir frühstücken"
Es dauerte einen Moment, bis Pia ihre Gedanken geordnet hatte und verträumt ihr blaues Kleid überzog. Die Ärmel waren mit spitzen und eingenähten Haien verziert und der Kragen war mit einem nahezu weißen Pelz gesäumt. Allerdings war das Kleid unten alles andere als sauber. Der Ritt nach Wolfsthron hatte definitiv seine Spuren hinterlassen, gefrorener Schlamm und grüne Flecken verunstalteten den unteren Rand.
,,Fertig?", fragte Max und trat vom Fenster zurück.
Pia nickte als Antwort und strich einige Falten aus ihrem Kleid. Ihre blonden Haare allerdings lagen perfekt und bildeten einen deutlichen Kontrast zu Saras verknoten und strubbeligen roten Haaren.
,,Gut, dann können wir ja endlich Frühstücken gehen", freute sich Sara und stand schon in der Tür.
Irgendwie genoß sie den Aufenthalt auf Wolfsthron. Es war alles viel unkomplizierter, als bei ihr Zuhause auf Klingenfels. Hier gab es keine Dienerin, die Uhr jeden Morgen stundenlang die Haare frisierten und auch keine Soldaten, die sie ständig mit Mylady ansprachen. Obwohl, wenn sie so darüber nachdachte, war Klingenfels trotz allem immer noch angenehmer als die Königsfestung, in der sie und ihre Familie noch vor kurzem zu Gast waren. In der Hauptstadt müsste man ständig aufpassen, dass man nicht überfallen würde oder irgendwer einem ein Messer in den Rücken rammte. Ohne Eskorte konnte man sich nicht einen Meter von der Festung entfernen. Seit Agron Daytona an der Macht war, ging es mit der Sicherheit bergab, obwohl die Hauptstadt noch nie ein sicherer Ort war. Trotzdem vermisste Sara das Meer und das warme Klima. Im Norden war es ihr definitiv zu kalt.
In der großen Halle von Wolfsthron wartete Lope Alpha, Livias Großer Bruder schon auf die drei Geschwister. Der Tisch war reichlich gedeckt und wie jeden Morgen standen die weißen Keramikteller auf dem Tisch, mit dem Silberbesteck, in das kleine Wölfe eingeschnitzt waren.
,,,Guten Morgen, Mylord und Myladys. Bitte setzt euch", begrüßte Lope Sara und ihre beiden Geschwister in der für ihn typischen Höflichkeit.
,,Vielen Dank, Mylord", antwortete Max und ließ sich auf dem Stuhl links von Lope nieder.
Sara und Pia nickten ihm kurz anerkennend zu, bevor sie sich neben Max setzten.
Schon am ersten Tag hatte Sara bemerkt, dass Lope das ziemliche Gegenteil von seiner kleinen Schwester Livia war. Wo sie direkt war, war er höflich, wo sie impulsiv und stürmisch war, strahlte er Ruhe aus. Allerdings besaßen Lope und Livia beide den gleichen berechnenden und durchdringen Blick, als würden sie all deine Gedanken durchschauen und deine Absichten und Ziele herausfinden. Auch kämpfen konnten beide wirklich gut und mit einer solchen Anmut, die nicht Mal die Eliteeinheitennder Tohaidos besaßen. Saras Vater, Lord Marcus Tohaido hatte zwar enormen Wert auf Max Ausbildung an den Waffen gelegt, doch Sara und Pia waren nie in den Genuss gekommen. Sara hatte sich schon Mal heimlich in die Waffenkammer geschlichen und dann dort mit den Schwertern hantiert. Doch selbst Max hätte gegen Lope oder seine Schwester keine Chance.
,,Wenn ich mir eine Frage erlauben darf, wo sind Anuk und eure Schwester, Mylord", durchbrach Sara das Schweigen.
Beide, Livia und Anuk waren nicht erschienen und generell wirkte die Halle verdächtig leer.
,,Livia und Anuk sind mit einer Armee gen Süden gezogen, um meinen Vater in der Schlacht zu unterstützen", antwortete Lope ruhig, doch seine grauen Augen durchbohrten Sara.
,,Anuk hat ihren Drachen dabei, hab ich Recht?", mischte sich Max ein.
,,In der Tat, ihr liegt richtig, Mylord", entgegnete Lope, doch in seiner Stimme lag ein bedrohlicher Unterton, der Sara Sorgen bereitete.
,,Warum hat man uns das nicht gesagt?", wandte Max ein.
Ihm schien es ähnlich wie Sara zu gehen, denn er ließ seinen Blick über die Halle schweifen und zählte die Wachen. Es standen lediglich zwei an der Tür, dich Sara war nicht entgangen, dass Lope nicht unbewaffnet war. Er trug zwei Dolche auf seinem Rücken und sein Wolf lag keinen Meter von ihm entfernt.
,,Es ist für euch nicht von Belang gewesen, da wir euch nicht die Genehmigung erteilt hätten, mit nach Süden zu ziehen", antwortete Lope Alpha.
,,Wenn Anuk ihren Drachen in der Schlacht einsetzt, werden hunderte von Männern bei lebendigem Leibe verbrennen. Das kann nicht euer Ernst sein", entgegnete Max fassungslos.
Max war nicht so leicht aus der Fassung zu bringen, dich die Alphas hatten ihn an der Nase herumgeführt und er hatte es nicht einmal ansatzweise gemerkt.
,,Ihr habt das von Anfang an geplant!", erkannte Sara.
Sie hatte von Anfang an gewusst, dass man den Alphas nicht trauen konnte. Sara befürchtete schon, dass Lope jetzt seine Wachen rufen, oder die Beherrschung verlieren würde, doch er war nicht so leicht zu durchschauen, wie Sara dachte.
,,Ihr missversteht die Situation. Anuk wird Alvars Feuer nicht gegen die feindliche Armee einsetzen", entgegnete Lope ruhig.
Er hatte es schon wieder getan. Er hatte die drei Geschwister schon wieder überrascht. Max gefiel das überhaupt nicht, doch er gab sein bestes, sich nichts anmerken zu lassen.
,,Und was lässt euch glauben, dass der Drache auf Anuk hört?"
,,Er hört auf Anuk, wie ihr schon bemerkt haben werdet", erklärte Livias großer Bruder.
,,Na klar, Anuk steht am Boden und brüllt Alvar irgendwelche Befehle zu. Ist klar, ihr seit wahrlich an Intelligenz nicht zu übertreffen, Mylord", Sara verlor endgültig die Beherrschung, was glaubte dieser Kerl eigentlich, wer er ist?
Noch im selben Atemzug erkannte Sara, dass sie zu weit gegangen war. Doch anstatt sie anzugreifen starrte der junge Alpha sie nur an. Sara hatte sich noch nie so unwohl gefühlt und wäre am liebsten ganz weit weg. Die grauen Augen von Lope durchbohrten sie und schienen sie an den Stuhl zu nageln. Diese grauen Augen, die jegliche Gedanken und Emotionen versteckten. Sara lief es eiskalt den Rücken hinunter, sie schluckte.
,,Ich sehe ausnahmsweise über eurer Mangelndes Benehmen hinweg, Sara Tohaido, Tochter von Marcus Tohaido und Sonya Tohaido, geborene Aviscon. Doch wer hat gesagt, dass Anuk am Boden bleibt?"
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