Kapitel 44
Nach einem wirklich schönen Vormittag mit meiner Familie, komme ich kurz nach drei Uhr in der Universität an, bin aus irgendeinem Grund mehr als nur entspannt, weil ich weiß, dass heute meine Studenten alles machen werden und ich die tolle Aufgabe habe, ihnen dabei zuzugucken.
Seufzend betrete ich den Saal, lächle all die jungen Gesichter an, bevor ich mich zu meinem Tisch begebe, dort jedoch einer Kollegin begegne, die es sich ein wenig zu sehr auf meinem Platz bequem gemacht hat.
„Dr. Clinton, womit habe ich diesen Besuch verdient?", frage ich höflich, hoffe wirklich einfach nur, dass dieser Tag so undramatisch wie nur möglich endet, denn nach dem hollywoodreifen Drama von heute Morgen kann ich wirklich nicht mehr.
„Das sollten Sie lieber Dr. Hadley fragen.", erwidert sie nur und verwirrt verziehe ich das Gesicht, spüre die Augen meiner Studenten auf mir.
Wortlos nicke ich und verlasse dann meinen Kurssaal, bevor ich zu meinem Büro laufe, jedoch aus irgendeinem Grund mein Schlüssel die Tür nicht aufsperrt und genau in diesem Moment realisiere ich, dass etwas passiert.
Mein Herz fängt an zu rasen und die Nervosität macht sich in meinem ganzen Körper breit, sodass ich keine Ahnung habe, wie ich damit umgehen soll.
Wie in Trance finde ich den Weg zu dem Büro meines Chefs und klopfe schluckend, bin mir sicher, dass ich genau so verloren aussehe wie ich mich fühle und genau das macht mir am meisten zu schaffen.
Ein lautes ‚Herein' lässt mich zusammenzucken, doch ohne groß zu zögern öffne ich die Tür und der Atemzug bleibt regelrecht in meiner Kehle stecken, als ich in die braunen Augen meines Freundes gucke.
„Professor Doktor Kingsley, schön, dass Sie auch endlich angekommen sind.", ertönt die Stimme von dem ältesten Hadley den ich kenne und verwirrt, auf höchstem Niveau überfordert und vor Nervosität erstickend blicke ich ihn an.
„Man sagte mir, ich solle zu Ihnen kommen, Dr. Hadley. Warum sitzt Dr. Clinton in meinem Kurs und warum öffnet mein Schlüssel die Tür zu meinem Büro nicht?", frage ich schluckend, habe ehrlich gesagt Angst vor den Antworten.
Die ältere Version meines Lebensgefährten erhebt sich, richtet seine Klamotten bevor er mit einem weißen Umschlag in seiner Hand auf mich zuläuft.
„Es war ein großes Vergnügen und auch eine sehr große Ehre, mit Ihnen zusammenzuarbeiten, Professor Doktor Kingsley, jedoch sind Sie ab heute nicht mehr als Dozentin an der University of Harvard tätig. Bitteschön, Ihre schriftliche, fristlose Kündigung. Ich wünsche Ihnen noch viel Erfolg und Glück auf Ihrem weiteren Lebensweg.", sagt Dr Hadley zu mir, schüttelt meine Hand, während er die Worte herunterrattert als wäre es irgendein Referat.
Mein ganzer Körper erstarrt, als ich endlich verstehe, was gerade passiert ist.
Ich wurde gefeuert.
Alles ist - vorbei.
Die Mühen, die Zeit und die Kraft die ich in all das reingesteckt habe, um hier anzukommen, wird mit einem Brief und ein paar Worten zertreten, als wären es Ameisen auf einem Grasfeld.
Meine Kehle wird ganz trocken und der Stein auf meiner Brust macht das Atmen so verdammt schwer, dass ich wirklich Angst habe, hier und jetzt umzukippen.
Die braunen Augen meines Freundes bohren sich in mich hinein, doch ich weiß, dass wenn ich ihn angucken, ich anfangen werde zu weinen.
„D-Danke.", murmle ich nur, die Tränen herunterschluckend und greife nach dem weißen Umschlag, bevor ich mich umdrehe und in Richtung Tür laufe.
„Aurora!", die Stimme von Alec jagt Gänsehaut über meinen Körper und als er endlich bei mir ankommt, fällt mir das Atmen noch schwerer.
„Es tut mir so leid.", flüstert er, legt seine Hand in meinen Nacken und zieht mich an sich, bevor er seine starken Arme um meinen Körper schlingt und ich einfach nur unfähig mich irgendwie zu bewegen, in seiner Umarmung erstarre.
****
„Bitte, hör auf zu weinen, meine Kleine.", flüstert Alec mir zu, als wir in meinem Auto ankommen und ich es mir hinten auf seinem Schoß bequem gemacht habe, nicht dazu fähig, die Tränen zu stoppen.
Ich habe keine Ahnung, wie lange wir schon hier sitzen.
Schluchzend hebe ich den Kopf, wische mir verzweifelt die immer mehr werdenden Tränen aus dem Gesicht, während ich Alec anblicke.
Nicht nur Trauer und pure Enttäuschung, sondern auch Zorn und Verständnislosigkeit mischen sich in die salzige Lösung meiner Tränen, machen es mir unmöglich, mich zu beruhigen.
Es ist, als hätte mir jemand den Boden unter den Füßen weggezogen.
„Ich kann nicht mehr, Alec. Es ist einfach zu viel.", schluchze ich und verstecke mein ruiniertes Gesicht hinter meinen Händen, zu beschämt meinem Freund ins Gesicht zu gucken.
Er jedoch hat ganz andere Pläne.
Seufzend greift er nach meinen Händen und zieht sie zu sich, haucht sanfte Küsse auf meine Knöchel und hält sie dann ganz fest in seinen.
„Jedes Mal, wenn ich denke, dass jetzt alles gut wird, passiert irgendwas und alles geht wieder kaputt. Ich bin so müde.", fahre ich fort und lege den Kopf in den Nacken, tue einfach alles um nicht in Alec's Gesicht gucken zu müssen.
„Ich werde das regeln, meine Kleine. Es war meine Mutter und da bin ich mir mehr als nur sicher. Sie hat ihm irgendwelche Lügen aufgetischt und mein Vater ist immer noch so in sie verliebt wie ein Teenager, dass er für sie alles tun würde. Spätestens in einer Woche wirst du wieder hier-„
„Denkst du wirklich, ich werde ab heute noch einen Atemzug in diesem Gebäude machen? Sogar wenn ich wieder hier arbeiten müsste, würde ich niemals zurückkommen. Auch ich habe meinen verdammten Stolz. Diesen unpolitischen, zurückgebliebenen Menschen ist wohl nicht bewusst, dass ich Anfragen von Universitäten wie Yale, Columbia und Oxford abgelehnt habe, um hier zu unterrichten. Ich brauche diese Wichser nicht. Wenn, dann brauchen die mich.", zische ich nur, merke wie die Trauer langsam in den Hintergrund rückt und der Zorn meinen ganzen Körper einnimmt.
„Das ist mein Mädchen.", kommt es von Alec stolz, jedoch leuchtet Sorge in dem Braun seiner Augen, wird von uns beiden jedoch komplett ignoriert.
„Ich brauche so schnell es geht einen neuen Job.", seufze ich lautstark, als ich mich ans Steuer setze, während Alec es sich neben mir bequem macht.
Mir ist bewusst, dass Viola will, dass ich kein Geld mehr habe und mich von Alec abhängig mache, doch diesem Triumph werde ich ihr niemals gönnen.
Niemals würde ich ihr die Genugtuung geben, indem ich ihren Sohn auf irgendeine Art und Weise nach Geld bitten oder geschweige es denn in Betracht ziehen werde.
„Willst du wirklich nicht, dass ich Mal mit-„
„Denk gar nicht erst daran, Alec. Mit dieser Kündigung ist mein Traum von Harvard für immer unmöglich geworden. Ich werde höchstwahrscheinlich auf das Angebot der University of Boston zurückgreifen.", erwidere ich und blicke seufzend in Richtung des wunderbaren Gebäudes, das ab heute nicht mehr zu meinem Leben gehört.
Der Gedanke, dass ich wahrscheinlich für die nächste Zeit arbeitslos sein werde, macht mir viel zu große Angst.
Natürlich unterstützen mich meine Eltern finanziell so gut es geht, wenn ich es brauche, aber das Gehalt das ich pro Monat an der Harvard bekommen habe, wird mir keine andere Universität anbieten und wie arrogant das auch klingen mag, gefällt mir diese Tatsache einfach nicht.
Natürlich stehen die Angebote von Yale, Wahsington und Oxford noch offen, wobei die britische Uni nicht in Frage kommt.
Ich kann nicht zurück nach England.
Nicht nach allem was ich dort durchgemacht habe.
Yale ist knapp zwei Stunden von hier entfernt und ist mit einer der renommiertesten Universitäten Amerikas, aber ich kann mir überhaupt vorstellen, dort zu unterrichten.
Und Washington ist einfach zu weit weg, auch wenn Seattle wie ein wahr gewordener Traumort zum Leben für mich wäre, kann und will ich Alec nicht zurücklassen.
Es ist als wäre diese verdammte Uni in innerhalb von nur wenigen Monaten wie mein zweites Zuhause geworden zu sein und ich weiß, dass es mir schwerfallen wird, mich irgendwo anders zu gewöhnen.
„Worüber denkst du nach? Ich kann die Zahnräder in deinem Kopf regelrecht hören.", sagt Alec lachend und lässt total geschickt sein Handy in die Hosentasche gleiten, bevor er sich an mich wendet.
„Von welcher Universität ich das Angebot annehmen könnte, aber egal wohin ich auch gehen werde, ob es jetzt Yale, Washington oder Oxford ist, es wird nicht dasselbe sein.", seufze ich und zucke mit den Achseln.
„Würdest du, ich weiß es klingt verrückt und du wirst es bestimmt auch nicht wollen , aber", beginnt Alec und bringt mich dazu, bei einer roten Ampel in seine Augen zu gucken, welche vor Aufregung strahlen, „an der Washington University unterrichten?", fährt er fort und überrascht blicke ich ihn an.
Ich öffne den Mund, um etwas zu sagen, bekomme aber kein Wort raus, weil ich keine Ahnung habe, was ich dazu erwidern könnte.
Will ich denn weg aus Boston?
Jetzt da Harvard nicht mehr in Frage kommt, gibt es für mich außer Alec keinen triftigen Grund mehr, hier zu bleiben, da Saphira sowieso ihr Studium abgebrochen hat und meine Eltern in England leben.
Die Vorstellung klingt verlockend und das obwohl die Washington University eine staatliche Universität ist, jedoch weiß ich, dass sie eine der am besten bezahlenden Unis Amerikas ist.
Dazu kommt auch noch die Tatsache, dass ich Seattle liebe und Alec weiß das zu gut.
In unser dritten Nacht auf der Yacht in Frankreich, habe ich ihm erzählt, wie sehr ich mich in diese Stadt verliebt habe, als ich vor einigem Jahren für ein paar Vorlesungen dorthin geflogen bin und seitdem habe ich schon immer davon geträumt, eines Tages dort zu leben.
„Aber du - Fernbeziehungen sind wirklich nichts für mich, Alec und ich liebe dich zu sehr um einfach zu gehen.", sage ich schluckend und fahre wieder los, höre sein breites Grinsen regelrecht.
„Gerade im Moment entsteht ein neues Hauptgebäude in Seattle und ich stehe vor der Entscheidung, ob es nun der erste Hauptsitz wird oder das in Boston der erste bleibt. Du musst nur ja sagen und wir könnten in weniger als fünf Monaten von hier verschwinden.", sagt er aufgeregt und aus irgendeinem Grund finde ich ihn gerade zuckersüß.
„Das klingt einfach so - verlockend, aber ich weiß nicht, ob das Angebot der Washington Uni noch steht. Aber sei dir sicher, dass ich darüber nachdenken werde.", sage ich lächelnd und hauche einen Kuss auf seine Hand, welche ganz sanft meine Wange streichelt.
„Würdest du dann auch mit mir zusammenziehen?"
Der heutige Tag ist wirklich voller Überraschungen und ich habe das Gefühl, ich befinde mich in einer konstanten Überforderungsphase.
„Wie bitte?", frage ich, einfach um seine Frage wirklich zu verarbeiten.
Bilder von einem wirklichen, gemeinsamen Leben mit Alec tauchen vor meinem inneren Auge auf und ich kann nicht verleugnen, dass sich alles in mir vor Aufregung und Freude zusammenzieht.
Natürlich mache ich ich mir Sorgen, aber gerade im Moment sind diese einfach nur unnötig.
„Würdest du mit mir zusammenziehen, wenn wir beide nach Seattle ziehen würden?", wiederholt er sich geduldig und ohne ihn noch länger warten zu lassen, nicke ich.
„Du glaubst far nicht, wie glücklich du mich gerad gemacht hast. Ich hoffe so sehr, dass das Angebot noch steht.", lacht er und lässt seine Hand an meinen Schenkel gleiten.
„Bist du eigentlich heute morgen wegen meiner Kündigungssache so schnell verschwunden?", frage ich, kann nicht verhindern, dass meine Neugier Überhand gewinnt.
Mit einem Mal wird er ganz starr und zieht seine Hand wieder zu sich.
Sein ganzer Körper spannt sich an und ich sehe, wie unwohl er sich plötzlich fühlt und allein die Art wie er meine Augen meidet, sagt mir, dass etwas nicht stimmt.
„Was ist los, Alec?", frage ich schluckend und parke vor meinem Apartment.
Ich drehe meinen Körper, sodass ich ohne viel Aufwand nach seinem Gesicht greifen kann, um ihn dazuzubringen, mir in die Augen zu blicken.
„Ich - wollte es dir schon heute morgen sagen, aber dann habe ich das mit deiner Kündigung erfahren und musste mich darum kümmern und es tut mir leid, Aurora.", erwidert er total wirr und verwirrt gucke ich ihn an.
„Wovon sprichst du eigentlich, Alec, ich verstehe nichts.", sage ich angespannt und merke wie ein eigenartig schlechtes Gefühl meinen Magen füllt.
„Chris ist gerade in Boston und er sucht nach dir."
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Es ist ein im Vergleich zu meinen anderen, relativ kurzes Kapitel, jedoch kommt dafür morgen auch noch eins. Ich hoffe, eich hat dieses hier gefallen und ich würde mich sehr über Kommentare eurerseits freuen.
Danke für alles.
Love. S
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