Manipulation
Doktor Orion betrachtete Manipulation als Teil seiner Persönlichkeit, als Werkzeug, als ultimative Waffe.
Er war geschickt darin, sie einzusetzen und im richtigen Augenblick zu verwenden.
Er verstand es, seine Gegner so zu beeinflussen, dass sie zu Mitspielern wurden.
Wobei, Marionetten traf es eher. Oder Sklaven, so wie die Darkoner. Willenlos waren sie ihm unterworfen. Und sie konnten sich nicht wehren, sie konnten nicht entkommen, sie konnten gar nichts.
Das Gefühl von Macht, das er sich erschlichen hatte, überkam ihn oft in Triumphmomenten, wenn ihm seine Feinde unterlagen. Wenn sie bettelten und flehten, er möge sie doch verschonen.
Aber wer war er, das er Gnade walten ließ?
Wo er doch so talentiert war.
Er musste seinen Sieg doch erst richtig auskosten.
Alle würden bei ihm bleiben, ob sie wollten oder nicht.
Viele seiner Anhänger waren „überzeugt“ von seinen Idealen und Vorstellungen und halfen ihm freiwillig. Zumindest glaubten sie das. Sie hatten keine Ahnung, auch sie waren Opfer seines Geschicks. Wenn er es wollte, konnte er sogar ihre Gedanken lenken und steuern, ohne, dass sie es bemerkten.
Selbst bei Jinx war ihm das problemlos gelungen. Das war aber auch zu leicht.
Jinx war wirklich einfach zu überzeugen. Beinahe hätte Orion gelacht. Jinx bildete sich doch allen Ernstes ein, er hätte einige Empfindungen für ihn übrig und zwischen ihnen liefe etwas. Er dachte, sie wären in einer Beziehung. Lächerlich.
Orion hatte jedoch beschlossen, ihn in dem Glauben zu lassen. Er hatte darin seine Chance erkannt, Jinx für sich zu gewinnen und auf seine Seite zu ziehen.
Tatsächlich würde Jinx alles für ihn tun. Selbst wenn er dabei sein Leben riskieren musste, blieb er.
Wie naiv und dumm er doch war. Er hatte keine Ahnung, wer wirklich und alleinig die Fäden zog und den Einfluss hatte.
Trotzdem musste Orion zugeben, dass Jinx ihm auch von Nutzen sein konnte. Beispielsweise beim Organisieren der Gretzerteams oder bei Verfolgungsjagden.
Orion genoss es, mit Jinx zu spielen. Er selbst war der Strippenzieher. Nicht selten nutzte er ihn aus, auch zu seinem körperlichen Gefallen. Vielleicht würde man erwarten, dass Jinx sich zur Wehr setzte, aber nichts dergleichen geschah.
Oft lag Orion im Bett, mit einem diabolischen Grinsen, während er Jinx beim Schlafen betrachtete und sich diebisch freute. War Jinx wach, war Orion der fast schon fürsorgliche Partner. Erkundigte sich nach seinem Wohlbefinden, versorgte seine Verletzungen nach Kämpfen und neigte zu sanften Küssen und Gesten.
Das schien Jinx augenscheinlich sehr zu gefallen.
Seine Gefühle gingen sogar soweit, dass er eifersüchtig wurde, als Orion ihm vom Herrenschwur mit den Darkonern und dem damit verbundenen Kuss erzählte. Aber Orion wusste genau, was er zu sagen und zu tun hatte. Er hatte schon damit gerechnet, immerhin kannte er Jinx gut und hatte ihn und sein Verhalten über all die Jahre analysiert.
Es hatte ihm viel Spaß gemacht, vor allem mit dieser Leichtgläubigkeit.
Orion kontrollierte alles.
Aber irgendwann wandte Orion sich immer mehr von ihm ab. Jinx bemerkte es und wollte wissen, was los war. Aquilius Orion seufzte dann bloß resigniert und ignorierte ihn. Begegnete ihm mit Hass und Abneigung. Irgendwas löste Jinx in ihm aus, was ihm ganz und gar nicht passte.
Aus irgendeinem Grund hatte Jinx von seinen Plänen erfahren. Orion erinnerte sich gut an den schockierten Gesichtsausdruck, mit den weit aufgerissenen Augen und die belegte, wispernde Stimme der Ungläubigkeit. „D..Du... Du hast mich manipuliert? Du hast mich nach Strich und Faden belogen? Das war alles.... gespielt?“
Die Fassungslosigkeit war nicht zu übersehen. Für Orion war es nun egal, er brauchte Jinx nicht mehr. So dachte er zumindest.
Jinx hatte sich umgedreht und war weggelaufen. Orion war schweigend zurückgeblieben. Was hätte er auch erklären sollen? Alle jahrelangen Lügen aufdecken?
Wobei, dass der Kuss beim Herrenschwur nur Mittel zum Zweck war, das war nicht gelogen. Es war die Wahrheit.
So sagte Orion gar nichts. Auch in nächster Zeit gingen sie sich aus dem Weg. Das Jinx nicht verschwand wunderte und ärgerte ihn zeitgleich. Was hielt ihn noch hier? Wollte er ihn provozieren? Sicherlich. Doch Orion biss die Zähne zusammen und ignorierte die Versuche. In seinem Kopf spukten sämtliche Flüche und Verwünschungen umher, die er Jinx gegenüber allzu gerne aussprechen würde.
Sollte er ihn töten? Keine schlechte Idee, eigentlich eine gute Idee ihn loszuwerden. Und da überkam es Orion mit einer Welle von Selbsthass. Sein Geist und sein Körper sträubten sich gegen diese Gedanken.
Also musste es anders geschehen und jemand anderes musste es tun oder?
Irgendwann, an Einzelheiten und Details konnte Orion sich nicht mehr erinnern, kam es zu einem entgültigen Kampf gegen die Alpha Cru und die Magischen. Bei diesem wurde er noch erbitterter und und wollte verbissener denn je arbeiten, um den zweiten Virus endlich fertigzustellen und die Magischen endgültig vernichten.
Beim Endkampf kam Jinx ums Leben. Wie wusste Aquilius Orion nicht mehr. Womöglich durch einen Pfeil von den Nixen, eine Speer, ein Messer oder eine Pistole. Er sah nur noch die Leiche und das Blut.
Auf einmal kam es ihm vor, als wäre ein Licht, dass zuvor hell brannte, ausgeknipst worden und nun für immer erloschen.
Um ihn herum ging das farbige Leben weiter. Der Krieg hatte seine Opfer verlangt und doch blieben Zeit und Erde nicht stehen.
Aus Stunden wurden Tage und aus Tagen wurden Wochen. Der Doktor forschte unermüdlich. Ein verzweifelter Versuch das kalte, leere Nichts, das ihn erfüllte, zu ignorieren.
Es scheiterte. Die Kälte schmerzte nur. Sie erinnerte ihn an Eis und damit automatisch an Jinx.
Aquilius Orion hätte nie gedacht, das er je so empfinden würde. Das er etwas romantisches fühlen könnte. Liebe. Das, was er als Schwachsinn abtat. Was angeblich stark machen sollte. Orion wusste es besser.
Denn wie sich nun bestätigte, führte es zu Qualen und Leid. Liebe machte bloß abhängig und verwundbar, eine Schwachstelle.
Innerlich fühlte sich Orion zerrissen und doch dumpf gegen Schmerzen.
Er fühlte sich unvollständig, es war, als wäre ein Teil von ihm abhanden gekommen. Einfach verloren gegangen und nicht wiederaufindbar. Ebenso wenig war es möglich, ihn zu ersetzen.
Etwas fehlte.
Und mit der Zeit begann Orion sich zu fragen, ob dieses Etwas Jinx war.
Ob er sich nach ihm sehnte.
Ob er tatsächlich dieses Gefühl empfand, das er so sehr verabscheute und vielleicht so verzweifelt zu verdrängen versucht hatte.
Liebe.
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