🌊 Kapitel 19 🌊

New York, hier war ich schon ewig nicht mehr. Nicht weil ich nicht die Möglichkeit dazu gehabt hätte, sondern weil ich den Gedanken nicht ertragen konnte, dass Jordy dort irgendwo ist und ich sie nicht sehen kann.

Nachdem Jordy, den Auftrag für das Modelabel abgeschlossen hat haben wir zusammen beschlossen zurück nach New York zu fliegen. Zusammen mit Lara.

Die letzte Woche, in der Jordy noch das Shooting in LA abschließen musste, hat sich in die Länge gezogen. Es war eine komische Stimmung. Auch wenn sie hin und wieder gelacht hat, zehrt es schon ziemlich an ihr und man kann die Traurigkeit in ihren Augen sehen auch wenn man es nicht wahrhaben will.

Wir waren noch ein paar Tage im Strandhaus, aber so wirklich genossen scheint sie es nicht zu haben. Alleine schlafen tut sie nicht, meist schläft sie bei mir damit sie nicht so alleine ist. Geküsst haben wir uns nicht mehr aber dafür kann ich immer in ihrer Nähe sein.

Zurück nach New York, haben wir den Alaska4T8 Jet genommen, denn das macht das Reisen angenehmer. Kein hektisches einchecken und keine doofe Gepäckaufgabe mit hunderten von Menschen. Keine Sicherheitskontrollen bei denen man alle Kleidungsstücke ablegen muss, sondern einfach nur einsteigen und losfliegen.

Wahrscheinlich war es den Jungs und allen Anderen klar, dass, das zwischen Jordy und mir jetzt wieder etwas mehr werden könnte als nur eine Freundschaft, aber sie haben nichts dazu gesagt. Wir haben den Song fertig aufgenommen, haben sogar ein kleines Musikvideo zusammengeschnitten und Frio findet den Song doch nicht so kitschig.

Sie redet viel über Parker, ich nehme es ihr nicht übel, sie waren lange zusammen und es braucht seine Zeit um das alles zu verkraften. Manchmal scrollt sie durch die Bilder, von ihm auf seiner Insta Seite und ich kann diese Traurigkeit in ihren Augen sehen. Ich weiß, dass das Einzige was ich für sie tun kann, ist, sie zu unterstützen und zuzusehen, dass sie wieder glücklich wird, mit all dem umgehen kann.

Wir setzen Lara in der Wohnung von ihr und Austin ab, bevor wir dann zu Jordys und Parkers Wohnung fahren. Sie liegt relativ zentral, wahrscheinlich kostet sie ein Vermögen. Sie wohnen im obersten Stock, es gibt einen Aufzug, den Jordy aber nicht benutzen will, weil sie meint, dass er ständig stecken bleibt.

Die Wohnung ist klein, gleich rechts neben der Tür ist das Bad, mit einer Dusche, einem Waschbecken und einer Toilette, dahinter steht das Bett mitten in der Wohn,- Essküche. Die beiden Schreibtische sind genau so unaufgeräumt wie der in Alaska von Jordy immer war. Die große Fensterfront gibt den Blick zu der Dachterrasse frei und auf die Häuser von New York. Es ist eine schöne Wohnung.

Die Wände werden geschmückt von hunderten von Fotografien, sie sind farblich aufeinander abgestimmt und ergeben ihr eigenes Gesamtbild. Von Kriegsfotografien, Landschaftsaufnahmen bis hin zu Porträts die zusammengesetzt wurden. Es sieht gut aus, stimmig und total nach Jordy.

Auf dem Schreibtisch kann man genau erkennen wer wo gearbeitet hat, Jordys Platz wird übersäht von Landschaftsaufnahmen und Porträts von Menschen aus Marokko und der Welt. Sie sind meist glücklich. Während an Parkers Computer Bildschirm ein Bild von einem kleinen Mädchen pinnt, dass zerlumpte Kleidung anhat, total dreckig und Staubig in einer Stadt steht die mehr aussieht wie eine Ruine. Auf dem Tisch vor dem Sofa lieget der Walkman von mir, mit zwei paaren von Kopfhörern, ich kann mir vorstellen, wie sie zusammen durch die Wohnung getanzt sind. Ein bisschen fühlt es sich so an, als würde Parker noch hier leben. Als wäre er hier so verdammt präsent. In der Küche kleben noch ein paar Zettel, was man wahrscheinlich besorgen muss und es hängen Bilder von den Beiden am Kühlschrank.

Ich stelle meine Tasche in dem kleinen Hausgang ab, bevor ich Jordy in die Küche folge. Alles hier ist so offen, kein Raum ist wirklich geschlossen.

»Willst du etwas trinken?« fragt sie mich dann. Ihre Stimme zittert, wahrscheinlich erinnert sie alles hier an ihn. Warum auch nicht? Schließlich ist es ihre gemeinsame Wohnung. Die sie über Jahre hinweg zusammen eingerichtet und liebgewonnen haben. Ich gehe auf sie zu, sehe das Zittern ihrer Hand.

Ohne etwas zu sagen, nehme ich sie in den Arm. Was sie am Anfang sehr zu verwirren scheint bevor sie die Umarmung erwidert und ihren Kopf auf meine Brust legt. Ich bette mein Kinn auf ihren Scheitel und streiche ihr über den Rücken. Sie muss mir nichts erklären, nicht dass es schrecklich für sie gerade ist und auch nicht, dass sie am liebsten von hier wegwill.

»Ich bestell uns etwas zu essen okey? Dann können wir morgen zusammen einkaufen!« flüstere ich auf ihren Kopf. »Wird es besser, wenn du mir von ihm erzählst?« frage ich sie dann vorsichtig. Ich glaube ich könnte es aushalten.

Wir bestellen bei irgendeinem Veganen Restaurant, von dem ich davor noch nie etwas gehört habe. Jordy, hat sich dagegen entschieden, über Parker zu reden, denn sie hat Angst, dass es ihr zu weh tut. Deswegen machen wir ein Picknick auf dem Boden, während an die großen Glasscheiben der Wohnung der Regen prasselt.

»Erzählst du mir von dir? Von deinen Auftritten?« fragt sie mich. Sie hat ihre Haare zu einem Nest zusammengebunden.

»Klar!« ich nicke und überlege kurz. »Als wir in China waren, da meinte Frio, dass er mit Theo zusammen unbedingt chinesisch lernen will. Nachdem er den Lehrer beleidigt hat war diese Begeisterung aber leider vorbei. Theo hat es ganz gut raus, aber ich glaube es ist unheimlich schwer. Mike kann außerdem nicht mit Stäbchen essen. Beim Sushi Essen ist er so ausgrastet, dass er mit den Händen gegessen hat. Thalia war sauer auf ihn und meinte, sonst kann er auch immer mit Stöcken umgehen!« Jordy grinst ein wenig als ich ihr das erzähle.

»Er wurde zum besten Schlagzeuger ausgezeichnet?« fragt sie dann, schiebt sich noch ein paar Süßkartoffelpommes in den Mund.

»Ja, zwei Jahre in Folge und er ist dabei es noch ein Jahr zu schaffen.« nicke ich.

»Aber er kann nicht mit Stäbchen essen?« skeptisch hebt sie die Augenbrauen und schüttelt gleichzeitig den Kopf.

»Er ist komisch!« stelle ich fest und zeige mit der Gabel auf Jordy, die immer noch vor sich hin grinst.

»Eure ganze Band ist komisch!« entschließt sie.

»Ich nicht!« wehre ich ab.

»Klar, du hast mich auch nur kennengelernt, weil du mich mit einem Auto angefahren hast!« sie lässt die Pommes in ihrer Hand sinken.

»Ich hätte dich auch so kennengelernt und wäre mit dir zusammengekommen!«

»Nein ich glaube nicht. Wir hatten keine Berührungspunkte. Ich war nicht mit Lara befreundet und habe wirklich alles gemieden, was mit Musik zu tun hatte!« sie zuckt mit den Schultern.

»Also eigentlich, kannst du dich glücklich schätzen, dass ich dich angefahren habe!« halte ich dagegen. »Du und Lara, wären nie beste Freundinnen geworden und du wärst jetzt nicht genau hier!« sie lächelt leicht, aber in ihrem Blick verändert sich etwas. Wahrscheinlich denkt sie wieder an Parker.

»Da hast du wahrscheinlich recht! Aber komm ja nicht auf die Idee, dass das ein super Flirttrick ist! Nachher werden noch reihenweise Menschen angefahren!« sie hebt wieder die Augenbrauen. Das Lächeln kehrt zurück und ich schüttle nur den Kopf.

»Ich werde diesen ultimativen Trick niemand verraten, versprochen!« schwöre ich.

»Warum hast du mich damals angefahren? Ich meine, die Ampel war sicher rot bei dir!« ich seufze und stochere etwas in dem Salat herum, der vor mir steht.

»Wenn ich es noch recht weiß, dann habe ich mir Lara diskutiert. Es ging um das Auto, sie wollte nicht, dass ich sie in die Schule bringe, weil wenn ich nicht da bin, dann steht ihr der Wagen immer zur vollen Verfügung und wenn ich aufkreuze einmal im Jahr, muss sie von ihrem Bruder in die Schule gefahren werden und das findet sie peinlich!« erläutere ich.

»Und was ist aus ihm geworden? Dem alten Toyota?« sie legt den Kopf schief.

»Den gibt es immer noch, allerdings ist er noch älter. Was ist mit Heathers Ultra altem Pickup?« frage ich.

»Den gibt es nicht mehr. Ihr Vater hat ihn verkauft um in das Beobachtungsboot zu investieren. Wahrscheinlich wurde er verschrottet oder fährt irgendwo in einem Lateinamerikanischen Land!« erzählt sie. »War schon eine verrückte Zeit damals!«

»Ja, das war sie! Ich vermisse sie manchmal. Es hört sich vielleicht komisch an, aber danach ist man irgendwie erwachsen geworden und irgendwie ist das nicht so toll wie man es sich immer vorstellt!«

»Ja da hast du recht! Obwohl du jetzt noch älter bist als ich! Du warst damals einundzwanzig und ich erst siebzehn!«

»Danke, dass du mich daran erinnerst!« sie räumt die leeren Verpackungen zusammen. »Danach ist alles so unheimlich ernst geworden. Das war es wohl davor schon aber dann ist es noch schlimmer geworden!« ich lehne mich auf meinen Ellenbogen um sie ansehen zu können. Sie sitzt immer noch im Schneidersitz vor mir. Das zu große T-Shirt fällt über ihre Leggins, die sie anhat.

»Erwachsen werden ist nie einfach! Vor allem, weil es kein Guide oder Geheimrezept dafür gibt. Ich glaube man muss es einfach auf sich zukommen lassen!«

»Ja das stimmt. Man kann eben nicht immer Kind bleiben!« ich fahre das Muster des Teppichs nach. »Oder einundzwanzig!«

»Du bist nur vier Jahre älter als ich Alac und keine zweiundachtzig!« sie schüttelt lächelnd den Kopf. »Aber man sieht dir dein Alter schon an!« sie zuckt mit den Schultern.

»Das stimmt gar nicht!« ich sehe auf und sie grinst breit.

»Doch schon! Diese kleinen Falten da um die Augen, sie werden immer tiefer!« ich schlinge meinen Arm um ihre Hüfte, ziehe sie an mich und schneller als sie reagieren kann, liegt sie unter mir und schnappt nach Luft.

»Ich sehe nicht alt aus!« stelle ich klar. Ich liege halb auf ihr, so dass sie lachend nach Luft ringt.

»Du bist achtundzwanzig Alac, du wirst nicht gerade jünger!« sie tippt mit dem Zeigefinger auf meine Brust und ich verdrehe die Augen.

»Dafür attraktiver!« stelle ich klar, unsere Lippen sind verdammt nah aneinander. Ich könnte die letzten Zentimeter einfach überbrücken und sie küssen, aber ich will nicht, dass es zu schnell für sie ist, dass ich etwas überstürze.

»Geht so!« die legt eine Hand auf meine Brust und sieht mich von unten herauf an. Ohne dass ich weiter darüber nachdenken kann ob ich sie küssen soll oder nicht zieht sie mich an meinem T-Shirt zu sich herunter und gibt mein einen kurzen, festen Kuss. Er ist kurz, aber er reicht und er ist perfekt. Ich rolle mich von ihr, damit ich an die Decke sehen kann. Unsere Hände sind ineinander verschlungen.

»Wie wird das mit uns?« fragt sie dann. Ihre Stimme ist leise, fast ein flüstern.

»Was meinst du?« stelle ich die Gegenfrage und drehe meinen Kopf zu ihr, damit ich sie ansehen kann.

»Alles? Ich meine, wie werden wir zusammenleben? Was ist, wenn du auf Tour gehst? Oder wenn ich einen Auftrag habe, irgendwo?« fragt sie mich. Ich seufze, lege mich auf die Seite und zucke mit den Schultern.

»Ich weiß es nicht! Alaska4T8 wird bis Ende dieses Jahres zurück nach Sitka ziehen. Etwas Eigenes aufbauen und dann werden wir weitersehen!« ich spiele mit ihren Fingern und verschlinge sie immer mal wieder anders mit meinen. »Ich habe dir versprochen, dass ich dir Zeit lassen werde um mit allem klar zu kommen und ich habe versprochen, dass ich nie wieder einfach so gehen werde wie damals in Alaska! Du könntest einfach nachkommen!« schlage ich vor.

»Und wann geht ihr wieder auf Tour?« fragt sie dann.

»Neujahr, da ist das erste Konzert hier in New York, es ist eine kleine Welttournee nur die größten Städte, auf der ganzen Welt!« Jordy seufzt.

»Wie lange dauert sie?«

»Ich denke ein halbes Jahr! Du kannst mitkommen, wenn du willst? Wir werden nicht nur von einer Halle zur nächsten reisen, sondern wir haben auch Zeit das Land zu erkunden!« schlage ich vor. »Hast du Aufträge für nächstes Jahr?«

»Ich habe ein paar Anfragen. Aber ich weiß noch nicht was ich machen werde!« Sie zuckt mit den Schultern.

»Okey, wir sehen erst einmal zu, dass es dir gut geht und alles andere ist egal! Wir können die Tour auch verschieben, das ist auch kein Problem! Du machst jetzt erst einmal das, womit es dir gut geht. Ich warte auf dich in Alaska! Wir können jeden Tag Schreiben oder telefonieren, wenn du willst, aber wir können auch keinen Kontakt haben! Das ist dir überlassen! Für mich wäre es auch in Ordnung, wenn du erst einmal deine Sachen packst und nach Papua-Neuguinea für zwei Jahre ziehst!« ich sehe sie an. »Ich werde auf dich warten!« verspreche ich ihr.

»Ich habe ein wenig Angst Alac!« gibt sie zu und sieht zur Decke.

»Warum?«

»Was ist, wenn ich nach der Zeit herausfinde, dass ich das zwischen uns nicht will?« ich schlucke hart. Ja, daran habe ich auch schon gedacht. Aber ich habe es immer verdrängt, weil ich es nicht wahrhaben wollte.

»Dann muss ich das akzeptieren! Jordy, es ist egal was du in dieser Zeit für dich entscheidest, es ist dein Leben und nicht meines, ich werde dich zu nichts zwingen!« sage ich. »Außerdem finde ich als sexy Musiker bestimmt noch jemand der mit mir nach Alaska ziehen will!« es zaubert ein leichtes Grinsen auf ihr Gesicht.

»Weißt du was komisch ist?« fragt sie mich dann.

»Nein, Gedankenlesen kann ich noch nicht!«

»Dieser Tag, an dem der Anruf kam, dass Parker verschwunden ist, war viel schlimmer, als der Anruf, dass er wirklich tot ist. Diese Ungewissheit war so viel schlimmer als die Gewissheit zum Haben, dass er jetzt keine Schmerzen mehr hat!« ich nicke. »Ich dachte auch, dass wenn du mit hierherkommst, ich von den Erinnerungen hier erschlagen wurde. Aber es ist nicht schlimm für mich! Sollte ich mich dafür schlecht fühlen?«

»Ich denke nicht! Er hätte wahrscheinlich auch nicht gewollt, dass du dein ganzes Leben lang traurig bist!« wehre ich ihre Zweifel ab. »Du hast deine Trauer schon verarbeitet, aber ich denke eine Auszeit tut dir auch gut. Einfach alles zu ordnen ist manchmal sehr gut!«

»Du hättest ihn wirklich gemocht!« sagt sie. »Und er dich wahrscheinlich auch. Es gab einfach niemand den er nicht mochte. Ihn zu beerdigen tut wahrscheinlich gut um alles ab zu schließen.« ich nicke. Sie lächelt leicht.

»Ich bin immer noch neidisch auf ihn, weil du für ihn ein Kleid anziehst und für mich nicht!« stelle ich dann fest. Jordys Lachen wird lauter.

»Du hättest mich am Abschlussball in einem Kleid gesehen! Da bist du selbst schuld!« erklärt sie mir, rückt etwas näher an mich und kuschelt sich an meine Brust.

»Dafür werde ich der Mann sein, der dich einmal in dem schönsten Kleid der Welt sehen wird!«

»Das war der unromantischte Heiratsantrag aller Zeiten und ich werde nicht ja sagen, einfach nur damit du dir etwas romantischeres Überlegen musst!«

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