🌊 Kapitel 11 🌊
»Alac wir müssen reden!« Lara taucht vor mir auf, als ich gerade eine Katerbewältigung mache und starken schwarzen Kaffee trinke zusammen mit einem Glas Wasser, in dem eine Aspirin aufgelöst wurde. Mir ist unheimlich schlecht und mein Schädel versucht sich wie eine Handgranate selbstständig zu machen und gleich zu explodieren.
»Können wir das wann anders machen?« frage ich sie, streiche über meine Stirn und hoffe, dass es einfach nachlässt. Vor allem, dass Lara jetzt nicht noch auf die Idee kommt mich hier mit irgendetwas voll zu labern.
»Es ist wichtig!« stellt sie klar. Vor Jordy habe ich unheimlich Respekt, sie hat sich heute Morgen nach vier Stunden Schlaf zur Arbeit gequält und ich fühle mich, als ob man mich mit einer Planierraupe überfahren hat.
»Wichtiger, als dass ich einen Kater habe?« frage ich sie nach. Heute ist es bewölkt in LA und es ist kalt. Deswegen trage ich ein Sweatshirt, das aber dank meines Katers nicht wirklich wärmend ist.
»Sehr viel Wichtiger!« Lara nickt wild, quetscht sich neben mir auf einen Stuhl und sieht mich eindringlich an. Lara hat die Augen meines Vaters und ich die von meiner Mutter. Dafür habe ich so pechschwarze Haare, dass sie überall hervorstechen.
»Schieß los!« seufze ich, trinke das Glas mit Aspirin auf einem Zug leer. Das kann ja nur anstrengend werden mit meiner Schwester. Sie redet immer so viel und manchmal auch schnell, seitdem sie mit Heather öfter telefoniert, ist es noch viel schlimmer geworden.
»Es geht um Jordy.« erklärt sie. »Und Parker!« setzt sie hinzu. »Und dich!«
»Jordy ist glücklich mit Parker und ich werde mich nicht zwischen sie stellen!« stelle ich seufzend klar, trinke einen Schluck Kaffee, aber Lara schüttelt den Kopf. »Lara hör auf, sie liebt ihn, wahrscheinlich mehr als sie mich geliebt hat und ich will es nicht zerstören! Dann wären die letzten sieben Jahre umsonst gewesen! Dann wäre es umsonst gewesen, dass ich sie verletzt habe!«
»Keine Frage, Parker ist der perfekte Freund für sie und er würde ihr wahrscheinlich die Welt zu Füßen legen. Aber darum geht es nicht! Es geht darum, warum Jordy hier ist.« ich ziehe schmerzlich die Augenbrauen zusammen. Irgendwie übersteigt das gerade die Kompetenz meines verkaterten Hirns.
»Lara, ich kapier nicht was du damit sagen willst!« seufze ich.
»Parker wurde entführt im Nah Ost Konflikt! Er wird seit drei Monaten vermisst zusammen mit sechs anderen Soldaten. Keiner weiß, ob sie überhaupt noch am Leben sind. Es gibt seit drei Monaten kein Lebenszeichen von ihnen.« ich erstarre. Weil ich nicht wirklich daran glauben kann, dass Parker einfach aus Jordys Leben verschwunden ist.
»Lara, mach keine Scherze!« tadle ich an ich. Lara verdreht die Augen, zieht ihr Handy hervor und tippt drauf herum als sie es mir gibt, da ist ein Zeitungsbericht geöffnet: Kein Lebenszeichen von vermissten Soldaten.
Seit nun mehr als drei Monaten gibt es kein Lebenszeichen von den sechs US-Soldaten und einem Fotografen für Krisengebiete, die im Nah Ost Konflikt stationiert waren. Die Sieben, sind vor drei Monaten zu einer Erkundungsfahrt aufgebrochen und sind seitdem mit ihrem Wagen verschwunden. Lösegeldforderungen oder ähnliches über ihren Verbleib gab es bisher noch nicht. P. Adams, berühmter Fotograf für Bilder aus Krisengebieten, sollte eigentlich nur für ein paar Monate in dem Krisengebiet bleiben, um über die Situation der Einheimischen zu berichten. Die US-Armee geht derweil davon aus, dass es keine Chance darauf gibt, dass die Sieben noch am Leben sind. Trotz allem hoffen die Angehörigen auf das Beste.
Darunter sind Bilder von den Vermissten.
P. Adams es ist ein ernstes Bild von ihm, mit einer Soldatenmütze auf dem Kopf und sein Blick ist eisern. Wahrscheinlich wurde es gemacht für die Armee. Trotzdem sieht er verdammt gut aus. Sieht der Typ eigentlich auch irgendwann mal schrecklich aus?
J. Finch, ...
Es werden nochmal fünf Andere aufgeführt, die ich weder kenne noch, dass sie mir bekannt vorkommen. Ich schlucke hart. Ich kann es irgendwie nicht glauben! Und irgendwie braucht die Information unheimlich lange bis ich sie in meinem Alkoholgeschädigten Gehirn überhaupt verarbeiten kann.
»Scheiße!« sage ich, fahre mir über das Gesicht und weiß einfach nicht was ich tun soll. Jordy, verliert die Liebe ihres Lebens. Oder sie hat sie schon verloren. »Was soll ich jetzt tun? Wieso habt ihr sie hergebracht? Ich kapiere es nicht!« meine Hände fahren durch meine Haare und verhaken sich darin.
»Sie redet nicht darüber!« fragend hebe ich meine Augenbrauen. »Seitdem sie die Nachricht bekam, dass er verschwunden ist, ist sie total normal. Zu normal. Sie scheint es nicht wirklich zu interessieren und sie scheint fest davon überzeugt zu sein, dass Parker wieder zurückkommt. Aber das wird er nicht tun, verstehst du?« ich verstehe. Nicht nur das, auch was gestern mit ihr los war. Dass sie total durch den Wind ist. Sie versucht zu vergessen, dass ihr Freund irgendwo von einer Terrorgruppe festgehalten wird und sie ihn wahrscheinlich nie wieder lebendig sieht. Sie versucht zu verdrängen, dass der letzte Kuss am Flughafen, der letzte für immer von den Beiden war und sie versucht zu verdrängen, dass er sie verlassen hat und nie wieder kommt.
»Ja, wahrscheinlich ist er tot! Aber was soll ich tun Lara? Was stellst du dir vor?« ich hebe unschlüssig die Arme. Ich habe keine Ahnung was sie von mir erwartet.
»Sie hat Heather nie von ihrer Mutter erzählt. Geschweige denn mir! Du bist der Einzige, der wirklich darüber Bescheid weiß! Sie vertraut dir und auch wenn das vor sieben Jahren nicht gerade geil für sie war, hat sie immer noch Gefühle für dich und würde dir wahrscheinlich blind vertrauen. So wie sie es bei Parker getan hat.« ich schüttle ganz langsam den Kopf, bevor das Kopfschütteln immer heftiger wird.
»Nein, nein, nein! Lara das mach ich nicht. Ich will, dass sie und ich Freunde bleiben. Dass wir miteinander reden, aber sobald das wieder übergeht von wegen, über die tiefsten Gefühle zu sprechen, laufe ich wieder der Gefahr, dass ich denke es könnte mehr aus uns werden. Das mit Parker ist heftig und ich kann verstehen, dass es nicht leicht ist einen geliebten Menschen zu verlieben. Aber ich kann das nicht! Wie soll ich damit auch umgehen? Ich mag ihn, auch wenn ich ihn noch nie getroffen habe. Und ich habe Angst, dass ich das was er und Jordy zusammen hatten zerstöre, wenn ich mich wieder zu sehr in ihr Leben einmische.« ich ziehe die Zigarettenpackung aus der Hosentasche. »Freunde zu sein bedeutet, dass wir normal miteinander reden. Ihr seid ihre besten Freundinnen. Sie muss mit euch darüber sprechen, wie es tief in ihr aussieht. Aber ich kann das diesmal nicht!« ich wende mich ab und trete auf die Terrasse neben der Küche hinaus.
»Alac!« Lara kommt mir hinterher. »Was wäre so schlimm daran, dass du wieder Gefühle für sie hast?« sieht sie mich an. Ich seufze, blase den weißen Rauch aus meiner Nase und schüttle den Kopf.
»Viel. Weißt du was es bedeutet, wenn ich wieder die gleichen Gefühle für sie habe wie vor sieben Jahren? Dass wir wieder zusammenkommen, dass sie sich in mich verliebt! Glaubst du sie wäre glücklich, hier mit mir? Du siehst an Thalia und Mike was das Leben hier aus einem macht! Ich werde es ihr nicht antun! Das hat sie nicht verdient!« wehre ich ab. Das wird nicht stattfinden.
»Sie braucht jetzt jemand, der für sie da ist! Du bist für sie da, gewesen als das mit ihrer Mutter war, du weißt in Etwa, wie sie auf das alles reagiert und wie du sie dazu bekommst, dass sie mit dir über alles redet! Ich kann das nicht! Genau so wenig wie Thalia oder Heather oder Ray. Der Einzige, der das auch konnte, war Parker! Er war es auch, der ihr geholfen hat über dich hinweg zu kommen!« ich hebe die Zigarette noch einmal an meine Lippen, um den Rauch zu inhalieren.
»Ich kann es nicht tun! Und du musst es verstehen!« erkläre ich ihr Kopfschüttelnd. Wenn sie sich wirklich wieder in mich verliebt, wenn die alten Gefühle aufschäumen, oder wenn sie sich aus Verzweiflung wegen des Verlustes von Parker an mich klammert, ist es nie gut für eine Beziehung. Vielleicht bin ich der Einzige, mit dem sie über all das Reden will! Aber ich glaube, dass ich nicht dazu bereit bin es zu tun. Weil ich auf mich selbst achten wollte. Darauf, dass ich glücklich werde und nicht, dass ich mich wieder um alle kümmre.
»Sie wird daran zerbrechen!« versucht Lara nochmal anzusetzen.
»Hör auf damit! Was ist, wenn er wieder zurückkommt?« er ist nicht einmal tot. Er könnte genau so gut morgen vor der Tür stehen und alle freuen sich darüber, dass er wieder da ist!
»Alac, verdammt!« flucht Lara. »Dein Wunsch war es, dass sie glücklich wird, und das ist sie nicht!« ich presse die Zähne aufeinander. Ja das war es und es war auch mein Plan, aber das war vor sieben Jahren und ich sollte auch mal an mich denken.
»Wieso kann nicht einmal was in meinem Leben normal laufen?« wütend schnippe ich die Zigarette von mir. »Wenn sie Hilfe braucht, dann muss sie auf mich zukommen. Verdammt, weißt du was das alles ändern würde wenn dieser Parker das nicht überlebt?« es würde sich verdammt nochmal alles ändern. Es würde heißten, dass Jordy am Boden ist. Ich nicht nur an mich denken kann, weil ich will, dass sie glücklich ist und dass ich wieder die Chance hätte die Liebe meines Lebens zurückzuerobern. Und schon alleine diese kleine Chance lässt mein Herz höherschlagen. Aber es bedeutet auch, dass Jordy in diese Welt eintauchen müsste, in die Welt, von Musikern, Superstars und Menschen, die meinen sie und unsere Beziehung zueinander zu kennen.
»Ja, ich weiß was es bedeutet, wenn er nicht zurückkommt!« sie nickt und ihrem Blick liegt etwas Trauriges. »Aber für sie ist es viel schlimmer, wenn er nicht zurückkommt und niemand für sie da ist!« ich schlucke hart.
»Aber ich weiß nicht, ob ich dieser Jemand für sie sein kann. Oder ob ich es immer noch bin, dem sie vertraut! Es ist alles sieben Jahre her!« und sieben Jahre sind eine verdammt lange Zeit.
»Ich weiß, dass du es sein kannst! Ihr müsst dieses Vertrauen wieder langsam aufbauen!« ich verdrehe die Augen. Meine Schwester erwartet Sachen von mir, die ich eigentlich nie wieder tun wollte. »Du musst mir versprechen, dass du es wenigstens versuchst!«
»Warum, ist es so schwer, einfach mit ihr befreundet zu sein?« es liegt fast schon etwas Wütendes in meiner Stimme. Ich will, dass es wieder klappt zwischen uns und dass wir gut miteinander auskommen. Aber ich weiß nicht, ob ich für sie da sein kann, wenn die Liebe ihres Lebens stirbt.
»Weil die Gefühle zwischen euch nie für eine Freundschaft ausgelegt waren! Du liebst sie, das kann jeder sehen und sie hat auch noch Gefühle für dich. Auch wenn die für Parker gerade stärker sind. Das was du für sie getan hast, vor sieben Jahren, war der größte Liebesbeweis, den es gibt. Aber jetzt ist es an der Zeit, dass du für sie da bist. Auch wenn es bedeutet, dass alte Gefühle wieder an die Oberfläche kommen!« und genau das wollte ich vermeiden.
»Wir werden sehen! Sie hat mir nicht einmal erzählt, dass Parker vermisst wird!« wehre ich ab. Ich will sie zu nichts drängen.
»Also versuchst du es?« hakt sie nach. In ihren Augen leuchtet ein bisschen Hoffnung auf. Ich seufze, es bleibt mir fast nichts anderes übrig.
»Wenn es scheitert, dann bin ich nicht schuld!« erkläre ich ihr. »Und jetzt liege ich eine Weile hin, dieser Kopfschmerzen bringen mich noch um!« ich drücke mich an ihr vorbei ins Wohnzimmer, um mich dort auf das große Sofa zu legen.
Es tut gut die Augen zu schließen und einfach mal ein bisschen abzuschalten. Auch wenn es bedeutet, dass hinter meinem Inneren Auge immer und immer wieder das Gespräch zwischen Lara und mir abläuft.
Parker wird nicht lebend zurückkommen. Bei dieser Sache muss ich mir nichts vormachen. Und ich fühle mich schlecht, dass ich mich ein bisschen darüber freue. Es geht um ein Menschenleben, es geht um Jordys Liebe. Es bedeutet für sie, dass sie jemanden verliert, den sie vier Jahre lang geliebt hat und der für sie vier Jahre lang da war.
Jordy, wird daran zerbrechen, wenn niemand für sie da ist. Und ihre Freundinnen können diese große Lücke, die er hinterlassen wird, nicht füllen. Der Einzige, der es schaffen könnte, bin ich, denn ich habe die gleiche Lücke hinterlassen. Doch wenn ich diese Lücke von mir wieder fülle, treten auch die Gefühle wieder zu Tage, die ich eigentlich vermeiden wollte. Die ich verdrängt habe und die bei ihr wahrscheinlich fast nicht mehr vorhanden sind.
Immerhin erklärt das alles ihr Verhalten, von gestern.
Sie vermisst ihn, denkt wahrscheinlich jeden Tag an ihn und will ihn wieder zurück, genauso wie sie mich damals zurückwollte. Doch der Unterschied ist, dass ich noch lebe und greifbar bin und er nie wieder zurückkommen wird. Egal wie sehr sie es will.
»Hey, Alac!« eine Stimme weckt mich auf und ich zucke zusammen, so dass die Kopfschmerzen wie ein Blitz zurückkommen und mein Schädel pulsiert. Ich reiße erst die Augen auf, bevor ich sie dann wieder schnell schließe. »Hast du einen Kater?« fragt dann Jordy, in ihrer Stimme liegt ein Lächeln. Kurz darauf legt sich etwas Kaltes auf meine Stirn. Es dauert eine Weile, bevor ich kapiere, dass es ihre Hand ist.
»Wie schaffst du das mit nur vier Stunden Schlaf?« frage ich sie verwirrt. Allerdings lasse ich meine Augen geschlossen. Ich glaube ich schaffe es nicht sie anzusehen, ohne mich zu übergeben. Wird der Kater eigentlich auch irgendwann mal besser?
»Vielleicht wirst du alt?« schlägt sie vor. Ihre Hand bleibt auf meiner Stirn liegen.
»Scheint so!« bestätige ich und ich höre ihr Lächeln durch die Stille.
»Meinst du nicht, es wäre besser, wenn du ins Bett liegst, ohne Schuhe und ohne Jeans?« fragt sie dann kritisch. »Ich bring dir auch was zu essen vorbei. Weißt du wo die Anderen sind?« setzt sie dann dazu.
»Thalia ist seit heute Morgen bei einer Freundin, Lara, keine Ahnung. Frio und Mara sind mit Phil und Theo im Strandhaus!« erkläre ich so kurz wie möglich.
»Na gut, dann kümmere ich mich um dich! Kannst du aufstehen?« ihre Hand wird von meiner Stirn entfernt und legt sich um mein Handgelenk, vorsichtig zieht sie mich nach oben, damit ich mich aufsetze.
»Es war glaube ich einfach zu viel gestern.« langsam öffne ich meine Augen. Es dämmert draußen und die Übelkeit steigt in mir auf. Irgendwas habe ich bei der Katerbekämpfung falsch gemacht.
»Jetzt komm!« sie zieht mich auf die Beine, einen kurzen Moment wird mir unheimlich schlecht, bevor es dann wieder geht. Sie mustert mich kritisch.
Langsam gehen wir zusammen nach oben. Sie hilft mir aus den Schuhen, bevor ich die Hose öffne und abstreife. Dann kann ich mich endlich in mein Bett fallen lassen. Jordy betrachtet mich dabei, als wäre ich das Jugendliche Kind, dass zum ersten Mal betrunken nach Hause kommt und sie die Mutter ist, die etwas ratlos ist.
»Ich mach dir was zu Essen und du versucht bis dahin nicht zu sterben.« schlägt sie dann vor und grinst.
»Klingt super! Bringst du Cola mit?« frage ich sie dann. Alles was ich brauche ist wahrscheinlich eine große Runde schlaf. Und danach nochmal eine Aspirin und ein starken Kaffee, danach bin ich wieder fit wie ein Turnschuh.
»Klar, nicht einschlafen bis dahin!«
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