Kapitel 16.
Der nächste Tag begann für Anuks Geschmack viel zu früh, gerne wäre sie noch länger im weichen, warmen Bett liegen geblieben. Doch sie hatte Lope versprochen, pünktlich zum Training zu kommen, egal wie kalt und nass das Wetter wäre. Und es war nass, die ganze Nacht hatte es durchgeregnet, und es war kalt, furchtbar kalt. Dafür, dass eigentlich der Frühling schon fast vorüber war, herrschten im Norden trotzdem noch Temperaturen, die kaum über den Gefrierpunkt hinausgingen.
Anuk quälte sich aus dem Bett und würde direkt von der kühlen Luft begrüßt. Zügig zog sie den schwarzen Kampfanzug an und warf sich den schwarzen, mit Pelz verzierten Mantel über. Sie legte ihren Waffengurt und ihre schwarzen Lederstiefel an. Sie schaute sich noch einmal in ihrem Zimmer im, um sicher zu gehen, dass sie nichts vergessen hatte, als ihr Blick auf den Bogen ihres Vaters viel. Sofort kehrten die Bilder von dem brennendem Haus ihrer Familie zurück und sie spürte, wie ihre Augen feucht wurden. Anuk verdrängte die Erinnerung so gut sie konnte und griff nach dem Bogen, den sie sich über die Schulter hing, bevor sie ihr Zimmer verließ.
Lope warte bereits auf dem Übungshof, doch Anuk erkannte sofort, dass etwas nicht stimmte. Sämtliche Bögen und Pfeile fehlten und auf dem ganzen Hof waren junge Soldaten verteilt,bdie mit den Holzschwertern übten. Die Soldaten waren teilweise sogar noch jünger als Anuk und sie erkannte sofort, dass die Soldaten nicht aus gutem Hause waren. Sie trugen einfache, teilweise rampunierte Kleidung, alte Hüte und keine Rüstungen. In Angsana hatte Anuk viele wie sie gesehen, junge Kerle, die davon träumten, Einestages als Held gefeiert und vom Adler akzeptiert zu werden. Alle Soldaten, die in dem Hof trainierten, waren einfache Bauernjungen und Kinder von Arbeitern.
,,Lope, was geht hier vor sich?", fragte Anuk unsicher.
Die Emotionslosen und berechnende Augen des Erben von Wolfsthron schienen Anuk zu durchbohren. Sie verstand sofort, das die Lage ernst war.
,,Es gibt...Komplikationen. Der König hat anders gehandelt, als wir erwartet haben. Seine ganze Armee hat sich bei der Königsfestung gesammelt, bis auf seine eigenen Truppen, die sind...verschwunden", erklärte Lope und knirschte mit den Zähnen.
,,Wie verschwunden? Eine Armee kann doch nicht einfach verschwinden", entgegnete Anuk fassungslos.
Mit der Situation war definitiv nicht zu Spaßen, das war selbst Anuk klar, die keine Erfahrung mit Kriegen hatte.
,,Sie sind jedenfalls nicht mehr bei Finsterwacht, wie wir gedacht hatten. Eigentlich sind wir davon ausgegangen, dass sich die gesamte Armee des Königs bei Finsterwacht sammelt, das wäre für uns optimal gewesen, da die ganzen südlichen Truppen weder mit dem Gelände, noch mit dem Klima klarkommen würden. Eine große Armee ist viel langsamer, als eine Kleine. Aber da alle, bis auf die Truppen der Daytona bei der Königsfestung sind, haben wir ein Problem", erklärte Lope.
,,Ich verstehe nicht ganz, warum ist das dann ein Problem? Sind unsere Chancen nicht viel größer, wenn wir nur gegen die Daytonas kämpfen müssen?", fragte Anuk.
"Nein, leider nicht. Eher im Gegenteil. Die Daytona kennen ihr Gelände und kommen sehr schnell voran. Da sie nicht in Finsterwacht hocken, befinden sie sich irgendwo in den Bergen. Sie sind eine verhältnismäßig kleine Armee und kommen schnell voran. Sie haben keine Kavallerie, nur Fußtruppen"
,,Klein? Wie klein?", wollte Anuk wissen.
,,20.000 Mann. Wir haben 30.000, abzüglich 10.000 Kavallerie, die wir in dem Gelände nicht einsetzen können", erläuterte Lope die Fakten.
,,Also sind wir gleich stark wie sie, zumindest von den Zahlen her. Aber wenn du sagst, dass die Daytona ihr Gelände natürlich viel besser kennen als wir, dann sind wir trotzdem im Nachteil. Wie sieht der Plan aus?"
,,Mein Vater versucht die Truppen in die Nähe von Finsterwacht zu locken. Da ist das Gelände noch am besten, auch wenn die Burg selbst halb in einen Berg gebaut ist. Aber wie jede Burg muss auch Finsterwacht versorgt werden, deshalb ist das Gelände dort zumindest einigermaßen zugänglich. Der Plan ist, dass wir, also du und Alvar nachkommt. Livia wird begleiten, ich bleibe mit den drei Tohaidogeschwistern hier auf Wolfsthron und kümmere mich um die Verletzten und alle anderen, die Hilfe benötigen. Diese Soldaten hier, sind alle einfache Bauern und Arbeiter. Sie haben Angst Anuk, doch dennoch sind sie bereit für das Haus Alpha in den Krieg zu ziehen", trug Livias Großer Bruder vor.
Anuk schaute sich erstaunt auf dem Hof um, die Menschen hatten Angst und waren dennoch bereit zu kämpfen. Nicht eine Person Angsana hätte das für die Daytona gemacht, doch all diese Menschen taten es freiwillig, für die Alphas.
,,Wir kürzen unser Training etwas ab, und trainieren deshalb heute schon mit Alvar. Morgen brechen wir auf, noch bevor die ersten Sonnenstrahlen den Himmel erhellen", für Lope fort.
,,Was, schon Morgen? Aber du sagtest, ich bin noch nicht bereit!", Anuk war fassungslos.
,,Das ist den Daytonas egal und Agron Daytona wird es sogar gefallen", meinte Lope.
,,Was hat der König denn jetzt damit zu tun?"
,,Das Drachenei, stammt aus der Königsfestung. Livia hat es... entwendet. Agron Daytona ist hinter dir her, er wird dich so lange jagen, bis er sich hat und damit Alvar kontrolliert. Oder er bringt dich um, das ist die andere Möglichkeit. Außerdem solltest du ihn nicht mehr als König bezeichnen, das ist er nicht. Er hatte nie das Recht auf den Thron und wird es nie haben", berichtete Lope Alpha.
,,Warum ist er denn hinter mir her, ich hab doch nichts getan!", entgegnete Anuk empört.
,,Du bist eine Bedrohung für ihn, irgendwann wirst du es verstehen, wenn die Zeit reif ist. Doch jetzt rufe deinen Drachen"
Anuk entfernte sich einen Schritt von Lope und atmete tief durch. Langsam schloss sie die Augen und dachte an Alvar, seine glänzenden Schuppen, seine spitzen Zähne und seine gigantischen Flügel.
Kaum hatte sie ihre Augen wieder geöffnet, hörte sie das Rauschen der Flügel und Alvars Schatten verdunkelte den Übungshof. Sie Soldaten unterbrachen ihre Trainingseinheiten und schauten gen Himmel. Als der Drache im Sturzflug auf sie zu hielt, sprangen sie zur Seite und machten eilig Platz. Keiner wagte es, den Blick zu heben, als Alvar im Übungshof landete. Er senkte den Kopf und stupste Anuk vorsichtig mit seiner Schnauze an. Seine Nasenlöcher größer als Anuks Hände und er hätte mit einem Bissen verschlingen können, wenn er wollte. Sogar Lope, hielt vorsichtshalber etwas Abstand zu dem Drachen.
,,Hey mein Kleiner, hast du Lust auf etwas Abwechslung?", sprach Anuk den Drachen an.
So langsam musste sie sich Mal einen neuen Spitznamen überlegnen, als ihren Kleinen konnte sie den Drachen definitiv nicht mehr bezeichnen.
,,Anuk, Versuch mal, ob du ihn reiten kannst", rief Lope ihr zu und traute sich langsam einige Schritte näher an den Drachen heran.
Anuks schluckte und Schritt an Alvars Hals entlang, der dicker war, als ein Baumstamm. Behutsam strich sie mit ihren Fingern über seine Schuppen und spürte die rauen Kanten. Am der mächtigen Schulter des Drachen blieb sie stehen und schaute zu seinem Rücken hinauf. Sie atmete noch einmal tief durch bevor sie nach irgendeiner Möglichkeit zum festhalten suchte. Anuk trat überracht einen Schritt zurück, als Alvar seinen Hals senkte, bis Anuk sogar über ihn seinen Rücken schauen konnte. Erleichtert zog Anuk sich auf seinen Rücken und tätschelte ihm dankbar den Hals. Der Drache richtete sich auf und Anuk wäre beinahe wieder von seinem Rücken gerutscht. Sie tastete seine Schuppen ab und suchte nach irgendeiner Möglichkeit um sich festzuhalten, doch rutschte jedes Mal wieder ab.
,,Warte Anuk, das könnte Helfen", meinte Lope und warf ihr ein stabiles Seil zu.
Anuk schenkte Livias großem Bruder ein dankbares Lächeln und wickelte das Seil mehrmals um Alvars massiven Hals. Die Enden knotete sie fest zusammen und achtete darauf, dass sie dem Drachen nicht die Luft abschnürte. Voller Vorfreude verstärkte sie ihren Griff um das Seil, als Alvar seine gigantischen Schwingen ausbreitet. Kraftvoll drückte er sich von der Erde ab und schoss in den Himmel. Anuk kämpfte damit, nicht von seinem Rücken zu rutschen und schloss nervös die Augen. Sie wollte sich gar nicht ausmalen, was passieren würde, wenn sie mitten im Flug von ihrem Drachen fallen würde.
Die Luft wurde dünner und der Wind zerzauste Anuks Haare. Langsam öffnete sie die Augen und staunte. Die Wolken waren zum greifen nahe und einige Vögel flogen neben ihr und Alvar her. Wolfsthron wirkte winzig klein und Anuk glaubte, in der Ferne sogar die Berge sehen zu können. Plötzlich ging Alvar in den Sturzflug über. Erschrocken klammerte Anuk sich an das Seil und sah dem rasant naherkommendem Erdboden entgegen. Nervös schloss sie ihre Augen doch Alvar breitete im letzten Moment seine Flügel aus raste über den Boden. Geschwind wich er einem Baum aus. Anuk, von der unerwarteten Kurve überrascht, kämpfte um ihr Gleichgewicht. Von Kurve zu Kurve, fiel es ihr immer leichter, nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Schließlich nahm sie all ihren Mut zusammen und löste ihren Griff um das Seil. Strahlend streckte sie ihre Arme nach rechts und links aus und schloss genüsslich die Augen. Sie spürte jeden von Alvars Bewegungen und wäre am liebsten nie wieder abgestiegen, doch die Türme von Wolfsthron tauchten vor ihr auf und Alvar drosselte sein Tempo.
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