Kapitel 28

Lea Michele - Run to you

Donnerstag, 9. Januar

Can

Ich sitze in der Mensa und beobachte Shana. Shana ist immer mit diesem Mädchen und dieses Mädchen begafft Shana, was sie gar nicht bemerkt. Die Kommilitonin schaut oft auf Shanas Brüste - ich auch. Shana redet nicht mehr mit mir... das ist schade. Meine Mutter wollte mit mir reden, aber ich habe abgeblockt. Sie hat es mitbekommen und war deswegen sehr deprimiert. Ich habe einfach Shana beobachtet, wenn sie mich nicht gesehen hat. Das hat mir Gesellschaft bereitet. Shana schaut hier hin, aber sie weiß nicht, dass ich sie beobachte, weil ich sie über mein Handy beobachte. Sie sieht so traurig aus. Traurig wegen mir. Aber Aykan und sie... nein. Das geht nicht mehr. Ich hoffe, Shana bleibt die ganze Stunde hier, damit ich sie beobachten kann. Sie sieht hübsch aus. Aber sie ist zu oft traurig. Das mag ich nicht. Und wenn sie weint, muss ich wegschauen, weil es sich in mir komisch anfühlt. Ich würde gerne wieder mit ihr reden, aber ich habe irgendwie Angst. Sie hat akzeptiert, dass ich nichts mehr möchte. Die beiden reden, wobei Shana nickt und das Mädchen mit den kurzen Haaren aufsteht. Mein Handy lege ich sofort hin und tue so, als ob ich mir etwas in meinem Buch durchlese. Konnte das Mädchen nicht einfach sitzen bleiben? Sitzen bleiben, aber Shana nicht begaffen? Okay, Shana hat einen tollen Körper, aber die Kurzhaarige ist doch bestimmt vergeben. Wieso braucht sie so lange? Ungeduldig murre ich und schaue kurz zur Seite. Sie läuft mit zwei Riegeln zurück und gibt Shana einen. Sofort nehme ich mir mein Handy zur Hand und zoome dran. Das ist Mr. Tom. Shana verträgt keine Erdnüsse! Verdammt, wieso isst sie das? Ich spanne mich an und versuche mich abzulenken, was aber nicht geht, weil ich auf Shanas Wangen schauen muss. Sie ist zum Glück nicht dünner geworden, sie sieht gut aus. Gut, aber traurig.

Als Shana einige Bisse vom Riegel nimmt, legt sie ihn zurück und schließt ihre Augen. Ist sie müde? Ich lege mein Handy zurück und sehe, dass sie versucht ruhig zu atmen. Nein, nein, nein, alles bloß das nicht! Ich klammere mich am Tisch fest. Vielleicht reagiere ich nur über. Shana atmet jetzt schneller und auch die Kommilitonin scheint es zu bemerken. Nein, nein, lass es ihr gut gehen! Sie kratzt ihren Hals und ihre Arme, während sie sich nebenbei Luft zufächelt. Gott, ihr ganzes Dekolleté ist rot! Ich stehe auf, da ich nicht ruhig bleiben kann und laufe zögernd, aber schnell auf Shana zu, die mir benommen erscheint. "Ruf einen Krankenwagen und sag, dass es sich um einen anaphylaktischen Schock handelt", zische ich, da ich wütend auf die Blonde bin. Vorsichtig nähere ich mich Shana und spüre, wie schnell mein Herz schlägt. Scheiße, sie sieht gar nicht gut aus. Ihre Augen sind fast geschlossen. Bleib hier, bitte. Mir ist echt warm jetzt und trotzdem ist mir irgendwie kalt. "Hörst du mich?", frage ich, kriege aber keine Antwort. Stattdessen fällt sie zu mir nach vorne, weswegen ich panisch werde. Nein, bitte krieg noch Luft, Shana! "Ruf sofort an!", brülle ich das Weib an, die schon am Telefonieren ist und höre Shana nicht atmen. Fuck, fuck, fuck! "Atemnot!", presse ich laut hervor und lege Shana vorsichtig auf den Boden. Ihr darf nichts passieren, ihr darf nichts passieren, Gott! Ich verdränge meine Albträume und eine Bluthustende Shana in meinen Gedanken und denke nicht einmal nach, bevor ich sie beatme. Gott, fühlt sich das gut an, auch wenn ich total panisch bin. "Sie kommen in fünf Minuten, meinen sie", informiert mich das Mädchen, die Shanas Blutdruck misst. "Was gibst du ihr auch Erdnüsse? Sie reagiert allergisch drauf", fauche ich sie an und beatme Shana weiter. Ihr Mund schmeckt so süß.

"Das hat sie mir nicht erzählt!", zickt sie mich an, was mich gerade nicht interessiert. Shana, musst du auf so vieles so scheiße reagieren? Bitte kein Herz-Kreislauf-Stillstand. Hektisch mache ich weiter und bete, dass ihr nichts passiert. Ihr darf nichts passieren, sie ist doch Shana... meine Shana. "Sie hat eine Tachykardie, aber keinen Stillstand - hoffe ich!" Ich bete, dass es ihr gut geht. "Komm schon, Shana." Ich ziehe angestrengt meine Augenbrauen zusammen und drücke ihre Hand, als die Notfallärzte reinkommen und sie in die Schocklagerung bringen. Sie beatmen Shana sofort, was mich etwas beruhigt. Ihr wird es besser gehen, es wird alles wieder gut. Shana schafft das, Shana ist stark. Nervös fahre ich mir durch mein Haar und schließe zischend meine Augen, als ich Kopfschmerzen bekomme. Es piept, aber ich schaue trotzdem zu Shana, gucke aber wieder weg. Ich kann es nicht sehen, wenn Shana irgendwie leiden muss. Meine arme Shana. Ich will, dass es ihr gut geht. Ich helfe ihr! "Adrenalin", sagt der Notarzt und kriegt sofort eine Spritze an Adrenalin, die er Shana verabreicht, woraufhin eine Infusion mit Volumenersatzlösung kommt. Wieso muss ihr das passieren? "Tom, sie muss intubiert werden. Die Atemwege sind zu geschwollen." Wie? Kriegt Shana keine Luft?! Ich atme schneller und gehe weiter zurück. Ich muss ruhig bleiben, sonst kann ich nicht atmen. Nein, ihr wird es besser gehen. Shana kriegt das hin. Bitte Gott! Sie soll gesund und munter werden. Ich drehe mich um, da ich nicht sehen will, wie Shana intubiert wird. Seit wann reagiert sie so heftig auf Erdnüsse? Das war früher nie so. "Okay, auf die Liege." Ich drehe mich um und senke den Blick, da ich den Tubus nicht sehen will. Die Liege wird so eingestellt, dass die Beine höher liegen, woraufhin das dumme Mädchen, die Shana den Riegel gegeben hat, mit den Notärzten mitgeht.

Ich raufe mir meine Haare, als ich alleine bin. Kein Idiot ist hier, der etwas mitbekommen haben könnte. Ausgerechnet heute ist keiner in der Mensa gewesen. Wenn ich nicht da wäre, dann hätte sie ihre Lippen auf Shanas gelegt. Nein, ihre Lippen dürfen die anderer nicht berühren. Ich war der Erste! Und Aykan der Hund hat es auch getan! Ich muss ihn wieder schlagen, aber ich muss wissen, wie es Shana jetzt geht. Sie wird bestimmt bis morgen dortbleiben müssen. Hoffentlich wird sie schnell wieder zu sich kommen. Soll ich sie besuchen gehen? Sie will mich doch sowieso nicht mehr sehen. Ich doch auch nicht... doch, ich will! Schnell setze ich mich hin und halte die Patrone meiner Kette fest in meiner Hand, bevor ich bete. Shana muss gesund werden. Sie wird bestimmt einer Hyposensibilisierung unterzogen, aber das braucht sie. Wie sie sich wohl gefühlt hat, keine Luft zu kriegen? Sowie ich, als sie mich anfassen wollte? Sie war doch schon einmal im Krankenhaus... wegen mir. Ich haue mir einmal gegen die Schläfe und brumme. Was habe ich da gemacht? Aber sie hat mich doch betrogen, aber sie lag im Krankenhaus, vielleicht... ich bin verwirrt. Seufzend lasse ich von der Patrone ab und wippe mit meinem Bein auf und ab. Mein linker Arm zittert etwas, weswegen ich ihn zwischen meinen Beinen einquetsche. Soll ich zu ihr? Aber irgendwie will ich nicht, aber irgendwie will ich mehr zu ihr, als dass ich es nicht will. Langsam packe ich meine Sachen zusammen und nehme Shanas angebissenen Mr. Tom an mich, den ich mir langsam über meine Lippen fahren lasse. Vielleicht beruhigen mich Erdnüsse oder die Tatsache, dass es Shana gehört.

Langsam laufe ich durch den Flur und bin immer noch unsicher, ob ich Shana besuchen soll. Ich warte etwas und knabbere am Riegel, bis fünfzehn Minuten umgegangen sind. Ich erwische unseren Orthopädie Professor und schildere ihm das Geschehnis. Er erklärt sich bereit, Shana per Email die Folien für heute und morgen zu schicken und auch den anderen Professoren Bescheid zu geben. Wenigstens ist das geklärt, sonst macht sie sich wegen den fünf Klausuren, die wir vor uns haben, Sorgen. Langsam laufe ich raus und bleibe wieder stehen. Das ist schwerer, als gedacht. Wenn sie mich nicht sehen will, dann... dann wäre das nicht so schön. Murrend reiße ich mich zusammen und fahre schnell ins Krankenhaus. Shana müsste eigentlich auf der Intensivstation sein, sowie damals. An der Pforte erfahre ich, wo ich hinmuss und stehe dann nervös auf der Intensivstation. Soll ich jetzt auf die A Seite oder soll ich noch warten? Vielleicht redet sie noch mit diesem Mädchen. Wehe das Mädchen begafft wieder ihre Brüste. Brummend setze ich mich auf einen der Stühle hin und spiele am Haargummi herum. Eigentlich wollte ich es schon lange abmachen, aber ich konnte nicht. Vom Inhalt der Patrone konnte ich mich auch nicht trennen - es geht einfach nicht. Wie lange bleibt diese Kommilitonin bei ihr? Wegen ihr ist Shana doch hier im Krankenhaus! Soll ich Shana etwas kaufen? Ich... vielleicht finde ich hier ja irgendetwas. Ein Antiallergikum wäre doch praktisch, aber ich glaube nicht, dass das jetzt passen würde. Ach, ich gehe einfach ohne. Vielleicht kann ich ihr dann etwas kaufen, wenn ich klarer im Kopf bin.

Langsam stehe ich auf und ziehe an meinem Zeigefinger, während ich auf Shanas Zimmer zulaufe und zögernd klopfe. Ich öffne die Tür. Mir ist echt warm und als Shana mich ansieht wird es nicht besser. Ihre Augen weiten sich. Sie sieht müde aus. Die kurzhaarige Blondine weiß direkt Bescheid und steht auf - wenigstens macht sie jetzt etwas richtig. Als ich drin bin und die Blonde draußen, senkt Shana ihren Blick. Was soll ich jetzt machen? Wieso bin ich überhaupt hierhin gekommen? Weil sie in Gefahr war? Ja, deswegen und weil ich sie beschützen muss. Ich... ich fühle doch immer noch so stark für sie. "Hi", murmele ich und setze mich auf den Stuhl. Shana schaut mich nicht an, sondern schaut konzentriert auf die Wand. "Ich habe dir eine Mund zu Mund Beatmung gegeben", informiere ich sie leise und lasse meine Zeigefinger gegeneinanderprallen, da ich echt nervös bin. Ich glaube, mein Rücken ist schon am Schwitzen. "Geht es dir besser?", frage ich zögernd, weil keine Antwort bis jetzt gekommen ist. Sie nickt. Das ist gut. "Hyposensibilisierung, das brauchst du." Ich komme mir wie Shana vor, da ich versuche, mit Medizin, eine Konversation zu führen. "Der anaphylaktische Schock ist wegen der Trauer entstanden. Auch durch Stress und Trauer können Allergien entstehen. Ich bin zwar ein Sonderfall, aber wann bin ich es bitte nicht?" Ihre leise Stimme ist so schön. Ich habe Shana echt lange nicht mehr sprechen gehört und spüre eine starke Gänsehaut jetzt. Aber ich bin daran schuld, dass sie hier ist. Das ist nicht gut. Schuldbewusst senke ich den Kopf. Will sie mich gar nicht mehr? Es wird still im Raum. In meinem Kopf rattert es. Soll ich irgendwie eine Frage stellen? Wenn wir reden würden, könnte ich heute vielleicht beruhigt einschlafen und vielleicht keine Albträume bekommen.

"Möchtest du... noch überhaupt mit mir reden?", murmele ich nach langem Schweigen. Langsam bewegt sich ihr Kopf zu mir. Sie sieht so atemberaubend schön aus. "Du... du möchtest mit mir reden?", fragt sie leise und zeigt auf sich. Ich nicke. Das scheint sie sehr zu überraschen. Ich bin auch überrascht von mir. "Das..." Sie sagt nichts mehr und schaut auf die Decke. Shana denkt nach. Ihre Augen schauen überall hin, woraufhin sie ihre braunen Augen schließt. "Nur wenn du zur Therapie gehst", flüstert sie. Ich war einmal da und das hat nichts gebracht. "Bitte, Can. Tu es für deine Mutter und geh zur Therapie. Wenn wir normal miteinander reden wollen und vielleicht... vielleicht wieder mehr erreichen wollen, dann musst du etwas tun." Mehr? Ja! Ich... ich glaube, ich will wieder bei mehr sein. Aber das wird schwer. Shana hat sich auch zurückgezogen, aber das ist okay - schätze ich. Das akzeptiere ich. "Ich werde gehen." In mir macht sich Hoffnung breit. Seit der Hochzeit will ich mich Shana reden, hatte aber nie den Mut dazu. Manchmal war ich auch zu wütend, um an Shana zu denken. Ich habe ihr wehgetan... ich habe sie an ihren Haaren gezogen und sie auf den Boden geschmissen. Aber das kam unkontrollierbar rüber. Ich wollte das gar nicht! Bin ich ein schlechter Mensch? Für Shana kann ich bestimmt wieder ein guter Mensch werden. "Ich mache es wieder gut, Shana." Ihre Augen weiten sich, weil ich ihren Namen gesagt habe. Sie hat ihn lange nicht mehr aus meinem Mund gehört. Ihre Augen leuchten, was wunderschön aussieht. Ich will, dass ihre Augen öfters glitzern. Zögernd halte ich ihr meinen kleinen Finger hin, woraufhin sie, mit einem kleinen Lächeln, ihren kleinen Finger in meinen einhakt. So versprechen wir uns immer etwas. "Wir werden es bestimmt schaffen wieder da zu sein, wo wir sein wollen", sage ich. Shana nickt und senkt ihren Blick. "Hoffentlich", flüstert sie und wischt sich über ihre Augen. Nein, nicht weinen! Ich will ihre Tränen wegwischen, tue es aber aus Angst nicht. Ich habe manchmal immer noch das Gefühl, dass ich brenne, wenn Shana mich anfasst.

Ich kann nicht, ohne Shana. Auch, wenn es gerade total abgefuckt bei mir ist und ich mich nicht einmal an Dinge erinnern kann, die ich getan habe, ich mache alles wieder gut! "Aber, Can", setzt sie an. "Bitte schlaf nie wieder mit anderen Mädchen und vor allem nicht mit Aleyna." Sie verzieht verletzt ihr Gesicht. Beschämt schaue ich auf unsere Finger, die immer noch verbunden sind. Was habe ich für verfickte Aktionen abgezogen? War ich überhaupt richtig bei Verstand? Ich weiß nur, dass ich Shanas Namen gestöhnt habe - mehrmals, fast immer, wenn wir es getan haben. Ich glaube sogar, ich habe mir vorgestellt, wie ich es Shana besorgt habe. Vielleicht bin ich auch nur deswegen gekommen. Aber das erzähle ich ihr lieber nicht, sonst greift sie mich noch an oder hält mich für gestört. "Ich tue es nie wieder. Ich erinnere mich kaum noch daran. Ich schwöre, ich tue so etwas nie wieder. Ich bereue es. Ich bin ein Arschloch und dumm und... gestört und krank", murmele ich am Ende und balle meine freie Hand zu einer Faust. Ich will nicht gestört und krank sein, aber ich bin es - ich war es schon immer. Aber für Shana ändere ich mich. Es wird wieder still. Nach einigen Minuten löst sich Shanas kleiner Finger von meinem, was ich schade finde. Es war so schön. "Musst du nicht zurück in die Uni?" Stimmt! "Die Professoren schicken dir die Folien und ich sage Ramazan und so Bescheid, dass du hier bist und ich gehe heute zur Therapie, wenn ich es schaffe! Ich erzähle dir dann vielleicht davon", nuschele ich beschämt am Ende. Mit einem kleinen Lächeln nickt sie und winkt mir dann, was ich erwidere. Langsam verlasse ich das Krankenhaus und fühle mich besser. Ich habe nicht diesen komischen Druck im Körper, ich fühle mich befreit! Ich habe jetzt wieder etwas vor Augen, wofür es sich zu Kämpfen lohnt. Das war eigentlich schon immer so, nur ist es durch Aykan - den Hundesohn - verdeckt worden. Ich tue das für uns. Wir werden vielleicht wieder glücklich. Ohne Shana geht nichts, und sie hat immer versucht mir zu helfen, was ich abgelehnt habe - oft aggressiv. Aber an viele schlimme Dinge erinnere ich mich nicht, die ich aber trotzdem gemacht haben soll. Ich hoffe, ich erinnere mich nie wieder daran, denn das würde mich zerstören und erniedrigen. Ich muss nur noch an Shana denken.

Sie ist mein Medikament, sie ist meine Ärztin, meine Psychologin, sie ist mein Alles, was ich mir zurück erkämpfen muss.

Shana ist mein Licht in der Dunkelheit.

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Na? Wer grinst?

Ich wollte es eigentlich noch mehr in die Länge ziehen, aber ich hatte keine Ideen mehr 🤡

Also ich will immer noch eine Kommentarvergewaltigung wenn die es miteinander treiben. Mehr als beim Epilog von Ignoranz - das kriegt ihr doch hin, oder?

Bis jetzt habe ich 27 Stunden und 20 Minuten ohne Schlaf hinter mir, ich coole Socke 🤡

- Helo

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