Was wäre wenn (2)
der Herrenschwur mit den Darkonern damals verhindert worden wäre? Wenn Orion ihn nicht hätte ausführen können bzw. ihm die Darkoner nicht hörig wären?
Die Dunkelheit kroch durch die Gänge und hüllte sämtliche Hallen und Flure ein. So bot sie idealen Sichtschutz für die Gestalt, die gerade die Korridore entlang schlich, in der Hoffnung, von den Nachtwachen unbemerkt zu bleiben.
Schon lange diente sie ihren Arbeitgebern nicht mehr so loyal, wie sie sollte.
Sie waren hinterlistige, grausame, egoistische Kriminelle, denen ihr eigenes Wohlbefinden wichtiger war, als unter anderem das Sterben der Ozeane, zu deren Zerstörung sie in hohem Maße durch Gretzer beitrugen. Dabei redeten sie sich selbst immer wieder ein: „Wenn wir es nicht tun, würde es ein anderer tun.“
Die Gestalt lachte lautlos und eilte dann weiter, um ihren Plan auszuführen.
Morgen sollte der Herrenschwur mit den Darkonern stattfinden und sie sollten auf ewig dem Gehorsam sein verpflichtet werden. Der Mann ballte die Hände zu Fäusten. Das musste er verhindern.
Im vom Teufel selbst ernannten Thronsaal, in dem dieser sehr gerne den Konungur spielte, war schon alles vorbereitet. Den ganzen Nachmittag hatten sämtliche Angestellte damit zu gebracht, den Raum festlich zu dekorieren und die Kronleuchter zu polieren.
Das Schwert mit seiner teuflischen Klinge blitzte im Mondlicht auf wie tausendfach poliert.
Der Gegner wusste, was zu tun war.
Eifrig machte er sich daran, seinen Plan in die Tat umzusetzen. So tauschte er das Schwert gegen ein exakt identisches aus. Anfangs hatte er überlegt, das Original einfach abzuwaschen, dennnoch wollte er das Risiko nicht eingehen, dass einige Rückstände vom Serum haften blieben.
Auch das durchtränkte Tuch zum „säubern“ ersetzte er durch ein normales feuchtes.
Er bezweifelte, dass es bei den Feierlichkeiten auffallen würde.
Zufrieden mit seiner Arbeit vernichtete er mögliche Spuren und Beweise und schlich sich davon.
Am nächsten Morgen empfing Orion die Darkoner mit einer Rede, bei der er sich zwang voller Hochachtung und Respekt zu sprechen und sich pathetisch die Hand aufs Herz zu legen, um zu zeigen, wie tief „geehrt“, er sich von ihrer Bereitschaft fühlte, ihm den Herrenschwur zu leisten.
Etwas abseits am Rand, unbemerkt von allen Blicken, beobachtete die nächtliche Erscheinung das Geschehen. Hatte sich ihre Mühe gelohnt?
Orion zog nun das Schwert aus der Halterung, natürlich nicht an Theatralik sparend, streckte es den Darkonern auffordernd entgegen und grinste versteckt, als der Darkonerchef Zeirus vortrat und bemühte sich weiterhin um ein andächtiges Pokerface.
Doch der verhüllte Mann registrierte das heimtückische Zucken seiner Mundwinkel.
‚Mal sehen, wer zuletzt lacht‘, dachte er. Orion nahm sich selbst für viel zu wichtig und unterschätzte mögliche Gegenspieler.
Mit angeekeltem Gesichtsausdruck betrachtete er des Teufels verzückten Lächelns, nach den Ritualen, die auf seinen Wunsch hin mit einem Bruderkuss endeten.
Ein kalter Schauer rann über seinen Rücken. Der Doktor hatte wahrhaftig keine Skrupel.
Glücklicherweise hatte er den heimlichen Austausch der Utensilien nicht bemerkt, sondern schob das Schwert lediglich in seine ursprüngliche Position zurück und wandte sich mit sichtlicher Vorfreude zurück an die versammelten Darkoner.
„Hebt alle die rechte Hand!“, befahl er.
Die Darkoner sahen erst sich und dann ihn verwundert an. „Warum sollten wir das tun?“
Orion schnappte nach Luft. „Das ist unmöglich“, flüsterte er, doch die Darkoner hatte ihn aufgrund ihres ausgeprägten Gehörsinns verstanden.
Sie sahen irritiert aus und wechselten einige Worte untereinander.
Orion zwang sich zu einem Lächeln. „Es ist alles gut, das war nur ... ein Test. Ich wollte mögliche Nebenwirkungen...ähm, ausschließen. Wenn ihr mich kurz entschuldigt? Ich bin gleich zurück.“
Er stürmte geradezu aus dem Saal und warf keinen Blick in die Nische an der Seite. So blieb ihm der Saboteur weiterhin verborgen. Der strahlte mittlerweile. Der erste Versuch, die Darkoner zu schützen war gelungen. Nun kam es darauf an, ob Orion weitere unauffällige Anläufe unternahm. Nicht unwahrscheinlich. So wie er den Doktor einschätzte, würde dieser alles tun, um die Darkoner zu unterwerfen.
Orion hastete durch die Villa, mit dem Ziel, in den Garten zu gelangen.
Was war passiert? Warum hatte der Herrenschwur nicht funktioniert? Er hatte alles so gut geplant.... Es gab keine Fehler.
‚Jemand hat die Zeremonie manipuliert‘, schoss es ihm sogleich durch den Kopf.
Natürlich! Wie hätte sonst etwas schiefgehen sollen.
Vermutlich hatte jemand das Schwert und das Tuch ausgetauscht. Das würde auch erklären, warum das Tuch nicht so speziell wie das Serum gerochen hatte.
Doch wer hatte das getan? Eigentlich alle hatten Zugang zum Thronsaal, der in der Nacht nicht verschlossen gewesen war.
Aber wer hatte ein Motiv?
Orion überlegte. Womöglich Jinx? Nein, das konnte nicht sein....oder doch? Jinx hatte auf den Bruderkuss übellaunig reagiert und schnippisch gemeint, er würde bis nach der Zeremonie im Garten warten und zusehen, wenn sein Mann die neu erworbenen Fähigkeiten der Darkoner austestete.
Vielleicht hatte er etwas damit zu tun?
Besagter trat nun mit einem Lächeln neben ihn. „Und hat alles geklappt? Sind die Darkoner dir hörig?“
„Nein“, gab Orion bissig zurück. „Und du weißt auch genau weshalb!“
Jinx runzelte die Stirn. „Nein, wieso? Was ist passiert?“
„Tu nicht so unschuldig. Du dachtest wohl, es würde nicht auffallen, wenn du dich nachts in den Thronsaal schleichst und das Schwert und das Tuch austauschst!“, pfefferte Orion ihm entgegen.
Jinx machte nun seiner Empörung und seinem Ärger über diese Anschuldigungen Luft. „Ach und du glaubst jetzt ich sei das gewesen? Ich habe nachts besseres zu tun, nämlich schlafen, das ist gut für die Gesundheit und das solltest du als Roix ja wohl am Besten wissen.“
„Du hättest zumindest ein Motiv“, sagte Orion ohne mit der Wimper zu zucken und den Kommentar ignorierend.
Jinx' Augen blitzten angriffslustig auf. „Ach ja? Und welches denn?“
„Du warst ganz und gar nicht begeistert, als ich dir vom Herrenschwur erzählt habe und dass ich ihn mit einem Bruderkuss abschließe.“
Jinx' Züge entgleisten und entblößten plötzlich eine unglaubliche Verletztheit.
„Was ist so schlimm daran, dass ich dich liebe ? “, platzte es aus ihm heraus. „Was ist so schlimm daran, dass ich es nicht ertrage, dich zu teilen und sei ein Kuss mit anderen nur Mittel zum Zweck ?“
Orion wollte zunächst protestieren. War jedoch während Jinx' Geständnis abrupt verstummt.
Schuldgefühle stiegen in ihm hoch. „Jinx, es tut -...“
„Sag jetzt nicht, dass es dir leid tut. Ich verzeihe dir zu schnell, aber jetzt will ich wütend auf dich sein!“
Damit drehte er sich um und verschwand um die nächste Ecke.
In stummer, schmerzender Verzweiflung sah Orion ihm nach. Wie gerne würde er Jinx sagen, dass er ihn auch liebte und ihn nicht verlieren wollte.
Er presste die Lippen zusammen. Er hatte es auf ganzer Tour vermasselt.
Dann raufte er sich die Haare, denn noch etwas anderes beschäftigte ihn.
Wer verdammt nochmal war der Verräter, der ihn hintergangen und sein Vorhaben vereitelt hatte?
Darauf hatte Orion keine Antwort.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top