Kapitel 2 (Teil 2)

Die Straßen wirkten bedrohlicher als bei Tage aber vermutlich wäre es mir anders vorgekommen, wenn ich nicht wüsste wohin unser Weg uns führen würde.

Das offizielle Gebäude der Stadtwache stand nicht, wie man vielleicht vermutet hätte, im Zentrum der Stadt um gut erreichbar zu sein, sondern war am westlichen Rand, der Seite die den Bergen am nächsten war.

Als wir eintrafen herrschte dort bereits eine seltsame Stimmung. Man hätte sie vielleicht als hektisch bezeichnet aber die Ordnung mit der alle ihren Befehlen nach gingen machte es unmöglich diesen Begriff hier wirklich zu verwenden.

Als man uns näher kommen sah schien sich aber alles zu verlangsamen. Köpfe wurden in unsere Richtung gedreht und ich war mir sicher, dass einige der versammelten Personen miteinander zu sprechen begonnen hatten.

Lija hatte aufgeholt und ritt nun neben mir. Ich fragte mich, was wohl passieren würde, wenn wir zu der Gruppe aufschlossen.

"Du bist also wirklich gekommen." Selion hatte seine Emotionslosigkeit mal wieder perfektioniert den es war nahezu unmöglich festzustellen was er über mein Erscheinen dachte. Wahrscheinlich aber nichts Gutes.

"Ich habe gesagt, dass ich komme." Entgegnete ich und konnte es nicht lassen eine kurze Handbewegung in Richtung meines Gepäcks zu machen.

"Nun gut, wir sind fast fertig. Es gibt keinen Grund mehr abzusteigen." Sagte er und drehte sich um, um seine braune Stute zu besteigen, welcher immer wieder unsichere Blicke zu geworfen wurden, da sie nicht festgebunden war. Ein Teil der Gruppe tat es ihm gleich während die anderen, die noch nicht fertig waren, sich beeilten um keine Zeit zu verlieren. Ich sah mich um. Alle hatten gebogene, Säbelartige Schwerter an ihren Gürtel befestigt. Manche hatten auch Bögen oder Armbrüste dabei und ich war mir sicher, dass noch einiges mehr an ihren Körpern oder in den Taschen versteckt war.

Ich ließ die Zügel auf dem Sattel liegen und sprang auf den Boden.

"Darelya!" Hörte ich Selion rufen aber ich ignorierte ihn, als ich auf eine der Türen zu lief.

In dem Raum war es dunkel aber ich fand sofort was ich suchte. An der Wand hingen mehrere der Schwerter, wie jene, die ich vorhin bei den Wachen gesehen hatte. Ich griff nach einer der Scheiden und befestigte sie an meinem Gürtel bevor ich das dazugehörige Schwert hinein gleiten ließ.

Alle sahen mich an, als aus dem Haus trat aber, ich ging gerade aus zu Lynx, der sich in meiner Abwesenheit keinen Meter bewegt hatte.

Selion schüttelte den Kopf.

"Kannst du überhaupt damit umgehen?" Fragte er mich.

"Ich weiß es nicht." Lächelte ich ihn süßlich an. „Aber wir werden schon sehen wozu diese Dinger taugen. Können wir jetzt los?"

Als Antwort hob Honighaar nur eine Hand und der Zug bewegte sich zum Tor hinaus.

Wir ritten und ritten. Ich hätte mein Zeitgefühl verloren, wenn der Himmel sich nicht stetig heller färben würde. Am Anfang konnte ich noch kleinere Dörfer erahnen, die sich schwarz gegen den blauen Horizont abhoben. Aber mit der Zeit wurden sie weniger und bald erstreckten sich vor uns nur noch die steppenartigen Wiesen, die in diesem Teil des Landes lagen. Die Sonne begann neben uns aufzugehen und ich erinnerte mich daran, wie ich dieses Bild das erste Mal gesehen hatte. Plötzlich wirkte die ganze Mission unwirklich.

Ging ich wirklich gerade zurück?

Meine Hand sank auf den Sattel wo sie das weiche Fell von Lynx berührte. Ich ließ die Zügel los und fuhr meinem Pferd durch die Mähne.

Ja, ich war wirklich hier.

Es mussten schon einige Stunden vergangen sein als plötzlich einer der Reiter am Anfang der Reihe sich im Sattel aufstellte und nach vorne zeigte. Ich sah auf, denn auch wenn ich etwas neben der Gruppe ritt war mein Blick eher nach unten gerichtet gewesen. Aber die plötzliche Bewegung hatte auch meine Aufmerksamkeit auf sich gezogen.

Vor mir lag kein Dorf. Nein, stattdessen sahen alle auf die lange Bergkette, die nun am Horizont zu erkennen war. Ihre spitzen Zacken ragten in den Himmel und ihr Anblick löste etwas in mir aus, dass ich schon lange nicht mehr gespürt hatte.

Das Gefühl wieder zu Hause zu sein. Ich hatte das Gefühl die Schneebedeckten Hänge, die rauen Winde würden zu meiner Rückkehr singen und mich willkommen heißen. Mich, die einzige überlebende ihres Volkes.

"Es reicht! Absatteln, lasst die Pferde ausruhen." Der Zug war zum Stehen gekommen und wir stiegen ab. Langsam löste ich die Schnüre, die alle Taschen am Sattel hielten, bevor ich auch diesen abnahm. Ich bildete einen Haufen aus Gepäck neben dem ich mich nieder ließ und halbherzig nach dem Proviant suchte, den wir dabeihatten.

In diesem Moment hörte ich Schritte hinter mir, Lija, wenn ich den Gang richtig einschätzte.

Und schon setzte das braunhaarige Mädchen sich neben mich. Ihre Haare waren leicht durcheinander und sie wirkte steif vom Reiten aber sie lächelte mich an.

"Ich war noch nie hier draußen." Sagte sie ruhig und sah sich um. "Es ist so friedlich hier. Man glaubt gar nicht..."

Sie brach ab um nach einem der vertrockneten Grashalme zu greifen, der sich neben uns leicht im Wind wiegte.

"Und trotzdem fühle ich mich so frei wie noch nie." Ihr Lächeln wurde breiter als sie vorsichtig den Grashalm zwischen ihren Fingern drehte.

"Ich wünschte ich könnte dir den Schnee zeigen." Sprach ich aus, woran ich die ganze Zeit gedacht hatte. Hier draußen war es ruhig aber die Berge waren wild und die Täler eine wunderschön gefrorenen Eiswelt.

Ob es sich verändert hatte?

Meine ganze Kindheit hatte ich in den Wäldern und an den Berghängen rund um die Feste verbracht. Damals hatte ich jeden einzelnen Stein, jeden Baum gekannt.

Ob ich es jemals wiedersehen würde?

Was würde uns in Tegal erwarten?

Den ganzen Tag über ritten wir weiter und die Berge kamen immer näher. Es war später Nachmittag als wieder die Silhouetten von Häusern in Sicht kamen aber keine Lichter, kein Rauch war zu sehen. Wir wurden langsamer und plötzlich lenkte Selion vom Weg ab. Wir ritten in ein Feld von verdorrten Büschen hinter denen wir halb verborgen waren.

"Wir bleiben heute hier. In der Nacht ist es zu gefährlich noch näher ran zu gehen. Aspeth, Lethion, ich will mit euch sprechen. Der Rest baut das Lager auf. Lady Darelya, bleib einfach hier." Wies Honighaar an, band sein Pferd an einen Stamm und ging in die Dämmerung davon.

Ich sah mich um. Der Boden sah nicht besonders bequem aus, überall lagen Steine und Äste aber das machte mir nichts aus.

Lynx stellte ich zu den anderen Pferden und nahm die dünne Matte, die wir noch irgendwo im Haus gefunden hatten. Alle, mich eingenommen, waren erschöpft von dem langen Ritt und angespannt, denn das besagte Dorf war nicht mehr weit entfernt.

Unweit von meinem Lagerplatz war eine kurze Diskussion ausgebrochen. Einer der Männer, dessen Namen ich nie erfahren hatte, verlangte nach einer warmen Mahlzeit aber ein Feuer zu machen erschwerte nicht nur das trockene Gras, sondern auch unser Vorhaben unbemerkt zu bleiben. Also wurde nichts daraus. Stattdessen wurden getrocknete Früchte und Brot verteilt, dass ich und Lija aßen während wir den leisen Gesprächen lauschten.

Selion und die zwei, die er ausgewählt hatte, kamen nun auch wieder zurück. Unter den Leuten der Stadtwache wurde die Nachtwache eingeteilt aber man ließ mich keine Schicht übernehmen

"Ist das alles, was passiert?" Fragte Lija, als sich alle auf die Nacht vorbereiten aber keine weiteren Sicherheitsmaßnahmen vorgenommen wurden.

"Ich denke unser Schutz, ist das frühe erkennen von Gefahr und unsere eigenen Verteidigungskünste." Sagte ich, denn unser größter Vorteil war wohl wirklich unsere Mobilität.

Lija schien nicht ganz überzeugt aber legte sich trotzdem neben mich hin. Ich tat es ihr gleich. Über uns waren schon die Sterne zu sehen und bis ich einschlief sah ich in den Nachthimmel hinauf. Die Sterne waren doch überall gleich.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top