Kapitel 43
„Mum, sag diesem Mädchen, dass wir ohne sie losfahren, wenn sie in zwei Minuten nicht fertig ist!", maule ich meine Mutter an und fahre mir angespannt durch die Haare.
Seit fast einer Stunde warten wir schon auf sie und es macht mich wahnsinnig.
Wenn ich Mal zehn Minuten länger gebraucht habe, ist sie schon komplett ausgeflippt aber sie bekommt schon einen Anfall, wenn ich nur einmal zu laut seufze.
Auf der einen Seite freue ich mich sehr, endlich Zeit mit meinen Eltern verbringen zu können, aber andererseits fällt es mit schwer, meine Laune im positiven Bereich zu halten, was einfach daran liegt, dass mir Alec's rasanter Abgang von heute Morgen nicht aus dem Kopf geht.
Sein Handy hat gegen sieben Uhr morgens geklingelt und nur zehn Minuten nach dem Anruf war er weg.
Wie gerne würde ich wissen, wer ihm was gesagt hat, damit er so schnell verschwunden ist, aber ich weiß, wie sehr es er hasst, wenn man zu neugierig ist und deswegen habe ich mir, als die erwachsene, anständige Dozentin die ich eben bin, vorgenommen, ihn einfach zu ignorieren.
Ich will, dass er sieht, dass es mich verletzt und so wie ich ihn kenne, wird er da niemals von selbst drauf kommen.
Der Gedanke an den gestrigen Tag jagt regelrecht Gänsehaut über meinen ganzen Körper und am liebsten würde ich wieder an meinen Tränen ersticken, weil die Worte von Alec's Mutter sich in meinem Kopf gebrannt haben und ich jedes Mal, wenn ich die Augen schließe ihren verhassten Gesichtsausdruck vor mir habe.
Ich weiß, dass Alec mich liebt und dass er mit mir eine Zukunft haben will, aber die Angst, dass es irgendwann genau so in einem Desaster enden könnte, wie mit Chris, macht mich krank.
Die Familie meines Ex Freundes war wohlhabend, mehr als nur das.
Als ich seine Mutter kennengelernt habe, hat sie mich, genau wie Viola auch, von Anfang an abgrundtief gehasst, denn Chris hatte damals seine langjährige Freundin, welche natürlich auch aus einer wohlhabenden Unternehmerfamilie stammte, für mich verlassen.
Zudem ist Chris auch noch aus Deutschland zu mir nach England gezogen, was das Fass bei seiner Familie zum Überlaufen gebracht hatte.
Irgendwie habe ich sie auch verstanden, denn letztendlich war ich die Tochter eines Arbeiterpaares, die gerade erst angefangen hatte zu studieren, somit kein festes Einkommen geschweige denn eine gute Basis für ihre Zukunft hatte, weil ich erst vor zwei Jahren entschieden hatte, Dozentin zu werden, während Chris' Leben vom Anfang bis zum Ende durchgeplant war.
Bei Viola kann ich es jedoch einfach nicht verstehen.
Dann heiratet Alec Rose eben nicht, das heißt ja nicht, dass seine Firma bankrot gehen wird oder er alles verliert, was er besitzt.
Ob ich eines Tages mit ihm den Bund der Ehe eingehen werde, weiß ich auch noch nicht, aber wenn ich in ein paar Jahren immer noch so verliebt in ihn bin, was höchstwahrscheinlich der Fall sein wird, wie jetzt, dann wird das mit hoher Wahrscheinlichkeit passieren.
Aus irgendeinem Grund macht mich die Vorstellung, eine Familie mit Alec zu gründen, überglücklich, denn er scheint so perfekt dafür, doch genau aus demselben Grund habe ich riesige Angst davor.
Der Gedanke, was für ein toller Vater er wäre bringt die Schmetterlinge in meinem Bauch zum randalieren.
Er hat schon des öfteren erwähnt, dass er es liebt, wenn seine ganze Familie an Weihnachten zusammenkommt und er die Zeit mit seinen Neffen und Nichten verbringen kann.
Natürlich haben wir noch nicht über gemeinsame Kinder gesprochen und auch wenn ich eine Zukunftsplanung jetzt einfach für überhaupt nicht angebracht halte, würde ich nicht zurückschrecken, wenn er denn darüber reden wollen würde.
Das laute Lachen meines Vaters reißt mich aus meinen Gedanken und mit einem sanften Lächeln blicke ich in die Richtung meiner Eltern.
Total verliebt lässt meine Mutter ihre Augen in die meines Vaters gleiten und streicht ihm mit einem breiten Grinsen über die Wange, bevor sie den Kopf schüttelt und ihre Stirn gegen seine Brust lehnt und die beiden leise weiter lachen.
Seufzend streiche ich mir eine Strähne hinters Ohr, als ich endlich höre wie die Tür meiner kleinen Schwester aufgeht.
In einem engen Jeans Rock in den sie ein einfaches, weißes Shirt gesteckt hat und einem paar einfachen Sneakers kommt sie aus ihrem Zimmer, so als wäre sie auf die Minute genau pünktlich fertig.
Wie gerne würde ich etwas sagen, reiße mich jedoch meinen Eltern zu Liebe zusammen und ignoriere die Tatsache, dass wir aussehen als hätten wir uns abgesprochen.
Anders als meine kleine Schwester jedoch, habe ich mich für eine enge Denim Hose entschieden, die von hohen, schwarzen Schuhen abgerundet werden.
Als würde die Tatsache, dass wir beide das Ebenbild unserer Mutter sind nicht reichen um uns als Schwestern identifizieren zu können.
Nach gefühlten Stunden kommen wir dann endlich bei meinem Auto an und zu meinem Glück setzt Saphira sich natürlich auf den Beifahrersitz.
„Wohin geht's?", fragt meine Mutter lächelnd und blickt mich erwartungsvoll an, die Augen nur so vor Lebensfreude trotzend.
Genau das was ich brauche.
„In der Nähe meiner Universität gibt's ein Restaurant zu dem ich mehrmals in der Woche gehe. Ihr werdet es lieben!", antworte ich und fahre los, merke wie ich mich langsam zu entspannen beginne.
„Da will ich aber nicht hin.", mault Saphira wie das kleine Kind, das sie eben ist.
Genervt verdrehe ich die Augen und zucke mit den Achseln, bevor ich natürlich sofort antworte: „Tja, Pech gehabt, dann isst du halt nichts!"
„Ich muss aber etwas essen, letztendlich bin ich schwanger, du verdammtes Biest!", zischt sie mich an und verschränkt die Arme vor ihrer Brust.
„Saphira.", mahnt meine Mutter sanft.
Die Wut kocht in mir und nicht mal mehr die Tatsache, dass meine Eltern direkt hinter uns sitzen, hilft mir noch, mich zusammenzureißen.
„Ach komm, halt doch bitte einfach die Fresse, Saphira! Jedes Mal, wenn dir etwas nicht passt, weil ich es will oder weil es meine Entscheidung ist, holst du die Schwanger- oder am besten die Noch-Zu-Jung Karte heraus und ich habe keinen Bock mehr.Dann iss halt nichts, soll mir auch recht sein!", zische ich sie an, unfähig auch nur irgendwie ruhiger zu werden.
Jedes Wort das die Lippen meiner Schwester verlässt, provoziert mich bis ins Mark, so als würde sie mit meinen Nerven regelrecht spielen.
„Beruhigt euch, Mädels, bitte.", sagt mein Vater ruhig, doch es ist, als würden seine Worte an uns abprallen; nicht Mal bei uns ankommen.
„Du bist doch nur neidisch, dass ich vor dir schwanger geworden bin und du mit deinen fast dreißig Jahren immer noch unverheiratet und kinderlos bist!", spuckt sie und wie aus Reflex drücke ich volle Kanne auf die Bremse und blicke sie geschockt an.
„Saphira!", zischt mein Vater lautstark, doch es kommt nur gedämpft bei mir an.
Das Brechen meines Herzens hallt regelrecht in meiner Brust und ich spüre, wie die Tränen sich auf der Brücke meiner Nase bereits sammeln.
„Fick dich, Saphira. Steig aus diesem fucking Auto oder ich schwöre bei Gott, ich werde dich umbringen.", fauche ich sie an und blicke sie stur an, hoffe einfach nur, dass man nicht sieht, wie verletzt ich bin.
„Aurora!"; erneut mein Vater.
Saphira weiß, wie sehr ich mir Kinder wünsche und wie gerne ich bereits verheiratet wäre und genau deswegen hat sie diese Dinge gesagt.
Sie wollte, dass ich leide und sie hat es geschafft.
„Saphira Calliope Kingsley. Wie zur Hölle redest du mit deiner großen Schwester! Schäm dich in Grund und Boden! Seit deiner Geburt kümmert sie sich um dich wie eine Mutter und das ist der Dank dafür?", zischt plötzlich meine Mutter und leicht überfordert blicke ich sie an und hasse mich selbst dafür, dass ich es genieße, dass sie Saphira so zurecht weist.
„Ist schon in Ordnung, Mum.", murmle ich und seufze leise, bevor ich weiterfahre.
Der Rest der Fahrt vergeht wortlos und es fällt mir schwer, das Eis zu brechen, als wir am Tisch sitzen.
Das Gesicht meines Vaters wird von Enttäuschung geprägt, während meine Mutter vor Wut beinahe zu zergehen scheint.
Beide wissen, dass sie mich und meine Schwester am schlimmstem mit ihrem Schweigen bestrafen; das haben sie schon immer getan und es war und ist immer noch die reinste Folter.
Mir wäre es tausend Mal lieber, wenn beide mich anschreien bis sie keine Stimmen mehr haben, als dass sie mich anschweigen.
„Was hast du für ein Problem mit Alexandre, Saphira?", ertönt wie aus dem Nichts die Stimme meines Vaters und überrascht hebe ich den Kopf.
„Antworte mir.", sagt er strenger und sofort fährt sich meine kleine Schwester durch die Haare, bevor sie seufzt und beginnt zu sprechen.
„Ich habe das Gefühl, dass er Aurora kaputt machen wird. Noch schlimmer als dieses Monster von Chris es getan hat.", antwortet sie und zum ersten Mal seit Monaten sehe ich nichts als pure Ehrlichkeit in den Augen von Saphira.
Es dauert ein paar Sekunden, bis ich realisiere, was sie gesagt hat und als ich ihre Worte richtig verarbeitet habe, schnappe ich angespannt nach Luft.
„Aber warum? Siehst du denn nicht, wie glücklich er mich macht?", erwidere ich verzweifelt und gucke ihr in die Augen, merke wie wir beide uns langsam entspannen und bin mehr als nur froh darüber.
„Ja, aber das war bei Chris auch so und dann...", „Was dann, Saphira?", sage ich angespannt, greife nach ihrer Hand und seufze leise.
„Ich weiß, was er dir angetan hat, Rory. Denkst du wirklich, ich habe nicht mitbekommen, wie oft du wegen ihm ins Krankenhaus musstest?", erwidert sie und mein Herz landet mit einem lauten Knall in meiner Hose.
Es ist, als würde ich spüren, wie die Farbe aus meinem Gesicht weicht und das Atmen fällt mir plötzlich mehr als nur schwer.
Mir war bewusst, dass Saphira wusste, dass Chris nicht immer der tollste Freund war, aber ich hätte niemals gedacht, dass sie so viel mitbekommen hat.
„Ich war so glücklich, als er nicht in der Kirche aufgetaucht ist und ich weiß, dass du es auch warst. Er hat dich - so kaputt gemacht...", schluchzt sie plötzlich, das Brechen ihrer Stimme sendet Gänsehaut über meine Nacken ehe sie ihr Gesicht hinter ihren Händen versteckt , bevor sie leise zu wimmern beginnt.
Mein Magen verkrampft sich und ich spüre, wie meine Brust auf der einen Seite total leicht, auf der anderen jedoch tonnenschwer zu werden anfängt.
„Er war immer so gemein zu dir und du bist - trotzdem bei ihm geblieben. Ich hatte so große Angst um dich und es war so eine riesige Erleichterung, als er endlich weg war.", schnieft sie weiter und ich blicke meine Mutter schluckend an.
Meine Eltern wussten beide, dass meine letzte Beziehung weder mental noch körperlich gut für mich war und egal wie oft sie mir damit gedroht haben, die Polizei zu rufen, wenn sie noch einen blauen Fleck irgendwo an meinem Körper entdecken - es war mir egal; so sehr war ich verliebt in ihn.
Wir haben es so gut es geht vor Saphira versteckt, denn sie war doch noch so jung, aber anscheinend ist es uns nicht so gut gelungen wie gedacht.
Jetzt macht plötzlich alles Sinn.
Ihr Verhalten Alec gegenüber, die Art wie sie mit mir über ihn geredet hat und ihre abgrundtiefe Wut im Bezug auf mich.
Meine kleine Schwester war nur besorgt um mich und ich dachte doch tatsächlich, dass sie mir mein Glück nicht gönnt.
„Dann bist du von einem auf den anderen Tag mit Alec zusammengekommen und es war, als würde der ganze Alptraum von vorne anfangen. Ich will dich nur nicht verlieren, Rory. Die Angst, dass du diese Art von Beziehung ein zweites Mal nicht überlebst, macht mich krank.", sagt sie und guckt mich aus geröteten Augen an.
Wie in Trance erhebe ich mich, bevor ich um den Tisch laufe und meine kleine Schwester in meine Arme ziehe.
Sie vergräbt sofort ihr Gesicht in meiner Halskuhle und ich wische seufzend die einzelnen Tränen aus meinem Gesicht.
„Ich liebe dich so sehr, du kleines Biest.", seufze ich und küsse ihre Stirn.
„Es tut mir so leid, Rory. Seit Monaten bin ich so scheiße zu dir und du - hast mich immer noch nicht aufgegeben.", schluchzt sie und jetzt sind es ganz eindeutig die Hormone, die sie so emotional machen und ich find es einfach nur zuckersüß.
Ich nehme ihr Gesicht in meine Hände, wische ihr die Tränen von den Wangen, bevor ich seufze und ihr in die Augen gucke.
„Alec ist nicht Chris, Teddy. Ich weiß, dass er von außen sehr einschüchternd wirkt, aber er hat das wärmste und größte Herz das ein Mensch jemals haben kann. Er liebt mich. Und ich liebe ihn. Das was zwischen mir und Chris passiert ist und was Alec und ich haben, sind zwei vollkommen verschiedene Bücher. Bitte, mach dir keine Sorgen um mich, wenn es um Alexandre geht und gib ihm, mir zu liebe eine Chance, hm?", sage ich lächelnd streichle ganz sanft ihre Wange.
„Ich glaube, ich bin ihm eine große Entschuldig schuldig.", murmelt sie und umarmt mich erneut.
„Ihm würde es auch reichen, wenn du ihn nicht mehr so ansiehst, als würdest du ihn bei lebendigem Leib häuten wollen.", lache ich und sofort stimmen meine Eltern, welche uns total erleichtert und mit den glücklichsten Gesichtern beobachten, in unser Gelächter mit ein und ich spüre, wie pures Glück meines Körper erfüllt und ich nichts weiter als reine Zufriedenheit zu fühlen beginne.
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Ehrlich gesagt wollte ich noch weiterchreiben, aber was danach passiert, passt nicht wirklich in dieses Kapitel und deswegen müsst ihr eich leider mit dem hier zufrieden geben.
Ich hoffe, dass es euch gefallen hat und würde mich riesig über eure Kommentare freuen!
Eure Gedanken zu Saphira nach diesem Kapitel? Und habt ihr irgendwelche Vermutungen zu Alec's geheimen Anruf?
Übrigens bedanke ch mich aus tiefstem Herzen für 10k beim ersten Kapitel, ihr seid wirklich crazy. Danke.
Love. S
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