"Lya?" Die leise Stimme ließ mich aus meinen Gedanken hochschrecken. Immer noch hatte ich keinen Weg gefunden das Chaos in meinem Kopf zu ordnen sodass der Sturm ein weiters mal wie eine alles zerstörende Welle über mich hereinbrach.
Als ich von dem Treffen nach Hause gekommen war, brauchte ich erst einmal Zeit für mich weshalb ich mich in mein Zimmer zurückgezogen hatte. Mein ganzer Körper zitterte als ich das Gehörte noch einmal durchgegangen war. Aber die Müdigkeit und Erschöpfung hatten gesiegt und ich war eingeschlafen.
Jetzt war es schon beinahe Nacht. Lija musste zwischendurch nach mir gesehen haben denn ich war mit einer dünnen Decke zugedeckt, die ich mir nicht selbst umgelegt hatte. Jetzt war ich schon etwas länger wieder wach, aber meine Gedanken hatten mich gefangen gehalten.
Langsam sah ich auf, nur um das hübsche braunhaarige Mädchen auf mich zukommen zu sehen, dass mir seit einem Jahr bei allem zur Seite stand. Mit einem kleinen Lächeln auf den Lippen ließ sie sich neben mir auf dem Bett nieder. Ihre Schulterlangen Haare vielen nach vorne, als sie sich zu mir beugte.
"Geht es dir wieder besser?" Fragte sie vorsichtig. Ich nickte, es fühlte sich falsch an schon etwas zu sagen. Lija lächelte mich erleichtert an.
"Es hat noch Zeit aber ich glaube wir müssen noch einmal über heute Reden. Ich habe auch ein paar Sachen erfahren." Sagte sie und auch wenn sie immer noch lächelte war da doch ein Funken Besorgnis in ihren Augen. Ich nickte ein zweites Mal.
"Am besten reden wir gleich." Sagte ich und es gelang mir nicht meine Worte auch nur ein wenig beruhigend klingen zu lassen. Lija musterte mich genau, als hätte sie Angst, dass ich noch nicht soweit war. Dann stand sie vorsichtig auf.
"Ich mache uns etwas zu Trinken." Sagte sie bevor sie den Raum verließ.
Auch ich setzte mich auf, strich mir eine Strähne aus dem Gesicht und sah aus dem Fenster. In der Dunkelheit war kaum noch etwas zu erkennen.
Ich wollte wissen was hier los war. Ich musste es wissen und ich würde nicht weitermachen können solange ich wusste, dass ich mehr erfahren könnte.
Als ich in unser Esszimmer trat standen bereits zwei Gläser und eine Kanne voll kaltem Fruchtsaft auf unserem Tisch. Lija kam gerade aus der Küche. Sie hielt eine Platte mit Keksen in der Hand, welche sie nun ebenfalls auf den Tisch stellte bevor sie sich selbst setzte. "Also,..."
Weiter kam sie nicht, denn ein Klopfen an der Haustüre unterbrach, was sie sagen wollte. schnell warfen wie einander einen Blick zu. Es war schon dunkel, wer kam noch um diese Uhrzeit vorbei?
Unsicher stand ich auf und ging zu Tür. Nicht umsonst war ein kleines Fenster direkt neben dieser angebracht worden. Ich sah hinaus, vorsichtig, damit man mich von der Tür aus nicht bemerken würde.
Die Person war ganz in schwarz gekleidet, was sie nicht gerade vertrauenswürdigen machte aber dann sah ich die honigfarbenen Haare und meine Unsicherheit wandelte sich schlagartig in Überraschung und Neugierde um. Was machte der älteste Sohn der Otrijons nach der Dämmerung vor meinem Haus?
Ich würde es herausfinden denn ihn wieder gehen zu lassen kam nicht in Frage. Dafür war meine Neugierde zu groß. Der Gedanke, dass er meine Reaktion doch bemerkt hatte schlich sich in mein Bewusstsein. Mit einer schnellen Bewegung öffnete ich die Tür.
"Lady Darelya." Selions Blick war nicht zu durchschauen als er eine Verbeugung andeutete.
"Der älteste Sohn der Otrijons. Ich habe deinen Namen vergessen, oder hast du ihn mir überhaupt gesagt?" Log ich, gespannt auf seine Reaktion.
"Was verschafft mir die Ehre?" Fügte ich noch schnell hinzu, um vielleicht nicht ganz unhöflich zu sein.
Sein Gesichtsausdruck veränderte sich kaum nur sein Mundwinkel zuckte leicht als er die Zähne etwas aufeinander Biss. In meinem Rücken spürte ich Lijas tadelnd-amüsierten Blick.
"Selion." Sagte der junge Mann kurz angebunden.
"Ich würde gerne noch einmal mit dir reden, über heute." Als ich ihn ansah bestätigte sich meine Vermutung, dass es sich nicht um ein plötzlich entstandenes Interesse an mir als seine Zukünftige Frau handelte. Eher wirkte er als müsse er etwas Ungewolltes tun um das kein Weg vorbeiführte.
"Natürlich!" Sagte ich, in der Hoffnung er würde nicht bemerken, dass meine Stimmer nun etwas höher war. Mit einer einladenden Bewegung deutete ich ihm an einzutreten. Kaum war er durch die Tür, schlug ich diese gleich hinter ihm zu. Es hatte nichts mit Selion zu tun, ich wollte die Tür bloß nicht länger als nötig offen behalten.
"Komm!" Ich ging ihm voran zum Tisch, Lija hatte sich bereits gesetzt und musterte unseren Gast mit einer Mischung aus Neugierde und Misstrauen.
"Also, was ist der Grund dieses späten Besuches?" Fragte ich sobald der älteste der Otrijonkinder sich gesetzt hatte. Sein Blick war noch immer undurchschaubar aber nun sah er mir direkt in die Augen. Er schätzte mich ein. Trotz dessen, dass ich das Gefühl hatte mir würde etwas Großes im Hals Stecken versuchte ich unbeeindruckt zu wirken.
"Ich wollte mich für die plötzliche Unterbrechung heute entschuldigen." Sagte Selion langsam.
"Sie schien sie in Sorge versetzt zu haben, was ich zutiefst bedauere." Ich presste meine Lippen aufeinander und griff nach einem der mittlerweile gefüllten Gläser um mir etwas Zeit zu verschaffen. Sollte ich ehrlich sein? Nein, es stand zu viel auf dem Spiel. Ein falsches Wort hier und alles was ich mir aufgebaut hatte würde ins Wanken geraten.
"Oh ja, es schienen keine guten Nachrichten gewesen zu sein!" Ich zwang mich zu einem leicht besorgten Ton.
"Es schien sehr wichtig für sie gewesen zu sein und da habe ich mir natürlich Sorgen gemacht ob eine ernsthafte Gefahr besteht?" In Gedanken betete ich, dass er mich für eine der über-besorgten Adelsdamen Kaljens hielt und meine gekünstelte Antwort der belanglosen Verunsicherung einer sehr schreckhaften Dame zuschrieb. Aber leider war dem nicht so.
"Es tut mir leid sie weiter damit behelligen zu müssen aber ihre Reaktion ließ mich wundern ob sie schon einmal von einem solchen Vorfall gehört haben." Es war deutlich zu sehen, dass es ihm kein bisschen leidtat und dass er auch nicht mehr lange bei den Nettigkeiten bleiben würde. Dann eben anders.
"Da müsste ich schon genauer wissen, um was für einen Vorfall es sich handelt. Immerhin wurde mir ja nicht sonderlich viel gesagt." Erwiderte ich. Selion sah mich mit einem Ausdruck an, der deutlich machte wie gerne er seine Informationen jetzt schon hätte. Vielleicht lag es an dem Licht aber seine grünen Augen wirkten dunkler und bedrohlicher als heute Nachmittag.
"Es geht um einen Angriff." Sagte er knapp. Ich hob die Augenbrauen.
"Also soweit konnte ich auch selbst denken." Ich nahm mein Glas und trank wieder einen Schluck daraus.
"Einen Angriff auf unsere Truppen, die in Tegal stationiert waren." Er schien bemerkt zu haben, dass ich nicht wusste was „Tegal" war, denn er seufzte und setzte zu einer weiteren Erklärung an.
"Tegal ist ein Dorf, westlich von hier. Es liegt in der Nähe der Berge. Es gab ein paar Komplikationen in dieser Gegend weshalb wir eine Truppe los schickten. Aber wir wussten nicht mit was wir es zu tun hatten. Jemand oder etwas hat mehrere der kleinen Dörfer am Fuß der Berge ausgelöscht.
Die Bewohner wurden außerhalb ihrer Häuser auf den offenen Feldern gefunden. Es gab keine Überlebenden. Alle sehen sie gleich aus. Als hätten sie versucht zu fliehen, die Angst sieht man noch in ihren Gesichtern aber die Augen sind immer kalt und leer.
So wurde es mir jedenfalls berichtet. Wir mussten etwas tun und da Tegal das größte Dorf dort ist, lag es nahe, unsere Männer dort zu positionieren." Er machte eine Pause und das erste Mal an diesem Abend wich er meinem Blick aus.
"Aber es ging schief. Auch Kaljens Stadtwache konnte unserem unbekannten Feind nichts entgegenbringen. Tegal wurde angegriffen und unser Kontakt brach ab. Wir wissen nicht, was passiert ist. Wir wissen nicht ob dort überhaupt noch irgendjemand lebt. Einer unserer Späher war zu diesem Zeitpunkt nicht im Dorf. Er kam sofort hierher zurück um Verstärkung zu holen und überbrachte mir die Nachricht. Der Mann, Aspeth, der heute das Essen unterbrochen hatte war dort um die Lage zu überprüfen. Aber was er fand glich den anderen Dörfern. Aspeth blieb nicht lange genug um genaueres herauszufinden. Von unseren Männern fehlt jede Spur.
Das heißt ich muss da hin. Und wenn du irgendetwas darüber weißt, dann wäre es ganz gut wenn du es mir jetzt sagst und ich es nicht erst selbst herausfinden muss." Beendete er seinen Vortrag. Aber mir wäre es lieber er würde mich noch immer halb anschreien denn sein Blick war so schneidend, dass ich mich nicht traute ihm in die Augen zu sehen.
Ich hatte nicht damit gerechnet schon so bald wieder mit dem konfrontiert zu werden, was ich schon den ganzen Nachmittag zu verdrängen versuchte.
Ich war damals weggelaufen in der Hoffnung meine Vergangenheit hinter mir lassen zu können, aber nun schien sie zu mir zu kommen.
"Ich kann dir nichts sagen." Ich merkte das ich sprach und ich tat es auch bewusst, aber es war trotzdem als würde ein Tonband abgespielt werden, das seit langer Zeit in meinem Kopf bestand. "Ich weiß selbst nicht mehr als du. Aber ich werde mitkommen."
Alle Anwesenden brauchten einen Moment um aus meiner so ruhig klingenden Stimme meine doch sehr wagemutige Entscheidung heraus zu hören. Lija öffnete den Mund, klappte ihn aber wieder zu als wäre ihr nichts zu sagen eingefallen. Selion aber musterte mich mit dem gleichen kalten Blick wie zuvor.
"Und warum denkst du einfach so mitkommen zu können? Ja, du weißt etwas aber wie du gerade gesagt hast ist es nicht mehr als wir wissen. Und ich habe keine Garantie, dass ich nicht die ganze Zeit lang aufpassen muss, dass du nicht draufgehst. Ich weiß nicht wer du bist und was du kannst und genau deshalb kommt das gar nicht in Frage."
"Ich weiß, dass du nichts über mich weißt." Lächelte ich und ich war mir sicher, dass alle hier wussten, dass mir nicht wirklich nach Lächeln zumute war. Selion hob eine Augenbraue.
"Und ich werde dir jetzt auch nichts sagen. Entweder ihr nehmt mich mit oder ich gehe alleine." Irgendwas in mir hatte ohne meine Zustimmung entschieden, dass ich gehen würde und irgendetwas anders wollte das erste um jeden Preis umstimmen. Letzteres war wohl meine Vernunft.
Aber ich kannte mich selbst gut genug um zu wissen, dass ich nicht darauf hören würde.
"Ich werde gehen." Sagte ich noch einmal um es endgültig klar zu machen.
Erst jetzt bemerkte ich, dass ich vermieden hatte den anderen, vor allem Lija, in die Augen zu schauen. Und auch jetzt war es eine Überwindung es zu tun. Ihre Rehbraunen Augen konnten nicht verbergen, dass sie sich Sorgen machte. Was würde sie tun? Würde sie alleine hierbleiben? Ich wollte sie nicht zurücklassen, nicht nach dem was mit den letzten Personen passiert war, die mir etwas bedeutet hatten als ich sie aus den Augen gelassen hatte.
Aber es war Lijas Entscheidung, hier musste ich die Kontrolle abgegeben.
"Wann brecht ihr auf?" Fragte ich und versuchte all die Emotionen, die sich wie eine Flut anbahnten aus meiner Stimme zu verbannen.
"Morgen, so früh wie möglich. Wenn du wirklich mit willst solltest du bei Morgengrauen das sein. Wenn es nach mir geht würden wir dann nämlich bereits auf den Pferderücken sitzen." Ich nickte aber Selion war bereits aufgestanden und zur Tür gegangen. Ein letztes Mal drehte er sich um und deutete eine Verbeugung an bevor er durch die Tür in die Nacht hinaus verschwand. Einen Moment lang sah ich ihm nach. Dann drehte ich mich zu Lija um aber sie war verschwunden. Gedämpft hörte ich noch wie sich eine Zimmer Tür schloss.
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