Türchen 17: Rom - Teil 2

Der Doktor stand an einem kleinen Tisch, eine Zeitung in der einen und eine Tasse in der anderen Hand.

Die Alpha Cru hatte sich nach dem Konzert und dem Auftauchen von Orions Leuten lange in einem Casino versteckt, da dort niemand nach ihnen suchen würde. Dort hatte Lennox viele Menschen vergessen lassen müssen, doch letztendlich hatten sie unentdeckt dort verweilen können. Nach ein paar Stunden hatten sie das Gebäude verlassen, wobei sie mehrmals beinahe erwischt worden waren. Aber letztendlich hatten sie es geschafft und waren daraufhin durch die Straßen Roms in Richtung der Crucis geschlichen.

Zumindest bis sie eben jenen Kiosk aus der Silberfadenvision erreicht hatten und Orion auf einmal aufgetaucht war. Der Doktor stand bloß ein paar Meter entfernt und es gab kein Anzeichen von irgendwelchen Darkoner. Alleine stand ihr größter Feind inmitten Roms, friedlich eine Tasse Kaffee trinkend.

„Orion! Schneewittchen, die Vision!", rief Sammy leise und zeigte angeregt auf den Doktor.

Die Alpha Cru hatte sich hinter einer Hausecke versteckt und beobachtete den Doktor, der nur einige Meter von ihnen entfernt stand.

„Das ist unsere Chance, diesen Wahnsinn zu beenden!", sagte Lennox, der dicht neben Alea stand.

Unbewusst hatte die Elvarion die Hand ihres Kriegers ergriffen. Sie war so angespannt, dass sie nicht still stehen konnte. Lennox löste sich von ihr und machte einen Schritt vorwärts, doch zu ihrer Überraschung hielt Siska den Oblivion zurück.

„Ich habe ein ungutes Gefühl bei der Sache. Es passt zwar zu Orion, sich zu entspannen, während seine Männer alles erledigen, aber irgendetwas stimmt hier nicht. Er ist viel zu gehässig und selbstverliebt um zu verpassen, wie man euch schnappt."

„Uns.", verbesserte Tess die Darkonerin und diese blickte daraufhin noch eine Spur ernster.

Es gab keinen Grund, es zu beschönigen. Der Doktor brannte förmlich darauf, Siska ebenfalls zu seiner Sklavin zu machen, wie bereits ihren Vater und seine Männer.

„Ich finde die Situation auch merkwürdig, Siska. Aber wir haben keine Wahl, als zu handeln. Jetzt oder nie! Bei den ganzen Touristen hier kann ich die Darkoner nicht hören, wenn sie sich nähern oder ihre Gespräche von denen der normalen Menschen unterscheiden. Wir haben jetzt endlich die Möglichkeit, den Doktor zu einer Lafora zu bringen und richten zu lassen!", erwiderte Lennox und sah ihnen nacheinander entschlossen in die Augen.

Alea nickte mit derselben Entschlossenheit.

„Lennox hat Recht! Die Silberfadenvision ist wahr geworden, jetzt müssen wir unseren Plan nur noch in die Tat umsetzen! Also, seid ihr dabei?", sprach die Elvarion der letzten Generation zu ihren Freunden.

„Wir werden das Risiko eingehen! Diesmal werden wir den Doktor endgültig besiegen!", verkündete Ben und streckte seine Hand in die Mitte ihrer Runde.

Alea legte ihre Hand auf Bens, Lennox und Siska folgten. Danach hielten auch Tess und Sammy ihre Hände in die Mitte und leise erklang ihr Ruf, begleitet von Aufregung und Entschlossenheit.

„Alpha Cru!"

„Mischen wir uns unter die Touristen. Ich komme von hinten.", sagte der Oblivion und erntete Zustimmung.

Dann mischte er sich unter die Masse und schleuste sich geschickt an dem Kiosk vorbei, ohne von Orion bemerkt zu werden. Als er sich ein paar Meter hinter dem Kiosk positioniert hatte und einen Daumen in die Höhe streckte, setzten sich auch die anderen in Bewegung. Ben, Sammy und Tess gingen mit dem Touristenstrom mit, bis sie sich auf einer Höhe mit dem Kiosk befanden, während Siska und Alea direkt von vorne auf den Doktor zugingen. Noch war Orion in seine Zeitung vertieft, doch als die beiden Meermädchen nur noch zwei Meter von ihm entfernt waren, blickte er auf und sah ihnen geradewegs in die Augen.

Schock prägte die Miene des Doktor, als er sie erkannte und noch etwas anderes, was Alea nicht ganz deuten konnte. Orion ließ seine Tasse fallen und warf die Zeitung von sich, offenbar mit der Absicht, zu fliehen. Doch der Oblivion schnellte aus seinem Versteck aus der Menschenmasse hinter Orion hervor und ging auf den Mann los. Er packte den Doktor von hinten und umklammerte seine Arme. Orion schrie erschrocken auf, was die Aufmerksamkeit einiger Touristen erregte. Sein Kopf wirbelte herum und Panik erfüllte seinen Blick, als er den Oblivion wahrnahm. Doch wie bereits zuvor bemerkte Alea noch etwas anderes, undurchschaubares, was ihr eine Gänsehaut über den Rücken jagte.

„Das Spiel ist aus, Orion!", zischte Lennox.

Der Doktor versuchte sich aus seinem Klammergriff zu befreien, doch der Oblivion war ihm überlegen. Ben, Sammy und Tess hielten währenddessen die Touristen davon ab, sich einzumischen, indem sie auf sie einredeten, was Alea jedoch nicht hören konnte. Allerdings wollten immer mehr Menschen zu ihnen, da es für sie bestimmt so aussah, als würden einige Jugendliche einen unschuldigen Mann angreifen. Wenn sie nur wüssten, dass dieser Mann alles andere als unschuldig war...

„Hilfe! Hilfe, ich werde attackiert!", schrie der Doktor plötzlich und Alea erstarrte.

Lennox rammte dem Mann seinen Ellenbogen in die Rippen, woraufhin er stöhnte und zerrte ihn dann mit sich.

„Ruhe, oder ich breche dir den Arm, Mistkerl!", drohte der Oblivion und zog den Doktor in eine Seitengasse.

Irgendwie gelang es den anderen Mitgliedern der Alpha Cru, die Touristen abzuwimmeln, sodass sie vollkommen alleine waren.

„Na sieh mal einer an, da seid ihr ja.", sagte der Doktor, konnte das Zittern in seiner Stimme jedoch nicht verbergen.

„Das ist Ihr Ende! Diesmal gewinnen wir!", verkündete Alea und zog die Obsidianmuschel aus ihrer Bauchtasche.

„Was ist das?", fragte Orion, der mittlerweile kreidebleich geworden war.

„Damit gelangen wir zur mächtigsten Lafora der Meerwelt.", erklärte Alea ruhig.

Eigentlich mussten sie Jinx ebenfalls richten lassen, doch wo sie Orion nun schonmal in ihrer Gewalt hatten, sollten sie das Ritual auch mit ihm vollziehen.

„Ach, ihr törichten Kinder.", sagte der Doktor plötzlich und schlagartig veränderte sich seine Stimmung. „Euer Plan besitzt eine winzigkleine Schwachstelle, welche ich selbstverständlich schon längst erkannt habe. Ihr unterschätzt meine Macht!", rief der Doktor und ächzte im nächsten Moment vor Schmerz, als Lennox Druck auf seine Arme ausübte.

Alea erstarrte. Sie hörte ein Geräusch neben sich und drehte langsam den Kopf. Jinx betrat die Gasse. Mindestens ein Dutzend Darkoner folgten ihm.

Plötzlich erklang ein Schrei. Die Blicke der Alpha Cru schossen zu dem Doktor und Lennox, welcher geschrien hatte. Alea wurde eiskalt. Siska starrte geschockt auf die Szene, die sich vor ihren Augen abspielte. Lennox' Augen weiteten sich und sein Griff löste sich. Er stützte sich mit dem Arm an der Wand hinter ihm ab, taumelte nahezu dagegen. Die Elvarion erkannte eine Sekunde später den Grund für seine Reaktion, doch ihr war völlig unklar, wie das passieren konnte.

Orion hielt mit der linken Hand eine Spritze umklammert, die in Lennox' Bein steckte. Den Inhalt hatte er dem Oblivion bereits injiziert.

„Lennox! Was ist mit ihm?", schrie Alea, als der Doktor die Spritze herauszog und der Oblivion an der Wand hinunterrutschte und auf den Boden stürzte.

Regungslos blieb der Krieger liegen, die Augen halb geschlossen und flach atmend.

„Verdammt...was...ist...das?!", stieß Lennox mühsam hervor.

Der Doktor lachte.

„Dachtet ihr wirklich, ihr könntet mich so einfach überfallen? Meine Männer jagen euch und ihr glaubt wirklich, ihr könntet mich angreifen? Ich habe immer einen Notfallplan parat, meine Lieben. Was ich dem Oblivion verabreicht habe, ist ein Beruhigungsmittel. Das haut selbst einen Elefanten für ein paar Minuten um, also mach die keine großen Hoffnungen, dass er aufspringen und dich beschützen wird! Es ist ein Wunder, dass er überhaupt bei Bewusstsein ist.", tadelte der Doktor sie.

Die Alpha Cru sah verzweifelt zu ihrem am Boden liegenden Krieger.

„Du kannst dich nicht mal wehren, nicht wahr, mein Lieber?", fragte Orion mit falscher Freundlichkeit und ging in die Hocke um Lennox durch die Haare zu wuscheln.

Der Oblivion knurrte leise, doch er konnte sich kein Stück rühren, geschweige denn sich widersetzen.

Der Elvarion-Modus schaltete sich ein und Alea durchdachte blitzschnell alle Möglichkeiten. Ihr stockte der Atem, als sich ein Plan in ihren Kopf entwickelte.

Dann sprang die vorwärts und ging auf Jinx los, der gerade dabei war, eine Waffe zu ziehen. Siska schien sofort zu verstehen und kam ihr zur Unterstützung, indem sie dem Vennuit die Pistole entwendete und ihn zu Boden stieß. Dann bedrohte die Darkonerin den Doktor mit der Waffe, wie sie es bereits am Strand vor der Laube der Loreley getan hatte.

„Keine Bewegung!", befahl sie entschlossen.

„Gut gemacht, Siska!", sagte Ben und trat einen Schritt näher.

Zeirus, der ebenfalls da war, starrte die Darkonerin an. Stolz spiegelte sich auf seinem Gesicht wieder, als er seiner Tochter in die hellen Augen sah.

„So schnell wendet sich das Blatt, Orion!", zischte Tess und ging um den Doktor herum.

Die Alpha Cru bildete einen Kreis um den Doktor, der noch immer vor dem am Boden liegenden Lennox hockte und blickte sie zornerfüllt an. Mit einem Kopfnicken bedeutete die Darkonerin Jinx, sich neben den Doktor zu stellen. Die Mitglieder der Alpha Cru nahmen sich an die Hand.

Doch bevor sie die Obsidianmuschel benutzen konnten, rief Orion:

„Zeirus, schnapp dir den Oblivion und bedrohe ihn mit deinem Messer, damit uns nichts passiert und lasse ihn nicht los!"

Blitzschnell sprang der Darkoner los, im selben Moment, in dem Alea die Worte murmelte und Siska den Kreis schloss. Er landete bei Lennox, kurz bevor sie allesamt von der Magie weggerissen wurden.

Wie bereits beim ersten Mal, beeindruckte es Alea, wie sie unter Wasser gerissen wurden und sich Blasen um diejenigen bildeten, die nicht mit dem Wasser in Berührung kommen durften, oder in diesen nicht atmen konnten.

Zu ihrem Entsetzen musste sie jedoch feststellen, dass Zeirus sich an Lennox geklammert hatte und ihm von hinten ein Messer an die Kehle presste.

Dann stoppte ihre Reise abrupt und sie kamen im Herzen des Ozeans zum Stehen. Kein Magischer war zu sehen, bis auf die riesige Lafora, welche sich vor ihnen befand. Allerdings war ihr Blick weder auf die Elvarion noch auf den Gretzerkönig gerichtet, sondern auf zwei Personen, die miteinander zu ringen schienen. Auch die Alpha Cru widmete sich dem Geschehen und bemerkte erschrocken, dass Zeirus Lennox von hinten festhielt, der sich mittlerweile wieder heftig wehrte. Scheinbar klang das Betäubungsmittel langsam wieder an. Allerdings erstarrte der Oblivion, als Zeirus erneut das Messer zum Einsatz brachte und an Lennox' Hals presste, wie bereits bei der Reise zwischen durch. Er übte etwas Druck aus, woraufhin der Oblivion leicht zu bluten begann. Ein eindeutiges Zeichen vonseiten des Darkonerchefs.

Zeirus' Gesichtsausdruck machte deutlich, wie sehr es ihn quälte, den Oblivion zu bedrohen und Orion und Jinx somit zu beschützen. Der Doktor starrte allerdings bloß die Lafora ängstlich an und drehte hektisch den Kopf in alle Richtungen.

„Ich habe euch bereits erwartet", sagte Grarmathacht mit dunkler Stimme.

Auf dem Meeresgrund hatte die Lafora seltsame Symbole gezeichnet, welche sanft glühten.

„Den dharrkon zu bedrohen wird dich und deinen Kumpanen nicht mehr vor dem Ritual bewahren.", sagte die mächtige Kreatur.

„Du hast mir nur befohlen, ihn festzuhalten und zu bedrohen, aber di hast nicht gesagt, dass ich ihn töten soll, sollte euch etwas passieren!", verkündete Zeirus und all sein Hass auf Orion und die Freude über dessen Niederlage wurden in seinem Ton deutlich.

Der Doktor wollte diesen Fehler grade richten, doch bevor es dazu kam, wurden er und Jinx von einem Strudel erfasst und in die Mitte der Symbole gerissen. Goldene Bänder wickelten sich um die beiden und hielten sie an Ort und Stelle fest.

„Es beginnt nun. Ihr alle, schwimmt in die Kugel aus Licht!", ordnete die Grarmathacht an.

Vor den zwei Verbrechern hatte sich ein Ball gebildet, der aus einem Netz aus goldenen Fäden bestand. Alea, Siska, Sammy, Ben und Tess bewegten sich ins Innere der Lichtkugel und auch Zeirus leistete dem Befehl Folge, wobei er Lennox mitzog. Man merkte dem Darkoner allerdings an, dass er darauf achtete, dem Oblivion möglichst keine Schmerzen zuzufügen.

„Ihr Verurteilten, spürt das Leid euer Opfer, auf dass ihr begreift und bereut!", sahte die Lafora mit dröhnender Stimme und begann dann, zu glühen.

Erinnerungen durchfluteten Alea und ein Film der schrecklichsten Momente ihres Lebens wurde vor ihren Augen abgespielt. Sie hörte, wie Orion und Jinx schrien.

Sie wusste nicht, wie lange das Ritual dauerte, doch irgendwann nahmen die Bilder ein Ende und Alea atmete auf. Erst jetzt bemerkte sie, dass sich vereinzelte Tränen aus ihren Augen gelöst hatten.

Die Lichtkugel löste sich auf und die Sicht auf die beiden Verbrecher wurde frei. Vollkommen aufgelöst hockten sie auf dem Boden.

„Nein, nein, nein, was habe ich getan...", murmelte Orion immer wieder und Jinx erging es nicht anders.

„Ich habe euch gerichtet, die ihr Leid verbreitet habt! Aquilius Orion, sprich die Worte der Erlösung und repariere!", sagte die Lafora laut.

Dann verschwand Grarmathacht und ließ sie zurück.

Alea war noch immer überwältigt von dem Ritual. Allerdings fragte sie sich, was Grarmathacht mit Worte der Erlösung gemeint hatte.

„War es...erfolgreich?", fragte Lennox auf einmal und Alea blickte zu ihm.

Der Oblivion wehrte sich nicht gegen den Darkoner, der ihm die Arme auf den Rücken gedreht hatte und unnachgiebig festhielt. Sowohl Lennox als auch Zeirus sahen sehr aufgewühlt aus. Das war ja auch kein Wunder, wenn man bedachte, was der Doktor insbesondere ihnen alles angetan hatten. Alea hegte bereits länger die Vermutung, dass Orion Lennox mehr angetan hatte, als sie selbst wusste. Sie vermutete seit einiger Zeit, dass er ihnen bei weitem nicht alles erzählt hatte, was auf Korsika vorgefallen war. Aber nichts von dem war jetzt von Bedeutung. Denn es war endlich vollbracht.

„Es tut mir so leid!", schluchzte auf einmal Orion.

Niemand sagte etwas. Anders als der Doktor, saß Jinx zusammengekauert auf dem Boden und sagte kein Wort.

„Ich, Aquilius Orion, gebe euch für alle Zeit und unumkehrbar frei, im Namen der Seele des Wassers!", verkündete Orion mit zitternder Stimme.

Alea war verwirrt, denn sie verstand die Worte des Doktors nicht.

Zumindest bis Zeirus keuchte. Und dann Lennox losließ.

Der Darkonerchef schluchzte. Und da begriff auch die Alpha Cru. Der Herrenschwur wurde gebrochen!

Alea erstarrte. Dann murmelte sie selbst die Worte und erkannte anhand von Lennox Zusammenzucken und seinem ungläubigen Blick, dass es funktioniert hatte. Die ganze Zeit über hatte es also bloß der richtigen Worte bedurft!

„Wir...haben es wirklich geschafft.", sagte sie und sah mit großen Augen in die Runde.

Im nächsten Moment fielen sie sich alle in die Arme. Selbst Zeirus war Teil der Umarmung. Sammy schluchzte glücklich und Tess stieß einen lauten Triumphschrei aus.

Orion und Jinx hatten erfahren, was sie ihnen allen angetan hatten. Und sie bereuten es. Der Doktor hatte die Darkoner vom ihrer Hörigkeit erlöst.

Jetzt würde endlich alles gut werden!

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