Kapitel 2 (Teil 3)

Ich erwachte davon, dass jemand direkt neben meinem Gesicht vorbei ging, und nur haarscharf meine Haare verfehlte, die um meinen Kopf herum lagen.

Schnell setzte ich mich auf, es machte mir nichts aus jetzt aufstehen zu müssen denn ich war froh, nicht länger auf dem spitzen Stein liegen zu müssen, der mir die ganze Nacht in den Rücken gebohrt hatte.

Ich rückte mein Gewand zurecht, dass ich auch zum Schlafen nicht abgelegt hatte und sah mich in unserem provisorischen Lager um.

Anscheinend war der Großteil der anderen auch gerade erst aufgewacht, denn neben mir streckten sich die jungen Männer der Wache, die wohl ebenso unsanft wie ich geweckt worden waren.

Nur Selion stand bereits in seiner kompletten Montur da. Wenn ich so darüber nachdachte wusste ich nicht einmal ob er überhaupt geschlafen hatte. Dieser Gedanke schien mir gar nicht so abwegig.

Lija neben mir streckte sich und begann dann ihre Matte sorgfältig auf zu rollen.

"Gibt es schon etwas Neues?" Fragte sie noch verschlafen. Ich schüttelte den Kopf.

Heute würden wir das Dorf betreten, zumindest nahm ich das an. Unwillkürlich schaute ich in die Richtung, in der die nun Besitzerlosen Häuser standen.

"Alle sollen etwas essen!" Ordnete Selion an. "Ihr werdet später was im Magen brauchen." Fügte er grimmig hinzu, was für ihn schon eine außergewöhnliche Gefühlsregung war.

"Na dann..." Meinte ich, was wirklich nicht sehr motiviert klang.

Wir liefen zu einer Gruppe der jungen Männer die der Stadtwache angehörten, um etwas von den Rationen zu bekommen, die gerade verteilt wurden. Auch hier handelte es sich nur um das typische Fladenbrot und einen Fruchtaufstrich, dem die Hitze fast die ganze Flüssigkeit entzogen hatte.

Ich kaute auf beidem herum, aber ich wusste nicht wie ich es überhaupt nach unten bekommen sollte. Lija schien es ähnlich zu gehen, denn was ich aus dem Augenwinkel sah ließ darauf schließen, dass sie versuchte alles mit Wasser nach unten zu spülen.

Schließlich gab ich es auf mehr zu essen. Stattdessen stand ich auf um endlich nach dem Plan zu fragen. Im Vorbeigehen schnallte ich mir mein Schwert, dass ich eigentlich immer noch nicht haben sollte, an die Hüfte.

Selion fand ich sofort, seine honigfarbenen Haare waren viel zu auffällig, aber das würde ich ihm besser nicht sagen.

"Hey." Rief ich ihm gerade laut genug zu, um auf mich aufmerksam zu machen ohne, dass meine Stimme weit getragen wurde. Er drehte sich um und seine Augenbraue zuckte kurz als er mich erkannte.

"Was ist?" Er schien irgendwie konzentriert, sonst wäre er wahrscheinlich nicht zu freundlich zu mir.

"Ich wollte bloß fragen was der Plan ist." Sagte ich in dem Versuch nicht allzu ernst zu klingen und mit der Hilfe der warmen Sonnenstrahlen, die ungehindert auf unsere Köpfe schienen, gelang es mir sogar.

"Denkst du, du schaffst es noch drei Minuten länger zu warten wie jeder andere auch?" Konterte er während er mit der Hand auf die anderen zeigte, die noch bei ihrem Frühstück waren.

"Da ich nun die Gewissheit habe, dass du nicht alles wie sonst immer für dich behältst sollte es gehen." Ich schenkte ihm ein übertriebenes Lächeln und ging zurück zu Lija.

"Alle mal herhören!" Forderte Selion kurz darauf unsere Aufmerksamkeit. Das erste Mal seit ich ihn kannte, fragte ich mich, welchen Rang er in der Stadtwache eigentlich wirklich hatte. Immerhin kommandierte er jeden hier herum und keinen schien es zu stören. So wie es aussah hatte er sich den Respekt seiner Kameraden schon verdient.

Neben mir drehten sich die Köpfe und auch ich wollte endlich wissen, wie es nun weiter ging. Was alles von unserem Vorhaben abhing, blendete ich gerade lieber aus.

"Heute müssen wir Tegal auskundschaften und herausfinden was unserem Hilfstrupp zugestoßen ist. Ich weigere mich zu glauben, dass, mit was wir es auch immer zu tun haben, es mit all unseren gut ausgebildeten Männern aufgenommen hat. Wir werden uns langsam an das Dorf heranwagen, keine offene Konfrontation!" Wies er alle scharf an.

„Ich denke ihr alle wisst, was heute auf uns zu kommt." Begann er nun ruhiger. "Die Bewohner der Stadt haben versucht zu fliehen. Wir werden sie vor den Mauern und auf den Feldern finden. Egal, was wir heute sehen werden, wie müssen gefasst bleiben. Alle von uns."

Damit war seine kurze Ansprache zu Ende aber sein Blick ruhte noch etwas länger auf Lija und mir.

Ich versuchte meine Anspannung wieder etwas los zu werden und bemerkte, dass meine Hand das Schwert an meiner Hüfte umklammert hielt. Ich lockerte den Griff, ließ meine Hand aber nicht sinken.

Es herrschte wieder Aufbruchsstimmung, dieses Mal aber deutlich drückender als beim gestrigen Aufbruch von Kaljen. Es wurde auch mehr Wert auf die Schnelle Erreichbarkeit der Waffen gelegt und überall blitzen die Klingen, die noch ein letztes Mal von ihren Besitzern gesäubert wurden um später vielleicht deren Leben zu retten.

Ich stand mitten drinnen. Mein Schwert war nicht auf Hochglanz poliert denn darauf würde es gar nicht ankommen. Ich wünschte es wäre eine mir vertrautere Waffe an meinem Gürtel.

"Darelya und Lija, wenn ich mich richtig erinnere?" Selion war neben uns aufgetaucht. Lija nickte. "Ich will euch nicht unnötig in Gefahr bringen, auch wenn ihr euch freiwillig gemeldet habt mit zu kommen. Aber ich weiß nicht einmal ob ihr euch verteidigen könnt also wäre es vielleicht besser, wenn ihr hierbleibt."

Seine eine Hand lag auf seinem Schwertgriff während er mit der anderen das gesagte unterstrich. Ich setzte zu einem Konter an und hatte gerade meinen Mund geöffnet als ich eine Hand auf meinem Arm spürte.

"Lya, er hat recht. Ich bin ein Hausmädchen, ich hatte noch nie in meinem Leben eine Waffe in meiner Hand." Sagte Lija leise und sah mich zurückhaltend aus ihren braunen Augen an. Ich wollte etwas sagen aber mit viel nichts ein. Was wenn ihr etwas zustoßen würde? Ich nickte langsam.

"Wird noch jemand zurückbleiben?" Fragte ich Selion direkt. Der Gedanke, dass Lija alleine hier blieb gefiel mir genauso wenig.

"Nein." Lautete die kurze Antwort.

"Ist schon okay." Versuchte Lija nun mich zu beruhigen. "Ich werde mich einfach versteckt halten, bis ihr zurück seid."

"Selion, wir sind fertig." Aspeth war vorsichtig nähergekommen. Der angesprochene nickte und richtete dann seinen Blick wieder auf uns.

Da kam mir eine Idee, die mich zumindest etwas besser fühlen ließ.

"Versteck dich etwas abseits von hier und komm erst heraus, wenn ich drei Mal auf meinen Sattel geklopft habe." Dachte ich mir schnell ein Zeichen aus.

Meine beste Freundin nickte und ihr Blick streifte kurz meine Augen bevor sie sich umdrehte und davon lief um ein geeignetes Versteck zu finden. Für einen Moment sah ich ihr nach bevor ich mich ganz der bevorstehenden Mission widmete.

"Also ich bin immer noch dabei!" Zwinkerte ich Selion zu. Ich war mir nicht sicher, ob er seine Augen verdreht hatte aber es sah fast danach aus.

Schweigen hatte sich über die Gruppe gelegt, als wir das Lager verließen und über die nun freie Fläche liefen, die uns von dem Dorf trennte.

Die Pferde hatten wir in der Nähe des abgebauten Lagers angebunden. Es wäre zu auffällig gewesen sie mit zu nehmen.

Das Rascheln des Grasses unter unseren Füßen kam mir viel zu laut vor.

Plötzlich hörte ich noch etwas. Ein stetig lauter währender Lärm. Ein Krächzen. Ich wagte es nach oben zu sehen aber ich bereute es sofort. Da waren sie wieder, Raben die über den Feldern kreisten und einer nach dem anderen zu Boden glitten.

Mir wurde schlecht. Ich hatte dieses Bild schon einmal gesehen. Erinnerungen flackerten in meinem Kopf auf. Ich sah mich um, aber plötzlich war die Steppe verschwunden. Stattdessen war der Boden schneebedeckt. Ich schüttelte meinen Kopf und kniff die Augen zusammen.

Das war ein Fehler denn nun sah ich alles noch viel deutlicher vor mir. Der grausame Kontrast von Rot auf Weiß. Blut auf reinweißem Schnee. Ich wollte nach Luft schnappen und gleichzeitig war mir so übel, dass ich mich nicht traute es zu tun.

Atmen. Schoss es mir durch den Kopf. Und ich tat es. Langsam, erst durch die Nase, dann durch den Mund. Dann öffnete ich die Augen.

Ich hatte erwartet, dass alle mich ansehen würden aber keiner schien bemerkt zu haben, dass etwas nicht stimmte.

Alle starrten in den Himmel, wo die Vogelschwärme wie dunkle Wolken am Himmel hingen und sich wie Nebel über das Land verteilten.

Selion gab uns zu erkennen, dass wir weiterlaufen sollten. Der Mann neben mir schluckte und ich konnte es ihm nicht verdenken. Was konnten sie in ihren Leben schon gesehen haben? Nichts würde mit dem hier vergleichbar sein.

Wir liefen, oder setzten viel mehr einfach nur einen Fuß vor den anderen. Fast alle schienen in Gedanken gefangen zu sein, manche schienen gar nicht mehr zu denken. Es gab kein Zurück, das war allen bewusst. Es war nur eine Frage der Zeit gewesen und nun war sie gekommen.

Ich war eine derer, die nicht an Tempo verloren hatte nachdem mir klar geworden war, was uns erwartete und somit war ich eine der Ersten, die den Körper sah, der vor uns auf der Erde lag.

Es war ein Mann. Sein Kopf war zur Seite gedreht und ich war froh seine Augen nicht sehen zu müssen. Er lag da, als wäre er einfach umgefallen. Nur die aufgewühlte Erde neben seinen Armen und Beinen ließ darauf schließen, dass sein Tod nicht schmerzlos eingetreten war.

Selions Blick war starr auf den Körper gerichtet aber er hatte die Augen zusammengekniffen.

"Keine Wunden." Sagte er.

Es stimmte nicht ganz, aber ich wusste, was er meinte. Über den Körper verteilt waren ältere und neue kleine Wunden und Kratzer. Einige waren wohl durch schwarze Schnäbel entstanden, andere durch die Flucht. Aber es gab keine Wunde, die auch nur annähernd groß oder schlimm genug warum jemanden umzubringen.

Sie hatten nie Wunden gehabt. Die Erinnerungen drängten sich sofort in mein Bewusstsein. Ich hatte nicht genau darauf geachtet aber ich war mir sicher.

Er trug eine Rüstung.

Flüsterte mir eine Stimme in meinem Kopf zu.

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